VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 11.03.2004 - 4 L 441/04
Fundstelle
openJur 2011, 29805
  • Rkr:

Heranziehung zu Studiengebühren

Tenor

1. Der Antrag wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.

2. Der Streitwert beträgt 162,50 Euro.

Gründe

I. Der Antragsteller studiert an der Universität E. im 11. Fachsemester des Studiengangs Lehramt Mathematik Sekundarstufe II mit beruflicher Fachrichtung. Die Regelstudienzeit für diesen Studiengang beträgt neun Semester. Er befindet sich insgesamt im 19. Hochschulsemester.

Mit Bescheid vom 13. Februar 2004 wies die Antragsgegnerin den Antragsteller darauf hin, dass er gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 StKFG Studiengebühren von 650 Euro je Semester zu zahlen habe. Zur Begründung führte er an, dass der Antragsteller im Sommersemester 2004 die 1,5-fache Regelstudienzeit überschritten und demzufolge sein Studienguthaben im Sommersemester 2004 vollständig verbraucht habe. Die Antragsgegnerin wies den Antragsteller darauf hin, dass zur Rückmeldung an der Universität E. vom Antragsteller für jedes weitere Semester seines Studiums neben dem Semesterbeitrag die fristgerechte Zahlung der Studiengebühr von jeweils 650 Euro erforderlich sei. Die Antragsgegnerin erteilte ferner Hinweise zu Härte- und Erlassregelungen.

Mit Schreiben vom 19. Februar 2004 erhob der Antragsteller Widerspruch und bat um Bescheidung bis zum 26. Februar 2004, da andererseits vorläufiger gerichtlicher Rechtsschutz gesucht werden müsse. Zur Begründung des Widerspruchs führt der Antragsteller vor allem an, seine Studiendauer sei nicht unwesentlich dadurch verursacht worden, dass die Prüfungsordnungen in dem von ihm nunmehr gewählten Studiengang verändert worden seien. Die angerechneten Semesterzeiten seien übrigens an der Hochschule der Bundeswehr absolviert worden. Die Professoren der Universität E. weigerten sich, Abschlussarbeiten in der Form der Staatsarbeit anzubieten. Über den Widerspruch hat die Antragsgegnerin bislang - soweit ersichtlich - nicht entschieden.

Am 24. Februar 2004 hat der Antragsteller um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Er ist der Ansicht, Studiengebühren seien keine öffentlichen Abgaben oder Lasten iSd § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Deshalb dürfe die Rückmeldung nicht von der Zahlung der Gebühr abhängig gemacht werden. Ferner trägt er vor, innerhalb seiner Regelstudienzeit sei die Prüfungsordnung dreimal ohne „Bestandschutz" für die Studenten geändert worden, was zu Zeitverlusten - etwa wegen des Erfordernisses zusätzlicher Scheine und wegen anderer Schwerpunktsetzungen - geführt habe. Auch sei einem Prüfer die Prüferlaubnis entzogen worden, was für ihn - den Antragsteller - die Folge gehabt habe, dass er das Prozedere für die Annahme als Prüfling bei einem anderen Prüfer habe wiederholen müssen. Auf die diesbezüglichen Darlegungen in der Antragsschrift wird Bezug genommen.

Der Antragsteller beantragt,

festzustellen, dass sein Widerspruch gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. Februar 2004 aufschiebende Wirkung hat,

hilfsweise, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. Februar 2004 wiederherzustellen,

hilfsweise, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. Februar 2004 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

der Antrag abzulehnen.

Sie ist der Ansicht, der Antrag sei unzulässig, weil die Sache nicht eilbedürftig sei; sie habe nämlich die Rückmeldefrist für den Antragsteller bis zum 12. März 2004 verlängert. Ferner habe der Antragsteller um gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht, bevor die von ihm selbst erbetene Frist zur Bescheidung des Widerspruchs verstrichen sei. Des Weiteren fehle es an einem Verfahren nach § 80 Abs. 6 VwGO. Dem Antragsteller drohe auch keine Vollstreckung. Er werde zwar bei Nichtzahlung der Gebühr exmatrikuliert werden, ein Widerspruch dagegen werde aber aufschiebende Wirkung haben, so dass der Antragsteller auch bei Nichtzahlung der Gebühr faktisch weiter studieren könne. Eine Vollstreckung wegen der Gebühr sei nicht vorgesehen und auch nicht beabsichtigt. Im übrigen sei die Gebührenerhebung rechtmäßig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

1. Die seitens des Antragstellers mit Schriftsatz vom 10. März 2004 erbetene Verlängerung der Rückmeldefrist bis zum 20. März 2004 entzieht sich im Übrigen der Zuständigkeit bzw. Kompetenz des Gerichts und kann daher nicht ausgesprochen werden. Da somit die Rückmeldefrist für den Antragsteller am 12. März 2004 abläuft, ist auch ein weiteres Zuwarten mit der Entscheidung, um dem Antragsteller nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, nicht möglich.

2. Der Hauptantrag ist unbegründet. Entgegen der Ansicht des Antragstellers handelt es sich bei den erhobenen Studiengebühren um Abgaben iSd § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Zur Vermeidung überflüssiger Darlegungen wird zur Begründung auf die Ausführungen im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juli 2001

6 C 8/00 - NVwZ 2002, 206 ff

zu Studiengebühren im Lande Baden-Württemberg Bezug genommen.

3. Der erste Hilfantrag bleibt - sofern er nicht als bloße Formulierungsalternative zum 2. Hilfsantrag verstanden werden soll - ohne Erfolg, weil mit Blick auf sofort vollziehbare Bescheide iSd § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur die Anordnung der sofortigen Vollziehung stattfinden kann.

4. Der zweite Hilfsantrag ist zulässig.

Weder die Verlängerung der Rückmeldefrist noch der Umstand, dass der Antragsteller die von ihm selbst erbetene Frist für die Bescheidung des Widerspruchs abgewartet hat, führt allein zur Unzulässigkeit des Antrags.

Der Zulässigkeit des Antrags steht auch nicht entgegen, dass der Antragsteller die Entscheidung der Antragsgegnerin in dem nach § 80 Abs. 6 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vorgesehenen - und vom Antragsteller im Widerspruchschreiben auch beantragten - Verfahren nicht abgewartet hat. Denn es liegt die Voraussetzung des § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO - in entsprechender Anwendung - vor. Zwar beabsichtigt die Antragsgegnerin nicht, die Gebührenforderung im Wege der Vollstreckung beizutreiben. Sie wird jedoch die Rückmeldung des Antragstellers und damit die Möglichkeit einer regulären Fortsetzung des Studiums für den Antragsteller von der Zahlung der Gebühr abhängig machen und damit Rechtsfolgen an die Nichtzahlung der Gebühr knüpfen, die ebenso gewichtig sind wie eine Vollstreckung. Eine solche Fallgestaltung ist angesichts der Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) der in § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO gleichzusetzen.

vgl. ähnlich für eine Gleichsetzung von Vollstreckung und Gebrauchmachen von Erlaubnissen im Rahmen des § 80 Abs. 6: Kopp- Schenke, VwGO, 12. Aufl., 2000, Rdnr. 186 zu § 80

Der Antrag ist unbegründet.

Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Verwaltungsgericht im Fall des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, nämlich bei der Anforderung öffentlicher Abgaben und Kosten, die aufschiebende Wirkung anordnen. In entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO

vgl. zu dessen Anwendbarkeit als Entscheidungsmaßstab Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl. 1998, Rdnr. 851 sowie die zugehörige Fußnote 13

kommt diese Aussetzung der Vollziehung dann in Betracht, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes - hier der Gebührenerhebung - bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgabenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Diese Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollziehung liegen nicht vor. Bei der im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage erweist sich der Gebührenbescheid jedenfalls nicht erkennbar als rechtswidrig, wie sich aus den folgenden Ausführungen ergibt. Im übrigen muss eine abschließende Beurteilung der Sach- und Rechtslage einem etwaigen Hauptsacheverfahren überlassen bleiben.

Der Gebührenbescheid kann sich auf § 9 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Einführung von Studienkonten und zur Erhebung von Hochschulgebühren vom 28. Januar 2003 - StKFG - in Verbindung mit § 12 der Verordnung über die Einrichtung und Führung von Studienkonten mit Regelabbuchung sowie über die Erhebung von Gebühren an den Universitäten, Fachhochschulen und Kunsthochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen - RVO-StKFG-NRW - vom 17. September 2003, im folgenden abgekürzt zitiert: RVO, stützen.

Dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Gebührenerhebung nach den verschiedenen, einschlägigen Vorschriften der vorbezeichnenten Rechtsgrundlagen vorliegen, wird vom Antragsteller selbst nicht substantiiert in Abrede gestellt und wird daher für das vorliegende Verfahren ohne vertiefte Sachverhaltsüberprüfung auch seitens des Gerichts unterstellt; insbesondere wird ohne weitere - in diesem auf schnelle Entscheidung angelegten Verfahren auch nicht mögliche - Sachaufklärung davon ausgegangen, dass der Antragsteller bei Anwendung des § 6 Abs. 1 Satz 3 StKFG sowie der wohl einschlägigen §§ 2 ff. RVO kein Studienguthaben mehr aufweist. Der Antragsteller hat zwar darauf hingewiesen, er habe frühere Hochschulsemester an einer Bundeswehrhochschule verbracht; möglicherweise will er damit vortragen, die Berechnung des Studienkontos sei falsch oder verstoße gegen höherrangiges Recht. Indessen hat der Antragsteller keine näheren Angaben zu seinem Studienverlauf gemacht, so dass dem Gericht gegenwärtig eine diesbezügliche Überprüfung schon im Ansatz nicht möglich ist. Im übrigen spricht einiges für die Rechtsansicht der Antragsgegnerin, dass eine Bundeswehrhochschule einer Hochschule iSd § 2 Abs. 1 RVO nicht gleichsteht, weil sie nämlich nicht ausschließlich für den öffentlichen Dienst ausbildet. Nähere Aufklärungen müssen gegebenenfalls in einem etwaigen Hauptsacheverfahren erfolgen. Soweit der Antragsteller Erschwernisse durch Änderungen der Prüfungsordnungen und organisatorische Abläufe an der Hochschule für sein langes Studium heranziehen will, gilt entsprechendes. Welche konkreten Zeitverluste durch welche konkrete Umstände herbeigeführt worden sein sollten, lässt sich seinem Vortrag nicht entnehmen. Im übrigen würde sich fragen, ob der Anfall der Studiengebühren hierauf beruht oder ob dies nicht deshalb der Fall ist, weil er früher - offenbar in einem anderen Studiengang - studiert hat. Schließlich spricht viel dafür, dass derartige Erschwernisse nicht zum Wegfall der Gebührenpflicht als solcher führen, sondern ggfls. im Rahmen eines Härtefalles ausgeglichen werden müssten. Einen Härtefallantrag hat der Antragsteller jedoch - soweit ersichtlich - nicht gestellt (vgl. hierzu noch unten).

Im übrigen gilt folgendes:

Die Gebührenpflicht des Antragstellers besteht nicht etwa deshalb nicht, weil die Regelungen des StKFG und der RVO gegen höherrangiges Recht verstoßen. Dabei ist vorab darauf hinzuweisen, dass das vorliegende Verfahren nicht dazu zwingt, sämtliche Vorschriften des StKFG und der RVO einer rechtlichen Kontrolle zu unterziehen. Zu untersuchen ist nur, ob die Vorschriften, die für den Antragsteller eine Gebührenpflicht begründen, rechtlichen Bestand haben. Es mag dahinstehen, ob einzelne andere Regeln des StKFG und der RVO rechtlichen Bedenken unterliegen. In der Presse

vgl. Rheinische Post, 4. Februar 2004

sind etwa die Regelungen über Bonusguthaben für die Arbeit in Hochschulgremien und für Alleinerziehende als zu eng kritisiert worden; gleicherweise ist die Gebührenerhebung für ein Zweitstudium ohne längere Übergangszeiten für die Studierenden kritisiert worden, die sich bereits im Zweitstudium befinden.

vgl. zu etwa erforderlichen Übergangsregelungen für ein Zweitstudium Bay. VGH, Entscheidung vom 28. März 2001 - 7 B 00.1551 und 7 B 00.963 - juris

Hierbei handelt es sich jedoch um Regelungen für einzelne abgrenzbare Gruppen von Studierenden; selbst wenn diese Regelungen für sich zu beanstanden wären, würde daraus nicht die Rechtswidrigkeit der Gesamtregelungen in StKFG und RVO folgen, sondern lediglich Korrekturbedarf hinsichtlich der Regelungen für die jeweils betroffenen Gruppen. Für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren ist dies jedoch ohne Belang.

Die Vorschriften, die dem Antragsteller eine Gebührenpflicht auferlegen, widersprechen nicht höherrangigem Recht. Mit Blick auf das Vorbringen des Antragstellers im Widerspruchsschreiben ist hierzu anzuführen:

a) Die der Gebührenerhebung zugrunde liegenden landesrechtlichen Vorschriften widersprechen nicht § 27 Abs. 4 des Hochschulrahmengesetzes (HRG). Nach § 27 Abs. 4 Satz 1 HRG sind das Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss und das Studium in einem „konsekutiven Studiengang", der zu einem weiteren berufsqualifizierenden Abschluss führt, studiengebührenfrei. Allerdings sieht § 27 Abs. 4 Satz 2 HRG vor, dass das Landesrecht in besonderen Fällen Ausnahmen vorsehen kann. Das bedeutet, dass der Landesgesetzgeber auch für diese Studiengänge Studiengebühren erheben kann, jedoch mit Maßgaben, die sich aus den Voraussetzungen des § 27 Abs. 4 Satz 2 HRG ergeben. Denn wenn dort Ausnahmen in besonderen Fällen angeführt werden, bedeutet dies, dass eine Gebührenerhebung für das Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss und das Studium in einem „konsekutiven Studiengang", der zu einem weiteren berufsqualifizierenden Abschluss führt, nur dann möglich ist, wenn eine Fallgestaltung angetroffen wird, die sich vom Regelfall deutlich unterscheidet.

§ 1 Abs. 1 StKFG wiederholt für das Landesrecht die Regel des § 27 Abs. 4 Satz 1 HRG. Die Gebührenpflicht auch für das Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss und das Studium in einem „konsekutiven Studiengang", der zu einem weiteren berufsqualifizierenden Abschluss führt, setzt über §§ 9 Abs. 1, 6 Abs. 1 bis 3 StKFG am Verbrauch eines sog. Studienguthabens - vereinfacht ausgedrückt an der Studiendauer - an. Eine Gebührenpflicht tritt danach - ebenfalls vereinfacht ausgedrückt - etwa dann ein, wenn die Studiendauer mehr als die 1 1/2- fache Regelstudienzeit beträgt. Allerdings wird diese Regel vielfältig modifiziert. Ein Studiengangwechsel bis zum Beginn des dritten Semesters führt grundsätzlich zur Gewährung eines neuen Studienguthabens für das neue Studium (§ 2 Abs. 3 StKFG). Die Berechnung des Studienguthabens wird in §§ 2 bis 6 RVO näher geregelt; u. a. werden bestimmten Gruppen von Studierenden Bonusguthaben zugewiesen oder sonstige Vergünstigungen gewährt (vgl. §§ 9, 11 RVO); für Studierende, deren Berufsabschluss das Absolvieren zweier Studiengange erfordert, gelten ebenfalls Sonderregelungen (§ 8 RVO) wie für Teilzeitstudierende (vgl. § 6 Abs. 1 StKFG). Von der Gebührenpflicht sind ferner für bestimmte Gruppen von Studierenden Ausnahmen vorgesehen (§ 9 StKFG sowie § 13 RVO). Schließlich ermöglicht § 14 RVO die Berücksichtigung von Härten.

Mit Blick auf § 27 Abs. 4 HRG kann - zusammenfassend - gesagt werden, dass der Landesgesetzgeber das Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss und das Studium in einem „konsekutiven Studiengang", der zu einem weiteren berufsqualifizierenden Abschluss führt, gebührenfrei belässt, eine Gebührenpflicht aber für die Gruppe der Langzeitstudierenden einführt und dabei eine Reihe modifizierender Regeln bereitstellt, ab wann ein Studierender ein Langzeitstudierender ist. Mit dieser Ausgestaltung wird der landesrechtliche Normgeber noch dem bundesrechtlichen Gebot gerecht, das Studium im Regelfall gebührenfrei zu belassen. Denn die Gebührenpflicht trifft nur Studierende, die sich von der überwiegenden Zahl der Studierenden durch die lange Zeitdauer ihres Studiums abheben und hierfür überdies - nach der Ansicht des Normgebers - keine eine Begünstigung erheischende Gründe für sich haben. In einer so verstandenen langen Studiendauer kann ein Ausnahmegrund im Sinne des § 27 Abs. 4 Satz 2 HRG gesehen werden; der Kern der Studiengebührenfreiheit, den § 27 Abs. 4 HRG schützen will, bleibt damit erhalten.

b) Dass die Erhebung von Studiengebühren für „Langzeitstudierende" grundsätzlich mit Art. 12 Abs. 1 GG in Einklang stehen kann, haben schon das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG)

vgl. Urteil vom 25. Juli 2001 - 6 C 8/00 - NVwZ 2002, 206 (207)

sowie der VGH Baden-Württemberg

vgl. Urteil vom 6. April 2000 - 2 S 1860/99 - DÖV 2000, 874 (876 f)

entschieden. Auf die Erwägungen, die hierzu in diesen Entscheidungen angeführt worden sind, nimmt das Gericht zur Vermeidung überflüssiger Wiedergaben auch bezüglich der Regelungen in StKFG und RVO Bezug. Was dort ausgeführt ist, kann - vorbehaltlich einer näheren rechtlichen Überprüfung in einem etwaigen Hauptsacheverfahren - auch auf die nach dem StKFG und der RVO eingeführten Gebühren angewandt werden, soweit sich die Gebührenpflicht letztlich für Langzeitstudierende konkretisiert. Namentlich ist nicht ersichtlich, dass Studierenden nach den für Nordrhein- Westfalen nunmehr geltenden Normen durch die Studiengebühren unüberwindliche soziale Barrieren bezüglich ihre Studiums errichtet würden. Zum einen ist das Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss und das Studium in einem „konsekutiven Studiengang", der zu einem weiteren berufsqualifizierenden Abschluss führt, weiterhin grundsätzlich gebührenfrei; zum anderen hat der Normgeber nicht nur etwa das Studium innerhalb der Regelstudienzeit gebührenfrei belassen, sondern auch einen zusätzlichen Zeitraum, der überschlägig etwa einer halben Regelstudienzeitdauer entspricht. Hinzu tritt, dass durch Sonderregeln für Studiengangwechsler und Studierende, die notwendig in zwei Studiengängen studieren, sowie Bonusregeln für bestimmte Gruppen von Studierenden, Ausnahme- und Härteregeln die Erschwerungen für die Bewältigung des Studiums durch die Einführung der Studiengebühren abgemildert und verträglich ausgestaltet sind. Vor diesem Hintergrund sieht das Gericht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes keinen Anlass, die Rechtmäßigkeit der Gebührenerhebung wegen eines Verstoßes der Rechtsgrundlagen für die Gebührenerhebung gegen Art. 12 Abs. 1 GG in Zweifel zu ziehen.

c) Der Umstand, dass die Gebührenerhebung betreffend den Antragsteller auch an in der Vergangenheit liegende Umstände anknüpft, begründet - entgegen der Ansicht des Antragstellers - ebenfalls keine durchschlagenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Gebührenerhebung. Gemäß § 6 Abs. 1 Sätze 2 und 3 StKFG werden für die Berechnung des Studienguthabens auch solche Semester berücksichtigt, in denen Studierende vor Inkrafttreten des StKFG an einer Hochschule im Geltungsbereich des HRG eingeschrieben waren. Zu diesen Hochschulen dürfte - vorbehaltlich einer abschließenden Klärung in einem etwaigen Hauptsacheverfahren - auch eine Bundeswehrhochschule zählen. Denn die Hochschulen der Bundeswehr zählen zumindest zu den staatlich anerkannten nichtstaatlichen Hochschulen im Sinne des §§ 70 Abs. 1, 1 Satz 2 HRG.

vgl. so ausdrücklich Reich, Hochschulrahmengesetz, 8. Aufl., 2002, Rdnr. 2 zu § 73, unter Rückgrif auf die Argumentation des OVG NRW, Urteil vom 27. November 1996 - 25 A 1189/93 - , WissR 1997, 165 (166 f), mit Bezug auf eine Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung

Die Regelungen des StKFG und der RVO entfalten eine sogenannte unechte Rückwirkung

vgl. zum grundsätzlichen Verbot einer (echten) Rückwirkung und zur Abgrenzung einer (echten) Rückwirkung von der unechten Rückwirkung BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2001, a. a. O, S. 210

die grundsätzlich zulässig ist, sofern die Grundsätze des Vertrauensschutzes, der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit nichts anderes gebieten. Das ist namentlich der Fall, wenn bei einer Abwägung zwischen dem enttäuschten Vertrauen des Betroffenen und der Bedeutung der Neuregelung für das Wohl der Allgemeinheit dem Interesse des Betroffenen ein höheres Gewicht zukommt.

vgl. BVerwG, ebenda

Der landesrechtliche Normgeber verfolgte mit der Einführung von Studiengebühren - als durchaus auch gewichtig zu qualifizierende - fiskalische Ziele

vgl. LT-Drs. 13/3023 S.1 und S. 19, Abs. 4

und das Ziel, Studierende zu einem stringenteren und ergebnisorientierten Studium zu veranlassen.

ebenda, S. 19 Abs. 5

Beide Gesichtspunkte stehen für berechtigte gesetzgeberische Interessen. Demgegenüber konnte der Antragsteller nicht auf den Fortbestand einer zeitlich unbegrenzten Gebührenfreiheit des Studiums vertrauen.

vgl. zu einem solchen Vertrauen im allgemeinen BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2001, a.a. O, S. 210

Ein solches Vertrauen lässt sich im vorliegenden Fall auch nicht etwa daraus herleiten, dass das Gesetz über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (HG) vom 14. März 2000 noch in § 10 vorsah, dass für ein Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss und ein Studium in einem „konsekutiven Studiengang", der zu einem weiteren berufsqualifizierenden Abschluss führt, ausnahmslos keine Studiengebühren erhoben würden (vgl. zur Motivation hierzu LT-Drs. 12/4243 S. 161). Vielmehr musste jedem Studierenden - zumal angesichts der im politischen Raum seit längerem geführten Diskussion - ungeachtet der früheren Rechtslage klar sein, dass der Gesetzgeber einer weit über die Regelstudienzeit hinausgehenden Inanspruchnahme der Hochschulen auf Kosten der Allgemeinheit jederzeit auch Grenzen setzen konnte.

vgl. ebenda

Mit Blick darauf, dass „Altstudierende" ihr Studium begonnen und den Studienfortgang eingeteilt haben mochten unter der tatsächlichen Gegebenheit, dass das Studium (bislang) auf Dauer gebührenfrei betrieben werden konnte, spricht allerdings einiges dafür, dass der Normgeber die Gebührenpflicht nicht unvermittelt, sondern nur verbunden mit Übergangs- und Härteregeln einführen durfte.

vgl. zur Rechtswidrigkeit einer Zweitstudiengebühr für Studierende, die ihr Zweitstudium bereits begonnen haben Bay. VGH, Entscheidungen vom 28. März 2001 - 7 B 00.1551 und 7 B 00.963 - juris

Indessen hat der Normgeber dieses Erfordernis beachtet. Das StKFG ist am ersten Tag nach der Verkündung am 31. Januar 2003 - mithin am 1. Februar 2003 - in Kraft getreten. Von diesem Zeitpunkt an musste - auch wenn die RVO mit den Einzelheiten zur Berechnung des Studienguthabens erst später erlassen wurde - jeder längere Zeit Studierende gemäß § 6 Abs. 1 Sätze 1 und 2 StKFG damit rechnen, dass bereits früher verbrachte Studienzeiten für das Eintreten der Gebührenpflicht bedeutsam werden würden, und er hatte zwei Semester Zeit, sich auf die zu erwartende Rechtslage einzustellen. Dieser Zeitraum für eine „Umorientierung" ist im übrigen tatsächlich noch länger, wenn namentlich der Studierende die - auch wiederholt anwendbare - Härtfallregelung des § 14 Abs. 1 Nr. 2 RVO nutzen kann. Damit steht Studierenden bei zielgerichtetem Studium eine genügende Zeit zur Verfügung, ungeachtet der Neuregelungen das Studium ohne nennenswerte wirtschaftliche Hindernisse zum Abschluss zu bringen. Es ist nicht geboten, zumal angesichts der sonst in StKFG und RVO noch vorgesehenen Ausnahme- und Härtefallregelungen, weitergehende Übergangsfristen zu gewähren. Zutreffend ist zwar, dass Studierende wie der Antragsteller angesichts der Regelungen zur Gebührenpflicht damit letztlich nur einen engen Spielraum für eine „Umorientierung" haben. Sie müssen, wollen sie nicht das Studium aufgeben oder Finanzierungsmöglichkeiten für die Gebühren erschließen, möglichst zielstrebig auf einen Abschluss hinarbeiten. Darüber hinausgehendes gebietet der Grundsatz des Vertrauensschutzes aber nicht. Im übrigen beschränkt sich die Motivation des landesrechtlichen Normgebers nicht darauf, die Studierenden unter finanziellem Druck zu zielstrebigem Studieren anzuhalten. Es ging ihm zugleich darum, diejenigen, die zwar - aus welchen Motiven auch immer - an der Hochschule eingeschrieben sind, tatsächlich aber nicht aktiv studieren, von der Hochschule fernzuhalten oder ihnen eine Gegenleistung für die durch die Hochschulangehörigkeit gewährten Vorteile abzufordern; denn „die unbegrenzte Inanspruchnahme von Hochschulleistungen sei „weder bildungspolitisch zielführend noch finanzpolitisch vertretbar".

so LTDrs. 13/3023 S. 1

d) Auch liegt keine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung darin, dass Studierende, die nach Inkrafttreten des StKFG die Fachrichtung wechselten, ein neues „Bonusguthaben" erhielten, während das für Studierende, die die Fachrichtung vor Inkrafttreten des Gesetzes gewechselt hätten, nicht der Fall sei. Hierzu ist vorab zu bemerken, dass dieser Gesichtspunkt für den Antragsteller für die Entscheidung des vorliegenden Falles ohne rechtliche Bedeutung ist. Der Antragsteller hat den Studiengangwechsel - soweit ersichtlich - nicht vor Beginn des dritten Semesters vollzogen, so dass ihm in keinem Fall ein neues Studienguthaben gemäß § 2 Abs. 3 StKFG zusteht.

Nur vorsorglich - für den vorliegenden Fall nicht entscheidend - wird noch erwähnt, dass zweifelhaft ist, ob die vorstehend geäußerte Rechtsansicht des Antragstellers zutreffend ist, dass also in Wirklichkeit kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vorliegt. Die Berechnung des Studienguthabens bei Studiengangwechseln wird - soweit ersichtlich und soweit nicht Sonderfälle vorliegen, vgl. § 5 ff RVO - in § 2 Abs. 3 StKFG sowie in § 2 Abs. 1 Sätze 4, § 3 Abs. 4, § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 2 sowie Abs. 3 RVO geregelt. Zwar sind diese Vorschriften so verwickelt formuliert, dass sie teilweise unverständlich sind (insbesondere § 4 Abs. 2 RVO), so dass sich die Frage stellen mag, ob die Einzelregelungen wegen Verstoßes gegen das Gebot einer minimalen Normklarheit nichtig sind und ob diese Teilnichtigkeit dazu führt, dass auch zusammenhänge weitere Regelungen zur Berechnung des Studienguthabens davon berührt werden; jedoch ändert das nichts an der grundsätzlichen Gebührenpflicht. Allerdings ist den genannten Vorschriften unmittelbar nicht zu entnehmen, dass die Regel des § 2 Abs. 3 StKFG nicht allgemein gelten soll, wonach bei Studiengangwechseln bis zu Beginn des dritten Hochschulsemesters stets erneut ein vollständiges Studienguthaben gewährt wird, sofern nicht qualifizierte Ausnahmen vorliegen, weil etwa - wie in § 4 Abs. 1 RVO geregelt - z. B. Leistungsnachweise aus dem abgebrochenen Studium anerkannt werden. Soweit im Erlass des Ministeriums für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein- Westfalen vom 10. November 2003 unter 3. eine andere Rechtsansicht vertreten wird, ist zu bemerken, dass die Auslegung, die allein an dem Wort „erneut" in § 2 Abs. 3 StKFG ansetzt, schon für sich allein nicht tragfähig sein dürfte. Dem widerspricht die innere Systematik der Regelungen. Soll Studierenden die in der Vergangenheit verbrachte Studienzeit (unecht rückwirkend) für die Berechnung des gegenwärtigen Studienkontos angerechnet werden, kann dies nur nach den Regeln geschehen, die für die Berechnung der Studienkonten in StKFG und RVO vorgesehen sind; dazu zählt auch § 2 Abs. 3 StKFG.

e) Ebenso unbeachtlich ist in rechtlicher Hinsicht, dass der Normgeber für die Berechnung des Studienguthabens auch auf Studienzeiten abhebt, die in anderen Bundesländern gebührenfrei verbracht worden sind. Für Studienzeiten in anderen Bundesländern gilt das entsprechend, was oben schon mit Blick auf Studienzeiten vor Inkrafttreten des StKFG angeführt worden ist. Die Regelungen zur Berechnung des Studienguthabens entfalten unechte Rückwirkung mit Blick auf alle im Bereich des HRG verbrachten Hochschulsemester, die jedoch zulässig ist.

f) Ihn betreffende Härtegesichtspunkte im Sinne des § 14 RVO, die auch wirtschaftliche Umstände erfassen, hat der Antragsteller nicht konkret dargelegt. Die Berücksichtigung von Härtegründen im Sinne des § 14 RVO setzt im übrigen einen Härtefallantrag an die Hochschule voraus - hierüber ist der Antragsteller auch informiert worden - und berührt die grundsätzliche Gebührenpflicht nicht. Gegenwärtig besteht schon verfahrensrechlich kein Anlass, über das Vorliegen einer Härte im Sinne des § 14 RVO zu entscheiden.

Schließlich liegt auch keine Härte im Sinne des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO vor. Eine solche liegt vor, wenn die Vollziehung für den Abgabenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Das kann nicht festgestellt werden. Zum einen hat der Antragsteller seine wirtschaftliche Lage nicht konkret dargestellt, zum anderen dient die Abgabenerhebung gerade hochschulbezogenen Lenkungsinteressen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes und orientiert sich zusätzlich an Nr. 7 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit; insoweit werden ¼ der Gebühr angesetzt.