VG Düsseldorf, Beschluss vom 31.01.2005 - 9 L 765/04
Fundstelle
openJur 2011, 36071
  • Rkr:
Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 2. Februar 2004 gegen Ziffer 1 der Rücknahmeverfügung des Antragsgegners vom 13. Januar 2004 wird wiederhergestellt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf Euro 37.500,-- festgesetzt.

Gründe

Das Gericht hat durch die Berichterstatterin entscheiden können, nachdem im Erörterungstermin vom 20. Januar 2005 sich die Beteiligten damit nach § 87a Abs. 2 und 3 VwGO einverstanden erklärt haben.

Der Antrag der Antragstellerin,

die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 2. Februar 2004 gegen Ziffer 1 der Rücknahmeverfügung des Antragsgegners vom 13. Januar 2004 wiederherzustellen,

hat Erfolg.

Hat die Behörde nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO im öffentlichen Interesse die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes angeordnet, kann das Gericht gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Antrag des Betroffenen die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs wiederherstellen. Ein solcher Antrag hat dann Erfolg, wenn der angegriffene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist und demnach ein öffentliches Interesse an seiner sofortigen Vollziehung nicht bestehen kann, oder wenn ansonsten das private Interesse des Antragstellers, vorerst vor den Folgen einer Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes bewahrt zu bleiben, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes überwiegt.

Die Interessenabwägung fällt hier zu Lasten des Antragsgegners aus, denn Ziffer 1 der Rücknahmeverfügung des Antragsgegners vom 13. Januar 2004 dürfte nach derzeitigem Erkenntnisstand rechtswidrig sein und die Antragstellerin in ihren Rechten verletzen.

Dabei kann dahinstehen, ob der Antragsgegner das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes in ausreichender Weise begründet hat (§ 80 Abs. 3 VwGO). Es dürfte in der Natur der Sache liegen, dass für die Rücknahme eines Verwaltungsaktes regelmäßig die sofortige Vollziehung angeordnet wird, da anderenfalls der Widerspruch aufschiebende Wirkung hätte und damit die Rücknahmeverfügung vorerst ohne Wirkung bliebe.

Gleichermaßen dahinstehen können die von der Antragstellerin geltend gemachten Bedenken hinsichtlich der fehlenden Anhörung vor Erlass der Rücknahmeverfügung. Der Mangel der fehlenden Anhörung wäre gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG NRW zwischenzeitlich geheilt, da versäumte Handlungen bis zum Abschluss der ersten Instanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden können und die Antragstellerin sowohl in ihrem Widerspruch vom 2. Februar 2004 als auch in ihrem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung vom 9. März 2004 Gelegenheit gehabt hat, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen des streitbefangenen Bescheides zu äußern,

vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. Oktober 2001 - 7 B 869/01 -.

Nach derzeitigem Erkenntnisstand dürfte Ziffer 1 der Rücknahmeverfügung vom 13. Januar 2004 aber in materieller Hinsicht rechtswidrig sein.

Mit der angefochtenen Verfügung, berichtigt mit Schreiben vom 9. März 2004, hat der Antragsgegner den dem Rechtsvorgänger der Antragstellerin erteilten Vorbescheid vom 2. April 2002 für die Errichtung einer Windkraftanlage auf dem Grundstück Gemarkung G1, T Weg 2 in 00000 S nach § 48 Abs. 1 in Verbindung mit § 50 VwVfG NRW zurückgenommen, weil eine erneute Überprüfung ergeben habe, dass der Vorbescheid rechtswidrig sei.

Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die Rücknahmemöglichkeit ist nicht nach Maßgabe der Regelung des § 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2-4 VwVfG NRW beschränkt, wenn der begünstigende Verwaltungsakt während und aus Anlass des von einem Dritten durch Nachbarrechtsbehelf eröffneten Widerspruchsverfahrens aufgehoben wird, § 50 VwVfG NRW.

Dass die Voraussetzungen im Sinne des § 48 Abs. 1 in Verbindung mit § 50 VwVfG NRW für eine Rücknahme des Vorbescheides vom 2. April 2002 durch den Antragsgegner gegeben sind, davon kann aufgrund der in der Rücknahmeverfügung enthaltenen Gründe sowie angesichts der weiteren schriftsätzlichen Ausführungen des Antragsgegners bei summarischer Prüfung nicht ausgegangen werden. Dies gilt namentlich, soweit der Antragsgegner die Rechtswidrigkeit des Vorbescheides damit begründet hat, dass nicht bzw. nicht hinreichend geprüft worden sei, ob und inwieweit die Windkraftanlage gegen öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 1, Abs. 3 BauGB verstößt. Soweit der Antragsgegner in der Antragserwiderung vom 30. März 2004 ergänzend darauf abgestellt hat, dass der Vorbescheid auch deshalb rechtswidrig erteilt worden sei, weil die Bauvoranfrage vom 2. Februar 2001 im Zeitpunkt der Entscheidung gar nicht positiv bescheidungsfähig gewesen sei, dürfte auch dieser Begründung nicht zu folgen sein. Die seinerzeit vom Rechtsvorgänger der Antragstellerin gestellte Bauvoranfrage dürfte bescheidungsfähig gewesen sein, weil sie bestimmt genug ist.

Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung,

vgl. BVerwG, Urteil vom 3. April 1987 - 4 C 41.84 -, BRS 47 Nr. 63 und Urteil vom 9. Februar 1995 - 4 C 23.94 -, BRS 57 Nr. 206; OVG NRW, Beschluss vom 2. Februar 1995 - 7 A 1957/92 - und Beschluss vom 29. Juli 2002 - 7 B 831/02 - ,

kann ein Bauvorbescheid auch über die grundsätzliche Zulässigkeit der Bebauung eines Grundstücks mit einem Vorhaben ergehen, dessen Ausführung im Einzelnen der Prüfung in einem nachfolgenden Genehmigungsverfahren vorbehalten bleibt bzw. das nur in groben Umrissen nach Art und Umfang bestimmt ist und dessen Ausführung im Einzelnen späterer Prüfung vorbehalten bleibt. Im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung ist die Bauvoranfrage bestimmt genug und damit bescheidungsfähig, weil das geplante Vorhaben - eine Windkraftanlage mit einer maximalen Bauhöhe von 140 m über Grund und einer maximalen Leistung von 1,8 MW sowie an dem in der Flurkarte markierten Standort - in seinen Umrissen ausreichend beschrieben ist, um insoweit eine planungsrechtliche Entscheidung über das Vorhaben zu ermöglichen.

Die vom Antragsgegner angeführte Entscheidung des OVG NRW,

vgl. Urteil vom 11. Juli 2002 - 10 A 5372/99 -, BRS 65 Nr. 173,

nach der eine Bauvoranfrage, mit der sachliche Teile eines Vorhabens aus der Fragestellung so ausgeklammert werden, dass eine verbindliche rechtliche Beurteilung des Vorhabens nicht mehr möglich ist, sachlich nicht beschieden werden kann, steht nicht entgegen. Die Bauvoranfrage, die dieser Entscheidung zugrunde lag, hatte, da sie bauplanungsrechtliche und bauordnungsrechtliche Fragen enthielt, einen wesentlich komplexeren Umfang, was vorliegend nicht der Fall ist, außerdem hat der Rechtsvorgänger der Antragstellerin mit der Voranfrage ausdrückliche keine sachlichen Teile des Bauvorhabens (Windkraftanlage) ausgeklammert.

Soweit die Rücknahmeverfügung damit begründet wird, der Vorbescheid sei aufzuheben, weil dem Vorhaben öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB entgegen stünden, was bei der Erteilung des Bauvorbescheides nicht hinreichend - nach der Antragserwiderung gar nicht - geprüft worden sei, vermag auch dies die Rücknahme des Vorbescheides nicht zu rechtfertigen. Dass öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB nicht hirneichend bzw. gar nicht geprüft wurden, dürfte ausweislich der Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners nicht zutreffen. Nach der Stellungnahme des Planungsamtes (Amt 61) des Antragsgegners vom 12. Februar 2001 werden gegen den Standort keine konkreten Bedenken vorgebracht und stehen, soweit von hier aus beurteilbar, keine öffentlichen Belange entgegen. Nach der Stellungnahme des Landrates des Kreises N vom 12. Oktober 2001 bestehen gegen das Vorhaben landschaftsrechtlich keine Bedenken und ist ein Entgegenstehen öffentlicher Belange anhand der vorliegenden Unterlagen nicht erkennbar. In dem Vorbescheid wird sodann ausdrücklich festgeschrieben, dass gegen das Vorhaben in landschaftsrechtlicher Sicht keine Bedenken bestehen.

Des weiteren wird in der Rücknahmeverfügung eine erhebliche Verunstaltung des schützenswerten Landschaftsbildes behauptet, jedoch nicht nachvollziehbar dargetan, dass es sich bei dem vorgesehenen Standort des Vorhabens um eine wegen ihrer Schönheit und Funktion besonders schutzwürdige Umgebung handelt und dass das geplante Vorhaben mit einer maximalen Bauhöhe von 140 m über Grund dem Orts- und Landschaftsbild in ästhetischer Hinsicht grob unangemessen ist und auch von einem für ästhetische Eindrücke offenen Betrachter als belastend empfunden wird,

vgl. zur Verunstaltung der Landschaft durch Windenergieanlagen: OVG NRW, Urteil vom 12. Juni 2001 - 10 A 97/99 -, BRS 64 Nr. 99, Urteil vom 30. November 2001 - 7 A 4857/00 -, BRS 64 Nr. 101 und Urteil vom 18. November 2004 - 7 A 3329/01 -; BVerwG, Beschluss vom 15. Oktober 2001 - 4 B 69.01 -, BRS 64 Nr. 100, Urteil vom 13. Dezember 2001 - 4 C 3.01 -, BRS 64 Nr. 98 und Beschluss vom 18. März 2003 - 4 B 7.03 -, BauR 2004, 295; Sächs. OVG, Urteil vom 18. Mai 2000 - 1 B 29/98 -, NuR 2002, 162.

Die in der Rücknahmeverfügung enthaltene Beschreibung als eine bisher intakte und für die Naherholung geeignete und zu bewahrende Kulturlandschaft zwingt nicht zu der Annahme einer besonders schutzwürdigen Umgebung. Auch die vom Antragsgegner vorgelegten Fotos und die dem Gericht vorliegenden Karten sowie die ferner vorliegenden Luftbilder aus dem Luftbildatlas des Kreises N zeigen, wie zudem in dem von den Städten N, S und X in Auftrag gegebenen Gutachten P vom März 2004 (vgl. Beiakte, Heft 7) angemerkt ist, eine hügelige größtenteils ausgeräumte Agrarlandschaft (typische, landwirtschaftlich traditionell geprägte Kulturlandschaft) mit mittlerem landschaftsästhetischen Wert und mittlerem Wert für die Erholungsnutzung, so dass weder für den Bereich des Flurstücks 57 noch für den benachbarten Bereich des Flurstücks 102, wo ebenfalls eine Windkraftanlage vorgesehen ist, von einer landschaftlich reizvollen Umgebung ausgegangen werden kann. Fehlt es bereits an einer reizvollen Umgebung, kann die Abwägung eines privilegierten Vorhabens nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB mit den öffentlichen Belangen im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB nicht zu Lasten der Windkraftanlage ausgehen.

Soweit in der Rücknahmeverfügung ausgeführt wird, der Vorbescheid hätte nicht positiv beschieden werden dürfen, weil die Frage der immissionsschutzrechtlichen Zulässigkeit der geplanten Windkraftanlage mit einer Leistung von 1,8 MW nicht geprüft worden sei, vermag auch dies die Rechtswidrigkeit des Vorbescheides nicht zu begründen.

Der Umfang der von einer Windkraftanlage ausgehenden Lärmemissionen, der im Rahmen des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB zu prüfen ist, sollte und konnte nicht zur Prüfung gestellt werden, da dies nur bei Angabe eines bestimmten Anlagetyps möglich gewesen wäre, vorliegend ist jedoch kein konkreter Anlagetyp, sondern nur eine Anlage in groben Umrissen - Standort, Höhe und Leistung - angegeben worden. Mit der insoweit eingeschränkten Voranfrage dürfte jedenfalls konkludent die Frage der Vereinbarkeit des Vorhabens mit § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB ausgeklammert und dem Baugenehmigungsverfahren vorbehalten worden sein, was bei einer nur auf das Planungsrecht beschränkten Voranfrage zulässig ist,

vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. November 2001, a.a.O.; BVerwG, Beschluss vom 27. September 2000 - 4 B 61.00 -, BRS 63 Nr. 175.

Diese Einschränkung ist vom Antragsgegner auch erkannt und gebilligt worden, hat er doch entsprechend der Stellungnahme des Landrates des Kreises N vom 12. Oktober 2001 in den Vorbescheid aufgenommen, dass aus Sicht des Gesundheitsamtes grundsätzlich keine Bedenken bestünden und dass, um die Auswirkungen der Windkraftanlage auf die Nachbarschaft beurteilen zu können, im nachfolgenden Baugenehmigungsverfahren daher neben konkreten Angaben zu den geplanten Windkraftanlagen ein Lärm- und Schattenwurfgutachten zu erstellen sei. Damit hat der Antragsgegner insbesondere die Frage der Lärmemissionen ausdrücklich aus dem Vorbescheidsverfahren ausgenommen.

Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Rücknahmeverfügung bestehen auch insoweit, als diese auf § 48 Abs. 1 VwVfG NRW gestützt ist. Die unter Beachtung der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG NRW als Entscheidungsfrist,

vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Dezember 1984 - Großer Senat 1 und 2.84 - BRS 42 Nr. 214 und Urteil vom 19. Juli 1985 - 4 C 23 u. 24.82 - BRS 44 Nr. 157; OVG NRW, Beschluss vom 14. April 2000 - 10 A 541/99 -,

getroffene Entscheidung muss erkennen lassen, dass und wie das der Behörde zustehende Ermessen ausgeübt worden ist (§ 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW, § 114 VwGO). Irgendwelche nachvollziehbaren Ermessenserwägungen, die die Rücknahmeverfügung tragen könnten, enthalten weder diese noch die ergänzenden Ausführungen des Antragsgegners.

Soweit der Antragsgegner die Rücknahmeverfügung mit dem Widerspruch der Stadt N vom 4. November 2003 begründet und Ermessenserwägungen für ent- behrlich hält, dürfte auch dies nicht zutreffen.

Die Ausführungen des Antragsgegners, die Stadt N habe gegen den Bauvorbescheid einen zulässigen und begründeten Drittwiderspruch erhoben, diesem sei durch die Rücknahme des Bauvorbescheides stattzugeben, stellen eine bloße Behauptung dar. Auch die ergänzenden Ausführungen in der Antragserwiderung sind nicht geeignet, einen begründeten Drittwiderspruch, der die Behörde ohne Ermessensausübung zur Abhilfe nach § 50 VwVfG NRW zwingen könnte, darzulegen.

Vgl. zum Erfordernis eines begründeten Drittwiderspruchs: OVG NRW, Urteil vom 13. Juli 1982 - 11 A 2432/81 -, BRS 39 Nr. 157 und Beschluss vom 4. Juni 1998 - 10 A 1318/97 -; BVerwG, Urteil vom 15. Februar 1990 - 4 C 39/86 -, NVwZ 1990, 857 und Urteil vom 8. November 2001 - 4 C 18/00 -, NVwZ 2002, 730; Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Aufl. 2003, Rdnr. 24 zu § 50.

Darüber hinaus dürfte ein begründeter Drittwiderspruch der Nachbargemeinde N, mit dem diese wegen Verletzung eigener Rechte die Aufhebung des Vorbescheides erreichen könnte, bei summarischer Prüfung nicht vorliegen.

Soweit die Stadt N ihren Widerspruch darauf stützt, sie sei in ihren Rechten (Planungshoheit) verletzt, weil sie gemäß § 38 Abs. 1a Nr. 2 (jetzt Nr. 3) StrWG NRW nicht an der erforderlichen Veränderung der L 000 im Einmündungsbereich zum T Weg beteiligt worden sei, ist der Antragsgegner der falsche Adressat. Träger der Straßenbaulast für die Landesstraße, L 000 und damit zuständig für einen Planfeststellungsbeschluss bzw. eine Plangenehmigung zur Änderung der L 000 und der Abzweigung des T Weges ist gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StrWG NRW das Land NRW, dessen Aufgaben vom Landesbetrieb Straßenbau NRW wahrgenommen werden, § 43 Abs. 2 StrWG NRW. Da nicht zuständig und da ein straßenrechtliches Planverfahren im Rahmen des Vorbescheidsverfahren nicht stattgefunden hat, kann die Stadt N durch den angefochtenen Vorbescheid des Antragsgegners vom 2. April 2002 in ihrer Planungshoheit auch nicht verletzt sein.

Soweit die Stadt N darauf abstellt, dass sich unter landschaftsästhetischen Gesichtspunkten Konfliktpotentiale ergeben, die auch ihre Belange in erheblichem Umfang berührt, vermag dies ihren Widerspruch ebenfalls nicht zu begründen. Auf einen Verstoß gegen öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB (z.B. natürliche Eigenart der Landschaft und Erhaltung eines Erholungsgebietes) kann sich eine Gemeinde gegenüber einem Bauvorhaben auf dem Gebiet der Nachbargemeinde nicht berufen, weil diese Belange nur dem allgemeinen öffentlichen Interesse dienen und nicht speziell dem Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde zugeordnet sind,

vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1989 - 4 C 36.86 -, BRS 50 Nr. 193; OVG NRW, Beschluss vom 21. August 1986 - 7 B 2612/84 -, BRS 46 Nr. 170; VG Osnabrück, Beschluss vom 18. Dezember 2003 - 2 B 72/03 -, NuR 2004, 269.

Soweit sich die Stadt N in ihrer Planungshoheit bei der Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 119 - S1/M - evident betroffen sieht, weil die Errichtung der geplanten zwei Windkraftanlagen auf dem angrenzenden Ser Gebiet zu Vorprägungen für ihre Bebauungsplanfläche führen könnten, vermag auch dieses Vorbringen ihren Nachbarwiderspruch nicht zu begründen. Nach derzeitigem Erkenntnisstand ist nicht ersichtlich, dass die Stadt N durch die angefochtenen Vorbescheide des Antragsgegners vom 2. April 2002 zur Errichtung je einer Windkraftanlage auf den benachbarten Flurstücken 57 und 102 in ihrer von Art. 28 Abs. 2 GG geschützten Planungshoheit, die in § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB in Form eines materiellen Anspruches auf Abstimmung ihren Niederschlag gefunden hat, verletzt wird.

Vgl. zum Umfang der Planungshoheit und den Anforderungen an das interkommunale Abstimmungsgebot des § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB: BVerwG, Urteil vom 8. September 1972 - IV C 17.71 -, BRS 25 Nr. 14, Urteil vom 15. Dezember 1989 a.a.O., Urteil vom 11. Februar 1993 - 4 C 15.92 -, BRS 55 Nr. 174, Beschluss vom 9. Januar 1995 - 4 NB 42.94 - BRS 57 Nr. 5 und Urteil vom 1. August 2002 - 4 C 5.01 - BRS 65 Nr. 10; OVG NRW, Beschluss vom 25. Januar 1979 - VIIa ND 6/78 -, BRS 35 Nr. 32, Beschluss vom 21. August 1986, a.a.O. und Beschluss vom 31. Januar 2000 - 10 B 959/99 -, BRS 63 Nr. 67; VG Koblenz, Beschluss vom 24. Juli 2000 - 1 L 1756/00 -, BRS 63 Nr. 208; VG Osnabrück, Beschluss vom 18. Dezember 2003, a.a.O..

Im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung bedarf es im Rahmen des § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB einer materiellen Abstimmung - unabhängig davon, ob in der Nachbargemeinde bereits Bauleitpläne oder bestimmte planerische Vorstellungen bestehen - immer dann, wenn „unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art" in Betracht kommen,

vgl. BVerwG, Urteil vom 1. August 2002 a.a.O..

Es muss sich gleichsam um eine grenzüberschreitende Planung handeln, der auf der anderen Seite Rechte (nicht nur Erwartungen) gegenüber- und entgegenstehen, die ihre Grundlage in der jeder Gemeinde zustehenden eigenverantwortlichen Bauleitplanung haben. Um eine derartige grenzüberschreitende Planung geht es hier, soweit die beiden Windkraftanlagen betroffen sind, nicht. Auch eine konkrete Beeinträchtigung der städtebaulichen Entwicklung der Gemeinde N dürfte mit der Erteilung der angefochtenen Vorbescheide durch den Antragsgegner nicht verbunden sein.

Die Vorbescheide vom 2. April 2002 weisen entsprechend der in den Voranfragen bloß in Umrissen dargestellten Vorhaben (maximale Bauhöhe, maximale Leistung und ungefährer Standort) nur einen eingeschränkten Umfang auf und enthalten insbesondere keine Baufreigabe, so dass jedenfalls derzeit nicht absehbar ist, ob die Antragstellerin für die nunmehr von ihr geplanten Vorhaben entsprechende Baugenehmigungen erhalten wird. Durch die 10. Änderung des Flächennutzungsplanes ist seit 1997/98 auf dem unmittelbar südlich angrenzenden Gebiet der Stadt N eine Konzentrationszone für Windenergieanlagen dargestellt. Angesichts des damit zum Ausdruck gebrachten Planungswillen der Stadt N, in unbeschränkter Form Windkraftanlagen auf einer Fläche von ca. 90 ha zuzulassen, musste sich für den Antragsgegner bei der Erteilung der Vorbescheide ein Abstimmungsbedarf nicht aufdrängen, zumal es lediglich um zwei Windkraftanlagen ging, für die in der Regel auch eine Bauleitplanung nicht erforderlich sein dürfte.

Die Absicht der Stadt N, für die Konzentrationszone einen Bebauungsplan aufzustellen, wurde zudem erst nach Erteilung der Vorbescheide durch den Aufstellungsbeschluss vom 13. November 2002 erklärt und öffentlich bekannt gemacht. In der Planung ist die Stadt N auch in keiner Weise eingeschränkt, denn es bleibt ihr unbenommen, durch den in der Aufstellung befindlichen Bebauungsplan Nr. 119 - S1/M - die zulässigen Windkraftanlagen nach Höhe und Anzahl zu begrenzen, sowie durch eine weitere Änderung des Flächennutzungsplanes die bisherige Konzentrationszone flächenmäßig auf ungefähr die Hälfte zu verkleinern. Eine etwaige Behinderung der Planungshoheit der Stadt N dürfte zudem deshalb nicht in Betracht kommen, weil seit 2004 auch die Stadt S beabsichtigt, den benachbarten Bereich, in dem die Flurstücke 57 und 102 liegen, durch Änderung des Flächennutzungsplanes umzuplanen und zulässige Windkraftanlagen nach Anzahl und Höhe zu begrenzen.

Bleibt der Nachbarwiderspruch der Stadt N gegen die angefochtenen Vorbescheide vom 2. April 2002 unbegründet, so konnte der Antragsgegner die streitbefangene Rücknahmeverfügung vom 13. Januar 2004 nicht auf § 50 VwVfG NRW stützen. Entfällt die Anwendung des § 50 VwVfG NRW, ist die allein auf § 48 Abs. 1 VwVfG NRW gestützte Rücknahme des Vorbescheides auch deshalb fehlerhaft, weil der Antragsgegner das ihm bei dieser Entscheidung zustehende Ermessen erkennbar nicht ausgeübt hat.

Erweist sich bei summarischer Prüfung Ziffer 1 der Rücknahmeverfügung als offensichtlich rechtswidrig, fällt die Interessenabwägung auch im übrigen zu Ungunsten des Antragsgegners aus, weil kein öffentliches Interesse besteht, der streitbefangenen Verfügung gleichwohl sofortige Wirkung zukommen zu lassen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG a.F.. Das Interesse der Antragstellerin für das vorliegende Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes scheint mit der Hälfte des Preises, den die Antragstellerin für die Übernahme des Vorbescheides vereinbart hat (Kaufpreis Euro 75.000,--) angemessen und ausreichend bewertet.