LAG Köln, Urteil vom 01.06.2005 - 3 Sa 1477/04
Fundstelle
openJur 2011, 34729
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 7 Ca 14003/03

1. Eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung kommt immer dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber z.B. wegen des tariflichen Ausschlusses einer ordentlichen Kündigungsmöglichkeit ansonsten gezwungen wäre, ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis über einen langen Zeitraum hinweg allein durch Gehaltszahlungen aufrecht zu erhalten.

2. Die gesetzlich geltende unternehmensbezogene Weiterbeschäftigungsverpflichtung auf freien Arbeitsplätzen kann durch einen Tarifvertrag auf den gesamten Konzern ausgedehnt werden.

3. Eine solche tariflich vorgeschriebene konzernweite Weiterbeschäftigungspflicht kann durch weitere Tarifregelungen unterstützt werden, die einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Verschaffung eines freien Arbeitsplatzes enthalten. § 6 Abs. 5 des Abkommens zum Schutz der Mitarbeiter im DLH - Konzern vor nachteiligen Folgen aus Rationalisierungsmaßnahmen enthält einen derartigen Verschaffungsanspruch. Er ist als Wahlschuld ausgestaltet und richtet sich gegen das Arbeitgeberunternehmen, das dem Arbeitnehmer andere angemessene Aufgaben in einem konzernangehörigen Unternehmen verschaffen muss.

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 07.07.2004 – 7 Ca 14003/03 – teilweise abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) durch die schriftliche außerordentliche Kündigung der Beklagten zu 1) vom 17.11.2003 nicht mit Wirkung zum 30.06.2004 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, dem Kläger mit Wirkung zum 01.06.2005 einen angemessenen Arbeitsvertrag bei einem konzernangehörigen Unternehmen im Geltungsbereich des Abkommens zum Schutz der Mitarbeiter im D - Konzern vor nachteiligen Folgen aus Rationalisierungsmaßnahmen (Tarifvertrag Schutzabkommen) zu verschaffen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger und die Beklagte zu 1) jeweils zur Hälfte.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung sowie über die Verpflichtung der Beklagten zur Verschaffung bzw. zum Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages mit dem Kläger. Der im Jahr 1951 geborene, verheiratete und gegenüber zwei Kindern unterhaltsverpflichtete Kläger ist seit dem 01.07.1977 bei der Beklagten zu 1) bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Er war dort zunächst als Sachbearbeiter und zuletzt als Key-Account-Manager mit einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt von 4.382,32 € tätig. Der Kläger ist Mitglied des bei der Beklagten zu 1) bestehenden Betriebsrats.

Bei sämtlichen Beklagten finden konzernweit geltende kollektivrechtliche Regelungen des D -Konzerns Anwendung. Hierzu gehören u. a. der Manteltarifvertrag Nr. 14 für das Bodenpersonal (MTV), das Abkommen zum Schutz der Mitarbeiter im D -Konzern vor nachteiligen Folgen aus Rationalisierungsmaßnahmen (Tarifvertrag Schutzabkommen – TVS) vom 01.10.1995 sowie die Konzernbetriebsvereinbarung Interessenausgleich/ Sozialplan für das Bodenpersonal vom 20.11.1992 in der Fassung der Verlängerungsregelung vom 26.07.2000. Darüber hinaus vereinbarte die Beklagte zu 1) mit dem Betriebsrat vor dem Hintergrund des TVS am 23.09.2003 einen Teilinteressenausgleich mit dem Ziel, den betroffenen Mitarbeitern eine Beschäftigungsmöglichkeit innerhalb des Konzerns zu erhalten, sowie am 10.10.2003 einen betriebsbezogenen Interessenausgleich und Sozialplan. Zum 31.10.2003 legte die Beklagte zu 1) ihren Betrieb endgültig still und kündigte sämtliche 81 Arbeitsverhältnisse.

Wegen dieser Betriebsstilllegung kündigte die Beklagte zu 1) das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 17.11.2003 außerordentlich zum 30.06.2004. Zuvor hatte sie den bei ihr bestehenden Betriebsrat am 10.11.2003 gem. § 102 BetrVG zur beabsichtigten Kündigung des Klägers angehört. Der Betriebsrat hatte der Kündigung widersprochen.

Mit der am 08.12.2003 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten zu 1) am 12.12.2003 zugestellten Klage hat sich der Kläger zunächst gegen die Wirksamkeit der Kündigung vom 17.11.2003 gewandt. Mit Schriftsatz vom 27.04.2004 hat der Kläger sodann die Klage gegenüber den Beklagten zu 2) und 3) erweitert und neben seinem ursprünglichen Feststellungsantrag die Verschaffung eines neuen Arbeitsvertrages zu den bisher geltenden Arbeitsbedingungen begehrt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte zu 1) sei ihren rechtlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der beabsichtigten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht nachgekommen, denn sie habe sich nicht nur nach anderen freien Arbeitsplätzen im D -Konzern erkundigen, sondern ihm vielmehr einen seinem bisherigen Arbeitsplatz entsprechenden neuen Arbeitsplatz auch tatsächlich verschaffen müssen. Er hat gemeint, die Kündigung verstoße bereits gegen § 42 Abs. 2 MTV, da nach dieser Vorschrift ordentlich unkündbare Mitarbeiter nur aus verhaltens- oder personenbedingten Gründen gekündigt werden könnten. Darüber hinaus verstoße die Kündigung auch gegen § 6 Abs. 5 TVS, der aus Anlass einer Betriebsänderung die Kündigung eines ordentlich unkündbaren Mitarbeiters insgesamt verbiete und statt dessen eine Verpflichtung zur Übertragung anderer angemessener Aufgaben vorsehe. Auch habe die Beklagte zu 1) für die Kündigung nicht allein die Arbeitsplatzsituation im Kündigungszeitpunkt zugrunde legen dürfen, sondern habe sich um eine Vermittlung des Klägers auch über diesen Zeitpunkt hinaus bemühen müssen.

Der Kläger hat weiter die Ansicht vertreten, dass ihm zum einen aus § 4 der Konzernbetriebsvereinbarung Interessenausgleich/Sozialplan für das Bodenpersonal und zum anderen aus dem Vertrauenstatbestand, der bei ihm aufgrund seines Arbeitsvertrages, welcher einen Einsatz im gesamten Konzern ausdrücklich gestatte, gegeben sei, berechtigterweise ein Weiterbeschäftigungsanspruch innerhalb des gesamten Konzerns zustehe, den die Beklagte zu 1) für ihn habe durchsetzen müssen. Schließlich hat der Kläger gerügt, dass der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Die Anhörung nach § 102 BetrVG sei unzureichend, da die besondere Schutzbedürftigkeit seiner Funktion als Betriebsratsmitglied aufgrund des offensichtlichen Konzernbezugs des Arbeitsverhältnisses eine Anhörung nach § 103 BetrVG notwendig gemacht habe.

Zusammenfassend sei festzustellen, dass die Beklagte zu 1) aufgrund einer Vielzahl sie bindender sowie den Kläger begünstigender Regelungen ein Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen habe, dass bei Wegfall seines Arbeitsplatzes im Unternehmen seines Vertragsarbeitgebers die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung nicht nur konzernweit geprüft sondern bejahendenfalls auch im Sinne der Verschaffung eines solchen Arbeitsplatzes umgesetzt werde. Insoweit seien auch die übrigen Konzernunternehmen einer entsprechenden Einschlussnahmemöglichkeit der Beklagten zu 1) ausgesetzt, weil sie ebenfalls durch die kollektivrechtlichen Konzernbestimmungen mitverpflichtet würden.

Schließlich hat der Kläger behauptet, er habe im Zeitraum vom 30.07.2003 bis 06.04.2004 insgesamt 21 eigene Bewerbungen konzernweit versandt. So habe er sich insbesondere unter dem 16.10.2003 auf ausdrückliche Aufforderung von Frau G auf die von der L GmbH ausgeschriebene Stelle eines Referenten Sales Support beworben. Seine Bewerbung sei jedoch unter dem 30.10.2003 mit der Begründung abgelehnt worden, dass die Stelle nur mit einem eigenen Mitarbeiter der Firma L GmbH besetzt werden dürfte und die konzernweite Ausschreibung fälschlicherweise erfolgt sei. Wegen der weiteren Stellenbewerbungen des Klägers im einzelnen wird auf den erstinstanzlichen Schriftsatz vom 27.04.2004 Bezug genommen.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) nicht durch die schriftliche außerordentliche Kündigung der Beklagten zu 1) vom 17.11.2003 mit Wirkung zum 30.06.2004 aufgelöst wird,

die Beklagte zu 1) zu verurteilen, dem Kläger spätestens mit Wirkung zum 01.07.2004 zu den bislang bei ihr geltenden Arbeitsbedingungen einen Arbeitsvertrag bei der Beklagten zu 2) zu beschaffen,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Klageantrag zu 2.

die Beklagte zu 1) zu verurteilen, dem Kläger spätestens mit Wirkung zum 01.07.2004 einen Arbeitsvertrag bei der Beklagten zu 3) zu verschaffen,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den Klageanträgen zu 1. bis 3.

die Beklagte zu 2) zu verurteilen, mit dem Kläger ab 01.07.2004 einen Übernahmevertrag zu den bislang bei der Beklagten zu 1) geltenden Arbeitsbedingungen unter Anrechnung seines sozialen Besitzstandes abzuschließen,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den Klageanträgen zu 1. bis 4.

die Beklagte zu 3) zu verurteilen, mit dem Kläger ab 01.07.2004 einen Übernahmevertrag zu den bislang bei der Beklagten zu 1) geltenden Arbeitsbedingungen unter Anrechnung seines sozialen Besitzstandes abzuschließen,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den Klageanträgen zu 1. bis 5.

die Beklagte zu 1) zu verurteilen, den Kläger zunächst bis zum Abschluss dieses Kündigungsschutzverfahrens zu den arbeitsvertraglich geregelten Bedingungen als Key-Account-Manager weiterzubeschäftigen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben die Auffassung vertreten, das Recht des Arbeitgebers zur außerordentlichen Kündigung könne durch eine tarifliche Regelung nicht eingeschränkt werden. Eine tarifliche Norm diesen Inhalts müsse entweder insgesamt als nichtig betrachtet oder aber geltungserhaltend reduziert werden. Die Beklagte zu 1) sei ihren kollektivrechtlichen Verpflichtungen in vollem Umfang nachgekommen. Insbesondere stelle § 10 TVS eine Öffnungsklausel im Sinne einer Vollzugsregelung bezüglich der Bestimmung in § 6 Abs. 5 TVS dar. Diese Vollzugsregelung sei durch den Teilinteressenausgleich vom 23.09.2003 vereinbart worden. Die dort im einzelnen vorgeschriebenen Vermittlungsbemühungen habe die Beklagte zu 1) in vollem Umfang wahrgenommen. Eine Einflussmöglichkeit auf die anderen Unternehmen habe sie nicht. Hierzu fehle es an entsprechenden gesellschaftsrechtlichen Bindungen. Schließlich ließe sich weder aus dem Arbeitsvertrag des Klägers, noch aus den kollektivrechtlichen Konzernregelungen ein derartiger Konzernbezug des klägerischen Arbeitsverhältnisses herleiten, der einen direkten Anspruch des Klägers gegenüber einer der anderen Konzerngesellschaften begründen würde.

Bezüglich der Stellenbewerbungen des Klägers haben die Beklagten vorgetragen, diese seien überwiegend aufgrund fehlender Qualifikation und aus sonstigen fachlichen Gründen negativ beschieden worden. Die Ablehnung der Bewerbung auf die Stelle des Referenten Sales-Support bei der L GmbH bestätigen die Beklagte in der Begründung insoweit, als der örtliche Betriebsrat auf Grundlage einer Konzernbetriebsvereinbarung für diese Stelle lediglich eine interne Ausschreibung gefordert habe. Aus diesem Grund sei die Stelle für den Kläger tatsächlich nicht verfügbar gewesen. Das gleiche gelte für die am 17.12.2003 zur sofortigen Besetzung ausgeschriebene Stelle eines Referenten Vertriebssteuerung und –Controlling, die ebenfalls nur intern habe besetzt werden dürfen.

Insgesamt haben die Beklagten die Auffassung vertreten, dass aus § 6 Abs. 5 TVS keine originäre Verpflichtung folge, den Kläger auf einem freien Arbeitsplatz einzustellen. Zwar werde nicht verkannt, dass das Primat einer möglichen Weiterbeschäftigung in dieser Regelung einen hohen Stellenwert habe. Gerade deshalb sei aber davon auszugehen, dass eine Rechtspflicht im engeren Sinn nicht habe begründet werden sollen. Sämtliche diesbezüglichen Regelungen kämen nicht über ernstgemeinte, aber eben rechtlich unverbindliche politische Zielsetzungen hinaus und begründeten keine wirklichen Verpflichtungen. Allein die im Teilinteressenausgleich vom 23.09.2003 vorgenommene Konkretisierung der von § 6 Abs. 5 TVS verlangten Prüfung einer "Weiterbeschäftigung" sei der Maßstab, an dem das klägerische Begehren zu messen sei. Verstehe man die vorliegend angeführten kollektivrechtlichen Bestimmungen im Sinne des Klägers, geriete in einem Konzern mit über 30 alleine an das Schutzabkommen gebundenen Gesellschaften und über 50000 Mitarbeitern unvermeidbar jede außerordentliche betriebsbedingte Kündigung eines Mitarbeiters zum Lotteriespiel.

Das Arbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 07.07.2004 die Klage insgesamt abgewiesen und die streitgegenständliche Kündigung weder nach § 42 Abs. 2 MTV noch nach § 6 Abs. 5 TVS als ausgeschlossen angesehen und auch keinen arbeitsvertraglichen Vertrauensschutz für begründet erachtet. Es hat ausgeführt, die Beklagte zu 1) habe die besonderen Anforderungen der §§ 6 und 10 TVS i. V. m. den Betriebsvereinbarungen eingehalten und die danach erforderliche Überprüfung aller Beschäftigungsmöglichkeiten innerhalb des Konzerns vorgenommen. Mehr sei der Beklagten zu 1) weder rechtlich noch tatsächlich abzuverlangen gewesen. Ein Anspruch des Klägers gegenüber den Beklagten zu 2) und 3) auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages scheitere zum einen am Fehlen eines Versetzungsanspruchs des Klägers auf Konzernebene und zum anderen daran, dass der Kläger nicht in hinlänglicher Form geltend gemacht habe, dass in den Betrieben der Beklagten zu 2) oder zu 3) zum Kündigungszeitpunkt ein freier Arbeitsplatz bestanden habe, dessen fachlichen Ansprüche er genügt habe.

Gegen dieses dem Kläger am 02.11.2004 zugestellte Urteil hat er am 01.12.2004 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 25.01.2005 begründet. Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, die betriebsbedingte Kündigung sei nach den tariflichen Bestimmungen sowohl in § 42 Abs. 2 MTV als auch in § 6 Abs. 5 TVS ausgeschlossen. Jedenfalls bestehe nach der letztgenannten Norm für die Beklagte zu 1) das Gebot der konzernweiten Weiterbeschäftigung. Hilfsweise beruft sich der Kläger insoweit gegenüber der Beklagten zu 1 auf den Anspruch auf Verschaffung eines anderen Arbeitsplatzes im Konzern bzw. gegenüber den Beklagten zu 2) und 3) auf einen entsprechenden tariflich begründeten Einstellungsanspruch. Er meint, die Tarifparteien hätten mit der Regelung des § 6 Abs. 5 TVS eine Abwägung der wechselseitigen verfassungsmäßigen Rechte von Arbeitgeber und Arbeitnehmer vorgenommen und eine im übrigen unter Umständen bestehende Möglichkeit einer außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung jedenfalls bei Betriebsänderungen im Sinne von § 111 BetrVG generell ausgeschlossen. Dieses Kündigungsverbot führe gleichwohl wegen der bestehenden Verflechtungen innerhalb des D -Konzerns nicht zu einer verfassungswidrigen Knebelung der Beklagten. Aufgrund dieser Verflechtungen werde die Entscheidungsmacht letztlich bei der Konzernmutter, der Beklagten zu 3), gebündelt, wie die Entscheidung über die vorliegende Betriebsstilllegung zeige. Dementsprechend habe die Beklagte zu 3) auch die Möglichkeit, die anderweitige Beschäftigung der unkündbaren Arbeitnehmer innerhalb des Konzerns durch Ausübung ihrer gesellschaftsrechtlichen Weisungsmacht sicherzustellen. Gemäß § 6 Abs. 5 TVS könne daher in der hier vorliegenden Konzernstruktur eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung nur dann in Betracht kommen, wenn auch unter Berücksichtigung der Beschäftigungsmöglichkeiten im gesamten Konzern die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar wäre. § 6 Abs. 5 TVS verpflichte den Arbeitgeber selbst dann, wenn freie Arbeitsplätze nicht vorhanden seien, dem Arbeitnehmer andere angemessene Aufgaben zu übertragen. Genau dies sei im vorliegenden Fall unterblieben. Nach allem sei die Beklagte zu 1) nicht nur zur Prüfung, sondern zur aktiven Vermittlung anderweitiger konzernweiter Beschäftigungsmöglichkeiten verpflichtet. Jedenfalls aber müsste der Umfang der von der Beklagten vorgenommenen Prüfung einer näheren Untersuchung unterzogen werden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 07.07.2004 aufzuheben,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) nicht durch die schriftliche außerordentliche Kündigung der Beklagten zu 1) vom 17.11.2003 mit Wirkung zum 30.06.2004 aufgelöst wird,

die Beklagte zu 1) zu verurteilen, dem Kläger spätestens mit Wirkung zum 01.07.2004 zu den bislang bei ihr geltenden Arbeitsbedingungen einen Arbeitsvertrag bei der Beklagten zu 2) zu beschaffen,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Klageantrag zu 3.

die Beklagte zu 1) zu verurteilen, dem Kläger spätestens mit Wirkung zum 01.07.2004 einen Arbeitsvertrag bei der Beklagten zu 3) zu verschaffen,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den Klageanträgen zu 2. bis 4.

die Beklagte zu 2) zu verurteilen, mit dem Kläger ab 01.07.2004 einen Übernahmevertrag zu den bislang bei der Beklagten zu 1) geltenden Arbeitsbedingungen unter Anrechnung seines sozialen Besitzstandes abzuschließen,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den Klageanträgen zu 2. bis 5.

die Beklagte zu 3) zu verurteilen, mit dem Kläger ab 01.07.2004 einen Übernahmevertrag zu den bislang bei der Beklagten zu 1) geltenden Arbeitsbedingungen unter Anrechnung seines sozialen Besitzstandes abzuschließen,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den Klageanträgen zu 2. bis 6.

die Beklagte zu 1) zu verurteilen, den Kläger zunächst bis zum Abschluss dieses Kündigungsschutzverfahrens zu den arbeitsvertraglich geregelten Bedingungen als Key-Account-Manager weiterzubeschäftigen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil und wiederholen und vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie bestreiten, dass die Beklagte zu 1) die "Rechtsmacht" besitze, die Übernahme ihrer Arbeitnehmer auf freie Arbeitsplätze im Konzern zu erzwingen. Auch habe die Beklagte zu 1) nicht eine tatsächliche Vermittlung einer Weiterbeschäftigung geschuldet, sondern sich vielmehr zu Recht auf die Durchführung des im Teilinteressenausgleichs vom 23.09.2003 vereinbarten Verfahrens beschränken dürfen. Nur auf dieser Grundlage sei § 6 Abs. 5 TVS überhaupt in rechtlich zulässiger Weise auszulegen. Sämtliche Ausführungen des Klägers läsen sich wie der Versuch, die Diskussion um den "Standort Deutschland" endgültig abzuwürgen und würden den sozialen Ansatz des Konzernregelwerks völlig verkennen. Wenn es das Ergebnis des Tarifwerks wäre, dass ein Arbeitnehmer mit einem Jahresgehalt von 56.000,00 €, dessen Unternehmen vollständig schließe, im Konzern wie in einer Beschäftigungsgesellschaft beschäftigt werden müsse, damit er "nicht gänzlich sinnentleert" mit Arbeiten befasst werde, dann wäre die Tarifregelung schlicht und einfach unwirksam und damit – auch im Falle des Klägers – nicht anwendbar. Dementsprechend konnte die Beklagte zu 1) nur durch die in Anwendung von § 10 TVS gemeinsam mit dem Betriebsrat vereinbarten Vollzugsregelungen das Vermittlungsverfahren präzise regeln, um so ein Höchstmaß an Transparenz und Effektivität zu erreichen und gleichzeitig einen praktikablen Rahmen zu schaffen. Dieses Verfahren sei von der Beklagten zu 1) verpflichtend durchzuführen gewesen; gleichzeitig habe sie aber auch mit der Erfüllung dieser Verpflichtung alles im Sinne des TVS Notwendige getan.

Die mit den Hilfsanträgen geltend gemachten Verschaffungs- bzw. Einstellungsansprüche des Klägers halten die Beklagten in rechtlicher Hinsicht für abwegig. Derartige Ansprüche jeglicher Arbeitnehmer irgendeines Konzernunternehmens gegen alle übrigen Konzerngesellschaften hätten das Ende der Betriebsverfassung zur Folge.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Gründe

I. Die Berufung des Klägers ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 u. 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1 S. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache überwiegend Erfolg. Die streitgegenständliche Kündigung vom 17.11.2003 ist rechtsunwirksam und hat das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) nicht mit Wirkung zum 30.06.2004 aufgelöst. Darüber hinaus ist die Beklagte zu 1) gem. § 6 Abs. 5 TVS verpflichtet, dem Kläger mit Wirkung vom 01.06.2005 einen angemessenen Arbeitsvertrag bei einem konzernangehörigen Unternehmen im Geltungsbereich des TVS zu verschaffen.

1. Die außerordentliche Kündigung vom 17.11.2003 ist rechtsunwirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht zum 30.06.2004 beendet. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dabei kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch einem tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer nach § 626 BGB in Ausnahmefällen außerordentlich gekündigt werden (vgl. BAG, Urt. v. 08.04.2003 – 2 AZR 355/02 – EzA § 626 BGB 2002 Unkündbarkeit Nr. 2 m. w. N. aus der Rechtsprechung). Letzteres ist hier der Fall, da gem. § 41 Abs. 3 MTV gegenüber dem Kläger eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen ist.

Darüber hinaus ordnen die Tarifbestimmungen des § 42 Abs. 2 MTV sowie des § 6 Abs. 5 TVS einen weitergehenden Ausschluss auch der außerordentlichen Kündigung an. Nach § 42 Abs. 2 MTV kann auch einem unkündbaren Mitarbeiter aus wichtigem Grund fristlos gekündigt werden, soweit dieser Grund in seiner Person oder in seinem Verhalten liegt. Nach § 6 Abs. 5 TVS bleibt die durch eine Betriebsänderung hervorgerufene Kündigung eines ordentlich unkündbaren Mitarbeiters insgesamt ausgeschlossen. Ob durch diese beiden tariflichen Bestimmungen im vorliegenden Fall bereits ein grundsätzlicher Ausschluss der betriebsbedingten außerordentlichen Kündigung vorgeschrieben wird und die streitgegenständliche Kündigung damit von vornherein unwirksam wäre, kann dahingestellt bleiben und bedarf keiner Entscheidung. Denn die streitgegenständliche Kündigung vom 17.11.2003 verstößt jedenfalls gegen das sowohl in § 626 Abs. 1 BGB als auch in § 1 Abs. 2 KSchG enthaltene sog. ultimaratio-Prinzip.

a) Grundsätzlich kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit sozialer Auslauffrist dann in Betracht, wenn ein wichtiger Grund zur Kündigung gerade darin zu sehen ist, dass wegen des tariflichen Ausschlusses der ordentlichen Kündigung der Arbeitgeber den Arbeitnehmer notfalls bis zum Erreichen der Pensionsgrenze weiterbeschäftigen müsste und ihm dies unzumutbar ist. Es geht im wesentlichen darum, zu vermeiden, dass der tarifliche Ausschluss der ordentlichen Kündigung dem Arbeitgeber Unmögliches oder evident Unzumutbares aufbürdet (vgl. BAG, Urt. v. 08.04.2003 – 2 AZR 355/02 – EzA § 626 BGB 2002 Unkündbarkeit Nr. 2). Letzteres ist immer dann der Fall, wenn der Arbeitgeber ohne außerordentliche Kündigungsmöglichkeit gezwungen wäre, ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis über einen langen Zeitraum hinweg allein noch durch Gehaltszahlungen aufrecht zu erhalten (BAG, a. a. O.; BAG, Urt. v. 27.06.2002 – 2 AZR 367/01 – EzA § 626 BGB Unkündbarkeit Nr. 8).

Dabei ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein strenger Prüfungsmaßstab anzulegen (so schon BAG, Urt. v. 03.11.1955 – 2 AZR 39/54 – BAGE 2, 214; bestätigt durch BAG, Urt. v. 08.04.2003 – 2 AZR 355/02 – a. a. O.). Insbesondere ist es in erheblich weiterem Umfang als bei einer ordentlichen Kündigung dem Arbeitgeber bei einer außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist gegenüber einem tariflich unkündbaren Arbeitnehmer zumutbar, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden (vgl. Kiel, NZA 2005 Beilage 1, S. 18, 21 ff.).

bb) Derartige geeignete andere Maßnahmen zur Vermeidung der außerordentlichen Kündigung sind im vorliegenden Fall vorhanden.

Betrachtet man zunächst das Unternehmen der Beklagten, so scheidet eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger unstreitig aus, da der einzige vorhandene Beschäftigungsbetrieb zum 31.10.2003 endgültig geschlossen worden ist.

Die Besonderheit des Streitfalles besteht jedoch darin, dass gem. § 6 TVS bei Betriebsänderungsmaßnahmen eine über den gesetzlichen Rahmen der §§ 626 BGB und 1 KSchG hinausgehende Pflicht zur Weiterbeschäftigung eines von der Betriebsänderung betroffenen Mitarbeiters im Konzern besteht. So verbietet § 6 Abs. 1 TVS bei einer Betriebsänderung, die die bisherige Tätigkeit eines Mitarbeiters ganz oder überwiegend entfallen lässt, die Kündigung dieses Mitarbeiters, wenn dessen Weiterbeschäftigung auch unter geänderten angemessenen Vertragsbedingungen auf einem anderen zumutbaren Arbeitsplatz im Konzern möglich ist. Die nach den gesetzlichen Regelungen unternehmensbezogene Weiterbeschäftigungsverpflichtung auf freien Arbeitsplätzen wird damit durch § 6 Abs. 1 TVS in Fällen wie dem vorliegenden auf den gesamten D -Konzern ausgeweitet. Ergänzt wird diese konzernweite Weiterbeschäftigungsverpflichtung durch § 6 Abs. 5 TVS, der in Satz 2 in Ergänzung des zuvor ausgesprochenen Kündigungsverbots nochmals ausdrücklich die Verpflichtung zur Übertragung anderer angemessener Aufgaben im gesamten Konzern vorschreibt.

Die letztgenannte Tarifbestimmung ist dabei jedenfalls als Weiterbeschäftigungsverpflichtung auf einem anderweitigen freien Arbeitsplatz im Konzern zu verstehen. Ob sie darüber hinaus sogar die Schaffung eines Arbeitsplatzes vorschreibt, kann vorliegend dahingestellt bleiben, da im Zeitpunkt der Kündigung jedenfalls ein freier angemessener Arbeitsplatz im Sinne der Tarifnorm vorhanden war. Von daher kann ebenfalls die von den Parteien streitig behandelte Frage offen bleiben, wie die Darlegungs- und Beweislast in diesem Punkt verteilt ist, denn der Kläger hat sich ausdrücklich auf konkrete Arbeitsplätze im Konzern berufen. Auf die insoweit ebenfalls ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur abgestuften Darlegungs- und Beweislast wird gleichwohl Bezug genommen (vgl. zuletzt BAG, Urt. v. 24.06.2004 – 2 AZR 220/03 m. umfassenden w. N. aus der Rechtsprechung).

cc) Im D -Konzern ist zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs der streitgegenständlichen Kündigung eine angemessene Stelle im Sinne des § 6 Abs. 1, Abs. 5 TVS zu besetzen gewesen. Es handelt sich dabei um die von der L GmbH ausgeschriebene Stelle eines Referenten Sales Support. Der Kläger ist auf diese Stelle von der Mitarbeiterin G mit e-Mail vom 15.10.2003 ausdrücklich hingewiesen worden, mit der Bitte, sich auf diese Stelle zu bewerben. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger das Anforderungsprofil für diese Stelle erfüllt. Eine bereits am Folgetag eingereichte Bewerbung des Klägers ist jedoch mit der Begründung abschlägig beschieden worden, dass die Stelle versehentlich konzernweit ausgeschrieben worden sei und der örtliche Betriebsrat auf der Grundlage der Konzernbetriebsvereinbarung Stellenausschreibung vom 01.01.1996 lediglich eine interne Ausschreibung gefordert habe.

Steht somit fest, dass eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs bestand, sind die besonders hohen Anforderungen, die an eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung eines ordentlich unkündbaren Mitarbeiters zu stellen sind (vgl. BAG, Urt. v. 27.06.2002 – 2 AZR 367/01 – EzA § 626 BGB Unkündbarkeit Nr. 8) jedenfalls nicht erfüllt. Dass der örtliche Betriebsrat der L GmbH bezüglich dieser freien Stelle lediglich eine unternehmensinterne Ausschreibung verlangt hat, ist insoweit rechtlich ohne Relevanz. Selbst eine nur unternehmensintern durchgeführte Ausschreibung hätte nicht zur Folge gehabt, dass eine Beschäftigung des Klägers auf dieser Stelle ausgeschieden wäre. Die Art und Weise der Stellenausschreibung erleichtert lediglich für potentielle Stellenbewerber die Möglichkeit zur Kenntnisnahme von der freien Stelle. Sie hat keine Auswirkungen auf die tatsächliche Stellenbesetzung. Dies gilt umso mehr, als die Schutzvorschriften des § 6 Abs. 1 und 5 TVS im Rahmen einer Abwägung jedenfalls Vorrang vor dem Verlangen eines örtlichen Betriebsrats zur Durchführung einer lediglich internen Stellenausschreibung haben.

b) Zusammenfassend bleibt somit bezüglich der streitgegenständlichen Kündigung vom 17.11.2003 deren Unwirksamkeit wegen Verstoß gegen das ultimaratio-Prinzip festzuhalten. Für den Kläger bestand im Kündigungszeitpunkt eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit im D -Konzern, zu deren Angebot die Beklagte gem. § 6 TVS verpflichtet war. Die gleichwohl ausgesprochene außerordentliche Kündigung ist daher unverhältnismäßig und entbehrt des gem. § 626 Abs. 1 BGB erforderlichen wichtigen Grundes.

2. Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1) gem. § 6 Abs. 5 TVS einen Anspruch auf Verschaffung eines angemessenen Arbeitsvertrages bei einem konzernangehörigen Unternehmen im Geltungsbereich des TVS. Dies ergibt die Auslegung dieses Tarifvertrages.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teils des Tarifvertrages den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggfls. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. BAG, Urt. v. 29.08.2001 – 4 AZR 337/00 – BAGE 99, 24, 28; bestätigt durch BAG, Urt. v. 10.03.2004 – 4 AZR 126/03 –).

b) Aus Wortlaut und Gesamtzusammenhang der Tarifbestimmungen des TVS folgt, dass dem Kläger zur Vermeidung einer betriebsbedingten außerordentlichen Kündigung ein anderweitiger freier Arbeitsplatz im Konzern zur Verfügung gestellt werden muss und die Beklagte zu 1) dem Kläger diesen Arbeitsplatz verschaffen muss.

Bereits § 6 Abs. 1 TVS ordnet an, dass anstelle einer betriebsänderungsbedingten Kündigung eines Mitarbeiters wegen Wegfalls seiner bisherigen Tätigkeit diesem Mitarbeiter ein anderer zumutbarer Arbeitsplatz im Konzern ggfls. unter geänderten angemessenen Vertragsbedingungen angeboten werden muss. § 6 Abs. 5 Satz 1 TVS ergänzt dieses Kündigungsverbot für die ordentlich unkündbaren Mitarbeiter und schließt auch die außerordentliche Kündigung in einem solchen Fall aus. Gleichzeitig verpflichtet § 6 Abs. 5 Satz 2 TVS den Arbeitgeber im Anwendungsbereich des vorgenannten Tarifvertrages dem vom Arbeitsplatzwegfall im Rahmen einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer andere angemessene Aufgaben im Konzern zu übertragen. Der Wortlaut dieser Vorschriften ist unmissverständlich. Das gilt insbesondere für § 6 Abs. 5 TVS. Hier wird bei betriebsänderungsbedingtem Arbeitsplatzwegfall dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses absolute Priorität eingeräumt und die konzernangehörigen Unternehmen werden einschränkungslos zur Übertragung anderweitiger Aufgaben angehalten.

Bestätigung findet dieser Normwortlaut im tariflichen Gesamtzusammenhang und dem hierin zum Ausdruck kommenden Sinn und Zweck der Tarifnorm. So schreibt § 2 TVS ausdrücklich fest, dass der Sicherung der Beschäftigungsverhältnisse eine vorrangige Bedeutung zukommt und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses eines von einer Betriebsänderung betroffenen Mitarbeiters zu geänderten angemessenen Bedingungen im D -Konzern daher das vornehmliche Ziel des TVS sei. Vor dieser Ziel- und Zweckrichtung der gesamten Tarifbestimmungen des TVS gewinnen die im dritten Abschnitt des Tarifvertrages normierten Schutzvorschriften besondere Bedeutung. Bereits § 6 Abs. 1 TVS passt sich dabei nahtlos in die Zweckrichtung des Tarifvertrages ein, wenn dort bei betriebsbedingten ordentlichen Kündigungen die Weiterbeschäftigungsverpflichtung auf freien Arbeitsplätzen über den Rahmen des § 1 Abs. 2 KSchG hinaus auf den gesamten Konzern ausgedehnt wird. An diese Bestimmung knüpft § 6 Abs. 5 TVS an und schreibt eine zumindest ebenso weitreichende Verpflichtung auch im Fall der außerordentlichen Kündigung eines ordentlich unkündbaren Mitarbeiters vor. Da diesem Personenkreis bereits grundsätzlich ein noch weitreichenderer Schutz zukommt, müssen diese auch gegen Kündigungen im Rahmen von Betriebsänderungen mindestens in gleicher Weise geschützt werden, wie Arbeitnehmer ohne Sonderkündigungsschutz. Insoweit ist es tarifsystematisch konsequent, auch vor Ausspruch einer möglicherweise ausnahmsweise zulässigen außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten im Gesamtkonzern der D zu prüfen und den betroffenen Arbeitnehmer bei Vorliegen solcher Beschäftigungsmöglichkeiten dort einzusetzen.

c) § 6 Abs. 5 Satz 2 TVS begründet dabei auch eine Verschaffungspflicht der Beklagten zu 1) im Sinne einer konzernweiten Weiterbeschäftigungspflicht.

Vor dem Hintergrund, dass das Kündigungsschutzgesetz nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht konzernbezogen ist (vgl. BAG, Urt. v. 14.10.1982 – 2 AZR 568/80 –, BAGE 41, 72; Urt. v. 10.01.1994 – 2 AZR 489/93 – EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 74; Urt. v. 26.09.2002 – 2 AZR 636/01 – EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 124; Urt. v. 23.11.2004 – 2 AZR 24/04 – ZIP 2005, 1044, 1046 f. jeweils m. w. N.), hat sich das Bundesarbeitsgericht in der Vergangenheit aufgrund besonderer Sachverhaltsgestaltungen mit Ausnahmefällen befasst, in denen eine konzernbezogene Betrachtung geboten war. Dabei hat das BAG bei einer derartigen Vertragsgestaltung den Arbeitgeber als verpflichtet angesehen, zunächst eine Unterbringung des Arbeitnehmers in einem anderen Unternehmens- oder Konzernbetrieb zu versuchen, bevor er eine betriebsbedingte Kündigung ausspreche. In einem solchen Fall könne der Arbeitnehmer einen vertraglichen Anspruch gegen seinen Arbeitgeber auf Verschaffung eines entsprechenden Arbeitsvertrages haben (vgl. BAG, Urt. v. 18.09.2003 – 2 AZR 403/02 – EzA § 102 BetrVG 2001 Beschäftigungspflicht Nr. 2; Urt. v. 27.11.1991 – 2 AZR 255/91 – EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 72; Urt. v. 23.11.2004 – 2 AZR 24/04 – ZIP 2005, 1044, 1047). In diesem Zusammenhang hat das Bundesarbeitsgericht für eine solche konzernweite Weiterbeschäftigungspflicht ferner verlangt, dass dem Beschäftigungsbetrieb aufgrund einer Abstimmung mit dem herrschenden Unternehmen oder dem anderen Konzernbetrieb ein bestimmender Einfluss auf die "Versetzung" des Arbeitnehmers eingeräumt worden sei (vgl. BAG, a. a. O.).

Beides ist im Streitfall gegeben. Zum einen normiert § 6 Abs. 5 TVS eine entsprechende Verschaffungspflicht des Beschäftigungsunternehmens im obigen Sinne. Zum anderen kann die Beklagte zu 1) als Beschäftigungsunternehmen auf die übrigen konzernangehörigen Unternehmen die für die "Versetzung" des Klägers erforderliche Einflussnahme ausüben. Letzteres ergibt sich aus den insgesamt bestehenden tariflichen Bindungen der konzernangehörigen, dem Anwendungsbereich des TVS unterfallenden Unternehmen. Da diese Unternehmen selbst originär durch den TVS gebunden sind, trifft sie alle im Fall einer Betriebsänderung die Verpflichtung, den vom Wegfall ihres Aufgabenbereichs betroffenen Mitarbeitern anderweitige freie Stellen im Konzern anzubieten. Damit korrespondiert aber gleichzeitig die Verpflichtung, soweit man sich in der Position eines potentiell aufnehmenden Unternehmens mit freien Arbeitsplätzen befindet, diese auch "fremden" Mitarbeitern zur Verfügung zu stellen. Diese letztgenannte Verpflichtung kann und muss ggfls. von dem Beschäftigungsunternehmen konzernintern bzw. ggfls. unter Beschreitung des Rechtsweges durchgesetzt werden. Keinesfalls kann die Anwendung des § 6 Abs. 5 Satz 2 TVS, die ausdrücklich eine Beschäftigung des vom Arbeitsplatzwegfall betroffenen Arbeitnehmers in einem anderen konzernangehörigen Unternehmen vorsieht, damit letztlich ins Leere gehen, dass es an der vermeintlichen Durchsetzbarkeit dieser zentralen Schutzvorschrift mangelt.

Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ergibt sich insoweit auch aus § 10 a TVS nichts anderes. Danach bleiben die Vorschriften der §§ 111 ff. BetrVG unberührt und in einem Interessenausgleich/Sozialplan sind die Einzelheiten des Vollzuges u. a. der Bestimmungen des § 6 TVS zu regeln. Soweit die Beklagten meinen, der Teilinteressenausgleich vom 23.09.2003 stelle eine entsprechende Vollzugsregelung im Sinne des § 10 a TVS dar und beschreibe abschließend die von der Beklagten zu 1) nach § 6 Abs. 5 TVS durchzuführenden Maßnahmen, überzeugt dies die erkennende Kammer nicht. Zwar stellt der vorgenannte Teilinteressenausgleich eine ausfüllende Regelung im Sinne des § 10 a TVS dar. Das dort im einzelnen geregelte Prüfungsverfahren ist daher von der Beklagten zu 1) richtigerweise durchgeführt worden. Jedoch sind mit diesem Teilinteressenausgleich die aus § 6 Abs. 5 TVS begründeten Pflichten des Beschäftigungsbetriebs nicht umfassend und abschließend geregelt. Der Teilinteressenausgleich stellt lediglich eine teilweise, nicht jedoch eine vollständige Umsetzung und damit keine abschließende Vollzugsregelung im Sinne des § 10 a TVS dar. Es bleibt vielmehr bei der vom Tarifvertrag selbst vorgegebenen Verschaffungspflicht, die in Ermangelung konkreter ausfüllender Vollzugsregelungen die Beklagte zu 1) in unmittelbarer Anwendung des § 6 Abs. 5 TVS zu vollziehen hat.

d) Die Verschaffungspflicht der Beklagten zu 1) besteht jedoch nur in dem tenorierten Umfang. Danach musste die Beklagte zu 1 dem Kläger lediglich einen angemessenen Arbeitsvertrag bei einem konzernangehörigen Unternehmen im Geltungsbereich des TVS verschaffen. Für das weitergehende Begehren des Klägers fehlt es an einer gesetzlichen bzw. tariflichen Grundlage.

Die Verschaffungspflicht des § 6 Abs. 5 TVS stellt eine Wahlschuld im Sinne des § 262 BGB dar. Eine solche liegt immer dann vor, wenn mehrere verschiedene Leistungen in der Weise geschuldet werden, dass nach späterer Wahl nur eine von ihnen zu erbringen ist. Es besteht ein einheitlicher Anspruch mit alternativen Inhalten (Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 262 Rziff. 1). § 6 Abs. 5 TVS verpflichtet lediglich zur Übertragung anderer angemessener Aufgaben in einem konzernangehörigen Unternehmen. Ein Anspruch des Klägers auf einen konkreten Arbeitsplatz besteht danach nicht. Vielmehr schuldet die Beklagte zu 1) nur die Übertragung bzw. Verschaffung anderer angemessener Aufgaben. Gem. § 262 BGB steht dabei das Wahlrecht im Zweifel dem Schuldner, also der Beklagten zu 1), zu.

e) Der Verschaffungsanspruch des Klägers wirkt zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts, also zum 01.06.2005. Mit diesem Datum ist die Beklagte zu 1) in Ausübung ihres Wahlrechts verpflichtet, dem Kläger andere angemessene Aufgaben in einem konzernangehörigen Unternehmen zu übertragen bzw. zu verschaffen. Da es hierbei um die tatsächliche Zuweisung eines anderen Aufgabenbereichs an den Kläger geht, scheidet eine Verpflichtung der Beklagten zur rückwirkenden Vertragsänderung aus. Dies gilt auch nach Inkrafttreten des § 311a Abs. 1 BGB in der ab dem 01.01.2003 geltenden neuen Fassung. Anders als im Fall der umfangsmäßigen Änderung der Arbeitsbedingungen nach § 8 TzBfG, in dem eine rückwirkende Änderung der Vertragsbedingungen nunmehr möglich ist (vgl. BAG, Urt. v. 27.04.2004 – 9 AZR 522/03 –), kann die Zuweisung konkreter Tätigkeiten nur mit Wirkung für die Zukunft erfolgen. Der Kläger ist insoweit auch nicht schutzlos gestellt, da sein Arbeitsverhältnis bis zur Verschaffung anderer angemessener Aufgaben in unverändertem Umfang zu der Beklagten zu 1) fortbesteht.

III. Die weitergehende Berufung des Klägers ist unbegründet und war daher zurückzuweisen. Dies gilt zum einen für den weiterreichend geltend gemachten Verschaffungsanspruch gegenüber der Beklagten zu 1). Insoweit kann auf das oben Gesagte verwiesen werden. Die weiteren auf Verschaffung bzw. Abschluss eines Arbeitsvertrages gerichteten Hilfsanträge sind nicht zur Entscheidung angefallen. Unbegründet ist auch der zu Ziff. 6 gegenüber der Beklagten zu 1) gestellte Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers. Dieser ist auf eine Weiterbeschäftigung zu den arbeitsvertraglich geregelten Bedingungen als Key-Account-Manager gerichtet. Eine solche Beschäftigung ist nach dem unstreitigen Sachverhalt unmöglich, da die Beklagte zu 1) den Betrieb zum 31.10.2003 endgültig stillgelegt hat.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO; die Revisionszulassung beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

RECHTSMITTELBELEHRUNG

Gegen dieses Urteil kann von dem Kläger und der Beklagten zu 1

R E V I S I O N

eingelegt werden.

Die Revision muss

innerhalb einer Notfrist* von einem Monat

schriftlich beim

Bundesarbeitsgericht

Hugo-Preuß-Platz 1

99084 Erfurt

Fax: (0361) 2636 - 2000

eingelegt werden.

Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

Die Revisionsschrift muss von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.

* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.

(Dr. Kreitner) (Dumm) (Göbel)