LG Dortmund, Urteil vom 22.06.2005 - 20 O 18/05
Fundstelle
openJur 2011, 33879
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin betreibt ein Umspannwerk und ein Windparknetz; die Beklagte ein Stromverteilnetz.

Die Klägerin begehrt Rückzahlung der von ihr gezahlten Kosten für den Anschluss ihres Windparks an das Stromverteilnetz.

Nach Verhandlungen bot die Beklagte ( damals die F AG als Rechtsvorgängerin ) mit Schreiben vom 29.06.2000 und 06.07.2000 den Anschluss des Windparks an ihr 110 kv-Netz an. Hierzu war eine technische Verbindung zwischen dem Umspannwerk und dem 110 kv-Netz erforderlich. Die Beklagte bot diese in Form einer 40 m langen Freileitung als Einfachstichanschluss an; zuvor bestand keine Stromversorgung mittels einer vorhanden Leitung. Wegen der weiteren Einzelheiten der Schreiben wird auf die zu den Akten gereichten Kopien Bl. 19 bis 26 der Akten Bezug genommen.

Bei dem Antrag der Beklagten vom 29.06.2000 handelt es sich um vorformulierte Vertragsbedingungen. Die Regelungen sind sachlich identisch sind mit den Verträgen, die die Beklagte mit der S GmbH, der S2 GmbH & Co. KG und der M GmbH & Co. KG geschlossen hatte.

Mit Schreiben vom 17.07.2000 nahm die Klägerin den Antrag der Beklagten vom 29.06.2000 und 06.07.2000 an und fügte hinzu: "Die Kostenübernahme erfolgt wie vereinbart... ".

Die Beklagte bestätigte die Auftragserteilung und stellte nach einem Telefonat mit der Klägerin klar, dass diese das Gesamtangebot der Beklagten vom 29.06.2000 in Höhe von 136.072,64 DM ohne Einschränkung angenommen habe. Die Klägerin widersprach dem nicht.

Nach Anschluss und Inbetriebnahme stellte die Beklagte ( damals die O AG als Rechtsvorgängerin der Beklagten und Rechtsnachfolgerin der F AG ) der Klägerin mit Rechnung vom 07.06.2001 für den Freileitungsanschluss einschließlich Trassierung den Betrag von 15.379,49 € in Rechnung.

Die Rechnung wurde von der Klägerin vollständig und ohne Vorbehalt beglichen.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie diesen Betrag zurückfordern könne, da sie ihn rechtsgrundlos gezahlt habe. Sie meint, dass es sich bei der Freileitungsverbindung um einen Netzausbau i.S.d. § 10 II EEG a. F. gehandelt habe, für den der Netzbetreiber die Kosten zu tragen habe. Weil das Verbindungsstück zwischen dem damaligen Netz der Beklagten und dem Umspannwerk der Klägerin zu den Betriebsanlagen der Beklagten zähle und auch deren Eigentum sei, handele es sich um Bestandteile des Netzes der Beklagten.

Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag sei nichtig, da § 10 EEG a. F. ein gesetzliches Verbot darstelle. Dies ergebe sich aus dem Regelungszusammenhang und dem Zweck des Gesetzes. § 10 EEG a. F. habe nämlich den Zweck, Anlagenbetreiber gegenüber dem Netzbetreiber zu schützen, da der Netzbetreiber aufgrund des Monopols eine bessere Verhandlungsposition habe; dadurch ergebe sich für die Anlagenbetreiber eine Drucksituation, aufgrund derer sie bei dem Vertragsschluss nicht über streitige Punkte verhandeln könnten; § 10 EEG sei daher zwingendes Recht.

Die Klägerin meint, dass überdies auch eine Unwirksamkeit der vertraglichen Regelung nach § 9 AGBG i.V. m. § 10 II EEG a. F. gegeben sei. Die Regelungen zur Kostentragung seien mit den Grundgedanken des § 10 II EEG a. F. nämlich nicht zu vereinbaren; die Verpflichtung zur Tragung der Netzausbaukosten stehe in unmittelbaren Zusammenhang mit den vier Hauptpflichten des Netzbetreibers, dem Netzausbau, dem Anschluss, der Abnahme und der Vergütung.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 15.379,49 € nebst 8 %-Punkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.12.2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, dass es sich bei der Verbindungsleitung nicht um einen Ausbau, sondern um einen Anschluss handele.

Darüber hinaus meint sie, dass es für die Kostenabgrenzung nicht auf die Eigentumsfrage ankomme, da die Verbindungsleitung zumindest ganz überwiegend der Einspeisung von Elektrizität diene. Des Weiteren ist die Beklagte der Ansicht, dass die Eigentumsfrage lediglich indiziellen Charakter habe, maßgeblich sei eine funktionelle Betrachtungsweise; hiernach stelle die Leitung auch für zukünftige Einspeisewillige eine Anschlussleitung i. S. d. § 10 I EEG a. F. dar. Dementsprechend habe auch die Rechtsprechung zum Stromeinspeisungsgesetz nicht nach dem Eigentum an der Leitung differenziert.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat sich weder bei Vertragsschluss noch bei Zahlung der Anschlusskosten eine rechtliche Prüfung der Zahlungsverpflichtung vorbehalten noch steht ihr ein Anspruch aus § 812 I 1 BGB zu.

Die von der Klägerin geleistete Zahlung ist nicht rechtsgrundlos erfolgt; vielmehr liegt der Zahlung der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag über die Zahlung der Kosten des Anschlusses zu Grunde.

Der Anschlussvertrag wäre auch dann als Rechtsgrund anzusehen, wenn es sich bei den abgerechneten Leistungen um Netzausbaumaßnahmen i.S.v. § 10 II 1 EEG a.F. handeln würde. Denn die Parteien waren sich bei Vertragsschluss darüber einig, dass die Klägerin die Kosten für die von der Beklagten durchgeführten Maßnahmen übernimmt. Soweit es sich hierbei um Netzausbaumaßnahmen handeln sollte, läge eine abweichende Vereinbarung der Parteien vor. Diese wäre auch nicht gem. § 134 BGB nichtig. Bei § 10 II 1 EEG a. F. handelt es sich nämlich nicht um eine zwingende Vorschrift (ebenso LG Kiel, RdE 2004, 232; LG Chemnitz, RdE 2004, 274).

Dem steht der Wortlaut des § 10 II 1 EEG a. F. nicht entgegen. Eindeutig zwingend ist lediglich § 10 I 2 EEG a. F. Wenn überhaupt hieraus ein Schluss gezogen werden kann, dann ein Umkehrschluss, dass § 10 II 1 EEG a. F. nicht zwingend ist. Denn als zwingende Regelung hätte die Formulierung "hat der Netzbetreiber zu tragen" auf der Hand gelegen.

Auch der Sinn und Zweck des EEG führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Zwar lässt sich für eine zwingende Regelung anführen, dass das EEG die Anlagenbetreiber soweit von Kosten freistellen und eine Vergütung sicher stellen will, dass sich der prozentuale Anteil an erneuerbarer Energie erhöht. Um diesen Zweck zu erreichen legt das EEG den Netzbetreibern folgerichtig die Pflicht auf, die erneuerbare Energie produzierenden Anlagen anzuschließen, den Strom abzunehmen und diesen in einer bestimmten Höhe zu vergüten. Der Sinn und Zweck der zwingenden Vorschriften liegt demnach nur darin, ihnen die Inbetriebnahme zu ermöglichen. Ohne eine Abnahme- und Vergütungspflicht wäre die Inbetriebnahme nicht aussichtsreich. Dass eine Einigung über die mitunter schwierige Abgrenzung der Anschluss- und Ausbaukosten nicht möglich sein soll, lässt sich den Vorschriften nicht entnehmen.

Dem steht auch nicht entgegen, dass das EEG im Gegensatz zum StrEG eine Regelung bezüglich der Kostentragungspflicht enthält. Die Aufnahme einer Regelung hinsichtlich der infolge eines Anschlusses anfallenden Kosten ist lediglich eine Folge dessen, dass im StrEG nicht geregelt war, wer die Anschlusskosten zu tragen hatte. Der BGH hatte deshalb in einem Fall, in dem hinsichtlich der Anschlusskosten keine vertragliche Regelung getroffen worden ist, auf die allgemeine Vorschrift des § 448 BGB zurückgegriffen. Hiernach hat der Gesetzgeber eine Regelung aufnehmen wollen, die Rechtsstreitigkeiten vermeiden sollte. Eine zwingende Regelung musste hierzu jedoch nicht geschaffen werden.

Des Weiteren spricht auch § 10 III EEG a. F. gegen eine zwingende Regelung in

§ 10 II 1 EEG a. F. Wenn nämlich der Gesetzgeber selbst nicht in der Lage war, eine eindeutige Abgrenzung zwischen Netzausbau- und Netzanschlusskosten zu normieren und u. A. deswegen stattdessen eine Clearingstelle vorsah, kann nicht angenommen werden, dass trotz der Ungewissheit darüber, welche Kosten überhaupt Netzausbaukosten sind, eine zwingende Regelung hinsichtlich der Kosten gewollt war.

Ohne es ausdrücklich auszusprechen scheint auch der BGH zu dem Ergebnis gekommen zu sein, dass § 10 II 1 EEG a. F. nicht zwingend ist (BGH VIII ZR 160/02 - Urteil vom 11.6.2003, RdE 2003, 268). Unter II.1.b) äußert sich der BGH zur Frage, ob der Netzbetreiber mangels vertraglicher Regelung berechtigt war, den Anschluss abzulehnen, u. A. wie folgt:

"Insoweit war jedoch wegen der sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebenden Regelung eine vertragliche Vereinbarung nicht erforderlich".

Wäre der BGH von einer zwingenden Vorschrift ausgegangen, hätten sich die dortigen Ausführungen zum tatsächlichen Ablauf erübrigt. Zudem wäre in diesem Fall eine vertragliche Vereinbarung nicht nur nicht erforderlich, sondern gar nicht möglich gewesen.

Eine Nichtigkeit der Vereinbarung der Kostenübernahme ergibt sich auch nicht aus

§ 9 AGBG i.V. m. § 10 I, II EEG a. F.

Gemäß Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB findet das AGBG in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung auf Schuldverhältnisse Anwendung, die vor dem 1.1.2002 entstanden sind.

Das EEG vom 29.3.2000 ist zwar - abgesehen von der Vergütungsregel - am 31.7.2004 ohne Fortgeltung der bisherigen Regelungen außer Kraft getreten (§ 21 EEG n. F.; BT-Drucksache 15/2864, S. 54 zu § 21). Die Frage, ob von wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung abgewichen worden ist (§ 9 II Nr. 1 AGBG), beurteilt sich jedoch nach den zur Zeit der Vornahme des Rechtsgeschäfts geltenden Vorschriften (vgl. Palandt 64.Aufl., § 307 Rn. 3).

Bei den Regelungen des zwischen den Parteien geschlossenen Anschlussvertrages handelt es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen der Beklagten (§ 1 AGBG), die von den Parteien zum Bestandteil des Vertrages gemacht worden sind (§ 2 AGBG).

Es ist schon fraglich, ob diese Regelungen überhaupt der Kontrolle des AGBG unterliegen. Denn bei der Vereinbarung der Übernahme der Kosten handelt es sich um eine Regelung, die einer unmittelbaren Preisvereinbarung in der Wirkung gleichsteht (ebenso: LG Kiel, aaO ) und daher grundsätzlich nicht kontrollfähig ist

(vgl. Palandt, § 307 Rn. 59). Auch Preisvereinbarungen können hingegen ausnahmsweise kontrollfähig sein, wenn in diesem Punkt eine gesetzliche Regelung besteht (vgl. Palandt a.a.O.).

Auch wenn man in Anbetracht der Regelungen von § 10 I 1, II 1 EEG a. F. die Grundsätze zu Preisvereinbarungen hiernach auf den vorliegenden Fall übertragen würde, käme man jedoch nicht zu einer Unwirksamkeit der vertraglichen Übernahme der Kosten des Anschlusses. Eine unangemessene Benachteiligung würde nämlich voraussetzen, dass die Abweichung mit wesentlichen Grundgedanken der abgeänderten gesetzlichen Regelung nicht vereinbar ist. Dies beurteilt sich danach, ob es sich um reine frei änderbare Zweckmäßigkeitserwägungen handelt oder um zwingende Gerechtigkeitserwägungen, die dem Schutz einer Vertragspartei dienen.

Wie bereits ausgeführt, dienen die Regelungen des § 10 I 1, II 1 EEG a. F. lediglich der Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten und sind daher wie § 448 BGB reine Zweckmäßigkeitsregelungen; ein Schutzzweck kommt der Vorschrift nicht zu.

Auf die Frage, ob es sich bei den Kosten um Anschlusskosten im Sinne des § 10 I 1 EEG a. F. oder um Ausbaukosten im Sinne des § 10 II 1 EEG a. F. gehandelt hat, kommt es damit nicht an.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.