OLG Hamm, Urteil vom 14.06.2004 - 5 U 42/04
Fundstelle
openJur 2011, 30140
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 6 O 440/03
Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das am 11. Dezember 2003 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsrechtsstreits werden den Klägern auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird zunächst Bezug genommen.

Die Kläger vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen und sind der Auffassung, das Landgericht habe zu Unrecht eine Haustürsituation verneint. Der Mitarbeiter der Vermittlungsfirma I und Partner, Herr G, habe sie im Februar 2001 erstmals in ihrer Wohnung aufgesucht und u.a. mittels Vorlage einer Liquiditätsrechnung über die Möglichkeiten des Erwerbs einer Immobilie unterrichtet. Insgesamt hätte der Vermittler G sie in der Folgezeit etwa achtmal zu Hause besucht. Anfang Mai 2001 sei dann erstmals über den Ankauf der später erworbenen Wohnung in F konkret gesprochen worden, nachdem zuvor mitgeteilt worden sei, daß eine Bank zur Finanzierung des Geschäfts bereit sei. Die zahlreichen Hausbesuche seien jedenfalls mitursächlich für den Abschluß des Darlehensvertrages vom 13./19.06.2001 gewesen. Die Beklagte, zu der sie nur an dem Tag des Vertragsschlusses Kontakt gehabt hätten, müsse sich die unrichtigen Angaben des Vermittlers G zu der Ertragskraft und der Werthaltigkeit der Wohnung zurechnen lassen. Der Schutzzweck der Widerrufsregelung gebiete es, sie nach wirksamen Widerruf ihrer auf die Kreditaufnahme gerichteten Willenserklärungen nicht etwa einem Rückzahlungsanspruch der Beklagten auszusetzen, sondern vorliegend die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Verbraucherkreditgesetz a.F. zur Geltung kommen zu lassen.

Die Kläger regen wegen der vorgenannten Problematik die Vorlage an den Europäischen Gerichtshof und hilfsweise die Aussetzung des Rechtsstreits bis zu dessen Entscheidung über den Vorlagebeschluß des Landgerichts Bochum vom 29.07.2003 (Rechtssache C-350/03) an.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils

1.

die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars N vom 20. Juni 2001 (UR 364/2001) für unzulässig zu erklären;

2.

die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.654,94 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 25.11.2002 sowie 1.513,21 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 19.09.2002 sowie 2.185,28 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 14.02.2003 zu zahlen, sowie sie von allen weiteren Darlehensverflichtungen freizustellen, Zugum-Zug gegen Auflassung des Wohnungseigentums, eingetragen in dem Wohnungsgrundbuch von G2 Blatt 5411, sowie die Rechte aus dem abgetretenen Bausparvertrag M 5109 580 919 an die Kläger zurückabzutreten.

3.

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, den anläßlich des Erwerbs und Besitzes der Eigentumswohnung sowie der Zwangsvollstreckung entstehenden weiteren materiellen Schaden zu ersetzen;

4.

die Beklagte zu verurteile, an die Kläger die vollstreckbare Ausfertigung der notarielle Urkunde des Notars N vom 20.06.2001 (UR 364/2001) herauszugeben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, es habe keine ihr zurechenbare Haustürsituation vorgelegen. Auch Pflichtverletzungen, die Schadensersatzansprüche auslösen könnten, lägen nicht vor. Bei dem Immobilienkaufvertrag und dem Darlehensvertrag handele es sich unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht um ein einheitliches Geschäft.

Wegen des weitergehenden Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Kläger hat keinen Erfolg.

Die Zwangsvollstreckung der Beklagten aus der notariellen Urkunde vom 20.06.2001 ist nicht unzulässig. Ein wirksamer Widerruf der von den Klägern im Hinblick auf den Darlehensvertrag mit der Beklagten abgegebenen Willenserklärungen ist nicht gegeben. Es bestehen auch keine Schadensersatz- und Erstattungsverpflichtungen der Beklagten.

Es kann dahinstehen, ob angesichts des Zeitablaufs zwischen dem erstmaligen Angebot der Wohnung im Mai 2001 und dem Darlehensabschluß am 13./19.06.2001 noch von einer Mitursächlichkeit der Haustürsituation ausgegangen werden kann (vgl. hierzu BGH NJW 2003, 1390).

Jedenfalls kann das Verhalten von Mitarbeitern des Vermittlungsbüros I und Partner der Beklagten nicht zugerechnet werden. Zur Beantwortung der Frage nach der Zurechnung ist auf die zu § 123 BGB entwickelten Grundsätze zurückzugreifen (vgl. BGH WM 2004, 521; ZIP 2003, 1741; NJW 2003, 1390). Die hier allein in Betracht kommenden Voraussetzungen des § 123 Abs. 2 Satz 1 BGB liegen jedoch nicht vor. Daß die Beklagte davon hätte ausgehen müssen, daß die Vertragsanbahnung in einer Verhandlungssituation im Sinne von § 1 Abs. 1 HWiG a.F. stattfand, ist nicht ersichtlich. Aus einem etwaigen Wissen der finanzierenden Bank um die Vermittlung des Darlehensvertrages durch ein gewerbliches Unternehmen jedenfalls kann dies nicht schon gefolgert werden (BGH WM 2004, 521). Ausreichend konkrete Anhaltspunkte dafür, daß die Beklagte den Darlehensvertrag in Kenntnis eines Schemas, nachdem der Erwerb von Eigentumswohnungen von der Firma X2 regelmäßig einleitende Kontakte in der Wohnung des Kunden umfaßte, haben die Kläger nicht vorzutragen vermocht.

Aber selbst wenn man zu Gunsten der Kläger von einem wirksamen Widerruf ausginge, so könnten sie hieraus keine Einwendungen gegen die Zwangsvollstreckung herleiten. Eine Rückzahlung des Darlehenskapitals können sie nicht unter Hinweis auf § 9 Abs. 3 Verbraucherkreditgesetz a.F. verweigern. Der Widerruf des Kreditvertrages berührt die Wirksamkeit des Kaufvertrages über die Eigentumswohnung nicht. § 9 Verbraucherkreditgesetz a.F. ist gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 Verbraucherkreditgesetz a.F. nicht anwendbar, da der Kredit von der Sicherung durch ein Grundpfandrecht abhängig gemacht und zu üblichen Konditionen vergeben wurde (Durchschnittzinssatz lt. Bundesbank Juni 2001 = 6,22 %; Vertragszins 6,17 %). § 9 Verbraucherkreditgesetz a.F. ist nicht auf Realkredite der vorgenannten Art anzuwenden (BGH ZIP 2003, 1741; NJW 2003, 1390, NJW 2003, 442, NJW 2002, 1881). Die Haustürgeschäfterichtlinie steht dem nicht entgegen, weil Artikel 7 die Regelung der Rechtsfolgen des Widerrufs von Haustürgeschäften ausdrücklich dem einzelstaatlichen Recht überläßt (BGH NJW 2003, 422). Aus diesen Gründen ist auch weder eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof noch die Aussetzung des Rechtsstreits bis zu einer Entscheidung in der Rechtssache C-350/03 angezeigt (vgl. BGH, Urteil vom 28.10.2003, XI ZR 263/02).

Ein Einwendungsdurchgriff ergibt sich auch nicht aus § 242 BGB. Bei einem Ausschluß des Einwendungsdurchgriffs nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 Verbraucherkreditgesetz a.F. kommt ein Rückgriff auf die von der Rechtsprechung aus § 242 BGB hergeleiteten Grundsätze nicht in Betracht (BGH, Urteil vom 27.01.2004, XI ZR 37/03).

Die Kläger haben gegen die Beklagte schließlich auch keine Schadensersatzansprrüche auf Grund der Verletzung von Beratungs- und Aufklärungspflichten. Auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts zu dieser Frage wird Bezug genommen. Ergänzend ist anzumerken, daß nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes der im Rahmen von Erwerbermodellen auftretende Vermittler als Erfüllungsgehilfe im Pflichtenkreis der in den Vertrieb nicht eingeschalteten Bank nur insoweit tätig wird, als sein Verhalten den Bereich der Anbahnung des Kreditvertrages betrifft. Möglicherweise falsche Erklärungen zum Wert des Objektes, zu den monatlichen Belastungen unter Berücksichtigung von Mieteinnahmen, Steuervorteilen sowie Zins- und Tilgungsleistungen betreffen nicht das Kreditgeschäft sondern die Rentabilität des Anlagegeschäftes und liegen somit außerhalb des Pflichtenkreises der finanzierenden Bank (BGH NJW 2004, 154; BKR 2003, 623).

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO).