VG Minden, Urteil vom 03.03.2004 - 3 K 3166/01
Fundstelle
openJur 2011, 29516
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wohnt seit 1964 im Erdgeschoss des Wohnhauses E. Straße 120 a, das zwischen der Einmündung der N. straße und der E. straße in die E. Straße gelegen ist. Die Wohnung ist mit Thermopenfenstern ausgestattet. Das Grundstück, auf dem sich das Wohnhaus befindet, liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. III/4/11.01 der Stadt C. , der für den fraglichen Bereich ein Mischgebiet festsetzt. Bei der E. Straße handelt es sich um die Bundesstraße C. 7, die im Flächennutzungsplan als Hauptverkehrsstraße ausgewiesen und in beide Fahrtrichtungen mit je zwei Fahrstreifen ausgebaut ist. Auf den inneren Fahrstreifen sind Schienen verlegt, auf denen regelmäßig Straßenbahnen verkehren.

Unter dem 22. März 2001 stellten die Klägerin und ihr Ehemann bei dem Beklagten den Antrag, gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Straßenverkehrsordnung (StVO) geeignete Maßnahmen zur Reduzierung der verkehrsbedingten Lärm- und Luftschadstoffbelastung zu ergreifen: Vorliegend bestehe der Verdacht, dass der Kraftfahrzeugverkehr auf der E. Straße einen Lärmpegel sowie eine Schadstoffbelastung in der Außenluft verursache, der ihre Gesundheit gefährden könne. Dies gelte vor allem für die dabei erzeugten Schadstoffe wie Stickoxide, Kohlenmonoxid, Benzol, Dieselruß und Ozon. Verkehrslenkende beziehungsweise verkehrsbeschränkende Maßnahmen seien geeignet, diese Lärm- und Luftschadstoffbelastung zu verringern.

Mit Bescheid vom 30. Januar 2002 lehnte der Beklagte den Antrag ab: Sein pflichtgemäßes Ermessen übe er dahingehend aus, dass er unter Berücksichtigung der Belange der Anwohner und der Interessen des Straßenverkehrs, der Verkehrsteilnehmer insgesamt sowie des öffentlichen Personennahverkehrs keine verkehrsrechtlichen Regelungen nach § 45 Abs. 1 StVO zur Reduzierung der Lärm- und Luftschadstoffbelastung anordne. Die E. Straße sei im Flächennutzungsplan als Straße erster und zweiter Ordnung (überörtliche und örtliche Hauptverkehrsstraße) ausgewiesen. Entsprechend hoch sei die Verkehrsbelastung dort, die durch die Stadtbahn in Mittellage (ohne eigenen Gleiskörper) noch erhöht werde. Es sei daher durchaus nachvollziehbar, dass eine solche Verkehrsbelastung zu erheblichen Immissionen führen könne. Von Oktober 1998 bis Oktober 1999 seien an der E. Straße verkehrsbedingte Luftschadstoffe gemessen worden. Dabei habe sich herausgestellt, dass diese die Grenzwerte der 23. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes nicht überschritten. Für die Lärmimmission lägen keine konkreten Messergebnisse vor, es gebe aber Anhaltswerte aus einer überschlägigen Immissionsanalyse (Stichtag der Datenerfassung: 1. Juli 1994). Nach denen betrage der Immissionspegel für das Teilstück Landgericht bis T. -Endstation rund 75 dB(A) tags und 68 dB(A) nachts. Eine relevante Verringerung dieser Lärmbelastung könne nicht allein durch eine Reduzierung der Geschwindigkeit auf 30 km/h erreicht werden, da erst eine Reduzierung der Verkehrsmenge um die Hälfte eine spürbare/hörbare Lärmpegelminderung von 3 dB(A) hervorrufe. Außerdem liefe eine Geschwindigkeitsreduzierung auf 30 km/h den Interessen des öffentlichen Personennahverkehrs zuwider, denn die Stadtbahn müsste sich, selbst wenn die reduzierte Höchstgeschwindigkeit nur für den motorisierten Individualverkehr gelten sollte, an dessen Geschwindigkeit orientieren. Darüber hinaus scheide eine nur einspurige Verkehrsführung aus, weil auch dies zu einer erheblichen Verdrängung und Verlagerung des Verkehrsaufkommens in die Nachbarwohngebiete der E. Straße führte. Ohnehin seien im näheren Umfeld der E. Straße keine geeigneten Ausweichstrecken vorhanden. Insbesondere der P. Straße und der ×. straße, die überwiegend nur einspurig in jeder Richtung befahrbar seien, fehle es an Kapazitäten, um größere Verkehrsmengen von der E. Straße aufzunehmen. Auch die Straßen oberhalb der E. Straße, in denen Tempo 30-Zonen herrschten, eigneten sich auf Grund der Fahrbahnbreite, des Parkdrucks und der teilweise unübersichtlichen Straßenführung nicht für die Aufnahme größerer Verkehrsmengen. Schon heute beschwerten sich die Anwohner dieser Gebiete über die zunehmende Verkehrsbelastung in den Hauptverkehrszeiten, wenn Kraftfahrer versuchten, die E. Straße über diese Wohngebiete zu umgehen. Des Weiteren dürfe auch die Verkehrsfunktion der E. Straße nicht außer Acht gelassen werden, die im Flächennutzungsplan als Hauptverkehrsstraße ausgewiesen sei und den Verkehr flüssig abwickeln solle. Weitere verkehrsbeschränkende oder -regelnde Anordnungen widersprächen daher den Darstellungen des Flächennutzungsplans, weil die Leichtigkeit des Verkehrs nicht mehr gewährleistet wäre. Eine Verlagerung und Verdrängung des Fahrverkehrs von einer an sich geeigneten und in ihrer Verkehrsbedeutung gewachsenen Straße auf andere Straßen mit untergeordneter Bedeutung sei deshalb weder vertretbar noch durchführbar. Eine Begrenzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h, eine Fahrstreifenreduzierung oder eine Beschränkung der Verkehrsarten schieden somit aus.

Mit Schreiben vom 28. Februar 2002 erhoben die Klägerin sowie ihr Ehemann hiergegen Widerspruch.

Bereits am 14. Dezember 2001 haben die Klägerin sowie ihr am 28. Juli 2002 verstorbener Ehemann Klage erhoben: Den Beklagten treffe unter anderem gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO die Verpflichtung, den Verkehr zu beschränken, zu verbieten oder umzuleiten, wenn der Wohnbevölkerung Gefahren durch Lärm oder Abgase drohten. Diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt. Vor ihrem Wohnhaus befinde sich eine Straßenbahnhaltestelle sowie eine Fußgängerampel. Sämtliche Räume ihrer Wohnung, auch das seitlich gelegene Wohn- und Schlafzimmer, seien einer erheblichen Lärmbelastung ausgesetzt, da sich in den beiden Gassen links und rechts neben dem Haus Schalltrichter bildeten. Bei gekipptem Fenster sei ein Gespräch oder Fernsehen nicht möglich. Auch bei geschlossenem Fenster seien die Lärmeinwirkungen noch so gravierend, dass die zur Straße gelegenen Räume bereits nicht mehr oder nur als Abstellräume genutzt werden könnten. Nach hinten lägen das Bad und auch die Küche, so dass eine Nutzung als Schlafraum ausscheide. Sie leide unter einer Taubheit rechts und einer Schallempfindungsschwerhörigkeit links. Laut Attest des Hals-Nasen-Ohren-Arztes Dr. med. N. X. vom 8. März 2002 solle eine chronische Lärmeinwirkung bei ihr vermieden werden. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass gerade die Lärm- und Abgasbelastung an der E. Straße zu der Krebserkrankung ihres Ehemannes und zu der Verschlechterung seines Gesundheitszustandes beigetragen habe. Lärm ab einem Dauerschallpegel von 65 dB(A) tags und 55 - 60 dB(A) nachts werde nämlich als gesundheitsschädigend beziehungsweise gesundheitsgefährdend eingestuft. Nach einer Antwort der Bezirksvertretung Mitte zur Frage der Lärmbelastung der E. Straße vom 19. Oktober 2000 sei dort ohne Berücksichtigung der Lärmimmission durch die Straßenbahn von einem Lärmpegel von 78 - 80 dB(A) tags und 72 - 74 dB(A) nachts auszugehen. Diese Werte lägen deutlich über den im Bescheid des Beklagten vom 30. Januar 2002 angeführten Werten von 75 dB(A) tags und 68 dB(A) nachts. Aber selbst letztere überschritten die in der 16. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes enthaltenen Grenzwerte noch erheblich.

Der Beklagte habe von dem ihm eingeräumten Ermessen nicht rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht. Im Rahmen der Ermessenserwägungen sei die Pflicht zur Einleitung verkehrsbeschränkender Maßnahmen seitens der Straßenverkehrsbehörde umso höher anzusetzen, je größer die Gesundheitsgefährdung eingestuft werde. Eine Gesundheitsgefährdung sei in jedem Fall in dem nunmehr bei schalltechnischen Untersuchungen festgestellten Lärmpegel von 77 dB(A) tags und 70 dB(A) nachts zu sehen. Vorliegend habe der Beklagte den Grad der hierdurch für die Anwohner gegebenen Gesundheitsgefährdung nicht festgestellt. Auch habe er mit Blick auf die Belastung durch inhalierbaren Feinstaub (PM 10) seine Messverpflichtung aus der 22. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes umgangen. Ebenso wenig habe er Auskünfte zur Körperschallproblematik eingeholt. Das von der BürgerInneninitiative Sichere E. Straße e.V. in Auftrag gegebene und im März 2003 erstellte Gutachten des Dr.-Ing. K. C. habe durch eine Analyse der allgemeinen Verkehrsentwicklung in C. sowie eine Prüfung der Verkehrssituation vor Ort ergeben, dass mit verkehrsbeschränkenden Maßnahmen nach § 45 StVO erhebliche immissionsmindernde Wirkungen für die Anwohner erzielt werden könnten. Überdies sei die Lärmbelastung an der E. Straße so gravierend, dass hier schon eine Pegelminderung von 2 bis 3 dB(A) wahrnehmbar und damit relevant sei. Der Beklagte könne sich bei seiner ablehnenden Entscheidung auch nicht auf die negative Stellungnahme des Polizeipräsidiums C. berufen, da diese insbesondere nicht in der erforderlichen Weise auf die Möglichkeit einer Geschwindigkeitsreduzierung auf 30 km/h ohne Fahrstreifenreduzierung, aber mit gleichzeitiger Anpassung der Lichtsignalschaltungen eingehe. Gerade Letzteres führte aber, weil die Fahrzeuge sich auf die weit sichtbaren Ampelgrünschaltungen einstellen könnten, dazu, dass eine Geschwindigkeitskontrolle nur in der Anfangszeit und später allenfalls noch stichprobenartig erforderlich wäre. Dass die Einführung einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf der E. Straße auf 30 km/h möglich sei, belege zudem ein Zeitungsartikel aus dem Jahr 1993, wonach in der Zeit von November 1992 bis Mai 1993 bei Nässe für Kraftfahrer Tempo 30 km/h angeordnet worden, von Verkehrsbehinderungen jedoch nichts berichtet worden sei. Darüber hinaus sei die durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke (DTV) auf der E. Straße seit Jahren rückläufig, was gegen einen Ausbau der E. Straße zu einer leistungsfähigeren und lauteren Straße spreche. Durch den geplanten Ausbau der C. 7. würde sich die Situation im Übrigen nicht verbessern, da hierdurch noch mehr Verkehr angezogen würde. Es bedürfe deshalb keines Ausbaus, sondern eines Rückbaus der Straße. Darüber hinaus sei der Umbau aus Kostengründen auf das Jahr 2006 verschoben worden, so dass - unabhängig von der Frage, ob dieser eine gesundheitsrelevante Verbesserung mit sich bringe - der Beklagte die Anwohner der Straße nicht weitere Jahre in einer gesundheitsgefährdenden Situation belassen dürfe. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin zusätzlich angeführt: Der Einbau von Lärmschutzfenstern komme nicht in Betracht, da diese nicht in der Lage seien, Abgase und Feinstäube fern zu halten. Es ergebe sich dadurch zusätzlich das Problem der Lüftung. Ferner befinde sich auf der jeweils linken Spur der E. Straße Kopfsteinpflaster. Das Nichtüberfahren dieses Kopfsteinpflasters minderte die Lärmbelästigung um bis zu 5 dB(A) . Des Weiteren sollten sich die von ihr vorgeschlagenen Linksabbiegerspuren in Übereinstimmung mit dem Gutachten des Dr.-Ing. C. im Bereich der Straßenbahngleise befinden. Die Klägerin beantragt,

ihren Antrag vom 22. März 2001 auf verkehrsbeschränkende Maßnahmen unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 30. Januar 2002 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden, wobei zu prüfen ist, ob auf der E. Straße zwischen O. wall und P. -C. - Straße die Straßenbahntrasse und die Kfz-Fahrspur durch Fahrbahnmarkierungen zu trennen und die gepflasterte Gleistrasse für den durchfahrenden Kfz-Verkehr zu sperren ist mit Ausnahme von Knotenpunkten, an denen die bestehenden Linksabbiegerspuren für Kfz bestehen bleiben und der Straßenbahnverkehr für Lichtsignalschaltungsbevorrechtigungen dynamisch vom Kfz-Verkehr getrennt wird bzw. ein Lkw-Durchfahrverbot mit Ausnahme des Anliegerverkehrs ganztags bzw. nachts auf dem Abschnitt der E. Straße zwischen O. wall und P. -C. -Straße anzuordnen ist bzw. Tempo 30 ganztags bzw. nachts auf dem Abschnitt der E. Straße zwischen O. wall und P. -C. -Straße unter gleichzeitiger Anpassung der Lichtsignalschaltungen (grüne Welle) anzuordnen ist, und die Stellungnahme des Gesundheitsamtes C. zu den Gesundheitsgefahren der Klägerin an der E. Straße einzuholen ist;

hilfsweise ihren Antrag vom 22. März 2001 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er vertieft sein früheres Vorbringen und trägt ergänzend vor: Die schalltechnische Untersuchung des Planungsbüros für Lärmschutz B. Sitz N. GmbH von Juli 2002 - bei dieser sei festgestellt worden, dass für das Haus E. Straße 120 a (EG) ein Wert von 77 dB(A) tagsüber und 70 dB(A) nachts erreicht werde - gelange zu dem Ergebnis, dass vorliegend allein durch eine Reduzierung der Geschwindigkeit von 50 km/h auf 30 km/h keine Mindestpegelregulierung von 3 dB(A) , sondern lediglich eine Verringerung der Lärmbelastung von 2, 7 dB(A) erreicht werden könne und die Lärmbelastung weiterhin die Grenzwerte überschreite. Des Weiteren habe er mit Blick auf die von der Klägerin im Rahmen des Klageverfahrens präzisierten Maßnahmen nochmals die entsprechenden Fachdienststellen und das Polizeipräsidium C. beteiligt. Auch diese seien wiederum zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Geschwindigkeitsreduzierung von 50 km/h auf 30 km/h nicht in Betracht komme. Gegenwärtig könne der gesamte Verkehr auf der E. Straße zweispurig in beide Richtungen abfließen. Verliefe der Straßenbahnverkehr gesondert, bedeutete dies eine gleichzeitige Reduzierung der Fahrstreifen. Bei dem gegenwärtigen Ausbauzustand und der vorhandenen Verkehrsbelastung auf der E. Straße hätte dies erhebliche Verkehrsprobleme und Verkehrssicherheitsprobleme und damit verbunden die weitere Einschränkung der Leistungsfähigkeit der Straße zur Folge. Der zu erwartende Rückstau im Einfädelungsbereich und an den Knotenpunkten würde durch Abbremsvorgänge sogar zu einer Erhöhung und nicht etwa zu einer Verringerung der Lärmbelastung beitragen. Eine dauerhafte Sicherstellung der Temporeduzierung auf 30 km/h sei zudem nach Auffassung des Polizeipräsidenten nicht umsetzbar. Darüber hinaus seien bauliche Umstrukturierungen der E. Straße, insbesondere die Asphaltierung des Kopfsteinpflasters, im Zuge des geplanten Umbaus beabsichtigt. Weiter sei zu berücksichtigen, dass ein Durchfahrverbot für LKW sowie eine Reduzierung des gesamten anderen Verkehrs auf der E. Straße deshalb nicht praktikabel sei, da es keine geeigneten Ausweichstrecken gebe. Auch dürfe die Verkehrsfunktion der E. Straße als Bundes- und Hauptverkehrsstraße, die zur Aufnahme des überörtlichen Verkehrs bestimmt sei, nicht außer Betracht bleiben. In der Gesamtabwägung der Interessen der Anwohner der E. Straße und der Öffentlichkeit unter Berücksichtigung des nahen Wohnumfeldes, der Auslastung benachbarter Straßen sowie des Widmungszwecks komme er daher nach wie vor zu dem Ergebnis, dass sowohl die Begrenzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h als auch eine Fahrstreifenreduzierung sowie eine Beschränkung der Verkehrsarten nicht angemessen sei. Im Rahmen des Umbaus der E. Straße würden für die Anwohner vielmehr passive Lärmschutzmaßnahmen ergriffen. In der mündlichen Verhandlung haben die Vertreter des Beklagten ergänzend vorgetragen: Im Jahre 1993 habe es bereits ein Lärmschutzfensterprogramm für die Anwohner der E. Straße gegeben. Damals seien die Bewohner anspruchsberechtigt gewesen, deren Häuser vor dem Jahr 1974 errichtet worden seien und sich in der ersten Baureihe befunden hätten. Der Eigentümer des Hauses, in dem die Klägerin wohne, sei im Hinblick auf dieses Lärmschutzfensterprogramm angeschrieben worden, habe damals aber kein Interesse daran bekundet. Ferner sei bei Zählungen festgestellt worden, dass die rechte Spur der E. Straße von 70 % der Fahrzeuge, die linke innere Spur von 30 % der Fahrzeuge genutzt werde. Die jeweils linke Spur sei besser zu befahren als die rechte Spur, nachdem der ursprüngliche Belag aus Kupferschlackestein in der Zeit von November 1992 bis Mai 1993 durch Betonstein ersetzt worden sei. Da der Kupferschlackestein bei Nässe rutschig gewesen sei, habe es bis zum Abschluss der Straßenbauarbeiten zeitweilig eine Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit bei Nässe von 50 auf 30 km/h gegeben. Es habe zwar keine Messungen dazu gegeben, dass die inneren Fahrstreifen wegen des dort vorhandenen Belages leiser seien, dies sei jedoch Äußerungen von Anliegern zu entnehmen, wonach in erster Linie Lärmereignisse in der Nacht als störend empfunden würden, die durch das Überfahren der auf der rechten Fahrbahnseite vorhandenen Querrillen durch Lastkraftwagen hervorgerufen würden. Der Zustand des Fahrbahnbelages müsse bei der Berechnung des entstehenden Verkehrslärms allerdings außer Betracht bleiben. Würde dieser zusätzlich berücksichtigt, käme man zu dem Ergebnis, dass eine Verlagerung des Kraftfahrzeugverkehrs von der linken auf die rechte Spur sogar zu einer Verstärkung des Verkehrslärms führte. Da Linksabbiegespuren eine bestimmte Länge aufweisen müssten, würde das Befahren des Gleiskörpers im Hinblick auf die Linksabbieger in weiten Bereichen auch nicht beschränkt werden können. Des Weiteren bestehe auf der E. Straße Knotenpunkt U. Straße eine Belastung von 28.000 bis 29.000 PKW-Einheiten. Allein schon die Verdrängung des Verkehrs auf der E. Straße in einer Größenordnung von 30 %, d.h. von etwa 10.000 Fahrzeugen, würde den Neubau einer Straße in der Größenordnung der ×. straße erfordern. Letztere weise zwar lediglich 15.000 Pkw-Einheiten auf, verfüge jedoch über keine Kapazitätsreserven. Auch die anderen Straßen, die nach Auffassung der Klägerin als Ausweichstrecken in Betracht kämen, seien insbesondere in den Morgen- und Nachmittagsstunden schon bis an die Grenze ihrer Kapazität ausgelastet. Mit den bereits beschlossenen, derzeit aber noch nicht angebrachten Hinweisen an der Autobahnabfahrt C. -Mitte für den Lastkraftwagenverkehr auf den P. ring könne man nur die Lastkraftwagen erreichen, die diese Ausfahrt benutzten, nicht aber diejenigen, die von Westen über die P. straße Richtung E. Straße führen. Ein Hinweis an der Autobahnabfahrt C. -T. auf C. -Zentrum sei nicht möglich, weil schon die Ausfahrt C. -Zentrum bestehe. Einer solchen Kennzeichnung würde sich der Straßenbaulastträger widersetzen. Überdies befänden sich im Bereich südöstlich der E. Straße Krankenhäuser viele Gewerbetreibende und große Kaufhäuser, welche von Lastkraftwagen angefahren würden, die - ohne Ausweichmöglichkeiten - zwingend über die E. Straße fahren müssten. Darüber hinaus nehme bei Einführung einer Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h auf der E. Straße für viele Verkehrsteilnehmer der Anreiz zu, so genannte Schleichwege zu benutzen, auf denen die gleiche Höchstgeschwindigkeit gelte, so dass es auch aus diesem Grunde zu einer Verdrängung des Verkehrs auf Nebenstraßen kommen würde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (2 Hefte) sowie auf den von ihm eingereichten Erläuterungsbericht zur schalltechnischen Untersuchung - Baumaßnahme E. Straße C. 7. - des Planungsbüro für Lärmschutz B. Sitz N. GmbH vom 3. Juli 2003 und auf das von der Klägerin eingereichte Gutachten zur Beurteilung verkehrlicher Maßnahmen zur Reduzierung der Emissionsbelastungen auf der E. Straße in C. des Dr.-Ing. K. C. von März 2003 Bezug genommen.

Gründe

Die Klageanträge bedürfen der Auslegung (§ 88 VwGO). Da allein der Beklagte die von der Klägerin begehrte Neubescheidung ihres unter dem 22. März 2001 gestellten Antrags vornehmen kann, ist davon auszugehen, dass sie beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 30. Januar 2002 zu verpflichten, ihren unter dem 22. März 2001 gestellten Antrag auf verkehrsbeschränkende Maßnahmen mit den in ihrem Klageantrag genannten Maßgaben beziehungsweise entsprechend dem gestellten Hilfsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die so verstandene Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig.

Der Durchführung eines Vorverfahrens gemäß § 68 Abs. 1 VwGO bedurfte es vorliegend nicht, da der Beklagte über den Antrag der Klägerin ohne zureichenden Grund binnen einer Frist von 3 Monaten nicht entschieden hatte (§ 75 VwGO).

Die Klägerin ist klagebefugt. Es besteht die Möglichkeit, dass sie auf Grund von Lärm- und Abgasimmissionen, denen sie als Mieterin in dem Wohnhaus E. Straße 120 a infolge des Straßenverkehrs ausgesetzt ist, einen Anspruch auf ordnungsbehördliches Einschreiten nach § 45 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 StVO hat. Das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 45 Abs. 1 StVO umfasst dabei, insbesondere soweit Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 dieser Vorschrift den Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen herausstellt, nicht nur die Grundrechte - hier das Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG -, sondern schon im Vorfeld der Grundrechte den Schutz vor Einwirkungen des Straßenverkehrs, die das nach allgemeiner Anschauung zumutbare Maß übersteigen. § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO dient deshalb auch dem Schutz des Anwohners, der - wie die Klägerin - nicht Grundstückseigentümer ist

- vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1986 - 7 C 76.84 -, BVerwGE 74, 234 ,

Gegen die Zulässigkeit des Hilfsantrages spricht ferner nicht, dass die Klägerin in diesem - anders als im Hauptantrag - keine bestimmten (weiteren) straßenverkehrsrechtlichen Maßnahmen, über deren Ergreifen sie vom Beklagten eine fehlerfreie Ermessensentscheidung begehrt, benannt hat. Zwar soll nach § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO ein bestimmter Antrag gestellt werden. In Fällen, in denen der Bürger zwar das Erreichen eines konkreten Ziels begehrt, letztlich gegenüber dem Weg zur Erreichung dieses Ziels entweder indifferent oder gegebenenfalls auf Grund der ihm nur eingeschränkt zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel auch nicht hinreichend sachkundig ist, kann von ihm aber nicht verlangt werden, dass er der Behörde konkrete Maßnahmen zur Erreichung des Ziels mit der Antragstellung vorgibt. Vielmehr genügt es gerade in einem Bereich, in dem der Behörde auch bei Vorliegen der Einschreitensvoraussetzungen ein Auswahlermessen hinsichtlich der zu treffenden Maßnahmen verbleibt, dass der Bürger mit der Antragstellung deutlich macht, welches Ziel er anstrebt und gegebenenfalls welche Art des Einschreitens (straßenverkehrsrechtliche, straßenrechtliche oder planungsrechtliche Maßnahmen) er begehrt

- vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. Dezember 1997 - 25 C.. 4997/96 -, NVwZ-RR 1998, 627 ,

Die Klage ist jedoch sowohl mit dem Haupt- als auch mit dem Hilfsantrag unbegründet.

Der angefochtene Bescheid ist rechtsmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten; sie hat keinen Anspruch auf Neubescheidung ihres unter dem 22. März 2001 gestellten Antrages auf Ergreifung geeigneter Maßnahmen zur Reduzierung der verkehrsbedingten Lärm- und Luftschadstoffbelastung (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Allein in Betracht kommende Grundlage für den geltend gemachten Anspruch - soweit er sich auf eine Verminderung der Lärmbelastung bezieht - ist § 45 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 StVO in der Fassung der Verordnung vom 16. November 1970 (BGBl. I, 1565), zuletzt geändert durch Verordnung vom 7. Mai 2002 (BGBl. I, 1529).

Nach § 45 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen beschränken oder verbieten oder den Verkehr umleiten.

Nach § 45 Abs. 1 StVO hat auch der Einzelne einen auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde gerichteten Anspruch auf verkehrsregelndes Einschreiten, wenn eine Verletzung seiner geschützten Individualinteressen in Betracht kommt. Dazu gehört auch der Schutz der Anwohner vor Einwirkungen des Straßenverkehrs, die das nach allgemeiner Anschauung zumutbare Maß übersteigen. An diesen Grundsätze hat sich durch die Einfügung des § 45 Abs. 9 StVO nichts geändert

- vgl. BVerwG, Urteil vom 5. April 2001 - 3 C 23.00 -, NJW 2001, 3139 ,

Voraussetzung für ein Einschreiten zum Schutz vor Verkehrslärm nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO ist nicht, dass ein bestimmter Schallpegel überschritten wird. Ebenso wenig existieren Grenzwerte, bei deren Überschreitung die Schutzbedürftigkeit des Anwohners anzunehmen ist. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Lärm Beeinträchtigungen mit sich bringt, die jenseits dessen liegen, was unter Berücksichtigung der Belange des Verkehrs im konkreten Fall als ortsüblich hingenommen und damit zugemutet werden muss

- vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1986 - 7 C 76.84 -, BVerwGE 74, 234 , Die Vorschriften der 16. Verordnung zur Durchführung des Bundes- Immissionsschutzgesetzes (Verkehrslärmschutzverordnung - 16. BImSchV) vom 12. Juni 1990 (BGBl. I, 1036) finden bei der Beurteilung der zumutbaren Lärmbelästigung im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO zwar nicht unmittelbar Anwendung. Diese Verordnung bestimmt an sich die Schwelle der Zumutbarkeit von Verkehrslärm nur für den Bau und die wesentliche Änderung unter anderem von öffentlichen Straßen. Die Immissionsgrenzwerte des § 2 Abs. 1 der 16. BImSchV können aber im Anwendungsbereich des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO als Orientierungshilfe herangezogen werden, weil sie ganz allgemein die Wertung des Normgebers zum Ausdruck bringen, von welcher Schwelle an eine nicht mehr hinzunehmende Beeinträchtigung der jeweiligen Gebietsfunktion anzunehmen ist

- vgl. Bay. VGH, Urteil vom 18. Februar 2002 - 11 C. 00.1769 -, BayVBl 2003, 80 ,

Für den Einzelnen folgt aus § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO aber im Regelfall auch dann nur ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, wenn die Lärmbeeinträchtigungen so intensiv sind, dass sie im Rahmen einer Planfeststellung Schutzauflagen auslösen würden. Denn bei straßenverkehrsrechtlichen Maßnahmen ist eine Gesamtbilanz zu ziehen. Die Verhältnisse im konkreten Gefahrenbereich dürfen nicht um den Preis gebessert werden, dass an anderer Stelle neue Unzuträglichkeiten auftreten. Im Ergebnis würde sich die Gesamtsituation verschlechtern, wenn die vorgesehene Maßnahme die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs in nicht hinnehmbarer Weise beeinträchtigt oder wenn wegen Änderungen von Verkehrsströmen noch gravierendere Lärmbeeinträchtigungen von Anliegern anderer Straßen drohen. Die Straßenverkehrsbehörde darf deshalb von Maßnahmen umso eher absehen, je geringer der Grad der Lärmbeeinträchtigung ist, dem entgegengewirkt werden soll. Umgekehrt müssen bei erheblichen Lärmbeeinträchtigungen entgegenstehende Verkehrsbedürfnisse und Anliegerinteressen von einigem Gewicht sein, wenn mit Rücksicht auf diese verkehrsberuhigende oder verkehrslenkende Maßnahmen unterbleiben

- vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. Januar 2003 - 8 C.. 4230/01 -, juris ,

Bei der Prüfung, ob und gegebenenfalls welcher Verkehrslärmschutz im Einzelfall geboten ist, ist zunächst auf die gebietsbezogene Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit sowie auf das Vorhandensein beziehungsweise das Fehlen einer bereits gegebenen Lärmvorbelastung abzustellen. Maßgeblich sind auch andere Besonderheiten des Einzelfalles. Von Bedeutung für die Bewertung der Zumutbarkeit des Lärms ist insbesondere, ob der ihn auslösende Verkehr die betroffenen Straßen funktionsgerecht oder funktionswidrig in Anspruch nimmt. Des Weiteren ist zu beachten, dass Verkehrslärm, der von den Anliegern einer Bundesfernstraße (einschließlich Ortsdurchfahrt) oder auch einer Landesstraße beziehungsweise einer Kreisstraße wegen ihrer der Widmung entsprechenden Verkehrsbedeutung ertragen werden muss, den Anliegern einer Ortserschließungsstraße nicht ohne weiteres in gleicher Weise zumutbar ist - vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1986 - 7 C 76.84 -, BVerwGE 74, 234 ,

Ferner hat eine im Rahmen der Ermessensabwägungen unter anderem in Aussicht genommene Geschwindigkeitsbeschränkung zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Verkehrslärm umso geringeres Gewicht, je geringfügiger die rechnerische Reduzierung des Beurteilungspegels durch die Maßnahme sein würde. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Schallpegelminderung von 2 dB(A) nach allgemeinen Erkenntnissen der Akustik für das menschliche Ohr kaum wahrnehmbar ist und erst eine Verringerung von mindestens 3 dB(A) bemerkt werden kann

- vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. November 1996 - 11 C. 65.96 -, NVwZ 1997, 394 -; BVerwG, Urteil vom 19. August 1988 - 8 C 51.87 -, BVerwGE 80, 99 ,

Allerdings kann sich bei Lärmpegeln, welche die in den vorläufigen Richtlinien für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm (Lärmschutz- Richtlinien-StV) vom 6. November 1981 (VkBl. 1981, 428) aufgeführten Richtwerte überschreiten, das Ermessen der Behörde zur Pflicht zum Einschreiten verdichten; eine Ermessensreduzierung auf Null ist aber auch dann nicht zwangsläufig gegeben

- vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1986 - 7 C 76.84 -, BVerwGE 74, 234 ,

Gemessen daran war zunächst ein Anspruch der Klägerin auf ermessensfehlerfreie Entscheidung wegen der vom Straßenverkehr auf der E. Straße verursachten Lärmbelastung entstanden. Denn bei Zugrundelegung der im Rahmen der schalltechnischen Untersuchung des Planungsbüros für Lärmschutz B. Sitz N. GmbH für die Wohnung der Klägerin ermittelten Werte von 77 dB (A) tags/70 dB (A) nachts - hiergegen hat die Klägerin keine Einwände erhoben - überschreitet der Verkehrslärm die gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 der 16. BImSchV festgelegten Grenzwerte von 64 dB (A) tags/54 dB (A) nachts für Kern-, Dorf und Mischgebiete. Auf Grund der Mitteilung des Beklagten vom 26. Februar 2004 ist davon auszugehen, dass das Grundstück E. Straße 120 a im Bebauungsplan als Mischgebiet ausgewiesen ist.

Dem Anspruch der Klägerin ist der Beklagte dadurch nachgekommen, dass er ihren Antrag auf Durchführung straßenverkehrsrechtlicher Maßnahmen ermessensfehlerfrei abgelehnt hat.

Obwohl vorliegend die in den Lärmschutz-Richtlinien-StV vom 6. November 1981 aufgeführten Richtwerte - in Mischgebieten 75 dB (A) tags/65 dB (A) nachts - überschritten werden, liegt keine Ermessensreduzierung auf Null vor. Der vorliegende Fall ist nämlich nicht durch ein besonderes Ausmaß an Gefahr für wichtige Rechtsgüter gekennzeichnet, so dass ohne weitere Güterabwägung nur eine einzige Entscheidung ermessensfehlerfrei sein könnte.

Eine Ermessensentscheidung kann das Gericht nur eingeschränkt daraufhin überprüfen, ob die Behörde den richtigen Sachverhalt zu Grunde gelegt, die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens eingehalten und ob sie von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 114 VwGO). Unter Berücksichtigung dieser und der oben näher dargelegten Maßstäbe ist die Entscheidung des Beklagten, das ihm in § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO eingeräumte Ermessen in der Weise auszuüben, keine Maßnahmen zu Gunsten der Klägerin zu ergreifen, rechtlich nicht zu beanstanden.

Der Beklagte ist auf Grund der funktionsgerechten Inanspruchnahme der E. Straße durch den Straßenverkehr zu Recht von einer erhöhten Schwelle der Zumutbarkeit hinsichtlich der hierdurch hervorgerufenen Lärmbelastung ausgegangen. Die E. Straße ist als Bundesstraße C. 7. nach Ausweisung, Widmung und nach dem gesamten realisierten Verkehrskonzept der Stadt C. vor allem auch darauf ausgerichtet, den Durchgangsverkehr zwischen der Autobahn A2 und der Innenstadt aufzunehmen. Sie wird im Übrigen bereits seit den 30iger Jahren des vorherigen Jahrhunderts als Hauptverkehrsstraße genutzt. Als die Klägerin im Jahre 1964 die Wohnung an der E. Straße bezog, war somit schon eine erhebliche Lärmvorbelastung gegeben.

Die vom Beklagten angestellte Ermessenserwägung, dass es insbesondere durch die Reduzierung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h zu einer Verlagerung eines Teils des Verkehrs käme und dadurch die Mehrbelastung für Anwohner anderer Straßen erheblich, die Entlastung im Bereich der E. Straße wegen der hohen Vorbelastung dagegen kaum spürbar wäre, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Gleiches gilt für die Entscheidung, eine Straße, die nach allen planungsrechtlichen und verkehrsrechtlichen Vorgaben dem Durchgangsverkehr dient, nicht zum Nachteil von Straßen, die als Tempo 30-Zonen bislang nicht dem Durchgangsverkehr zur Verfügung gestanden haben, zu entlasten, und zwar auf Grund der Überzeugung, dass umweltverträgliche verkehrslenkende Maßnahmen nicht darauf gerichtet sein sollten, den vorhandenen Verkehr möglichst gleichmäßig auf alle Straßen zu verteilen, derartige Maßnahmen vielmehr darauf auszurichten seien, möglichst viele verhältnismäßig ruhige Bereiche zu schaffen oder jedenfalls zu bewahren und im Übrigen den Verkehr zu bündeln. Denn unter Berücksichtigung der Gesetze der Akustik ist es sinnvoll, den Verkehr auf wenige "laute" Straßen zu konzentrieren, weil sich dort auch eine Zunahme des Verkehrs nicht mehr spürbar auswirkt

- vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. Dezember 1997 - 25 C.. 4997/96 -, NVwZ-RR 1998, 627 -; auch Ziff. 3.2 der Lärmschutz-Richtlinien-StV vom 6. November 1981 ,

Eine Geschwindigkeitsreduzierung von 50 km/h auf 30 km/h ohne zumindest teilweise Verlagerung des Verkehrs würde ausweislich der Stellungnahme des Planungsbüros für Lärmschutz B. Sitz N. GmbH vom 3. Juli 2002, die das erkennende Gericht für zutreffend hält, vorliegend lediglich eine Reduzierung der Lärmbelastung um 2,7 dB(A) bewirken, während eine effektive, d.h. hörbare Lärmreduzierung erst bei einer Minderung des Mittelungspegels um 3 dB(A) eintritt. Ob eine Begrenzung der Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h bei sehr hohen Lärmimmissionen, wie sie hier auftreten, auch bei einer Lärmreduzierung von weniger als 3 dB(A) an sich möglich wäre, kann hier offen bleiben, da der Beklagte dies mit Rücksicht auf die tatsächlich zu erwartende Verdrängung des Verkehrs in bisher ruhigere Nebenstraßen jedenfalls ermessensfehlerfrei abgelehnt hat.

Gründe für ihre Behauptung, dass es bei einer Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit auf der E. Straße von 50 auf 30 km/h insbesondere wegen der nach ihrer Auffassung dann zu erwartenden Verbesserung des Verkehrsflusses zu einer deutlich über 2,7 dB (A) hinausgehenden Lärmminderung kommen werde, hat die Klägerin nicht nachvollziehbar dargelegt und sind auch sonst nicht erkennbar. Anders etwa als eine Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen würde die Einführung von Tempo 30 auf der E. Straße nicht zu einer stärkeren Vereinheitlichung der gefahrenen Geschwindigkeit führen, da den Autofahrern vor allem bei dem dort häufig anzutreffenden, Überholvorgänge weitgehend ausschließenden sogenannten Kolonnenverkehr schon bei dem derzeitigen Zustand nichts anderes übrig bleibt, als sich der allgemein gefahrenen Geschwindigkeit anzupassen und im Verkehrsstrom "mitzuschwimmen". Weitere den Verkehrsfluss behindernde Gegebenheiten blieben auch bei einer Verringerung der Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h notwendigerweise unverändert. Hierzu sind etwa die relativ zahlreichen Lichtzeichenanlagen zu rechnen, die Fußgängern und Autofahrern eine gefahrlose Querung der E. Straße ermöglichen. Insoweit ist eine Verbesserung des Verkehrsflusses nicht denkbar, insbesondere auch nicht durch die Einführung einer sogenannten grünen Welle, denn die Lichtzeichenanlagen sind schon bisher in dieser Weise programmiert, wenn auch - wechselnd zwischen dem Vormittag und dem Nachmittag - immer nur in der Hauptverkehrsrichtung. Dies ist aber allein darauf zurückzuführen, dass eine gleichzeitige grüne Welle in beiden Fahrtrichtungen nicht möglich ist: Würden nämlich die Lichtzeichenanlagen in beiden Richtungen nach dem Prinzip der grünen Welle optimiert, so könnten die Grünphasen jedenfalls an den meisten Kreuzungen mit der E. Straße in den beiden Fahrtrichtungen nicht mehr zeitlich zusammenfallen, was dem Ziel dieser Anlagen, die gefahrlose Querung einer vielbefahrenen Straße zu ermöglichen, entgegensteht.

Hinzu käme weiterhin die ständige Unterbrechung des Verkehrsflusses durch haltende Straßenbahnen, wobei die einsteigenden Fahrgäste, da der Zuschnitt der E. Straße für den Bau eines Bahnsteigs für die Straßenbahn nicht ausreichend Platz bietet, nur auf den Fußwegen auf das Eintreffen der Bahn warten und erst dann die Fahrbahn überqueren können, während die aussteigenden Fahrgäste sofort danach den Fußweg erreichen müssen. Die ein- und aussteigenden Fahrgäste werden im Bereich der E. Straße außerdem regelmäßig durch Lichtzeichenanlagen gesichert, die dem der Straßenbahn nachfolgenden Kraftfahrzeugverkehr die Durchfahrt für die Dauer des Haltevorgangs untersagen. Die Einrichtung von Linksabbiegespuren im Bereich der Straßenbahnschienen bei gleichzeitigem Verzicht auf die jeweils zur Mitte hin gelegene, linke Fahrspur kann nicht vermeiden, dass ein Kraftfahrzeug, das sich zum Zwecke des Linksabbiegens auf die Linksabbiegespur einordnen will, wegen einer dort bereits stehenden oder - möglicherweise sogar mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h sich von hinten nähernden - Straßenbahn auf dem rechten und dann einzigen Fahrstreifen warten muss und damit den gesamten Verkehr in seiner Fahrtrichtung jedenfalls kurzfristig zum Erliegen bringt.

Durch eine Verringerung der Fahrstreifen je Richtung von zwei auf einen lässt sich, einmal abgesehen von einer damit verbundenen Verdrängung von Teilen des Verkehrs auf andere Straßen und in andere Bereiche der Stadt C. , auf die noch gesondert einzugehen ist, das heißt bei gleichbleibender Verkehrsstärke, eine hörbare Verringerung der verkehrsbedingten Lärmimmissionen nicht erzielen. Insoweit kann nach den Angaben, die der Stadtbauamtmann X. dazu als Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung gemacht hat und denen die Klägerin nicht substantiiert entgegengetreten ist, insbesondere nicht davon ausgegangen werden, dass eine zukünftige Nutzung der mittleren Fahrspuren nur noch als Linksabbiegespuren zu einer Reduzierung des Verkehrslärms führt, weil der dortige Straßenbelag aus Betonplatten - nicht aus Kopfsteinpflaster - entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung nicht zu höheren, sondern eher zu niedrigeren Lärmimmissionen führt als der auf den jeweils rechten Fahrspuren vorhandene schadhafte, mit Querrillen versehene Straßenbelag aus Asphalt, dass die Lärmimmissionen auf den unterschiedlichen Belägen hiernach allenfalls gleich hoch sind.

Weiter zum Nachteil der Klägerin und/oder anderer Anlieger der E. Straße auswirken würden sich - auch hinsichtlich der Belastung durch Verkehrslärm - die zu erwartenden Staus und sonstigen Verkehrsbehinderungen an der Stelle, an der der Tempo-30- Bereich beginnt und die Reduzierung von zwei Fahrspuren auf eine vorgenommen wird.

Eine Beschränkung des Personenkraftwagen- und/oder Lastkraftwagen-Verkehrs führt unter sonst gleichen Bedingungen erst bei einer Halbierung der Verkehrsstärke zu einer effektiven, das heißt hörbaren, Minderung des Mittelungspegels um 3 dB(A) (vgl. dazu Nr. 3.2 Lärmschutz-Richtlinien-StV vom 6. November 1981). Da Bundesfernstraßen eine hohe Verkehrsbedeutung haben, weil es sich vielfach um Hauptverkehrsverbindungen handelt, ist auch die Verkehrsbelastung auf der E. Straße entsprechend hoch und beträgt ausweislich der seitens des Beklagten durchgeführten Zählungen am Knotenpunkt P. -C. - Straße mindestens 28.000 Pkw-Einheiten. Hiervon ausgehend müsste für eine Reduzierung des Mittelungspegels um 3 dB(A) bei im Übrigen gleich bleibender Trassenführung eine Verlagerung von mindestens 14.000 Pkw-Einheiten täglich von der E. Straße auf andere Straßen erfolgen. Es sind in der Stadt C. jedoch keine Straßen vorhanden, die ein entsprechendes Verkehrsaufkommen von der E. Straße zusätzlich aufnehmen könnten. Die Vertreter des Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung - insbesondere durch die Vorlage eines Plans-, der sich zu der Auslastung der Knotenpunkte, die durch Ausweichverkehre verstärkt beansprucht würden, verhält - schlüssig und nachvollziehbar dargetan, dass es der Stadt C. an Straßen fehlt, die über genügend Kapazitätsreserven verfügten, um in dieser Größenordnung Kraftfahrzeuge von der E. Straße aufnehmen und abwickeln zu können. Es bestand für die Kammer auch nicht die Notwendigkeit, zu der Frage der Auslastung der Straßen, die als Ausweichstrecken theoretisch in Betracht zu ziehen wären, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Das Gebot des § 86 Abs. 1 VwGO, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, verwehrt es dem Gericht nicht, für seine tatsächlichen Feststellungen auch das Vorbringen der Beteiligten zu verwerten, soweit es ihm überzeugend erscheint und nicht durch anderweitiges Parteivorbringen schlüssig in Frage gestellt wird

- vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2003 - 4 C.. 70/01 -, NVwZ 2004, 100 ,

So liegt es hier. Das Gericht hat keine Anhaltspunkte, an der Richtigkeit des diesbezüglichen Vortrages der Beklagtenvertreter und insbesondere der Ergebnisse der hinsichtlich der Verkehrsbelastung der Hauptverkehrsstraßen in der Stadt C. durchgeführten Zählungen zu zweifeln, zumal diese seitens der Klägerin nicht substantiiert angegriffen worden sind.

Darüber hinaus ist es auch nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte davon ausgeht, dass eine Geschwindigkeitsreduzierung von 50 km/h auf 30 km/h und/oder eine Trennung des Kraftfahrzeugverkehrs von der Straßenbahntrasse zu einer Verdrängung des Verkehrs auf ungeeignete Nebenstraßen führe. Die Sperrung der Straßenbahntrasse für den Kraftfahrzeugverkehr würde als Fahrstreifenreduzierung die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs erheblich beeinträchtigen, denn über den rechten Fahrstreifen müsste - ebenfalls unter Zugrundelegung der dazu von den Vertretern des Beklagten in der mündlichen Verhandlung genannten Zahlen - bis zu 30 % des Kraftfahrzeugverkehrs zusätzlich abgewickelt werden. Zu berücksichtigen ist weiter, dass selbst dann, wenn durch eine Verlagerung des Verkehrs auf andere Straßen der Mittelungspegel um 3 dB(A) gemindert würde, weiterhin eine erhebliche Überschreitung der in der 16. BImSchV für Mischgebiete aufgeführten Richtwerte von 64 dB(A) tags/54 dB(A) vorläge. Eine wesentliche Verbesserung der Situation der Klägerin würde hierdurch nicht eintreten, Anwohner anderer Straßen jedoch auf Grund des erhöhten Verkehrsaufkommens belastet. Dass - wie von der Klägerin vorgetragen - wegen der Intensität der Lärmbeeinträchtigungen an der E. Straße schon eine Verringerung des Mittelungspegels oberhalb der Grenzwerte der 16. BImSchV eine deutliche Reduzierung der Gesundheitsgefahren hervorrufe, die die Interessen der Anwohner anderer Straßen überwiege, ist durch nichts belegt.

Schließlich ist die Erwägung des Beklagten, dass die von der Klägerin angeführten straßenverkehrsrechtlichen Maßnahmen im Hinblick auf die Widmung der E. Straße unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht zulässig seien, ebenfalls nicht zu beanstanden. Zwar können grundsätzlich nur äußerst weit reichende verkehrsregelnde Anordnungen wie etwa die Sperrung einer Straße eine Kollision mit der Widmung begründen. Vorliegend müsste jedoch - wie dargetan - bei im Übrigen gleich bleibender Trassenführung für eine effektive Lärmreduzierung eine Verlagerung von rund 14.000 Kraftfahrzeugen täglich auf andere Straßen erfolgen. Dabei ist zu beachten, dass Beschränkungen der widmungsgemäßen Nutzung einer Bundesstraße durch Landesstraßenverkehrsbehörden gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO eine besonders schwer wiegende Lärmbelästigung voraussetzen. Aber selbst wenn man von dem Vorliegen einer solchen Voraussetzung ausgeht, ist der Gesichtspunkt, dass bei einem Fehlen leistungsfähiger Umleitungsmöglichkeiten die Verdrängung von mehreren tausend Kraftfahrzeugen täglich von einer vom Träger der Straßenbaulast vierspurig ausgebauten, leistungsfähigen Bundesstraße gegebenenfalls auf insoweit ungeeignete Nebenstraßen im Bereich einer Ortsdurchfahrt auch unter dem Gesichtspunkt der straßenrechtlichen Widmung Bedenken unterliegt, offenkundig, zumal auch die Straßenverkehrsbehörden gehalten sind, nicht straßenverkehrsrechtliche Regelungen zu treffen, die mit der widmungsgemäßen Nutzung der Straße kollidieren

- vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 28. Juli 1989 - 7 C 65.88 -, BVerwGE 82, 266; OVG NRW, Urteil vom 2. Dezember 1997 - 25 C.. 4997/96 -, NVwZ-RR 1998, 627 ,

Auch ein Verkehrsverbot für Lastkraftwagen tagsüber beziehungsweise in den Nachtstunden mit Ausnahme des Anliegerverkehrs kollidierte mit der Verkehrsfunktion, die einer Bundesstraße nach ihrer Widmung zugedacht ist

- vgl. Steiner, Zulässigkeit und Grenzen der verkehrsrechtlichen Anordnung von Nachtfahrverboten zu Lasten des Lastkraftwagenverkehrs auf Bundesstraßen, DAR 1994, 341 (346) ,

Straßen, die von ihrem Ausbau und ihrer Verkehrsbedeutung zur Aufnahme des Lastkraftwagen-Aufkommens geeignet und unter Lärmschutzgesichtspunkten weniger schutzbedürftig sind als die E. Straße, stehen - wie bereits dargetan - nicht zur Verfügung. Zudem wäre wegen der Vielzahl der an und in der Nähe der E. Straße vorhandenen Einrichtungen und Gewerbetreibenden, die auf Lieferungen durch Lastkraftwagen angewiesen sind, eine effektive Kontrolle, ob es sich tatsächlich um Anliegerverkehr handelte, kaum möglich.

Demgegenüber hat der Beklagte die Klägerin zu Recht auf passive Lärmschutzmaßnahmen, insbesondere den Einbau von Lärmschutzfenstern, die ihr kurzfristig und - im Gegensatz zu den von ihr geforderten Maßnahmen - effektiv helfen würden, verwiesen.

Scheidet ein Neubescheidungsanspruch nach der ordnungsrechtlich geprägten Vorschrift des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO aus, so hat der Anwohner auch keinen Neubescheidungsanspruch nach der - planungsrechtlich geprägten - Vorschrift des § 45 Abs. 1 b Nr. 5 StVO

- vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1994 - 11 C 25.93 -, NJW 1995, 1371 ,

Der Klägerin steht gegen den Beklagten ebenfalls kein Anspruch auf Neubescheidung ihres Antrages im Hinblick auf Abgasimmissionen zu.

Als Rechtsgrundlagen hierfür kommen nur § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO und § 40 Abs. 2 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) vom 14. Mai 1990 (BGBl. I, 880), zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. September 2002 (BGBl. I, 3622) in Betracht. Beide Vorschriften bieten grundsätzlich nebeneinander denkbare Eingriffsmöglichkeiten, zumal durch die Einführung des § 40 Abs. 2 Satz 1 BImSchG keine Verdrängung der Eingriffsmöglichkeiten nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO bezogen auf Abgasimmissionen erfolgen sollte

- vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 8. Oktober 1993 - 11 C. 93. 1408 -, NZV 1994, 87; VG Berlin, Urteil vom 19. Juni 1995 - 11 C.. 568/93 -, NVwZ-RR 1996, 257 ,

Nach der auch insoweit maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ist die angefochtene Entscheidung des Beklagten, zur Verringerung der Luftschadstoffbelastung an der E. Straße keine straßenverkehrsrechtlichen Maßnahmen zu ergreifen, ebenfalls nicht zu beanstanden. Denn vorliegend sind schon die Einschreitensvoraussetzungen bezogen auf die Luftschadstoffbelastung zu verneinen.

Maßgebliche Grundlage für die Beurteilung der Einschreitensvoraussetzungen nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO und mithin für das Vorliegen einer Gefahr hinsichtlich Abgasimmissionen ist die 23. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (Verordnung über die Festlegung von Konzentrationswerten - 23. BImSchV) vom 16. Dezember 1996 (BGBl. I, 1962). Dies folgt zum einen daraus, dass hierin konkret, bezogen auf Immissionen, die typischerweise vom Straßenverkehr ausgehen, Konzentrationswerte verbindlich festgesetzt sind, und zum anderen, dass sich die Regelungsbereiche des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO und des § 40 Abs. 2 Satz 1 BImSchG in Fällen der vorliegenden Art, bezogen auf Abgasbelastungen, teilweise überschneiden. Namentlich gebietet der Wortlaut des § 40 Abs. 2 Satz 1 BImSchG, der nicht ausdrücklich auf den Schutz der Wohnbevölkerung abstellt, sondern sich auf alle in § 1 BImSchG genannten Schutzgüter bezieht, keine unterschiedliche Beurteilung. Denn jedenfalls sind die in der 23. BImSchV genannten Vorgaben auch geeignet, dem Schutz der Wohnbevölkerung vor übermäßigen Straßenverkehrsabgasimmissionen zu dienen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass es sich bei den in der 23. BImSchV festgelegten Konzentrationswerten um Werte handelt, die die Prüf- und nicht die Eingriffsschwelle markieren. Dies mindert jedoch auch im Rahmen des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO nicht deren Tauglichkeit als Orientierungshilfe, denn es ist davon auszugehen, dass die in der 23. BImSchV genannten Luftschadstoffe Stickstoffdioxid, Benzol und Ruß signifikant die durch den Straßenverkehr erzeugte Luftverschmutzung kennzeichnen, so dass zu erwarten ist, dass, wenn keiner der dort genannten Konzentrationswerte überschritten wird, auch keine durch den Straßenverkehr erzeugte gesundheitsgefährdende Luftverschmutzung bezogen auf andere Schadstoffe vorliegt. Namentlich dürfte der Luftschadstoff Blei angesichts des ganz überwiegenden Verbrauchs von bleifreiem Benzin keine nennenswerte Rolle mehr spielen

- vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. Dezember 1997, 1997 - 25 C.. 4997/96 -, NVwZ-RR 1998, 627 ,

Darüber hinaus stellen auch die in der 22. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (Verordnung für Immissionswerte für Schadstoffe in der Luft - 22. BImSchV) vom 11. September 2002 (BGBl. I, 3626) aufgeführten Immissionsgrenzwerte eine geeignete, aber auch hinreichende Orientierungshilfe für die ermessensgerechte Bewertung des Ausmaßes der Gefahr für die Wohnbevölkerung bezogen auf straßenverkehrsbedingte Abgasbelastungen im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO dar. Denn in der 22. BImSchV sind diverse Richtlinien des Europäischen Parlamentes und des Europäischen Rates umgesetzt und Immissionsgrenzwerte, Toleranzmargen und Alarmschwellen für Schwefeloxid, Stickstoffdioxid und Stickstoffoxide, Schwebstaub und Partikel (PM 10), Blei, Benzol und Kohlenmonoxid festgelegt worden, die - soweit dort aufgeführt - deutlich unter denen der 23. BImSchV liegen und damit eine für die Anwohner günstigere Beurteilungsgrundlage sind

- vgl. zu § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG: BVerwG, Urteil vom 18. Juni 2003 - 4 C.. 70/01 -, NVwZ 2004, 100 ,

Ausgehend hiervon, sind, bezogen auf die Abgasimmissionen, die Voraussetzungen für ein Einschreiten nicht erfüllt. In den Jahren 1998/99 ist bereits keiner der in der 22. und 23. BImSchV aufgeführten Grenzwerte überschritten worden. Im Rahmen der von Oktober 1998 bis Oktober 1999 durchgeführten einjährigen Messung der Luftbelastung an der E. Straße sind im Jahresmittel die Schadstoffe Benzol (Feinscreening 7, 3 Mikrogramm/Kubikmeter), Ruß (Feinscreening 7, 0 Mikrogramm/Kubikmeter), Stickstoffdioxid (Feinscreening 131 Mikrogramm/Kubikmeter) sowie PM 10 (Messung 44 Mikrogramm/Kubikmeter) festgestellt worden. In der 22. BImSchV ist hingegen der Grenzwert für Stickstoffdioxid bis zum 31. Dezember 2009 auf 200 Mikrogramm/Kubikmeter (§ 3 Abs. 1), für Schwebstaub und Partikel (PM 10) bis zum 31. Dezember 2004 auf 150 Mikrogramm/Kubikmeter (§ 4 Abs. 1) und für Benzol ab dem 1. Januar 2010 auf 5 Mikrogramm/Kubikmeter zuzüglich einer Toleranzmarge von 5 Mikrogramm/Kubikmeter, die sich ab dem 1. Januar 2006 um 1 Mikrogramm/Kubikmeter jährlich verringert (§ 6 Abs. 1 und Abs. 2), festgesetzt worden.

Nach der 23. BImSchV beträgt der Grenzwert für Stickstoffdioxid 160 Mikrogramm/ Kubikmeter (§ 2 Nr. 1), für Ruß 8 Mikrogramm/Kubikmeter (§ 2 Nr. 2) und für Benzol 10 Mikrogramm/Kubikmeter (§ 2 Nr. 3).

Der Beklagte durfte seine Entscheidung auf die Ergebnisse der Messungen aus den Jahren 1998 und 1999 stützen und hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise die Voraussetzungen für ein Einschreiten wegen Abgasimmissionen abgelehnt. Dafür, dass sich an der vorgenommenen Bewertung etwas zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten und/oder der mündlichen Verhandlung geändert haben und es zu einer Überschreitung der Grenzwerte gekommen sein könnte, liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor. Die E. Straße wies bereits zum Zeitpunkt der Messungen als Hauptverkehrsstraße ein hohes Verkehrsaufkommen auf. Dass dieses eine Steigerung in erheblichem Umfang erfahren haben könnte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Vielmehr hat sich die Klägerin im Schriftsatz vom 24. Februar 2004 sogar auf einen Rückgang des Fahrzeugverkehrs berufen.

Unabhängig davon hat der Beklagte die von ihm angestellten zutreffenden Ermessenserwägungen nicht auf ein Einschreiten zur Verringerung von Verkehrslärm beschränkt, sondern diese auch hinsichtlich der Reduzierung von Luftschadstoffen angeführt, so dass - selbst wenn die Voraussetzungen für ein Einschreiten bezogen auf Abgasimmissionen gegeben wären - der Beklagte den Anspruch der Klägerin auf ermessensfehlerfreie Entscheidung bereits erfüllt hätte.

Da ein auf § 40 Abs. 2 Satz 1 BImSchG gestützter Anspruch nicht weiter als der allein auf Gefahrenabwehr gerichtete Anspruch nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO geht

- vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. Dezember 1997 - 25 C.. 4997/96 -, NVwZ- RR 1998, 627 -,

kann die Klägerin schon deshalb aus § 40 Abs. 2 Satz 1 BImSchG nichts für sich herleiten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.

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