LG Duisburg, Beschluss vom 29.06.2004 - 7 T 156/04
Fundstelle
openJur 2011, 30556
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 2 M 1503/03
Tenor

Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr vom 10.05.2004, Az.: 2 M 1503/03, wird zurückgewiesen.

Der Schuldner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts München vom 27.12.1993. Die Gesamtforderung der Gläubigerin belief sich unter dem 12.06.2003 auf insgesamt 295,58 EUR. Als Vollstreckungsmaßnahme hat die Gläubigerin die Ansprüche des Schuldners gegen die Drittschuldnerin pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen. Auf Antrag des Schuldners wurde seitens des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr mit Beschluss von 30.09.2003 angeordnet, daß das monatlich auf dem Konto der Drittschuldnerin eingehende Arbeitseinkommen i. H. v. 1.479,99 EUR freizugeben sein, da der Schuldner zwei Personen gegenüber zum Unterhalt verpflichtet sei.

Im April 2004 ging auf das Konto des Schuldners bei der Drittschuldnerin eine Einkommens-Steuerrückerstattung i. H. v. 386,-- EUR ein. Der Schuldner hat beantragt, ihm hinsichtlich dieses Betrages Vollstreckungsschutz nach § 765 a ZPO zu gewähren. Zur Begründung hat er ausgeführt, daß er mit diesem Betrag fest gerechnet habe und den Unterhalt der Tochter sowie Strom hiervon habe zahlen wollen.

Mit Beschluss vom 10.05.2004 hat das Amtsgericht den Antrag des Schuldners auf Freigabe der Steuerrückerstattung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß der Steuererstattungsanspruch voll pfändbar und eine Schutzvorschrift nicht anwendbar sei. Sittenwidrige Härte i. S. d. § 765 a ZPO könne nicht festgestellt werden.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 17.05.2004. Er trägt vor, daß die Pfändung in Höhe der Einkommenssteuerrückerstattung sehr wohl sittenwidrig sei, da er nichts mehr besitze. Er sei auch erkrankt und habe bereits Rentenantrag gestellt.

II. Das Rechtsmittel des Schuldners ist als sofortige Beschwerde i. S. d. § 793 ZPO auszulegen und hiernach zulässig.

Die sofortige Beschwerde des Schuldners hat jedoch in der Sache keine Aussicht auf Erfolg.

Mit der vorliegenden Beschwerde wendet sich der Schuldner gegen die Pfändung der auf seinem Konto bei der Drittschuldnerin eingegangenen Lohnsteuerrückerstattung. Pfändungsschutz in Fällen der Kontopfändung richtet sich nach § 850 k ZPO. Der Pfändungsschutz nach § 850 k ZPO kommt jedoch nur dann zur Anwendung, wenn auf dem Konto des Schuldners wiederkehrende Leistungen eingehen. Einmalige Vergütungen i. S. d. § 850 i ZPO genießen keinen Pfändungsschutz nach § 850 k. Vielmehr ist in diesen Fällen nur § 765 a ZPO anwendbar (Zöller, 24. Aufl., § 850 k, Rdnr. 5).

Ein Fall des § 765 a ZPO liegt jedoch nicht vor. Hiernach hat das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufzuheben, wenn die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Ein dahingehender Fall könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn die auf das Konto überwiesene Lohnsteuerrückerstattung dem Grunde nach unpfändbar wäre und nur durch den Eingang des Geldes auf das Konto Pfändungsschutz verloren hätte. Lohnsteuerrückerstattungen sind jedoch grundsätzlich frei pfändbar.

Um von dem Schutz der Pfändungsfreigrenzen nach § 850 c ZPO erfaßt zu werden, müßten die dem Schuldner zustehenden Erstattungsbeiträge wegen überzahlter Lohnsteuer zum in Geld zahlbaren Einkommen i. S. d. § 850 Abs. 1 ZPO gehören. Bei der betreffenden Steuererstattung handelt es sich aber weder um aus einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis gewährte fortlaufende Einkünfte noch um eine sonstige Vergütung, die dem Schuldner aus der Arbeit oder Dienstleistung zusteht. Der Anspruch auf Erstattung überzahlter Lohnsteuer hat zwar seinen materiellen Ursprung in dem Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer insofern, als zum Arbeitslohn (Bruttolohn) die Lohnsteuer gehört, die der Arbeitgeber davon einzubehalten und für den Arbeitnehmer an das Finanzamt abzuführen hat (§ 38 EStG); entsprechend ist der Arbeitslohn auch Bemessungsgrundlage für die Lohnsteuer (§ 38 a EStGB). Doch bereits zu dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer zufließt, wandelt sich die Rechtsnatur des vom Arbeitgeber einbehaltenen und an das Finanzamt abzuführenden Teil des Arbeitslohnes: Es entsteht insoweit ein Lohnsteueranspruch des Staates als Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 AO). Von diesem Zeitpunkt an gehen Lohnsteuer und restlicher Arbeitslohn rechtlich getrennte Wege. Das kommt im Gesetz auch dadurch zum Ausdruck, das § 850 c ZPO unter Arbeitseinkommen, das auf seine Unpfändbarkeit zu prüfen ist, ausschließlich das Arbeitseinkommen nach Abzug der Lohnsteuer, also das Nettoarbeitseinkommen versteht, wie sich eindeutig aus § 850 c Abs. 3 ZPO i. V. m. der Lohnpfändungstabelle entnehmen läßt. Hieraus folgt das der Begriff "Arbeitseinkommen" in § 850 ZPO nicht anders verstanden werden kann. Der Lohnsteuerabzugsbetrag, den der Arbeitgeber an das Finanzamt abzuführen hat, ist somit nicht Bestandteil des Arbeitseinkommens i. S. der Pfändungsschutzbestimmung des § 850 ff. ZPO.

Etwas anders ergibt sich auch nicht, wenn sich bei der späteren Veranlagung herausstellt, daß infolge Nichteintragung oder einer der Höhe nach zu geringen Eintragung des nach dem Gesetz zustehenden Freibetrages auf der Lohnsteuerkarte (§ 39 a Abs. 1 EStG) während des Veranlagungszeitraumes zuviel Lohnsteuer an das Finanzamt abgeführt worden ist. Der Lohnsteueranspruch des Staates verkehrt sich dann, ohne dabei seinen Charakter als Anspruch der im öffentlichen Recht angesiedelt ist zu verlieren, in einen Rückerstattungsanspruch des Steuerpflichtigen gem. § 37 Abs. 2 AO. Der aufgrund dieses Anspruches an den Steuerpflichtigen zu erstattenden Betrag erlangt, obschon er wirtschaftlich betrachtet im Nachhinein das für den Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum erwirtschaftete Einkommen erhöht, nicht wieder den Charakter eines Einkommen, daß aus dem Dienst- oder Arbeitsverhältnis gewährt wird, und auch nicht den einer Vergütung, die dem Berechtigten aus einem Arbeits- oder Dienstverhältnis zusteht (BFH, BFH-NV 1996, S. 10).

Ein Fall der sittenwidriger Härte ergibt sich auch nicht daraus, daß der Schuldner mit der erwarteten Lohnsteuerrückerstattung den Unterhalt für die Tochter zahlen wollte. Unterhaltszahlungen sind grundsätzlich aus den laufenden Einnahmen zu begleichen. Aufgrund dessen wurde bei Festlegung des Pfändungsfreibetrages auch die Tochter als Unterhaltsberechtigte berücksichtigt. Aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 12.05.2003 war dem Schuldner auch bekannt, daß die erwartete Lohnsteuer der Pfändung unterliegen würde. Wenn der Schuldner in Anbetracht der (unberechtigt) erwarteten Lohnsteuerrückerstattung die monatlichen Einnahmen nicht zur Unterhaltsleistung für die Tochter verwendet hat, beruht dies auf einem nicht schutzwürdigen Interesse des Schuldners.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Wert des Beschwerdeverfahrens: 295,58 EUR.