OLG Köln, Urteil vom 14.12.2004 - 22 U 117/04
Fundstelle
openJur 2011, 33998
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 30 O 412/03
Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 24. Juni 2004 verkündete Urteil der 30. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 30 O 412/03 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die Formwirksamkeit eines gewerblichen Mietvertrages, über die Auslegung einer darin enthaltenen Verlängerungsklausel und den Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses.

Die Klägerin hatte von der Beklagten, einer aus zwei Gesellschaftern bestehenden Grundeigentümergesellschaft bürgerlichen Rechts, ab dem 15.11.1999 Gewerberäume im Technologiepark C. H. auf ein Jahr fest angemietet.

Der Mietvertrag ist auf Vermieterseite durch den Gesellschafter V. M. unterzeichnet, der seine Unterschrift auf einen Stempelaufdruck der beklagten GbR gesetzt hat. Unter dem Stempelaufdruck befindet sich der maschinenschriftliche Zusatz:

"Grundstücksgesellschaft

TechnologiePark C. H.

V. und Dr. K. M. GbR

V. J. M.

(Vermieterin)

Der Mietvertrag enthält über Laufzeit und Kündigung u.a. folgende Regelung:

"3.2.

Das Mietverhältnis verlängert sich um jeweils ein Jahr, wenn es nicht von einer der Vertragsparteien unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten schriftlich gekündigt wird.

3.3.

Für die Rechtzeitigkeit der schriftlich abzugebenden Verlängerungserklärung oder Kündigung kommt es nicht auf die Absendung, sondern auf die Ankunft des Schreibens an."

Die Klägerin kündigte das Mietverhältnis unter dem 28.08.2003 zum 29.02.2004; die Beklagte nahm die Kündigung an, jedoch mit Wirkung erst zum 14.11.2004.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht den Antrag der Klägerin abgewiesen festzustellen, dass das Mietverhältnis spätestens zum 31.03.2004 beendet sei. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigungsregelung im Mietvertrag sei dahin zu verstehen, dass der Vertrag nur unter Einhaltung einer Sechsmonatsfrist jeweils zum 14.11. eines Jahres kündbar sei und die Regelung in Nr. 3.3 des Mietvertrages keine weitergehende Kündigungsmöglichkeit eröffne. Auch die Schriftform sei eingehalten, denn in dem maschinenschriftlichen Zusatz komme zum Ausdruck, dass der Gesellschafter V. M. als Vertreter der GbR gezeichnet habe.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag mit der Maßgabe weiter, dass das Mietverhältnis zwischen den Parteien am 29.02.2004, hilfsweise: am 31.03.2004, beendet worden ist.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil entspricht der Sach- und Rechtslage.

Das Mietverhältnis zwischen den Parteien ist nicht durch die Kündigung der Klägerin vom 28.08.2003 nach Ablauf einer Sechsmonatsfrist zum 29.02.2004 oder entsprechend den gesetzlichen Vorschriften über die ordentliche Kündigung von gewerblichen Mietverhältnissen ( § BGB) zum Quartalsende, dem 31.03.2004, beendet worden. Die Kündigung der Klägerin hatte lediglich gemäß Nr. 3.2. des Mietvertrages zur Folge, dass das Mietverhältnis sich nicht über die am 14.11.2004 endende Einjahresperiode hinaus verlängerte.

1.

Nach den mietvertraglichen Regelungen über die Laufzeit und Kündigung des Vertrages konnte die Klägerin mit ihrer Kündigung vom 28.08.2003 das Mietverhältnis nicht zum 29.02.2004 sondern nur mit Wirkung zum 14.11.2004 beenden.

Die Dauer des Mietvertrages und die Möglichkeit seiner Beendigung sind abschließend in Nr. 3.1 und 3.2 des Mietvertrages geregelt. Danach begann das Mietverhältnis am 15.11.1999 und verlängerte sich jeweils um ein Jahr bis zum 14. November des folgenden Jahres, solange es nicht unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten, also spätestens am 14. Mai eines Jahres, schriftlich gekündigt wurde.

Da bis zum 14.05.2003 von keiner Partei eine Kündigungserklärung abgegeben worden war, setzte sich das Mietverhältnis gemäß Nr. 3.2. des Mietvertrages über den 14.11.2003 hinaus bis zum 14.11.2004 fort. Die Kündigung der Klägerin vom 28.08.2003 konnte das Mietverhältnis erst zu diesem Zeitpunkt beenden.

Die Auffassung der Klägerin, nach den Vertragsbestimmungen habe das Mietverhältnis jeweils ausdrücklich und schriftlich verlängert werden müssen, da dies nicht geschehen sei, habe sie das Mietverhältnis mit sechsmonatiger Kündigungsfrist beenden können, ist mit dem eindeutigen Wortlaut von Nr. 3.2 des Mietvertrages nicht zu vereinbaren.

Die Klägerin kann sich für ihre Auslegung zunächst nicht auf Nr. 3.3. des Mietvertrages berufen, weil diese Regelung nicht die Kündigungsregelung in Nr. 3.2 des Mietvertrages modifiziert. Sie hat lediglich eine klarstellende Funktion bezüglich des Zugangs von abzugebenden Erklärungen und enthält letztlich eine Wiederholung der gesetzlichen Regelung des § 130 BGB über den Zugang von Willenserklärungen unter Abwesenden. Aus dem Umstand, dass in diesem Zusammenhang auch von einer "schriftlich abzugebenden Verlängerungserklärung" die Rede ist, lässt sich nicht ableiten, dass der Vertrag entgegen dem ganz eindeutigen Wortlaut der Nr. 3.2. zu seiner Verlängerung der entsprechenden Erklärung bedürfe.

Auch aus anderen Bestimmungen kann die Klägerin nichts für ihre Auffassung herleiten:

Nr. 3.5 des Mietvertrages bezieht sich - wegen der Bezugnahme ("Im Falle einer vorzeitigen Kündigung ...") eindeutig - nur auf die in Nr.3.4 des Mietvertrages geregelte, hier indessen nicht einschlägige außerordentliche, fristlose Kündigung.

Bestimmungen des Vertrages der Klägerin mit der TBG TechnologiePark C. H. Verwaltungs-GmbH können schon deshalb zur Auslegung des vorliegenden Mietvertrages nicht dienen, weil es sich um andere Vertragsparteien handelt.

Die sich aus dem eindeutigen und nicht auslegungsfähigen Wortlaut der Nr. 3.2. des Mietvertrages ergebende Kündigungsregelung entspricht im Übrigen der langjährigen, übereinstimmenden Übung und damit offenbar auch dem früheren Verständnis beider Parteien. Sie haben das Mietverhältnis seit 1999 fortgeführt, ohne dass die Klägerin die nach ihrer jetzigen Auffassung notwendige Verlängerungserklärung je abgegeben hätte.

2.

Der Mietvertrag konnte auch nicht deshalb unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist zum 31.3.2004 gekündigt werden, weil es an der Schriftform fehlen würde, die § 566 BGB a.F. für Verträge vorschreibt, welche für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr geschlossen werden. Das Mietverhältnis ist deshalb nicht gemäß § 566 Satz 2 BGB a.F. als auf unbestimmte Zeit geschlossen - und damit jederzeit kündbar - anzusehen.

a)

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der zwischen den Parteien geschlossene Mietvertrag überhaupt von der Regelung des hier noch maßgeblichen, § 550 BGB n.F. entsprechenden § 566 BGB a.F. erfasst wird.

Zwar soll die Bestimmung auch für Verträge gelten, die auf ein Jahr fest geschlossen sind und sich verlängern, wenn die Parteien keine entgegenstehende Erklärung abgeben (Schmidt/Futterer/Lammel, Mietrecht, 8.Aufl., § 550 Rdn.21; Palandt/ Weidenkaff, BGB, 60. Aufl., § 566 Rdn.6; ders.: 63. Aufl., § 550, Rdn.6). Hiergegen könnte bei dem streitigen Mietverhältnis allerdings eingewendet werden, dass der Vertrag jedenfalls nicht von einer Partei gegen den Willen der anderen Partei über ein Jahr hinaus durch einseitige Erklärung verlängert werden konnte. Er war damit zunächst nur auf ein Jahr - nicht für "mehr als ein Jahr" - fest abgeschlossen und verlängerte sich nur, wenn beide Parteien von einer Kündigung absahen. Es erscheint zweifelhaft, ob auch dieser Fall von § 566 BGB a.F. erfasst ist.

b)

Hierauf kommt es indessen nicht an, weil eine etwa notwendige Schriftform jedenfalls gewahrt ist.

Zwar ist es für die Einhaltung der Schriftform erforderlich, dass alle Vertragsparteien die Vertragsurkunde unterzeichnen. Dies ist insofern nicht geschehen, als für die Vermieterin nur deren Gesellschafter V. J. M. eigenhändig unterzeichnet hat, nicht auch die Mitgesellschafterin "Dr. K. M.".

Dies ist aber unschädlich, weil der Gesellschafter V. J. M. dadurch, dass er mit dem Firmenstempel unterzeichnet hat, der Verkehrsanschauung entsprechend und ohne weiteres erkennbar als Vertreter der GbR und mithin auch der Mitgesellschafterin unterzeichnet hat.

Unterzeichnet für eine Vertragspartei ein Vertreter den Mietvertrag, so muss dies in der Urkunde durch einen das Vertretungsverhältnis anzeigenden Zusatz hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen. Der Bundesgerichtshof stellt hieran in ständiger Rechtsprechung hohe Ansprüche (vgl. die Urteile des Bundesgerichtshofes vom 5. November 2003, XII ZR 134/02, NJW 2004, 1103 f. = ZMR 2004, 106 ff. = MDR 2004, 325 f. = GuT 2004, 61 f. und vom 16.7.2003, XII ZR 65/02, NJW 2003, 3053 f. = ZMR 2004, 19 f. = WM 2003, 2193 f. = MDR 2003, 1283).

Diesen Anforderungen ist jedoch Genüge getan, weil in der Mietvertragsurkunde durch die Unterschrift des Gesellschafters V. J. M. verbunden mit dem Firmenstempel der beklagten GbR hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, dass auf Vermieterseite Herr V. J. M. als Vertreter der beklagten GbR aufgetreten ist und in dieser Eigenschaft den Mietvertrag unterzeichnet hat.

Der vorliegende Fall unterscheidet sich von den in der Rechtsprechung entschiedenen Fällen dadurch, dass weder über die Vertragsparteien Unsicherheit herrscht (wie im Fall BGH NJW 2004, 1103) und die Unterzeichnung durch einen Gesellschafter auch nicht im möglichen Widerspruch zu einer sich aus dem Vertrag ergebenden Möglichkeit einer abweichenden Vertretungsregelung steht, wie im Fall BGH NJW 2003, 3053-3054, in dem es ebenfalls um die Unterzeichnung durch einen Gesellschafter der Vermieter-GbR ging.

Auch dem von der Klägerin überreichten Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg - 8 U 1809/03 (Bl. 136 ff. GA) liegt ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde, weil sich auch dort Unklarheiten unmittelbar aus der Vertragsurkunde ergaben: Auch dort war zwar auf Mieterseite ein Stempel, nämlich einer Anwaltssozietät, verwendet worden. Die Besonderheit des Falles lag aber darin, dass der Stempel nur auf eine Anwaltssozietät, bestehend aus (offenbar) drei Rechtsanwälten, hinwies, während im Mietvertrag auf Seiten der Mieter weitere Personen genannt waren. Es fehlte deshalb bei der Verwendung des Stempels an der notwendigen Klarheit, ob auch die im Stempel nicht aufgeführten Personen durch den Unterzeichnenden vertreten wurden. Gerade dies ist im vorliegenden Streitfall anders.

Entscheidend kommt es im Hinblick auf den von § 566 BGB a.F. in erster Linie bezweckten Schutz eines späteren Grundstückserwerbers (BGH NJW 2004, 2962 [2964]) darauf an, dass bei Unterzeichnung eines Vertreters in der Vertragsurkunde das Vertretungsverhältnis hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt. Dies ist hier deshalb der Fall, weil kein Zweifel über die Zusammensetzung der GbR auf Vermieterseite besteht und durch die typische, die Vertretung einer Gesellschaft zum Ausdruck bringende Zeichnung eines Gesellschafters mit dem Firmenstempel, hier zusätzlich durch die darunter befindliche maschinenschriftliche Namensnennung des Vertreters bestätigt, keine Unklarheit darüber aufkommt, dass der unterzeichende Gesellschafter die Gesellschaft und damit auch den Mitgesellschafter vertrat.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr.10, 713 ZPO.

IV.

Die Voraussetzungen für die von der Klägerin angeregte Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung - wie aufgezeigt - weder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes ab, noch hat die Sache über die Rechtsanwendung auf den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren - zugleich Wert der Beschwer für die Klägerin - wird auf 9.252,85 Euro festgesetzt (Wert der auf die noch streitige Zeit von achteinhalb Monaten entfallenden Nettomiete zuzügl. MwSt, ohne Nebenkostenvorauszahlung).

Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren wird in Abänderung der Streitwertfestsetzung durch das Landgericht auf 13.062,85 Euro festgesetzt (Wert der Jahresnettomiete zuzügl. MwSt, ohne Nebenkostenvorauszahlung).