OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.01.2005 - I-22 U 81/04
Fundstelle
openJur 2011, 36399
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 24. Mai 2004 abgeän-dert.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläge-rin 44.562,14 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.8.2003 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner ver-pflichtet sind, der Klägerin sämtliche materiellen Schäden zu erset-zen, die ihr aus dem Unfallereignis vom 27.03.2002 auf der Kreu-zung M.-straße/P.-straße in K. künftig entstehen, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergehen.

Wegen des weitergehenden Zinsanspruches wird die Klage abge-wiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Voll-streckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des je-weils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

A.

Die Klägerin verlangt Schadensersatz wegen eines Unfalls, den sie am 27.03.2002 an einer Baustelle der Beklagten zu 1. erlitt.

Die Beklagte zu 1. erstellte im März 2002 in K. im Bereich P.-straße/M.-straße ein Bauvorhaben. Der Beklagte zu 2 war Bauleiter dieser Baustelle, der Beklagte zu 3 hatte als Schachtmeister die Tätigkeiten auf der Baustelle zu koordinieren.

Im Zuge der Bauarbeiten wurde in der Einmündung der P.-straße in die M.-straße quer zur Einmündung auf der Fahrbahn der P.-straße ein ca. 90 cm breiter und 3 m tiefer Graben ausgehoben. Mittig über diesen Graben wurden 2 nicht bündig nebeneinander liegende Metallplatten von insgesamt 2,48 m Breite über den Graben gelegt, damit sowohl Fahrzeuge als auch Fußgänger die Baustelle passieren konnten. Rechts und links davon wurden Absperrbaken aufgestellt, die jeweils durch eine Querlatte in Handlaufhöhe verbunden waren. An der östlichen Seite der Überquerung waren am Tag des Unfalls, dem 27.3.2002, die Ausschachtungsarbeiten bereits abgeschlossen, an der westlichen Seite, an der die Klägerin gestürzt ist, noch nicht. In diesem Bereich standen rechts und links des Grabens ein Lkw und ein Bagger zur zusätzlichen Absicherung. Die Aufbruchgenehmigung für das Bauvorhaben war befristet vom 28.03.2002 bis zum 12.04.2002, die Genehmigung zur Durchführung der Straßenarbeiten wurde auf den 02.04.2002 datiert.

Am 27.03.2002 überquerte die Klägerin zusammen mit ihrer Tochter und ihrer Enkelin den Graben über die aufgelegten Platten. Sie kam zu Fall und rutschte in die Baugrube. Dabei erlitt sie erhebliche Verletzungen, u.a. eine Fraktur der rechten Schulter, eine Rippenserienfraktur, eine Kopfplatzwunde und Prellungen; eine Lendenwirbelfraktur wurde erst im Mai 2002, eine Oberschenkelhalsfraktur im Juni 2002 diagnostiziert. Wegen der Einzelheiten des Vortrages der Klägerin zu den Verletzungen und Verletzungsfolgen wird auf Seiten 5 - 8 der Klageschrift (Bl. 5 - 8 GA) verwiesen.

Die Klägerin macht Verletzung der Verkehrssicherungspflicht geltend. Sie hat behauptet, die Platten seien instabil gewesen und hätten beim Betreten gewackelt. Deshalb sei sie gestolpert und noch an der Platte hängengeblieben. Außerdem seien die zur westlichen Begrenzung des Überweges aufgestellten Baken mit Querlatte nicht direkt im Anschluss an die Metallplatten aufgestellt gewesen, sondern in einem Abstand von mindestens 30 - 40 cm. Die Absperrungen hätten den Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen (RSA) und den zusätzlichen technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für Sicherungsarbeiten an Arbeitsstellen an Straßen (ZTV-SA) nicht genügt. Ursächlich für den Sturz sei die mangelhafte Absicherung der Baustelle gewesen. Sie hat die Meinung vertreten, erschwerend wirke, dass es am Unfalltag keine behördliche Genehmigung für die Baugrube gegeben habe. Die fehlende Genehmigung kehre die Beweislast um, sie lasse vermuten, dass die Baustelle nicht ausreichend gesichert gewesen sei. Die Klägerin hat Erstattung von im Zusammenhang mit den Verletzungsfolgen stehenden Aufwendungen und ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens 40.000 €, sowie Feststellung der Ersatzpflicht für weitere materielle Schäden begehrt.

Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, sie hätten ihrer Verkehrssicherungspflicht genügt. Die Baustelle sei ordnungsgemäß gesichert gewesen. Sie haben ein Vibrieren der Platten bestritten. Diese hätten ein Gewicht von 1 t und lägen durch das Eigengewicht fest auf. Die Absperrbaken mit jeweils einer Querstrebe hätten an beiden Seiten auf den Platten gestanden. Es sei angesichts der guten Sichtverhältnisse, der deutlich sichtbaren Grube und der ausreichend breiten Überquerungsmöglichkeit unverständlich, wie der Unfall habe passieren können.

Der Beklagte zu 2 hat geltend gemacht, er habe als Bauleiter nicht ständig an der Baustelle anwesend sein müssen und sich auf den langjährigen verantwortungsbewussten Mitarbeiter, den Beklagten zu 3 verlassen dürfen. Am Unfalltage sei auf der östlichen Seite eine Absperrung mit zwei Querverstrebungen vorhanden gewesen, an der westlichen Seite, an der unstreitig die Klägerin gestürzt ist, sei eine solche wegen der dort noch nicht abgeschlossenen Arbeiten noch nicht möglich gewesen. Im übrigen hätte eine weitere Verstrebung den Sturz nicht verhindern können, weil die Klägerin unter der Absperrung durchgerutscht sein müsse.

Der Beklagte zu 3 hat geltend gemacht, er sei nicht verantwortlich zu machen, weil er an der Baustelle nur eine nachrangige Tätigkeit ausgeübt habe.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme darüber, ob die Platten instabil waren und einen Wippeffekt beim Überqueren erzeugt haben, durch Urteil vom 24.05.2004 die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Klägerin habe nicht bewiesen, dass ihr gegenüber eine Verkehrssicherungspflicht verletzt worden sei. Verkehrsteilnehmer dürften nicht erwarten, dass die Sicherungspflichtigen die Verkehrsfläche völlig gefahrlos und frei von Mängeln zur Verfügung stellten, es seien nur die Vorkehrungen zu treffen, die nach den Sicherheitserwartungen des jeweiligen Verkehrs geeignet seien, Gefahren von Dritten tunlichst abzuwenden; gerade die Eigenverantwortung des Geschädigten stelle ein wesentliches Kriterium dar. Die Sicherungserwartungen seien gegenüber solchen Gefahren herabgesetzt, die jedem vor Augen stehen müssten. Technische Regelwerke und DIN-Vorschriften könnten den Inhalt einer Verkehrssicherungspflicht konkretisieren, aus einem Verstoß gegen diese Vorschriften ergebe sich aber nicht zwingend die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Nach diesen Grundsätzen sei eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nicht feststellbar. Es sei nicht erwiesen, dass die Metallplatten, welche die Baugrube abdeckten, beim Betreten in relevanter Weise gewackelt bzw. gewippt hätten. Es sei irrelevant, dass die Platten unstreitig nicht bündig nebeneinander lagen, denn dieses sei nach ihrem eigenen Vortrag für die Klägerin erkennbar gewesen. Das Landgericht hat unterstellt, dass zwischen den Metallplatten und der Absperrbake an der westlichen Seite der Baugrube ein Abstand von 30 - 40 cm bestand, und stellt fest, dass es zwischen den Baken keine Querverstrebungen, sondern nur eine Querlatte gab. Es hat auch darin keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht gesehen, weil durch die Absperrbaken und die Querlatte allen Passanten vor Augen geführt worden sei, dass sie sich innerhalb der Absperrung zu bewegen gehabt hätten. Der Eindruck einer potentiellen Gefahrenstelle sei noch durch die stattfindenden Bauarbeiten verstärkt worden. Das hätte der Klägerin Veranlassung geben müssen, die Platten besonders vorsichtig, gegebenenfalls unter Hilfe ihrer Tochter oder Enkelin zu überqueren. Auch sei es der Klägerin ohne weiteres zuzumuten gewesen, der Gefahrenstelle aus dem Weg zu gehen. Deshalb begründe auch ein eventueller Verstoß gegen die RSA oder ZTV-SA keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht gegenüber der Klägerin. Unfallverhütungsvorschriften seien kein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und der Gründe der Entscheidung wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses ihr am 02.06.2004 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit der am 29.06.2004 eingelegten und am 02.08.2004 begründeten Berufung.

Sie macht geltend, das Landgericht reduziere zu Unrecht die Frage einer möglichen Pflichtverletzung darauf, ob die Metallplatten wackelten oder wippten. Darauf komme es nicht an. Der Pflichtverstoß liege vielmehr in der unzureichenden seitlichen Absicherung der gefährlich tiefen und engen Baugrube. Das Landgericht übersehe den entscheidenden Gesichtspunkt, dass der Baustellenbereich für den Fußgänger- und Fahrzeugverkehr freigegeben gewesen sei, deshalb habe niemand befürchten müssen, dass die Querung der Baustelle hochgradig gefährlich war. Der eigentliche Vorwurf liege darin, dass die Baustelle ein Passieren für Fahrzeuge und Fußgänger zuließ und keine Vorkehrungen für seitliches Abgleiten in die 3 m tiefe Baugrube getroffen worden seien, dies sei insbesondere deshalb erforderlich gewesen, weil die besondere Tiefe der Baugrube für Passanten nicht erkennbar gewesen sei.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Krefeld 1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin

a) 4.562,14 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.08.2003, b) ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 40.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.03.2002 zu zahlen,

2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche materiellen Schäden, die ihr aus dem Unfallereignis vom 27.03.2002 auf der Kreuzung M.-straße/P.-straße in K. künftig entstehen, zu ersetzen, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergehen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das landgerichtliche Urteil und wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen und weisen erneut darauf hin, dass mehrere tausend Passanten die Baustelle überquert hätten, ohne dass es zu einem ähnlichen Vorfall gekommen sei und dass eine weitergehende Sicherung unter den örtlichen Umständen nicht erforderlich und nicht möglich gewesen sei.

Wegen des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz im übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

B.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg.

I.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Gerügt wird gemäß § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO die fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts.

II.

Der Klägerin steht gemäß §§ 823 Abs. 1, 830 Abs. 1 BGB der geltend gemachte Anspruch gegen die Beklagten als Gesamtschuldner zu, denn die Beklagten haben gegen ihnen obliegende Verkehrssicherungspflichten verstoßen und dadurch die Verletzung der Klägerin verursacht.

1.

Die Beklagte zu 1) war als Betreiberin der Baustelle verkehrssicherungspflichtig für die von ihr errichtete Baugrube und den Überweg. Sie hat nicht vorgetragen, dass sie weitere Maßnahmen angeordnet hätte, die von Verrichtungsgehilfen, hinsichtlich derer ein Entlastungsbeweis in Betracht käme, nicht eingehalten worden wären. Darauf beruft sie sich auch nicht.

Der Beklagte zu 2 ist als Bauleiter für die Baustelle und die Sicherung des Verkehrs auf der Baustelle ebenfalls verantwortlich. Es war seine Aufgabe, den Bauablauf zu organisieren und die Durchführung regelmäßig zu überwachen. Dabei ist es irrelevant, ob und wann er vor dem Unfall zuletzt an der Baustelle gewesen war, da auch er nicht geltend macht, weitere Sicherungsmaßnahmen angeordnet zu haben.

Auch der Beklagte zu 3 war als verantwortlicher Schachtmeister verkehrssicherungspflichtig. Er hat zwar geltend gemacht, er habe nur auf der Baustelle die Arbeiten nach den eindeutigen Weisungen des Beklagten zu 2) zu koodinieren gehabt, ohne genau zu sagen, was das bedeuten soll. Der daraufhin gegebenen eindeutigen Schilderung des Beklagten zu 2), dass der Beklagte zu 3) als verantwortlicher Schachtmeister die Verkehrssicherungsmaßnahmen vor Ort einzurichten und zu unterhalten gehabt habe, hat er nicht widersprochen. Dabei war er neben der Beklagten zu 1) und dem Beklagten zu 2) für die Verkehrssicherheit verantwortlich. Denn jeder der als Bauleiter oder örtlicher Bauführer aufgrund eines vom Baustelleninhaber erteilten Auftrages Verantwortung für die Baustelle trägt, hat für ausreichende Verkehrssicherheit zu sorgen (vgl. BGH MDR 1977, 656 m.w.N.). Dass ihm, wie er angibt, die fehlende Abbruchgenehmigung nicht bekannt war, ist ebenso irrelevant wie die Frage, wer Ansprechpartner für die Genehmigungsbehörde ist. Welche Maßnahmen zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht erforderlich sind, hängt von den Gegebenheiten vor Ort ab und nicht davon, ob eine Genehmigung für diese Arbeiten erteilt worden ist oder wer mit Behörden verhandelt.

2.

Die Verkehrssicherungsmaßnahmen waren jedenfalls an der Seite des Überweges, an der die Klägerin in die Baugrube gefallen ist, unzureichend.

a) Dabei ist davon auszugehen, dass die Klägerin auf den Metallplatten ins Stolpern geriet, dann an einer Platte hängenblieb und nach ein oder zwei weiteren Stolperschritten in die Grube stürzte, als beim Versuch, sich an der Querlatte festzuhalten, diese nachgab. Diesen Hergang hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 2.2.2004 geschildert. Er ist von den Beklagten nicht bestritten worden.

Streitig war insoweit lediglich, ob Ursache für das Stolpern ein Vibrieren der Platten war. Der Einwand der Beklagten, die Klägerin habe immer noch nicht geschildert, wie es zu dem Unfall gekommen sei, trifft danach nicht zu. Sie ist nicht über die Absperrplatte in die Grube gestürzt, sondern aufgrund des Stolperns von der Stahlplatte abgerutscht, weil die Absperrlatte nachgab.

Offen ist lediglich, wie es zu dem Stolpern kam. Darauf kommt es nicht an, weil die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht, die zu dem Schaden geführt hat, in der fehlenden seitlichen Absicherung der Platten gegen Absturz zu sehen ist.

In der Berufungsinstanz ist davon auszugehen, dass die Platten nicht instabil waren. Denn diese Feststellung des Landgerichts wird von der Klägerin nicht angegriffen. Es kommt auch nicht darauf an, dass nach den Feststellungen des Landgerichts die Platten nicht bündig nebeneinander lagen, denn eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht wird von der Klägerin insoweit nicht geltend gemacht. Die Klägerin stützt ihre Ansprüche allein darauf, dass sie nach dem Stolpern in die Baugrube gestürzt ist, weil die seitliche Absicherung des Überweges zur Baugrube einen solchen Sturz nicht verhinderte.

b) Gegen einen solchen Absturz hätten die Beklagten geeignete Sicherungsmaßnahmen errichten müssen. Solche Sicherungsmaßnahmen waren nicht vorhanden. Unstreitig gab es an der Seite des aus zwei Metallplatten bestehenden Überweges, an der die Klägerin in die Baugrube stürzte, nur zwei Baken mit einer Querstrebe in Handlaufhöhe, die ein Abrutschen über den Rand der Stahlplatten nicht verhinderte.

Soweit das Landgericht meint, eine weitere Absicherung sei nicht erforderlich gewesen, weil die Gefahrenstelle sichtbar und für jeden erkennbar gewesen sei, dass er sich innerhalb der Absperrungen habe halten müssen, kann dem nicht gefolgt werden.

Problematisch ist insoweit bereits, dass das Landgericht es dabei hat dahingestellt sein lassen, ob die Absperrung auf der Platte oder 30 - 40 cm von diesen entfernt stand, denn im letzten Fall zeigte die Absperrung gerade nicht den Bereich, in dem sich Fußgänger bewegen konnten, vielmehr bestand auch innerhalb dieses Bereichs am westlichen Rand Absturzgefahr.

Auch darauf kommt es aber nicht an, weil eine bloß optische Abgrenzung des Überwegs über die 3 m tiefe Baugrube nicht ausreichte, um den nach der Verkehrsauffassung notwendigen Schutz vor Schäden sicherzustellen. Zwar ist zutreffend, dass hundertprozentige Sicherheit nicht zu erreichen ist. Die Baustellensituation erforderte hier aber eine Absperrung, die bei Stolpern auf dem Überweg einen Absturz zu verhindern geeignet war.

Im vorliegenden Fall kann nicht allein auf die Sicherungserwartungen der mit den Gegebenheiten und den üblichen Gefahren einer Baustelle vertrauten Personen, die sich befugt im Baustellenbereich aufhalten (vgl. OLG München BauR 1989, 763), abgestellt werden. Für die Frage, welche Sicherungsmaßnahmen erforderlich sind, sind alle örtlichen Gegebenheiten und Umstände zu berücksichtigen. Bei den Anforderungen an die Absicherung ist zu beachten, dass die Beklagten einen profisorischen Überweg geschaffen und den Verkehr über die profisorische Baugrubenüberquerung nach ihrem eigenen Vortrag auch für Fußgänger allgemein und nicht nur für auf der Baustelle beschäftigte Personen eröffnet haben. An der Sicherheit des für den allgemeinen Verkehr geschaffenen Überweges über eine tiefe Baugrube sind andere Anforderungen zu stellen, als für beschränkten Baustellenverkehr. Die Anforderungen sind auch höher als etwa bei der Sicherung einer Baugrube auf dem Bürgersteig, die den Gehweg selbst nicht verändert, für die die Rechtsprechung eine optische Abgrenzung hat ausreichen lassen (vgl. KG VersR 1975, 862; LG Heidelberg VersR 1989, 1106 f.). In den vorgenannten Fällen war die vom Bauunternehmer geschaffene Gefahrenstelle entweder überhaupt nicht oder nur von am Bau beschäftigten Personen zu betreten, der allgemeine Verkehr musste nur vor dem Betreten an sich gewarnt werden. Im vorliegenden Fall geht es dagegen um die Sicherung vor Gefahren in dem von der Beklagten für den allgemeinen Verkehr geöffneten Bereich innerhalb der Baustelle. In diesem Bereich muss derjenige, der den Fußgängerverkehr eröffnet, auch Vorkehrungen gegen typische Gefahren treffen. Das Stolpern an und insbesondere beim Überqueren einer solchen Behelfsbrücke ist eine solche typische Gefahr. Diese Stolpergefahr war hier noch erhöht, weil die Stahlplatten unstreitig nicht bündig nebeneinander lagen. Deshalb hätten die Beklagten durch Absturzsicherungen vorsorgen müssen, dass ein Stolpern nicht zu einem Sturz in die Grube führte. Bei einem dem Fußgängerverkehr offen stehenden Übergang über eine Baugrube ist eine solche Seitenbefestigung zu fordern (vgl. LG München NZV 1989, 195).

Das besagen auch die RSA und die ZTV-SA (Bl. 172 ff. GA). Es handelt sich dabei zwar nicht um allgemein verbindliche Regelungen. Vielmehr müssen sie, um unmittelbare Geltung zu haben, in Verträge einbezogen oder bei der Baugenehmigung für verbindlich erklärt werden. Das ist im vorliegenden Fall erst ab Erteilung der Aufbruchgenehmigung vom 02.04.2002 feststellbar, also nach dem Unfall. Die allgemeine Sperrgenehmigung vom Februar 2000, auf die sich der Beklagte zu 2 beruft (Bl. 111 GA), legt er nicht vor. Sollte der Plan Bl. 119 GA Teil der Sperrgenehmigung sein, so war danach eine vollständige Sperrung der Straße vorgesehen. Dadurch wäre die Gefahrenstelle vermieden worden. Die weiter vorgelegten Pläne (Bl. 125 f. GA) sind lediglich Musterpläne für die Absperrung von Baustellen und betreffen nicht die Situation einer Behelfsbrücke über eine Baugrube.

Ob die Geltung der RSA und die ZTV-SA zur Unfallzeit bereits angeordnet war, kann aber dahingestellt bleiben, denn sie geben jedenfalls einen Anhaltspunkt für die Verkehrsanschauung. Nach den RSA sind die Fußgänger-Behelfsbrücken durch Absturzsicherungen mit einem Geländerholm in 1 m Höhe, einem Zwischenholm in 50 cm Höhe und einem Bordbrett von 25 cm Höhe zu sichern. Eine solche Sicherung wäre geeignet gewesen, das Abrutschen über den Rand der Behelfsbrücke zu verhindern.

Diese Verpflichtung war für die Beklagten auch erkennbar. Sie handelten fahrlässig, als sie die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen unterließen. Die Beklagten können sich nicht damit entlasten, dass die Aufbrucharbeiten neben der Brücke noch nicht abgeschlossen waren. Zunächst ist schon nicht nachvollziehbar, warum eine solche Absicherung die Ausschachtungsarbeiten mehr behinderte als der Überweg selbst und die Baken mit Querlatte. Sollte, wie die Beklagte zu 3) in der Verhandlung vor dem Senat geltend gemacht hat, wegen Veränderung der Baugrube und des Verkehrs ein häufiges Umbauen der profisorischen Brücke und damit der Absicherung erforderlich gewesen sein, so ist dieser Aufwand im Interesse der Verkehrssicherheit hinzunehmen. Im übrigen hätten die Beklagten, wenn sie den Überweg nicht ausreichend sichern konnten, diesen notfalls kurzzeitig jedenfalls für Fußgänger sperren müssen, bis eine Absturzsicherung möglich war. Das war auch ohne weiteres möglich. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten gab es andere Möglichkeiten, über die Baustelle zu gelangen. Außerdem konnte ausweislich der polizeilichen Skizze (Bl. 13 GA) der Fußgängerweg an der östlichen Seite der P.-straße bis zur Ecke der M.-straße begangen und diese dann wenige Meter von der östlichen Seite der P.-straße entfernt überquert und der Weg auf der anderen Straßenseite der M.-straße fortgesetzt werden. Wenn die Aufbruch- oder Baugenehmigung oder der genehmigte Verkehrszeichenplan der Stadt eine solche Sperrung nicht zuließ, wie die Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geltend gemacht haben, so hätten sie auf eine Änderung der Genehmigung hinwirken müssen.

4.

Die Klägerin trifft kein Mitverschulden an dem Unfall.

Dieses wollen die Beklagten daraus herleiten, dass die Klägerin den Weg begangen hat und sich beim Überqueren der Metallplatten nicht von ihrer Tochter oder ihrer Enkelin hat helfen lassen.

Auch dabei übersehen sie, dass der Weg für den Kraftfahrzeug- wie für den Fußgängerweg eröffnet war. Dann durfte sich die Klägerin darauf verlassen, dass ihr nicht Gefahren der geschilderten Art drohten.

5.

Die Klage ist auch der Höhe nach in vollem Umfang begründet.

a) Der Unfall und das Ausmaß der daraus resultierenden Verletzungen und die Verletzungsfolgen der Klägerin rechtfertigen ein Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 €.

Die Klägerin ist in eine 3 m tiefe Baugrube gestürzt und hat dadurch einen Schock erlitten sowie unstreitig eine Schulterfraktur, eine Rippenserienfraktur, eine Kopfplatzwunde sowie Blutergüsse und Schürfwunden am ganzen Körper. Es kann außerdem festgestellt werden, dass die im Mai diagnostizierte Lendenwirbelfraktur und die Mitte Juni 2002 diagnostizierte Kopffraktur des Oberschenkels (Blatt 38 GA) auf den Unfall zurückzuführen sind. Soweit die Beklagte zu 1) in erster Instanz in den Raum gestellt hat und die Beklagten zu 1) und 2) nunmehr behaupten, die Verletzung sei durch einen späteren Unfall verursacht worden, ist das Vorbringen durch den Arztbericht des Chefarztes Dr. S. der Klinik L.-platz in Bad S. widerlegt. Dort heisst es, Mitte Juni sei eine alte Kopffraktur mit Nekrose diagnostiziert worden, Knochenknorpelstücke hätten die Gelenkpfanne zerstört. Das beweist, dass die Verletzung nicht erst Mitte Juni entstanden ist, sondern schon so lange zurücklag, dass sich Nekrosen bilden und durch Bewegung des Gelenks die Knochenknorpelstücke die Gelenkpfanne zerstören konnten. Angesichts der ununterbrochenen Klinikaufenthalte ist damit hinreichend sicher, dass sie auch von dem hier streitgegenständlichen Unfall herrührt. Die erstmals im nach der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz aufgestellte und unter Beweis gestellte Behauptung, der Beklagte zu 3) habe die Klägerin 14 Tage nach dem Unfall besucht, sie habe sich seinerzeit selbständig fortbewegt, was bei einem Oberschenkelhalsbruch (gemeint ist offenbar die Oberschenkelkopffraktur) nicht möglich sei, ist verspätet und gem. §§ 530, 521 Abs. 2, 296 Abs. 1 ZPO nicht zuzulassen, weil die Entscheidung durch die beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens verzögert würde und die Verspätung nicht genügend entschuldigt ist. Die späte Entdeckung der Verletzungen der Lendelwirbel und des Oberschenkels waren bereits in erster Instanz Gegenstand des schriftsätzlichen Vortrages der Klägerin und der Beklagten. Auch in der Berufungserwiderung haben die Beklagten zu 1) und 2) zu diesen Verletzungen Stellung genommen. Es ist kein Grund dargetan oder ersichtlich, warum der Vortrag er jetzt möglich gewesen wäre. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist nicht angezeigt.

Diese gravierenden Verletzungen machen ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Ärztlichen Zeugnisse und Berichte (Bl. 25-27, 37-44 GA) unbestritten mehrere Operationen an Schulter und Oberschenkel sowie stationäre Behandlungen der Rippen- und Wirbelsäulenverletzungen erforderlich und erzwangen praktisch ununterbrochene Aufenthalte in Krankenhäusern und Rehabilitationsklinken vom 22.5.2002 bis zum 5.9.2002 sowie eine fortdauernde ambulante Rehabilitationsbehandlung. Die schweren Verletzungen der 78 Jahre alten Klägerin führten zu einer gravierenden Einschränkung der Bewegungsfähigkeit, so dass sich die bis dahin aktive Klägerin, deren Hobbys Golfspielen und Reisen waren, nur mit Hilfe eines Rollators innerhalb der Wohnung bewegen kann und erhebliche Beschränkungen bei auch leichtesten Haushaltsarbeiten sowie Einschränkung ihrer Freizeitgestaltung hinnehmen muss.

Diese Folgen sind insgesamt dem Unfallgeschehen zuzurechnen. Der Behandlungsfehler der späten Entdeckung der Lendenwirbel- und Oberschenkelverletzung unterbricht im vorliegenden Fall den Zurechnungszusammenhang nicht. Das wäre nur bei ungewöhnlich schweren Behandlungsfehlern der Fall (vgl. Palandt-Heinrichs, 63. Aufl., vor § 249 Rdn. 73 m.w.N.). Ein solches ungewöhnlich grobes Fehlverhalten ist das Übersehen dieser Verletzungen im vorliegenden Fall nicht. Insbesondere wegen der zahlreichen Prellungen und Schürfwunden am ganzen Körper stellte ein Übersehen der Frakturen im Hüftbereich jedenfalls keinen ungewöhnlich schweren Kunstfehler dar.

Im Vergleich zu den von der Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen zuerkannten Schmerzensgeldbeträgen (vgl. OLG Koblenz, Urteile vom 9.1.1995 - 12 U 298/94 - und 27.3.1995 - 12 U 1058/94; OLG Karlsruhe, Urteil vom 2.2.1994 - 1 U 164/93) erscheint im Hinblick auf die hier vorliegenden multiplen Verletzungen und die langwierige Behandlung mit fortbestehenden Beeinträchtigungen erheblicher Art ein Schmerzensgeldbetrag von 40.000 € gerechtfertigt.

Auch hinsichtlich der Schadenshöhe ist ein Mitverschulden der Klägerin nicht festzustellen. Die Klägerin konnte nicht mehr tun, als die behandelnden Ärzte auf die Schmerzen hinzuweisen. Das gilt auch im Hinblick darauf, dass sie Kinderärztin war. Auch als solche konnte sie nicht selbst die Diagnose ihrer Verletzungen stellen.

b)

Die weiteren Schadenspositionen von insgesamt 4.562,14 € für Kosten von Zweitbettzimmer, Strumpfanziehhilfe, Brille, Toilettensitzerhöhung, weiterer Hilfsmittel und Taxi- und Telefonkosten sind von der Klägerin dargetan. Die Beklagten sind dem nicht konkret entgegen getreten. Lediglich der Beklagte zu 3) hat in erster Instanz vorgetragen, die Positionen erschienen nur zum Teil notwendig; der Beklagte zu 2) hat gemeint, sie seien zum überwiegenden Teil auf den Behandlungsfehler zurückzuführen. Damit sind die von der Klägerin genau aufgelisteten (Bl. 8 ff. GA) und durch Quittungen belegten (Bl. 45 ff. GA) Schadenspositionen nicht hinreichend substantiiert bestritten.

c)

Der Feststellungsantrag ist zulässig und begründet. An seine Voraussetzungen sind keine strengen Anforderungen zu stellen. Es genügt die nicht völlig entfernt liegende Möglichkeit künftiger bisher nicht voraussehbarer Leiden (vgl. Senatsurteil vom 23.10.1998 - 22 U 57/98 - m.w.N.). Diese Möglichkeit ist angesichts der Art und Schwere der Verletzungen offenbar gegeben.

6.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 BGB. Auch das Schmerzensgeld ist eine Geldschuld, für die Zinsen nur nach den Vorschriften des Verzuges verlangt werden können, § 849 BGB gilt nur bei Sachbeschädigungen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO.

Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 55.000 €.

R. M.-P. R.