AG Gütersloh, Urteil vom 26.04.2005 - 10 C 753/04
Fundstelle
openJur 2011, 32227
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Kläger kann von den Beklagten nach §§ 7 Abs.1, 18 Abs. 1 StVG; 3 Nr.1 PflVG jedenfalls keinen weiteren Schadensersatz verlangen.

Ob dem Kläger überhaupt Anwaltsgebühren als Schadensersatz zustehen, ist freilich schon fraglich, denn vorliegend hatte die Beklagte zu 2 bereits vor Einschaltung eines Anwaltes ihre Einstandspflicht erklärt, und um Kosten zweckentsprechender Rechtsverfolgung handelte es sich nur dann, wenn die Einschaltung eines Anwaltes überhaupt bei dieser Lage noch geboten war ( s. Palandt-Heinrichs 64.Aufl. BGB § 249 Rz. 39 ).

Allerdings streiten beide Parteien nur über die Höhe der Gebühren, gehen ansonsten jedoch übereinstimmend von deren grundsätzlicher Erstattungsfähigkeit aus. Auch wenn man dem folgt, so stehen dem Kläger über die vorgerichtlich bereits - mit einer Gebühr von 0,8 - regulierten Anwaltskosten hinaus keine Ansprüche mehr zu, denn die Beklagten sind an die abweichende anwaltliche Festsetzung der Gebühr nach § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG nicht gebunden, wenn sie - wie hier - unbillig ist. Die "Billigkeitsgrenze" ist vorliegend überschritten, da die berechnete - 1,3-fache - von der angemessenen Gebühr um mehr als 20 % ( s. dazu: Gerold /Schmidt 16.Aufl. RVG § 14 Rz. 34) abweicht.

Die "Mittelgebühr" des VV 2400 ist aus dem Mittel der beiden Endwerte des Gebührenrahmens ( 0,5 - 2,5 ) mit rechnerisch 1,5 zu entnehmen; allerdings ist sie oberhalb des "Schwellenwertes" von 1,3 nur dann geschuldet, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war ( siehe : Gerold /Schmidt - Madert a.a.O, VV 2400 - 2403, Rz. 88, 100,101); war die Tätigkeit weder schwierig noch umfangreich, so bildet die 1,3-fache Gebühr die Obergrenze.

Das bedeutet im Umkehrschluß nun aber nicht, daß bei weder schwieriger noch umfangreicher Tätigkeit regelmäßig die 1,3-fache Gebühr anzusetzen wäre. Nach § 14 Abs.1 RVG ist die Gebühr vielmehr unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Mandanten nach billigem Ermessen zu bestimmen, wobei bei der Bestimmung ein besonderes Haftungsrisiko des Anwaltes herangezogen werden kann, die genannten Kriterien aber im Prinzip gleiche Bedeutung haben.

Die 1,3-fache Gebühr kommt deshalb nur in Betracht, wenn die anwaltlich Tätigkeit zwar weder schwierig noch umfangreich, gleichwohl aber nach Schwere und Umfang wenigstens durchschnittlich war und wenn auch die Bedeutung der Angelegenheit sowie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Mandanten als wenigstens durchschnittlich anzusehen sind.

Vorliegend sind zwei dieser für die Gebührenbemessung maßgeblichen Kriterien als durchschnittlich, die beiden anderen aber als unterdurchschnittlich anzusehen.

Da hier zu den Verhältnissen des Klägers nichts mitgeteilt ist und der Schaden nicht allzu hoch war, ist insoweit von durchschnittlichen Verhältnissen und durchschnittlicher Bedeutung auszugehen.

Die anwaltliche Tätigkeit hingegen ist nach Umfang und Schwere hier hingegen als unterdurchschnittlich anzusehen, denn sie erschöpfte sich in der Entgegennahme der Information, der Mandatsanzeige, der Zusammenstellung des Schadens und der Fertigung und Übersendung der Gebührennote. Da Mandatsanzeige und auch Abrechnung regelmäßige Begleiterscheinungen jedes Mandates sind und auch keinerlei Schwierigkeiten in sich bergen ( der hier ausgetragene Streit ist kein Indiz für das Gegenteil, sondern lediglich Besonderheit der noch neuen Vergütungsregelung des RVG), bleibt als spezifisch anwaltliche Tätigkeit die Entgegennahme der Information und die Bezifferung der Schäden.

Diese Tätigkeit verlangt indes nur anwaltliches Basiswissen.

Da eine rechtliche Prüfung eventueller Mithaftungseinwände angesichts der noch vor anwaltlicher Befassung erteilten uneingeschränkten Eintrittszusage nicht nötig war, und eine Auseinandersetzung über die Schadenshöhe jedenfalls nicht erfolgt ist, ist die anwaltliche Tätigkeit nach Schwierigkeit und Umfang als unterdurchschnittlich anzusehen; anwaltliche Haftungsrisiken fallen hier - auch wegen der vorherigen Eintrittszusage - nicht ins Gewicht.

Bei dieser- nach Ablauf und Ausgangspunkt der anwaltlichen Tätigkeit eher untypischen - Lage ist jedenfalls die Festsetzung einer Gebühr oberhalb des von den Beklagten hingenommenen 0,8-fachen Satzes nicht mehr angemessen; der beklagtenseits regulierte Betrag entspricht selbst ohne Berücksichtigung des "Schwellenwertes" rechnerisch etwas mehr als der Hälfte der "Mittelgebühr".

Der mit der Novellierung des anwaltlichen Gebührenrechtes erstrebte Zweck einer Anhebung der Gebühren steht dem nicht entgegen, denn dieser verwirklicht sich - im Bereich der vorprozessualen Tätigkeit - vor allem durch die Anhebung der Sätze und Gebührenrahmen der VV 2400 - 2403, und steht abgesehen davon unter dem Primat der dazu durch das RVG geschaffenen Normen, darf also nicht als prinzipieller "Aufschlag", sondern nur nach Maßgabe der durch § 14 RVG bestimmten Kriterien Berücksichtigung finden. Unbehelflich ist in diesem Zusammenhang auch der klägerische Verweis auf das sogenannte "DAV-Abkommen", das für Unfallmandate mit Abrechnung nach BRAGO eine 15/10 Gebühr vorsah. Abgesehen davon, daß diese Regelung für Abrechnungen nach RVG ohnehin nicht gilt, war sie Bestandteil einer Absprache zwischen Teilen der Versicherungswirtschaft und dem Deutschen Anwaltverein, galt also auch schon seinerzeit nicht allgemein; zudem beruhte sie auf Vertrag und ist damit den Zielen gesetzlicher Reformzwecke entzogen.

Die Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer nach § 14 Abs. 2 RVG war vorliegend nicht veranlaßt, da diese Regelung nur beim Streit zwischen Anwalt und Mandant, nicht aber dann gilt, wenn letzterer angefallene Anwaltsgebühren von einem Dritten erstattet verlangt ( siehe : Gerold /Schmidt - Madert a.a.O, § 14, Rz. 119 ).

Eine Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO war ebenfalls nicht veranlaßt.

Fraglich ist schon, ob die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung bei neuen Gesetzesregelungen sogleich eine obergerichtliche Bescheidung erfordert, bevor sich durch Urteile verschiedener Gerichte überhaupt ein - zunächst auch divergentes -Meinungsspektrum herausgebildet hat, auf dem eine einheitliche Rechtsprechung erst aufbauen kann. Diese Unterschiede "wegzuzementieren" legt der Rechtsfindung Schranken an, die statt zur Wahrung einheitlicher Rechtsanwendung zu einer unerwünschten "Einheitsrechtsprechung" führen kann, indem sie die richterliche Rechtsanwendung abschneidet, was weder diese fördert, noch den Parteien selbst nützt.

Diese Frage kann jedoch dahinstehen.

Die Zulassung zur Berufung setzt nämlich voraus, daß die hier berührte Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, und daran fehlt es vorliegend deshalb, weil die Schadensregulierung hier keinen typischen, sondern einen eher seltenen Ausnahmefall zum Gegenstand hatte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO; die über die Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 11, 713 ZPO.