OLG Hamm, Urteil vom 04.12.2003 - 24 U 34/03
Fundstelle
openJur 2011, 29023
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 21 O 28/93
Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 27. November 2002 verkündete Versäumnis- und Vorbehaltsurteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster aufgehoben, soweit der Beklagte zur Zahlung von 441.554,25 Euro nebst Zinsen verurteilt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden haben wird.

Gründe

I.

Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der Q mbH in B-X. Er nimmt die Beklagte auf Zahlung von Restwerklohn aus der Erstellung einer Wohnanlage mit 65 Wohneinheiten in V in Anspruch. Die Beklagte hat sich u.a. mit Schadensersatzforderungen aus diesem Bauvorhaben, die sie hilfsweise zur Aufrechnung gestellt hat, verteidigt. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils vom 22.01.2003, durch welches Tenor und Tatbestand des angefochtenen Urteils ergänzt wurden, Bezug genommen. Das Landgericht hat durch Versäumnis- und Vorbehaltsurteil vom 27. November 2002 der Klage in Höhe von 441.554,25 Euro nebst Zinsen stattgegeben und der Beklagten die Aufrechnung mit den von ihr geltend gemachten Schadensersatzansprüchen vorbehalten. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen, wobei es in Höhe von 52.649,00 Euro durch Versäumnisurteil entschieden hat. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf S. 9 ff des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten.

Die Beklagte ist der Ansicht, das angefochtene Urteil könne bereits deshalb keinen Bestand haben, weil ein Vorbehaltsurteil nur dann erlassen werden könne, wenn die Verhandlung über die Forderung zur Entscheidung reif sei. Das Erstgericht habe eine solche Entscheidungsreife rechts- und tatsachenirrig angenommen. So sei die Beweisaufnahme noch nicht abgeschlossen und Entscheidungsreife bereits aus tatsächlichen Gründen nicht gegeben gewesen. Entscheidungsreife sei auch deswegen nicht gegeben, weil eine endgültige förmliche Abnahme nicht stattgefunden habe und auch nicht entbehrlich gewesen sei, weil eine Kündigung des Vertrages zu keinem Zeitpunkt stattgefunden habe. Insbesondere sei Entscheidungsreife deshalb nicht gegeben, weil die zur Verrechnung gestellten Gegenforderungen der Beklagten nicht hätten unberücksichtigt bleiben dürfen. Die Beklagte habe Gegenforderungen zum Gesamtwert von insgesamt über 2,7 Mio. DM reklamiert, die in einer die Klageforderung deutlich übersteigenden Höhe allein durch unmittelbare Restfertigstellungs- und Mangelbeseitigungskosten entstanden seien. Mache der Auftraggeber wegen Mängeln des Werks Schadensersatz geltend, so entstehe ein Abrechnungsverhältnis, in welchem der gesamte Werklohnanspruch des Auftragnehmers mit den Schadensersatzansprüchen des Bestellers zu verrechnen sei. Der Schaden des Bestellers liege darin, dass er für ein insoweit unbrauchbares Werk eine Vergütung zahlen solle. Dieser Schaden sei in der Weise zu ersetzen, dass der Unternehmer keine Vergütung verlangt. Die Differenztheorie sei auf alle Ansprüche aus § 635 BGB oder § 13 Nr. 7 VOB/B anzuwenden, die mit der geschuldeten Gegenleistung im Zusammenhang stünden einschließlich der Ansprüche aus schuldhafter Verletzung der Nachbesserungspflicht und zwar unabhängig davon, ob der Bauherr die Bauleistung ganz oder teilweise behalte oder die Werkleistung insgesamt zurückweise. Aufrechnung statt Verrechnung komme nur in Betracht, wo es sich um Nebenpflichten oder entferntere Mangelfolgenschaden handele. Unahbängig von der Änderung des § 302 ZPO habe daher ein Vorbehaltsurteil nicht ergeben dürfen. Unabhängig davon sei der Erlass eines Vorbehaltsurteils gemäß § 302 ZPO unter Verstoß gegen das vom Gericht anzuwendende pflichtgemäße Ermessen ergangen.

Des weiteren werde die Frage nach der Aktivlegitimation des Klägers zur Überprüfung gestellt. Die Klageforderung sei vor Konkurseröffnung über das Vermögen der Gemeinschuldnerin durch die Pfändungsgläubiger, die das Landgericht in seinem Urteil aufführe und weitere Pfändungsgläubiger gepfändet und diesen Gläubigern zur Einziehung überwiesen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die Berufungsbegründung vom 31.01.2003(Bl. 2484 ff d.A.) nebst Anlagen und den Schriftsatz vom 08.08.2003 (Bl. 2660 ff d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

das am 27. November 2002 verkündete und am 22.01.2003 berichtigte Urteil des Landgerichts Münster, Aktenzeichen 21 O 28/93, aufzuheben und die Klage abzuweisen,

hilfsweise das Urteil des Landgerichts Münster vom 27.11.2002 aufzuheben und zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Eine Entscheidungsreife der Forderungen des Klägers liege vor. Die Beweisaufnahme zu den im Urteil aufgeführten Forderungen sei abgeschlossen gewesen und habe zu dem Ergebnis geführt, dass die geltend gemachten Vergütungs- und Mehrvergütungsforderungen aus mannigfachen Gründen fällig seien. Eine Abnahme sei erfolgt gemäß dem Protokoll vom 23.10.1992. Die Leistung sei auch abnahmereif gewesen. Unabhängig davon sei der Restwerklohnanspruch schon deshalb fällig, weil die Beklagte Mängelbeseitigungsarbeiten nach Fristsetzung abgelehnt habe, vgl. etwa das Schreiben der Beklagten vom 04.02.1993. Fälligkeit folge auch aufgrund der Inbenutzungnahme des Gewerkes durch den Erwerber und durch den unstreitigen Verkauf des bebauten Grundstücks. Schließlich sei Fälligkeit auch ohne Abnahme deshalb gegeben, weil die Beklagte selbst vorprozessual mehrfach mit angeblichen Mängelbeseitigungsansprüchen aufgerechnet habe und sie sich nach eigenem Vortrag mit ihrer Erwerberin vergleichsweise über Mängel geeinigt habe, so dass sie sich zumindest nach Treu und Glauben gegenüber der Vergütungsforderung ihrer Subunternehmerin nicht auf die fehlende Abnahme berufen könne.

Die von der Gegenseite vertretene Ansicht zur Differenztheorie sei rechtsirrig. Diese sei nicht vereinbart worden. Eine Abrechnung sei nur vorzunehmen, wenn der Bauherr die mangelhafte Werkleistung oder Teilleistung zurückweise und Schadensersatz wegen Nichterfüllung des ganzen Vertrages verlange. Vorliegend sei daher eine Aufrechnung und keine Verrechnung anzunehmen, so dass die Differenztheorie keine Anwendung finden könne. Der Erlass eines Vorbehaltsurteils sei auch nicht ermessensfehlerhaft erfolgt.

Der Kläger sei aktivlegitimiert. Die Klageforderung sei während des laufenden Verfahrens gepfändet und den Gläubigern zur Einziehung überwiesen worden, so dass § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO zu beachten sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Klägervorbringens wird auf die Berufungserwiderung vom 10.04.2003 (Bl. 2602 ff) Bezug genommen.

II.

Die Sache ist gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Gericht des ersten Verfahrens zurückzuverweisen, weil das Verfahren im ersten Rechtszug an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche bzw. aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.

1.

Der Kläger ist entgegen dem Berufungsvorbringen aus den zutreffenden Gründen auf S. 9 f. des angefochtenen Urteils zur Prozessführung befugt.

Die Pfändung und Überweisung einer Forderung während eines Rechtsstreits hat gemäß § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO auf den Prozess keinen Einfluss. Wie der Bundesgerichtshof in seinen Urteilen vom 26.01.1983 und vom 12.03.1986 (NJW 1983, 886 f.; 1986, 3206 ff) ausgeführt hat, behält der Rechtsvorgänger in einem solchen Fall seine Prozessführungsbefugnis und darf den Rechtsstreit als Partei im eigenen Namen in sog. Prozessstandschaft weiterführen, muss aber wegen der veränderten materiellen Rechtslage Leistung an den Rechtsnachfolger verlangen, da nach materiellem Recht ein Urteil im Rechtsstreit um die gepfändete Forderung nur auf Leistung an den Rechtsnachfolger ergehen darf. Auch einem klagenden Konkursverwalter verbleibe nach Übertragung der streitbefangenen Forderung die Prozessführungsbefugnis nach den dargestellten Grundsätzen des § 265 ZPO jedenfalls insoweit, als durch die Einziehung zugunsten des Rechtsnachfolgers die Konkursmasse entlastet werde. Die fortbestehende Prozessführungsbefugnis des Konkursverwalters folge im Falle der Pfändung der streitbefangenen Forderung schon daraus, dass sie nur ein Recht auf abgesonderte Befriedigung aus einem zur Konkursmasse gehörenden Gegenstand im Sinne von § 4 KO bewirke, §§ 804 Abs. 2 ZPO, 48 KO.

Die Prozessführungsbefugnis des Klägers ist danach vorliegend gegeben. Die Klagezustellung ist am 19.02.1993 erfolgt. Die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse betreffend die im Tenor des angefochtenen Urteils unter a) bis e) aufgeführten Forderungen datieren - in der aufgeführten Reihenfolge - vom 30.04.1993 (Band I, Bl. 209 f.), 17.05.1993 (Bd. II, Bl. 235 f. d.A.), 15.07.1993 (Bd. II, Bl. 237 f. d.A.), 23.07.1993 (Bd. II, Bl. 239 f. d.A.) und vom 21.07.1993 (Bd. II, Bl. 241 f. d.A.). Nachdem der Kläger mit Beschluss des Amtsgerichts Coesfeld vom 22.02.1994 (Bd. II, Bl. 251 d.A.) zum Konkursverwalter bestellt worden ist, hat er mit Schriftsatz vom 05.08.1994 (Bd. II, Bl. 252 f. d.A.) den Rechtsstreit aufgenommen. Durch die Aufnahme des Rechtsstreits ist eine Veränderung im Hinblick auf die bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens nach den vorgenannten Grundsätzen bestehende Prozessführungsbefugnis der Konkursschuldnerin nicht erfolgt.

2.

Die Klage ist auch nicht wegen fehlender Fälligkeit als derzeit unbegründet abzuweisen.

Hierbei kommt es nicht darauf an, ob am 23.10.1992 eine Abnahme erfolgt ist, wofür zwar der Inhalt des schriftlichen Abnahmeprotokolls spricht (vgl. Bl. 38 ff. der zweiten Beiakte), was aber ohne Vernehmung der hierzu benannten Zeugen W und H nicht endgültig entschieden werden kann.

Die Parteien befinden sich nämlich im Abrechnungsverhältnis.

Nach der insoweit grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23.11.1978 (NJW 1979, 549 f.) hat, unabhängig von einer Abnahme, eine endgültige Abrechnung über die Bauleistung des Auftragnehmers und Schadensersatzansprüche des Auftraggebers stattzufinden, wenn der Auftraggeber nicht mehr Mängelbeseitigung sondern Schadensersatz fordert und daher eine weitere Erfüllung des Vertrages durch den Auftragnehmer nicht mehr in Betracht kommt. Dies gilt auch bei Vereinbarung der VOB/B (vgl. zuletzt BGH NJW 2003, 288).

Danach sind hier die Voraussetzungen eines Abrechnungsverhältnisses zu bejahen. Die Beklagte beruft sich gegenüber dem Restwerklohnanspruch des Klägers nur noch auf Schadensersatzansprüche. Das angefochtene Urteil weist in diesem Zusammenhang zu Recht auf das Schreiben der Beklagten vom 04.02.1993 (Bd. I, Bl. 75 ff.) hin. Dort heisst es auf S. 2 im vorletzten Absatz bezüglich der aus dem Protokoll vom 23.10.1992 ersichtlichen Mängel, dass sich die Beklagte, nachdem die Schuldnerin die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung fruchtlos habe verstreichen lassen, sich nunmehr gezwungen sehe, die Restfertigstellungs- und Mängelbeseitigungsleistungen durch die Schuldnerin abzulehnen und nunmehr Handwerksunternehmen selbst zu beauftragen und Mängel auf Kosten der Schuldnerin beseitigen zu lassen. In der Folgezeit hat dann die Beklagte verschiedene Firmen mit der Durchführung von Restfertigstellung- und Mangelbeseitigungsarbeiten beauftragt. Die hierdurch entstandenen Kosten macht sie im vorliegenden Rechtsstreit als Schadensersatzansprüche geltend. Sie selbst geht in ihrem Schriftsatz vom 21.03.2001 (Bd. VII, Bl. 1544 ff) auf S. 7 (Bl. 1550) von einer Vertragskündigung aufgrund ihres Schreibens vom 04.02.1993 aus und führt in dem vorgenannten Schriftsatz weiter aus, dass durch die Kündigung ein Abrechnungsverhältnis entstanden sei. Da somit - auch angesichts des Konkurses der Gemeinschudnerin - Nachbesserung von der Beklagten nicht mehr verlangt wird, vielmehr dem restlichen Vergütungsanspruch Schadensersatzansprüche entgegengehalten werden, hat eine Abrechnung über die Bauleistung der Gemeinschuldnerin und die behaupteten Schadensersatzansprüche der Beklagten stattzufinden.

3.

Bei der vorzunehmenden Abrechnung sind die Vergütungen des Auftragnehmers und die Schadensersatzansprüche des Auftraggebers endgültig abzurechnen. Hierbei ist zu beachten, dass eine Verrechnung vorzunehmen ist zwischen den Vergütungsansprüchen des Auftragnehmers einerseits und sämtlichen Schadensersatzansprüchen des Auftraggebers, die mit der geschuldeten Gegenleistung im Zusammenhang stehende, andererseits. Insoweit ist die sog. Differenztheorie anzuwenden. Die Werklohn- bzw. Schadensersatzansprüche sind als unselbständige Rechnungspositionen einzustellen in die vorzunehmende Verrechnung. Diese Schadensersatzansprüche der Beklagten sind also keine selbständigen, durch Aufrechnung geltend zu machende Ansprüche sondern bloße Rechnungsposten, da sich das Schuldverhältnis allein auf einen Zahlungsanspruch derjenigen Vertragspartei konzentriert, zu deren Gunsten nach Abrechnung aller Vergütungs- und Schadensersatzansprüche ein Saldo besteht. Wie der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 19. Januar 1978 (BauR 1978, 814 ff) ausgeführt hat, ist in derartigen Fällen der Schadensersatzanspruch in erster Linie darauf gerichtet, wegen der Mängel keine weitere Vergütung mehr zahlen zu müssen, also von den Verbindlichkeiten aus dem für die Auftraggeberin nutzlos gewordenen Vertrag befreit zu werden. Darin liege keine Aufrechnung. Die Rechtsfolge der Befreiung von der Vergütungspflicht ergebe sich vielmehr unmittelbar aus dem Inhalt des Schadensersatzanspruchs. In einem solchen Fall bestehe der Schaden des Bestellers darin, dass er für ein unbrauchbares Werk eine Vergütung zahlen solle. Dieser Schaden sei in der Weise zu ersetzen, dass der Unternehmer keine Vergütung verlange.

Entgegen der früher herrschenden Meinung ist die Differenztheorie auch auf Fälle wie den vorliegenden anwendbar, in welchen der Bauherr die mangelhafte Werkleistung nicht zurückweist und Schadensersatz wegen Nichterfüllung des ganzen Vertrages verlangt. Diese früher umstrittene Rechtsfrage ist aufgrund des Nichtannahmebeschlusses des Bundesgerichtshofs vom 5. April 2001 (teilweise abgedruckt in BauR 2001, S. 1615 oben) im vorgenannten Sinne geklärt. Dem Nichtannahmebeschluss des Bundesgerichtshofs lag das Urteil des OLG Naumburg vom 1. März 2000 (BauR 2001, 1615 ff) zugrunde, in welchem das Oberlandesgericht die Differenztheorie auf einen Fall angewendet hatte, in welchem der Bauherr die mangelhafte Werkleistung (eines Architekten) nicht vollständig zurückgewiesen hatte, sondern Schadensersatzansprüche für genau beschriebene Mängel geltend gemacht hatte. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Nichtannahmebeschluss ausgeführt, dass das Berufungsgericht zutreffend angenommen habe, das vertragliche Aufrechnungsverbot komme nicht zum Tragen, weil eine Verrechnung vorliege und hat hierbei auf sein - oben zitiertes - Urteil vom 19. Januar 1978 Bezug genommen. Aufgrund dieser Entscheidung kann die bis dahin umstrittene Rechtslage als geklärt angesehen werden (so auch Werner/Pastor Rdnr. 2577, Ingenstau/Korbion-Wirth, 15. Aufl. 2004, VOB/B § 13 Nr. 7 Rdnr. 150). Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist auch sachgerecht. Sie ist eine konsequente Fortsetzung der Rechtsprechung zum Abrechnungsverhältnis, wonach eine Werklohnforderung auch ohne Abnahme fällig werden kann. Damit wäre es aus Billigkeitsgründen nicht zu vereinbaren, wenn der Auftraggeber mit - möglicherweise berechtigten - Schadensersatzansprüchen auf ein Nachverfahren verwiesen würde. Auch sind Fallkonstellationen denkbar, in denen der Auftraggeber das Insolvenzrisiko des Auftragnehmers zu tragen hätte. In der Literatur wird weiter angeführt, dass der gesetzliche Anspruch des Schadensersatzes nicht unterscheidet zwischen einem Schadensersatzanspruch bei Gesamtzurückweisung des Werks oder der Geltendmachung einzelner Schadensersatzpositionen und dass durch die Anwendung der Verrechnung ein häufig problematisches Aufrechnungsverbot wirksam konterkariert werde, wodurch ein zweiter Rechtsstreit oder die Konstruktion der Hilfswiderklage vermieden würden (Groß, BauR 2001, 1618).

Die Oberlandesgerichte hatten teilweise bereits vor der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Fällen wie dem vorliegenden eine Verrechnung bejaht (vgl. etwa OLG Hamm BauR 1996, 141; KG NZBAU 2000, 294; OLG Karlsruhe OLGR 1998, 17 ff., OLG Köln, OLG-Report Köln 2001, 222 f.). Entscheidungen, die nach Bekanntwerden des oben zitierten Nichtannahmebeschlusses des Bundesgerichtshofs ergangen sind, gehen sämtlich von einer Verrechnung auch für den Fall aus, dass der Bauherr die mangelhafte Werkleistung nicht vollständig zurückweist (vgl. OLG Koblenz NZBAU 2002, 453 ff. = MDR 2002, 715 f., OLG Dresden, Urteil vom 25.06.2003, Aktenzeichen 19 U 2278/02, OLG München BauR 2003, 421, OLG Oldenburg NZBAU 2003, 439 unter Hinweis darauf, dass aufgrund des Nichtannahmebeschlusses des Bundesgerichtshofs die Differenztheorie entgegen der bisherigen vorherrschenden Ansicht auf alle Ansprüche aus § 635 BGB a.F. oder § 13 Nr. 7 VOB/B anzuwenden sei, die mit der geschuldeten Gegenleistung im Zusammenhang stehen, OLG Düsseldorf NZBau 2002, 674 f.).

Aus dem Vorgesagten folgt, dass der Erlass eines Vorbehaltsurteils im vorliegenden Rechtsstreit unzulässig war. Die vom Kläger geltend gemachen Werklohnansprüche stellen nur unselbständige Rechnungspositionen im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabrechnung dar. Ob zugunsten des Klägers überhaupt ein Saldo verbleibt, hängt vielmehr davon ab, inwieweit die von der Beklagten geltend gemachten Schadensersatzansprüche begründet sind.

Die dargestellte Rechtslage hat durch die Neufassung des § 302 ZPO, durch welche die Möglichkeit eines Vorbehaltsurteils auch bei konnexen Gegenforderungen geschaffen worden ist, keine Änderung erfahren. An einer selbständigen Gegenforderung fehlt es vorliegend aus den dargestellten Gründen gerade (vgl. Ingenstau/Korbion-Wirth § 13 Nr. 7 VOB/B Rdnr. 150, Zöller-Vollkommer § 302 Rdnr. 4 sowie die oben zitierten Urteile des OLG Koblenz und des OLG Oldenburg). Aus den oben ausgeführten Gründen ist dieses Ergebnis auch sachgerecht.

Der Erlass eines unzulässigen Vorbehaltsurteils stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne von § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO dar. Da eine umfangreiche bzw. aufwändige Beweisaufnahme erforderlich ist und ein Antrag im Sinne von § 538 Abs. 2 ZPO gestellt ist, ist die Sache aufzuheben und an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen. Da sich das angefochtene Urteil der Sache nach als unzulässiges Teilurteil darstellt (vgl. OLG Koblenz und OLG Oldenburg, jeweils a.a.O.), wäre ein Antrag auf Zurückverweisung im übrigen nicht erforderlich gewesen. Von einer eigenen Sachentscheidung durch "Heraufziehen" des noch in erster Instanz anhängig gebliebenen Teils des Rechtsstreits hat der Senat auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Klage bereits im Jahre 1993 zugestellt worden ist, abgesehen. Über die Berechtigung der Schadensersatzansprüche der Beklagten ist in umfangreicher Weise Beweis zu erheben und es wäre nicht sachdienlich, wenn den Parteien durch ein "Heraufziehen" des Streitstoffs eine komplette Instanz verloren ginge. Im Senatstermin vom 04.12.2003 sind gegen die vom Senat beabsichtigte Vorgehensweise keine Einwände durch die Parteien erhoben worden.

Die Aufhebung und Zurückverweisung erfasst nicht die rechtskräftig gewordene Teilabweisung der Klage.

Von einer Zulassung der Revision wegen der Frage der Anwendbarkeit der Differenztheorie auf den vorliegenden Fall hat der Senat abgesehen, da er aus den angeführten Gründen die Rechtslage als geklärt ansieht.