VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 15.04.2004 - 19 L 700/04
Fundstelle
openJur 2011, 28545
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag wird auf Kosten der Antragsteller abgelehnt. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Stromkostenrückstände der Antragsteller in Höhe von 665,32 Euro darlehnsweise zu übernehmen,

hat keinen Erfolg.

Nach § 123 Abs. 1 VwGO darf eine die Entscheidung vorwegnehmende einstweilige Anordnung auf Gewährung von Sozialhilfe nur ergehen, wenn es - im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung - aus den in § 123 Abs. 1 VwGO aufgeführten besonderen Gründen notwendig ist, dass dem Begehren sofort entsprochen wird. Der geltend gemachte Hilfeanspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) sind - in der Regel mittels eidesstattlicher Versicherung -, vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 12. September 2002 - 16 B 1234/02 -, glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO). Ein Anordnungsgrund besteht (nur) bei drohenden wesentlichen Nachteilen. Die erstrebte Regelung muss der Abwendung einer unaufschiebbaren gegenwärtigen Notlage dienen, etwa der Sicherung der Existenzgrundlage des Hilfesuchenden. Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 12. Mai 1999 - 16 B 681/99 -. Vorliegend fehlt es schon an einem Anordnungsgrund. Die Antragsteller haben nicht glaubhaft gemacht, dass ihnen wesentliche Nachteile drohen, wenn sie aus den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln vorläufig - bis zu einer Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch in der Hauptsache - die Stromkostenrückstände ratenweise tilgen, wie das von den Stadtwerken Bochum auf Anfrage des Gerichts vorgeschlagen worden ist. Nach Auskunft der Stadtwerke Bochum setzen sich die offenen Stromkosten aus einem Restbetrag über 359,17 Euro der zum 16. Juni 2003 fällig gewordenen Jahresverbrauchsrechnung, den Abschlägen von jeweils 95,-- Euro für Dezember 2003, Januar und Februar 2004, drei Mahngebühren i.H.v. je 2,80 Euro pro Monat sowie einer Wegegebühr von 12,75 Euro zusammen. Hinzu kommen die Pauschalen für März und April 2004. Aufgrund dieser Sachlage haben die Stadtwerke ihre Bereitschaft erklärt, sich mit einer Ratenzahlungsvereinbarung zum Abbau des Rückstandes dergestalt einverstanden erklären, dass der noch offene Betrag aus der Jahresrechnung (359,17 Euro) ungeteilt und sofort und die restlichen offenen Kosten durch zwei dreifache Monatspauschalen (285,-- Euro) zuzüglich der entstandenen Gebühren (21,15 Euro) bezahlt werden. Soweit die Antragsteller belegen, dass sie die Abschläge seit Dezember 2003 geleistet haben, und daraus folgern, der Stromkostenrückstand resultiere vollständig aus der Jahresabrechnung vom 2. Juni 2003, die 730,57 Euro ausweise und bereits teilweise beglichen sei, verkennen sie die Bedeutung des § 366 Abs. 2 BGB. Danach wird eine Leistung im Zweifel auf die ältere Schuld angerechnet. Die bestehende Möglichkeit der Schuldentilgung in drei Raten ist den Antragstellern zumutbar. Sie verfügen über ausreichende Mittel, um die genannten Raten vorläufig aufzubringen. Zunächst ergibt eine Gegenüberstellung des monatlichen Bedarfs einerseits und des Einkommens der Antragsteller zuzüglich des Wohngeldes andererseits aktuell schon einen Überschuss von gut 150,-- Euro pro Monat. Der monatliche Bedarf der Antragsteller i.H.v. 1.407,04 Euro setzt sich zusammen aus den vier Regelsätzen (296,--, 237,--, zweimal 148,-- Euro), den Unterkunftskosten von 455,67 Euro sowie dem vom Antragsgegner übernommenen Krankenversicherungsbeitrag für die Antragstellerin zu 2 über 122,37 Euro. Demgegenüber steht monatliches Einkommen der Antragsteller i.H.v. ca. 1.560,-- Euro: Einzusetzen sind die Arbeitslosenhilfe des Antragstellers zu 1 über 78,82 Euro wöchentlich (ca. 337,80 Euro mtl.), die Ausbildungsbeihilfe der Antragstellerin zu 2 über 583,-- Euro, ein Unterhaltsvorschuss i.H.v. 122,-- Euro, zweimal Kindergeld von 154,-- Euro sowie Wohngeld i.H.v. 210,-- Euro. Zur Berücksichtigung des Kindergeldes in voller Höhe als Einkommen bei der Bedarfsprüfung - unter dem Aspekt des Anordnungsgrundes - OVG NRW, Beschluss vom 16. Mai 2003 - 16 B 664/03 -. Die einsetzbaren Mittel erhöhen sich weiter um den genannten Krankenkassenbeitrag i.H.v. monatlich 122,37 Euro, der vom Antragsgegner übernommen wird, obwohl er sozialhilferechtlich dazu nicht verpflichtet ist. Schließlich ist es für den streitigen Zeitraum im Hinblick auf die Höhe regelsatzmäßiger Leistungen nach ständiger Rechtsprechung des OVG NRW, vgl. z. B. Beschluss vom 15. Februar 2001 - 16 B 176/01 -, in der Regel zur Vermeidung wesentlicher Nachteile ausreichend, wenn einem erwachsenen Hilfe Suchenden 80 v.H. des maßgeblichen sozialhilferechtlichen Regelsatzes zur Verfügung stehen, also 236,80 Euro für den Antragsteller zu 1 und 189,60 Euro für die Antragstellerin zu 2. Es ist kein Anhalt dafür ersichtlich, hiervon eine Ausnahme zu machen, so dass dadurch nochmals 106,60 Euro pro Monat einsetzbar sind. Insgesamt ergibt sich damit ein Betrag von knapp 380,-- Euro monatlich, der für die ratenweise Rückzahlung der Stromkosten zur Verfügung steht. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass der monatliche Abschlag für Haushaltsstrom ohnehin bereits durch die Regelsätze gedeckt wird. Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Januar 1998 - 6 B 92.97 -; OVG NRW, Beschluss vom 9. November 2000 - 22 A 351/99 -, FEVS 52, 417. Im Übrigen könnte eine eventuell verbleibende geringfügige Deckungslücke, wie sie allenfalls für die die offene Jahresverbrauchsrechnung betreffende Rate entstehen könnte, bei der Schuldentilgung auch aus dem der Antragstellerin zu 2 zur Verfügung stehenden Erziehungsgeld in Höhe von monatlich 307,00 Euro unter dem Aspekt des Anordnungsgrundes geschlossen werden, auch wenn das Erziehungsgeld nach § 8 Abs. 1 Satz 1 BErzGG bei der Ermittlung des Sozialhilfeanspruchs als Einkommen außer Ansatz zu bleiben hat. Vgl. Beschluss der Kammer vom 26. März 2004 - 19 L 618/04 -. Ob dies trotz des materiellrechtlichen Anrechnungsverbots generell gilt, dafür: OVG NRW, Beschluss vom 4. April 1991 - 8 B 284/91 -, und VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18. Januar 1991 - 6 S 3067/90 -; dagegen: OVG Bautzen, Beschluss vom 16. Februar 2000 - 1 Bs 17/00 -, SächsVbl. 2000, 139; differenzierend nach den Umständen des Einzelfalles OVG NRW, Beschlüsse vom 26. April 2002 - 12 B 310/02 -, vom 24. April 2002 - 16 B 531/02 - und vom 16. Mai 2003 - 16 B 664/03 -; vgl. auch OVG Weimar, Beschluss vom 18. Februar 1999 - 2 EO 816/98 -, FEVS 51, 66, muss (auch) hier nicht abschließend entschieden werden, weil die Umstände des Einzelfalles nicht erkennen lassen, dass den Antragstellern bei (einmaligem) Einsatz eines geringen Teils des Erziehungsgeldes wesentliche Nachteile i.S.v. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO entstünden. Aus den Darlegungen der Antragsteller lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass mit den dann für die Erziehung zur Verfügung stehenden Mitteln der entsprechende Bedarf nicht vorläufig ohne wesentliche Nachteile gedeckt werden könnte - zumal die Gewährung von Erziehungsgeld ohnehin im Juni 2004 endet. Die Zwecke, die mit der Gewährung von Erziehungsgeld verfolgt werden, sind nicht derart, dass sie nur durch seinen monatlichen Verbrauch verwirklicht werden können. Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. April 2002 - 12 B 310/02 -, m. w. N.; Beschluss der Kammer vom 26. März 2004 - 19 L 618/04 -. Das Ansinnen der Antragsteller vom 20. August 2003 gegenüber dem Antragsgegner, den Rückstand nur über monatliche Raten i.H.v. 30,-- Euro abtragen zu können, ist daher ebenso unzureichend wie die unter dem 6. April 2004 erfolgte Erhöhung auf 40,-- Euro pro Monat.

Da es an einem Anordnungsgrund fehlt, kann dahinstehen, ob die Antragsteller einen Anspruch gem. § 15a Abs. 1 Satz 1 BSHG auf die Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme der in dem Schreiben der Stadtwerke Bochum vom 18. März 2004 aufgeführten Verbindlichkeiten für Stromlieferungen i.H.v. 665,32 Euro haben. Insbesondere bedarf es deshalb im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes keiner Entscheidung, ob und inwieweit i.S.d. § 15a Abs. 1 Satz 1 BSHG gerechtfertigt ist, Erziehungsgeld zur Beseitigung der Notlage einzusetzen. Im Hinblick auf die vom Antragsgegner im Rahmen eines Anspruchs aus § 15a BSHG vorgenommene unbeschränkte Berücksichtigung des Erziehungsgeldes als eigene Mittel weist die Kammer jedoch daraufhin, dass das Erziehungsgeld zusätzlich zu anderen einkommensabhängigen Sozialleistungen, zu denen auch eine Leistung nach § 15a BSHG gehört, die auch darlehnsweie bewilligt werden kann, gewährt wird. Es handelt sich dabei um eine familienpolitische, verhaltenssteuernde Sozialleistung, welche vorrangig darauf abzielt, die Hinwendung zum Kind zu fördern. Vgl. OVG NRW, Urteil vom 20. Juni 2001 - 12 A 31/01 -.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.

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