OLG Hamm, Urteil vom 22.12.2004 - 3 Ss 431/04
Fundstelle
openJur 2011, 34741
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 6 Ns 5 Ds 170 Js 904/01 - A 1/04 VI -
Tenor

Das Urteil der VI. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bielefeld vom 31. März 2004 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Landgericht hat den Angeklagten von dem gegen ihn mit Anklageschrift vom 27.05.2002 erhobenen Vorwurf des Betruges in mittelbarer Täterschaft in 12 Fällen, begangen im Zeitraum vom 06.01.1998 bis zum 09.10.2000, freigesprochen. Die Anklageschrift hatte dem Angeklagten zur Last gelegt, für seine urologische Praxis sogenannten Sprechstundenbedarf, nämlich Röntgenkontrastmittel, bei der Firma T GmbH zu Lasten der B-Krankenkasse bestellt zu haben, ohne der B-Krankenkasse anzuzeigen, dass er im Gegenzug von der Firma T Vergünstigungen der Art erhalten habe, dass die Firma U GmbH im Auftrag der Firma T kostenlos die Entsorgung medizinischen Sondermülls aus der Praxis des Angeklagten vornahm. Durch die kostenlosen Entsorgungsleistungen habe der Angeklagte einen Betrag von 3.230,07 DM eingespart. Um diesen Betrag hätte, so die Anklage, die B-Krankenkasse die Rechnung der Firma T gemindert, wenn der Angeklagte sie pflichtgemäß über die gewährten Entsorgungsleistungen aufgeklärt hätte.

Die Berufungskammer hat folgende Feststellungen getroffen:

"Aufgrund der Berufungshauptverhandlung, deren Umfang und Förmlichkeiten sich aus der Sitzungsniederschrift ergeben, hat die Kammer folgende Feststellungen getroffen:

I.

Der Angeklagte betreibt in N eine urologische kassenärztliche Praxis. Im Zeitraum vom 06.01.1998 bis 09.10.2000 stellte der Angeklagte in 12 Fällen Verordnungen von Röntgenkontrastmitteln, die zuvor bei der Behandlung von Kassenpatienten verbraucht worden waren, für die Praxis aus, übersandte die Verordnungen an die Firma T als Herstellerin dieser Kontrastmittel; die Firma T belieferte die Praxis des Angeklagten mit den verordneten Röntgenkontrastmitteln und rechnete sie gegenüber der B-Krankenkasse ab.

Unter anderem in dem Zeitraum, in welchem der Angeklagte die Verordnungen bei der Firma T einreichte, ließ der Angeklagte es zu, dass in der Praxis anfallende medizinische Sonderabfälle von der insoweit von der Firma T beauftragten Firma U für medizinischen Sondermüll GmbH entsorgt wurden, ohne dass der Angeklagte für die Entsorgungsleistungen ein Entgelt erbrachte.

Die von dem Angeklagten verordneten und von der Firma T gelieferten und von dieser Firma gegenüber der B-Krankenkasse abgerechneten Röntgenkontrastmittel zählen zu dem sogenannten Sprechstundenbedarf, über dessen ärztliche Verordnung am 17.02.1995 zwischen der kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe einerseits und der B-Krankenkasse, dem BKK Landesverband NRW, dem KK-Landesverband Westfalen-Lippe, der Landwirtschaftlichen Krankenkasse NRW, der Bundesknappschaft und dem Verband der Angestellten Krankenkassen e.V. und dem AEV-Arbeiterersatzkassenverband e. V. andererseits eine Vereinbarung getroffen worden ist. Nach § 3 Abs. 3 der Vereinbarung erfolgt die Verordnung von Sprechstunden-

bedarf zu Lasten der B-Krankenkasse auf dem Sprechstundenbedarfsverordnungsblatt, wobei Kontrastmittel für bildgebende Verfahren bzw. Impfstoffe getrennt vom übrigen Sprechstundenbedarf auf gesonderten Sprechstundenbedarfsverordnungsblättern anzufordern sind. In § 5 Abs. 1 bis 4 der Vereinbarung heißt es:

1.

Bei der Verordnung und Verwendung von Sprechstundenbedarf ist der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit zu beachten.

2.

Sind von einem Mittel größere Mengen zu ersetzen, sind preisgünstige Groß-, Klinik- oder Bündelpackungen zu verordnen.

3.

Die nach den §§ 44 und 47 Arzneimittelgesetz von der Apothekenpflicht oder von der Vertriebsbindung über die Apotheken ausgenommenen Arzneimittel sollen nach Möglichkeit direkt vom Hersteller oder Großhandel bezogen werden, wenn ein solcher Direktbezug bei der benötigten Menge in wirtschaftlicher Hinsicht sinnvoll ist.

4.

Wird Sprechstundenbedarf aus anderen Quellen bezogen, so ist die Rechnung des Lieferanten mit der Verordnung des Arztes der B-Krankenkasse WL einzureichen. Aus der Rechnung müssen Art und Menge des Mittels und die Kosten der Lieferung im Einzelnen sowie ggf. der vom Vertragsarzt verauslagte Betrag ersichtlich sein.

Die B-Krankenkasse WL begleicht den Rechnungsbetrag oder erstattet die vom Vertragsarzt gezahlte Summe auf Anforderung.

C.

I.

Die Feststellungen unter B. beruhen auf der Einlassung des Angeklagten und der Bekundung des Zeugen N sowie der Erörterung und teilweisen Vorlesung der Vereinbarung vom 17.02.1995 (Bl. 336 bis 342 d. Akt.).

II.

Der Angeklagte hat sich im übrigen unwiderlegt dahingehend eingelassen, er habe mit der Firma T keine Vereinbarungen im Hinblick auf die Abrechnung der Röntgenkontrastmittel und im Hinblick auf die Entsorgung des in seiner Praxis anfallenden Sondermülls getroffen. Ihm sei auch nicht bekannt gewesen, in welcher Höhe die Firma T die Röntgenkontrastmittel gegenüber der B-Krankenkasse abgerechnet habe und wie hoch sich die Kosten der Entsorgung gestellt haben. Nachdem durch ein Rundschreiben der Kassenärztlichen Vereinigung Bedenken gegen die Ausführung der Entsorgung durch die Firma T aufgekommen seien, habe er die Entsorgungsleistungen selbst beauftragt."

Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat die Strafkammer den Angeklagten aufgrund folgender Erwägungen freigesprochen:

"Nach dem festgestellten Sachverhalt war der Angeklagte von dem Anklagevorwurf freizusprechen.

I.

Der Angeklagte hat sich insbesondere nicht des Betruges nach § 263 StGB schuldig gemacht. Er hat bereits den objektiven Tatbestand des Betruges nicht verwirklicht.

1.

Der Angeklagte hat keine Täuschungshandlung begangen.

a)

Soweit der Angeklagte Röntgenkontrastmittel verordnet hat, liegt eine Täuschungshandlung nicht vor, weil er nur solche Röntgenkontrastmittel verordnet hat, die er in der Menge zuvor durch die Behandlung von Patienten verbraucht hatte.

b)

Der Angeklagte hat auch im Zusammenhang mit der Abrechnung der Röntgenkontrastmittel keine Täuschungshandlung vorgenommen. Die Abrechnung ist nicht von dem Angeklagten, sondern von der Firma T erfolgt.

Der seitens der Staatsanwaltschaft ursprünglich vertretenen Rechtsauffassung, der Angeklagte habe die Täuschungshandlung bei der Abrechnung in

mittelbarer Täterschaft (§ 24 Abs. 1 StGB 2. Alt.) durch die Firma T bzw. deren Mitarbeiter vorgenommen, vermag die Kammer nicht zu folgen. Voraussetzung für die Annahme der mittelbaren Täterschaft ist eine überlegene, die Handlung des Tatmittlers steuernde Stellung des mittelbaren Täters. Dies kommt in Betracht, wenn bei dem unmittelbar Handelnden (Tatmittler) ein "Defizit" vorliegt, etwa der Tatmittler innerhalb einer staatlichen, unternehmerischen oder geschäftlichen Organisation so eingebunden ist, dass er Befehlsempfänger ist, deshalb die objektive Tatherrschaft beim Hintermann liegt. Diese Voraussetzungen lagen im Verhältnis des Angeklagten zu der Firma T nicht ansatzweise vor.

Entgegen der in dem angefochtenen Urteil vertretenen Auffassung hat der Angeklagte auch nicht durch Unterlassen eine Täuschung begangen. Eine Täuschung durch Unterlassen setzt eine Aufklärungspflicht als rechtliche Handlungspflicht voraus. Eine solche Garantenpflicht des Angeklagten gegenüber der B-Krankenkasse bestand bzgl. der Abrechnung von Sprechstundenbedarf nicht. Eine Garantenstellung im Hinblick auf die Abrechnung des Sprechstundenbedarfes folgt insbesondere nicht aus der Vereinbarung vom 17.02.1995 über die Verordnung des Sprechstundenbedarfs. wie sich schon aus dem Titel der Verordnung ergibt, wird in der Vereinbarung grundsätzlich lediglich die Verordnung von Sprechstundenbedarf geregelt. Der Arzt verordnet den Sprechstundenbedarf gem. § 3 Abs. 3 der Vereinbarung zu Lasten der B-Krankenkasse. Nach

§ 5 Abs. 4 der Vereinbarung ist der Arzt nur dann, wenn er den Sprechstundenbedarf "aus anderen Quellen", nämlich nicht direkt vom Hersteller oder Großhandel, wie nach § 5 Abs. 3 der Vereinbarung vorgesehen, überhaupt mit der Abrechnung befasst. Bezieht gem. § 5 Abs. 3 der Vereinbarung der Arzt den verordneten Sprechstundenbedarf unmittelbar vom Hersteller, hat er keinen Erstattungsanspruch gegenüber der B-Krankenkasse, der an den Hersteller abgetreten werden müsste. Die unmittelbare Berechnung der Röntgenkontrastmittel durch die Firma T bei der B-Krankenkasse entsprach deshalb auch der Vereinbarung vom 17.02.1995. Einer Abtretung von Erstattungsansprüchen des Angeklagten an die Firma T bedurfte es entgegen der von dem Zeugen N vertretenen Ansicht nicht. Im übrigen deutet der Umstand, dass der Zeuge N annimmt, evtl. Rückgewähransprüche der B-Krankenkasse bestünden nicht gegenüber der Herstellerfirma sondern gegenüber dem Arzt, darauf hin, dass der Zeuge auch über die Wirkungen einer Abtretung einer Forderung keine präzisen Vorstellungen hat.

2.

Da es bereits an einer Täuschungshandlung durch den Angeklagten fehlt, kann dahinstehen, ob bei den Mitarbeitern der B-Krankenkasse, die die Zahlung an die Firma T bewirkt haben, überhaupt eine Fehlvorstellung vorgelegen hat, die zu der Vermögensverfügung geführt hat, und ob der B-Krankenkasse ein Schaden entstanden ist, was alles der Kammer allerdings auch zweifelhaft erscheint.

II.

Der Angeklagte hat auch nicht den Straftatbestand der Untreue (§ 266 Abs. 1 StGB) verwirklicht, wie die Staatsanwaltschaft schließlich in der Berufungsverhandlung unter Hinweis auf den Beschluss des 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 25.11.2003 (4 StR 239/03) gemeint hat.

Der Angeklagte hat die ihm als Kassenarzt obliegende Treuepflicht gegenüber der Krankenkasse nicht verletzt. Insbesondere hat er - abweichend von dem Fall, welcher dem Beschluss vom 25.11.2003 zugrunde gelegen hat - nicht die Befugnis zur Verpflichtung der Krankenkasse bestimmungswidrig ausgeübt. Denn die von dem Angeklagten erfolgten Verordnungen von Röntgenkontrastmitteln, durch welche die B-Krankenkasse verpflichtet worden war, waren bestimmungsgemäß erfolgt. Der Angeklagte hat nur notwendige Mittel verordnet, dafür, dass er bei der Verordnung der Röntgenkontrastmittel das Gebot der Wirtschaftlichkeit (vgl. § 5 Abs. 1 der Vereinbarung vom 17.02.1995) mißachtet hat, ist nichts ersichtlich.

Da der Angeklagte - wie ausgeführt - in die Abrechnung der verordneten Röntgenkontrastmittel nicht eingebunden war, hat er auch nicht im Rahmen der Abrechnung eine Treuepflicht verletzt."

Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft Dortmund mit Schreiben vom 01.04.2004, bei den Bielefelder Justizbehörden eingegangen am 06.04.2004, Revision eingelegt und die Revision mit weiterem Schreiben vom 15.06.2004 mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld zurückzuver-

weisen, sowie mit der Sachrüge begründet. Die Staatsanwaltschaft ist der Ansicht, durch die gewählte Form der Verschreibung der Kontrastmittel habe der Angeklagte gegen die ihm gegenüber der Krankenkasse obliegende Vermögensbetreuungspflicht verstoßen und den Tatbestand des § 266 StGB in Form des Missbrauchstatbestandes verwirklicht. Darüber hinaus liege tateinheitlich der Tatbestand des Betruges durch Unterlassen vor. Durch die von dem Angeklagten unterlassenen Mitteilungen über den gewährten Rabatt seien die für die Abwicklung des Sprechstundenbedarfes zuständigen Mitarbeiter der B-Krankenkasse über die Höhe des nachträglich mehrfach geminderten tatsächlichen Kaufpreises für die Röntgenkontrastmittel getäuscht worden und hätten deshalb die Rückforderung des Rabattes, mit denen aus den Mitteln der B-Krankenkasse die Entsorgungskosten des Angeklagten finanziert worden waren, unterlassen. Dadurch habe die B-Krankenkasse einen Vermögensschaden erlitten, der exakt dem Betrag entspreche, den der Angeklagte seinerseits an Entsorgungskosten gespart habe. Die Garantenstellung und Garantenpflicht des Angeklagten ergebe sich aus den Grundsätzen der Verpflichtung zum wirtschaftlichen Verordnen, die in § 12 Abs. 1 SGB V, als auch in der Sprechstundenbedarfsverordnung, verankert seien. Danach habe der Arzt eine Vermögensbetreuungspflicht, durch die er dafür Sorge zu tragen habe, dass aufgrund der eigenen Verordnung das Vermögen der Krankenkassen nur mit tatsächlich entstandenen Kosten belastet werde.

II.

Die zulässige Revision der Staatsanwaltschaft Dortmund hat auch in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld.

Grundsätzlich hat es das Revisionsgericht hinzunehmen, wenn der Tatrichter seine Zweifel am Vorliegen der objektiven oder subjektiven Voraussetzungen eines Straftatbestandes nicht überwinden kann. Es stellt jedoch einen sachlichrechtlichen Fehler dar, wenn der Tatrichter dabei nicht alle wesentlichen Umstände in seine Überlegungen einbezogen hat, durch die derartige Zweifel hätten überwunden werden können (BGH MedR 1992, 37 m.w.N.). Insbesondere trifft den Tatrichter hierbei die Verpflichtung zur umfassenden Feststellung und Würdigung des angeklagten Lebenssachverhaltes (ebda.). Hiergegen hat die Berufungskammer vorliegend verstoßen.

Insbesondere hat sie die tatsächlichen und rechtlichen Besonderheiten des kassenärztlichen Abrechnungs- und Sachleistungssystems, die der Prüfung der Vorwürfe der Untreue und des Betruges durch Unterlassen zugrunde zu legen sind, teilweise außer Acht gelassen.

Zunächst hat die Strafkammer rechtsfehlerhaft die Prüfung unterlassen, ob hier der Tatbestand der Untreue gemäß § 266 StGB durch den Missbrauch der Vertretungs-

macht des Angeklagten gegenüber der B-Krankenkasse bei der Bestellung der Röntgenkontrastmittel bei der Firma T erfüllt sein kann.

Nach den getroffenen Feststellungen bestellte der Angeklagte im Zeitraum vom 06.01.1998 bis zum 09.10.2000 Röntgenkontrastmittel für seinen kassenärztlichen Bedarf bei der Firma T, die diese dann wiederum an ihn lieferte, aufgrund der Bestellung des Angeklagten aber unmittelbar bei der B-Krankenkasse abrechnete. Gegenüber der B-Krankenkasse hatte der Angeklagte in dem o. g. Zeitraum nicht angezeigt, dass ihm für die Dauer des Bezugs der Röntgenkontrastmittel bei der Firma T von dieser die kostenlose Entsorgung seines medizinischen Sondermülls über die Firma U gewährt wurde.

Aus diesem Sachverhalt kann sich, was die Berufungskammer übersehen hat, der Tatbestand der Untreue, § 266 Abs. 1 StGB, begangen durch den Angeklagten zum Nachteil der B-Krankenkasse, ergeben. Der Angeklagte trat als Kassenarzt bei der Verordnung von Arzneimitteln, so auch hier bei der Verordnung des kassenärztlichen Sprechstundenbedarfs an Röntgenkontrastmitteln, als Vertreter der Krankenkasse, hier der B-Krankenkasse, auf und gab mit der Bestellung der Röntgenkontrastmittel mit Wirkung für und gegen die Krankenkasse Willenserklärungen zum Abschluss eines Kaufvertrags über die verordneten Medikamente ab (BGH, NStZ 2004, 568, 569; BGH NJW 2004, 454). Dieses Verhalten kann den Tatbestand der Untreue in der Variante des Missbrauchs der Vertretungsmacht erfüllen. Der Angeklagte hat durch die Bestellung der Röntgenkontrastmittel zu Lasten und auf Rechnung der B-Krankenkasse diese zur Zahlung möglicherweise um den Wert der Entsorgungsleistungen überhöhter Rechnungsbeträge für die Röntgenkontrastmittel an die Firma T verpflichtet. Ob die von der Firma T insoweit in Rechnung gestellten Beträge um diesen Betrag überhöht waren, hat das Landgericht nicht festgestellt, da es nach seiner Rechtsansicht hierauf nicht ankam. Hierfür spricht nach der Lebenserfahrung aber sehr viel, da ein wirtschaftlich handelndes Unternehmen regelmäßig Unkosten auf seine Preise niederschlagen wird. Dies wird im Rahmen der erneuten Hauptverhandlung festzustellen sein.

Sollte der Angeklagte die B-Krankenkasse tatsächlich zur Zahlung überhöhter Rechnungsbeträge verpflichtet haben, läge hierin auch ein Verstoß gegen die ihm aufgrund seiner Stellung im kassenärztlichen Abrechnungssystem gegenüber der

B-Krankenkasse obliegenden Vermögensbetreuungspflicht, durch die er der B-Krankenkasse auch Nachteile i.S.v. § 266 Abs. 1 StGB in Form der schadensgleichen Vermögensgefährdung bzw. bei späterem Ausgleich der erhöhten Rechnungsbeträge durch die B-Krankenkasse in Form der unmittelbaren Schadenszufügung beigebracht hätte (vgl. BGH, NStZ 2004, 569; BGHSt 47, 295, 298 f). Weiter festzustellen wäre, ob der Angeklagte auch vorsätzlich gehandelt hat. Feststellungen hierzu hat die Berufungskammer ebenfalls fehlerhaft unterlassen. Soweit

sie in den Urteilsgründen ausgeführt hat, der Angeklagte habe sich unwiderlegt dahingehend eingelassen, er habe mit der Firma T keine Vereinbarung im Hinblick auf die Abrechnung der Röntgenkontrastmittel und im Hinblick auf die Entsorgung des in seiner Praxis anfallenden Sondermülls getroffen, ist bereits nicht nachvollziehbar, auf welche Weise es denn überhaupt zur Entsorgung dieses Sondermülls in der Praxis des Angeklagten gekommen sein soll, wenn darüber keinerlei Vereinbarungen getroffen worden sind. Dies erscheint dem Senat im Gegenteil ausgeschlossen, da es schlechterdings nicht denkbar ist, dass Sondermüll aus der Praxis des Angeklagten entsorgt wird, ohne dass der Angeklagte hierüber eine entsprechende Vereinbarung mit dem Entsorgungsunternehmen getroffen hat. Sollte er eine Vereinbarung mit der Firma U getroffen haben, so wird nachzuprüfen sein, in welchem Umfang ihm klar war, dass hinter dieser Firma die Firma T stand. Dafür, dass ihm dies bewusst war, spricht bereits der Umstand, dass er keinerlei Geld für die Entsorgung zahlen musste. Dem Angeklagten dürfte bekannt gewesen sein, dass eine solche Entsorgung nicht unentgeltlich geleistet wird und er wird sich dann darüber Gedanken gemacht haben, von wem diese Kosten bestritten werden. Ob ihm die genauen Abrechnungsbeträge zwischen der Firma T und der B-Krankenkasse betreffend die Röntgenkontrastmittel bekannt waren, dürfte dabei von geringerer Bedeutung sein. Entscheidend ist vielmehr, ob der Angeklagte davon ausging, dass die ihm von der Firma T unentgeltlich erbrachten Entsorgungsleistungen sich preisbildend auf den Preis der Röntgenkontrastmittel auswirkten. Auch hier spricht bereits die Lebenserfahrung deutlich dafür, dass dem Angeklagten dies bewusst war. Immerhin nimmt er als Arzt aktiv am geschäftlichen Leben teil und dürfte sich deshalb nur schwer der Erkenntnis verschließen können, dass mit dem Absatz von Produkten am Markt verbundene Unkosten sich bei einem am Markt wirtschaftlich betätigenden Unternehmen in aller Regel auch preisbildend auswirken.

Das Verhalten des Angeklagten dürfte sich darüber hinaus zumindest als Beihilfe zum Betrug darstellen. Sollte die Firma T hier um die dem Angeklagten gewährte Entsorgungsleistungen überhöhte Abrechnungsbeträge der B-Krankenkasse in Rechnung gestellt haben, dürfte dies den Tatbestand des Betruges begründen, weil die Abrechnung des vollen Preises der Röntgenkontrastmittel die stillschweigende Erklärung enthielt, dass diese Kosten tatsächlich und endgültig angefallen waren und nicht durch dem Arzt gewährte Rabatte nachträglich gemindert wurden (BGH, NStZ 2004, 569). Zu diesem Betrug hätte der Angeklagte durch die Verordnung der Röntgenkontrastmittel als Sprechstundenbedarf zumindest Beihilfe geleistet, da ohne seine Verordnung eine Verpflichtung der Krankenkasse zur Bezahlung der Röntgenkontrastmittel und damit auch zur Bezahlung der überhöhten Preise nicht begründet worden wäre. Allerdings dürfte sich diese Beihilfe zum Betrug begangen durch die Firma T für den Angeklagten als mitbestrafte Nachtat zu der von ihm begangenen Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB darstellen (BGH, NStZ 2004, 570).

Schließlich hat die Berufungskammer nicht hinreichend geprüft, ob der Angeklagte sich hier des Betruges durch Unterlassen dadurch schuldig gemacht hat, dass er der B-Krankenkasse nicht die ihm als verdeckten Rabatt gewährten kostenlosen Entsorgungsleistungen der Firma T gemeldet hat.

Die Gewährung unentgeltlicher Entsorgungsleistungen stellt eine Bezahlung eines Schmiergeldes ähnliche und wirtschaftlich einer solchen Zahlung gleichwertige Leistung der Firma T an den Angeklagten dar. Insbesondere handelt es sich nicht nur um ein reines Geschenk, da die unentgeltlichen Entsorgungsleistungen in Erwartung konkreter Bestellungen durch den Angeklagten bei der Firma T erbracht worden sein dürften (vgl. BFH NJW 1982, 1775). Bei der Entgegennahme von Schmiergeldern ist aber anerkannt, dass zivilrechtlich und öffentlichrechtlich die Verpflichtung besteht, solche Schmiergelder an den Geschäftsherrn, hier an die B-Krankenkasse zurückzuzahlen (BGH, NJW 2000, 2669, 2672; BGH, NJW 2001, 2476; BGH NJW-RR 1991, 483; BGH GRUR 1963, 320; OVG Münster NVwZ-RR 2003, 136; BVerwG, NJW 2002, 1968). Zwar begründet die Verpflichtung, Schmiergelder an den Geschäftsherrn herauszugeben, keine spezifische Treuepflicht i.S.v. § 266 StGB (BGH, NStZ 1995, 233, 234). Jedenfalls aufgrund der Verpflichtung des Kassenarztes zum wirtschaftlichen Handeln gemäß § 12 Abs. 1 SGB V, § 5 Abs. 1 der Sprechstundenbedarfsvereinbarung ergibt sich aber die Verpflichtung, solche erhaltenen Schmiergelder gegenüber der Krankenkasse offenzulegen, mithin die für die Begehung des Betruges durch Unterlassen erforderliche Handlungspflicht. Hinzu kommt, dass Ärzte und Krankenkassen gemäß § 72 Abs. 1 SGB V verpflichtet sind, zur Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung der Versicherten zusammenzuwirken, und zwar nach Maßgabe des sich aus den eben zitierten Bestimmungen ergebenden Wirtschaftlichkeitsgebotes. Endlich ist es dem Kassenarzt nach § 34 Abs. 1 der Musterberufsordnung der deutschen Ärztinnen und Ärzte nicht gestattet, für die Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln von dem Hersteller oder Händler eine Vergütung oder sonstige wirtschaftliche Vergünstigung zu fordern oder anzunehmen. Auch hieraus dürfte sich eine Garantenpflicht gegenüber der Krankenkasse ergeben, und zwar jedenfalls im Zusammenwirken mit den Bestimmungen des SGB V sowie der Sprechstundenbedarfsvereinbarung über die wirtschaftliche Abrechnung und das gemeinsame Zusammenwirken des Kassenarztes und der Krankenkasse. Darüber hinaus dürfte sich die Garantenpflicht auch aus dem Gesichtspunkt der Ingerenz ergeben, da der Kassenarzt mit der Annahme wirtschaftli-

cher Vergünstigungen für die Verordnung von Arzneimitteln sowohl nach den Bestimmungen des SGB V als auch nach der Musterberufsordnung der deutschen Ärztinnen und Ärzte pflichtwidrig handelt, wobei der erforderliche Pflichtwidrigkeitszusammenhang sich daraus ergibt, dass das ärztliche Berufsrecht jedenfalls in Verbindung mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot in Bezug auf Krankenkassen auch deren Schutz dient.

Zur inneren Tatseite reicht auch hier die Kenntnis der schadensbegründenden Umstände (BGH, MedR 1992, 36, 39), also die Kenntnis des Angeklagten, hier pflichtwidrig gegenüber der Krankenkasse unentgeltliche Leistungen für die Bestellung von Arzneimitteln bei der Firma T erhalten zu haben in Verbindung mit der Vorstellung, dass die von ihm unentgeltlich bezogenen Leistungen sich preisbildend zum Nachteil der der B-Krankenkasse von der Firma T in Rechnung gestellten Medikamentenpreise auswirkten.