VG Köln, Beschluss vom 17.10.2003 - 6 L 699/03
Fundstelle
openJur 2011, 25550
  • Rkr:
Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Sperrungsver-fügung der Antragsgegnerin vom 13.3.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 21.7.2003 wird wiederhergestellt.

Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen. 2. Der Streitwert wird auf 2.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

G r ü n d e I. Die Antragstellerin ist ein in der Rechtsform der GmbH betriebenes Unternehmen, das seinen Kunden u. a. den Zugang zum Internet anbietet (sog. Access-Provider). Das Angebot richtet sich sowohl an Geschäfts- als auch an Privatkunden und kann über DSL, ISDN oder auch analoge Netzzugänge in Anspruch genommen werden. Die Antragsgegnerin beschäftigt sich seit mehreren Jahren als Aufsichtsbehörde mit dem Thema "Rechtsradikalismus im Internet". Bereits im August 2000 bekundete sie in einer Pressemitteilung ihre Absicht, gegen Internetangebote jugendgefährdenden Inhalts, aber auch solche, die politischen Extremismus, Gewaltverherrlichung und Aufstachelung zum Rassenhass enthalten, vorzugehen. In einem Rundschreiben an alle nordrheinwestfälischen Provider vom 10.8.2000 rief die Antragsgegnerin zur Mithilfe bei der Beseitigung rechtsextremistischer Domains auf. Zugleich wandte sich die Antragsgegnerin an den Generalkonsul der Vereinigten Staaten von Amerika so- wie deren "Federal Communications Commission" mit dem Hinweis auf die von eini- gen Providern mit Sitz in den USA ins Netz gestellten Seiten rechtsradikalen Inhalts. Die amerikanischen Behörden teilten der Antragsgegnerin mit, dass es nach dem amerikanischen Recht im allgemeinen keine inhaltlich basierten Einschränkungen der freien Rede im Internet gebe. Diese sei durch das Verfassungsrecht geschützt. Das Thema werde allerdings derzeit durch eine Arbeitsgruppe unter Leitung des Vi- zepräsidenten diskutiert. Am 13.11.2001 fand in den Räumen der Antragsgegnerin eine "Anhörungsveranstal- tung" statt. Bei dieser Veranstaltung war eine Vielzahl von nordrheinwestfälischen Providern vertreten. Es wurden die rechtlichen Aspekte eines Vorgehens der An- tragsgegnerin sowie die technischen Möglichkeiten einer Sperrung ausführlich disku- tiert. Man einigte sich schließlich darauf, eine Arbeitsgruppe zu bilden, die aus Ver- tretern der Provider-Wirtschaft, der Universitäten und technischen Sachverständigen bestehen und das weitere Vorgehen erörtern sollte. Zu Beginn des Jahres 2002 erließ die Antragsgegnerin eine Reihe von Verfügungen gegen nordrheinwestfälische Provider, in welchen diesen die Sperrung zweier Inter- net-Seiten amerikanischer Herkunft aufgegeben wurde. Gegen die Antragstellerin wurde bei dieser Gelegenheit offenbar noch keine entsprechende Verfügung erlas- sen. In einem mit "Anhörung" überschriebenen Schreiben vom 7.1.2003 wandte sich die Antragsgegnerin an die Antragstellerin. Sie wies darauf hin, dass sich auf zwei Inter- netseiten unzulässige Inhalte befänden, nämlich auf der Seite "www. " und auf der Seite "www. ". Als Medienaufsichtsbehörde müsse sie gegen diese Seiten vorgehen. Da Maßnahmen gegen die Content- und Service- Provider nicht erfolgversprechend seien, wende sie sich an die Access-Provider in Nordrhein-Westfalen. Eine Sperrung der entsprechenden Angebote sei technisch möglich und auch zumutbar. Der Antragstellerin werde Gelegenheit gegeben, zu der beabsichtigten Sperrungsverfügung Stellung zu nehmen. In ihrem Antwortschreiben vom 3.2.2003 erklärte die Antragstellerin, sie halte die be- absichtigte Sperrungsverfügung für unzulässig. Zwar handele es sich bei den beiden in Rede stehenden Internet-Seiten um unzulässige Inhalte nach § 12 Mediendienste- Staatsvertrag - MDStV -. Sie selbst sei jedoch kein "Diensteanbieter", gegen den Maßnahmen nach § 22 Abs. 3 MDStV gerichtet werden könnten. Zudem kämen vor- rangig zu treffende Maßnahmen gegen die amerikanischen Content-Provider in Be- tracht. Eine Sperrung sei ihr ferner auch gar nicht möglich. Sie halte nämlich für ihre Tätigkeit als Access-Provider gar keine eigene technische Infrastruktur bereit, son- dern bediene sich insoweit der Dienste eines Subunternehmers, der Fa. U. GmbH mit Sitz in W. . Auf die technischen Strukturen der Fa. U. könne sie - die Antragstellerin - keinen Einfluss nehmen. Die Fa. U. habe ihr gegenüber erklärt, die Sperrung sei technisch nicht möglich. Aufgrund der vorgenannten Beson- derheiten sei die beabsichtigte Maßnahme auch unverhältnismäßig. Zu berücksichti- gen sei nämlich, dass das Verwaltungsgericht Minden hinsichtlich der an die Fa. U. gerichteten Sperrungsverfügung die aufschiebende Wirkung wiederherge- stellt habe. U. , die damit derzeit selbst nicht zur Sperrung verpflichtet sei, würde somit gezwungen sein, eine Sonderlösung nur für ihre Tätigkeiten als Subunterneh- merin der Antragstellerin einzurichten, was einen erheblichen Kostenaufwand bedeu- ten würde. Im Übrigen verstoße eine Sperrungsverfügung auch gegen Grundrechte ihrer Kunden. Mit Bescheid vom 13.3.2003 ("Sperrungsverfügung") gab die Antragsgegnerin der Antragstellerin auf, den Zugang zur Nutzung der Internetseiten "www. " und "www. " im Rahmen des von ihr vermittelten Nutzungsangebotes zu sperren. Zugleich ordnete sie die sofortige Vollziehung an. Zur Begründung gab die Antragsgegnerin an, die Seiten enthielten unzulässige Inhalte nach § 12 Abs. 1 MDStV -. Für Inhalte seien nach dem MDStV in erster Linie die Content-Provider verantwortlich. Wenn sich ein Vorgehen gegen diese Verantwortlichen als nicht durchführbar oder nicht erfolgversprechend erweise, könne indes auch gegen die Access-Provider vorgegangen werden. Dies sei vorliegend der Fall. Eine Inanspruchnahme der amerikanischen Service-Provider erweise sich mangels Anerkennung und Vollstreckbarkeit eines europäischen Urteils in den Vereinigten Staaten als nicht durchführbar. Die Sperrung sei auch technisch möglich. Nach dem derzeitigen Stand der Technik bestünden drei Sperrmöglichkeiten, nämlich 1. Ausschluss von Domains im Domain-Server (DNS), indem der DNS so konfiguriert werde, dass Anfragen nicht an den richtigen Server, sondern an eine ungültige oder eine andere vordefinierte Seite weitergeleitet würden, 2. Verwendung eines Proxy-Servers, wobei die URL als genaues Zuordnungskriterium der individuellen Webseite auf dem jeweiligen Server durch den Einsatz eines Proxys als Filter gesperrt werde, 3. Ausschluss von IPs durch Sperrung im Router, indem der Router so konfiguriert werde, dass der komplette Datenverkehr zu einer bestimmten IP- Adresse nicht weitergeleitet werde. Die Maßnahmen seien zumutbar. Insbesondere die DNS-Variante lasse sich durch einfache Konfiguration des DNS herbeiführen und erfordere nur einen einmaligen, geringen Personalaufwand; ein Sachaufwand entstehe nicht. Die Maßnahme sei auch geeignet. Zwar könne eine Sperrung nach der DNS-Methode umgangen werden. Für denjenigen, der weder eine technische Anleitung noch den Zahlencode eines anderen DNS-Servers kenne, erscheine eine entsprechende Manipulation aber schon schwieriger. Bei den mittlerweile 25 Millionen Internet-Nutzern in der Bundesrepublik handele es sich keinesfalls mehr um ein technisch versiertes Minderheitenpublikum, das die meisten technischen Funktionsweisen des Rechners kenne. Insofern bewirke die DNS-Sperrung für den durchschnittlichen Nutzer eine nicht unwesentliche Zugangserschwernis. Die Tatsache, dass "Suchmaschinen" die unzulässigen Inhalte weiter anböten, spreche nicht gegen die Geeignetheit der Sperrung. Das Betreiben einer Suchmaschine unterliege seinerseits einer entsprechenden Sperrungsanordnung. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung begründete die Antragsgegnerin wie folgt: Da die betreffenden Angebote nicht nur die Menschenwürde verletzten, kriegsverherrlichend und jugendgefährdend seien, sondern auch gegen Normen des materiellen Strafrechts verstießen, seien sie nicht hinnehmbar. An der Verhinderung bzw. Erfolgsbeseitigung von Straftaten bestehe stets ein besonderes öffentliches Interesse. Das gelte insbesondere dann, wenn - wie vorliegend - die Straftat nicht nur rein abstrakte Gefährdungen schaffe, sondern der im Tatbestand beschriebene Erfolg sich bereits realisiert habe und Wirkung entfalte. Somit bestehe ein besonderes Vollzugsinteresse daran, die Angebote möglichst rasch und konsequent zu unterbinden. Demgegenüber sei das Interesse der Antragstellerin an dem einstweiligen Nichtvollzug gering, da etwa die DNS-Methode ohne Sach- und mit nur geringem Personalaufwand vorgenommen werden könne. Mit Schreiben vom 25.3.2003 legte die Antragstellerin Widerspruch gegen den Be- scheid ein. Zur Begründung wiederholte sie ihre Ausführungen aus dem Schreiben vom 3.2.2003 und führte ergänzend aus: Die Sperrungsverfügung sei gemäß § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG nichtig, da die Sperrung mit einem so hohen Aufwand verbunden wäre, dass niemand sie vernünftigerweise in Betracht ziehen würde; sie sei also faktisch unmöglich. Für die Fa. U. , die selbst keiner vollziehbaren Sperrungsverfügung unterliege, sei die Durchführung der Sperrung allein für die N. -Kunden nicht möglich. Sie - die Antragstellerin - könne der Sperrungsverfügung daher nur nachkommen, indem sie das Vertragsverhältnis mit dem bewährten und zuverlässigen Subunternehmer U. beende oder die Tätigkeit als Access-Provider ganz einstelle. Die für sie entstehenden Belastungen seien daher nicht vergleichbar mit den Belastungen anderer Provider mit wenigen, eigenen DNS-Servern, welche der Sperrungsanordnung durch interne Maßnahmen nachkommen könnten. Am 27.3.2003 hat die Antragstellerin um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Die Sperrungsverfügung gegen die Fa. U. ist im April 2003 durch die Antragsgegnerin aufgehoben worden. Das Beschwerdeverfahren gegen den diese Verfügung betreffenden Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts Minden ist daraufhin offenbar durch Rücknahme beendet worden. Mit Bescheid vom 21.7.2003 hat die Antragsgegnerin den Widerspruch der Antragstellerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie die Ausführungen in der Sperrungsverfügung wiederholt, vertieft und zum Teil der inzwischen in Kraft getretenen Neufassung des MDStV angepasst. Hinsichtlich der Ermessensausübung hat sie darauf hingewiesen, dass es sich bei der Entscheidung über Aufsichtsmaßnahmen nach § 22 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 MDStV um eine gebundene Entscheidung handele, sie also zum Einschreiten verpflichtet sei. Auf die von der Antragstellerin angeführten Besonderheiten, namentlich die Einschaltung des Subunternehmers U. ist die Antragsgegnerin im Widerspruchsbescheid nicht eingegangen. Am 11.8.2003 hat die Antragstellerin gegen die Sperrungsverfügung in der Gestalt des Widerspruchsbescheides Klage erhoben (6 K 5128/03). Zur Begründung des vorliegenden Eilantrages wiederholt die Antragstellerin ihren Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren. Sie vertieft insbesondere ihre Behauptung, dass es der Fa. U. nicht möglich sei, eine Sperrung nur für einen ihrer Kunden, nämlich die Antragstellerin, vorzunehmen. Die Sperrung gegenüber allen ihren Kunden sei der Fa. U. nicht zuzumuten, da sie dadurch Sonderkündigungsrechten der anderen, nicht zur Sperrung verpflichteten Provider entgegen sehen müsste. Eine Kündigung ihres eigenen Vertrages mit der Fa. U. sei ihr, der Antragstellerin, nicht zuzumuten. Die Anzahl in Betracht kommender Anbieter sei sehr gering. Der Aufwand für eine solche Umstellung sei immens. Zudem sei die Fa. U. in qualitativer Hinsicht den meisten anderen Anbietern überlegen. Die Antragstellerin beantragt, die aufschiebende Wirkung ihrer Anfechtungsklage gegen die Sperrungsverfügung der Antragsgegnerin vom 13. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.7.2003 wiederherzustellen. Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen. Sie wiederholt im Wesentlichen die Ausführungen in ihren Bescheiden und führt ergänzend aus: Die Verfügung sei nicht wegen Unmöglichkeit nichtig. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass die Antragstellerin selbst nicht die notwendige Infrastruktur betreibe. Als Access-Provider sei die Antragstellerin zur Sperrung verpflichtet. In diesem Zusammenhang könne dahin stehen, in welcher Weise sie ihre Verbindlichkeiten gegenüber den Kunden erfülle und ob sie sich dabei eines Subunternehmers bediene. Sollte sich der Subunternehmer - wider Erwarten - weigern, einer Aufforderung zur Sperrung nachzukommen, müsse der Access- Provider sich notfalls anderer Firmen als Subunternehmer bedienen. Im Übrigen sei für die Aufsichtsbehörde auch gar nicht nachvollziehbar, ob bzw. in welchem Umfang die Antragstellerin die erforderliche technische Infrastruktur selbst besitze. Würde sie als Behörde in jedem Fall zunächst prüfen müssen, ob der Provider die technischen Einrichtungen selbst betreibe, liefe dies auf ihre Handlungsunfähigkeit hinaus. Dadurch würde im Übrigen auch eine Umgehungsmöglichkeit geschaffen, mit der Sperrungsverfügungen ausgehebelt werden könnten. Die Inanspruchnahme von Subunternehmern sei im Übrigen nichts Besonderes. So bedienten sich auch die beiden wohl größten deutschen Provider, B. und D. , der Infrastruktur von U. . Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum U. sich weigern sollte, die Sperrung auf Aufforderung der Antragstellerin vorzunehmen. Wenn dadurch auch für andere Kunden der U. der Zugang zu den beiden in Rede stehenden Seiten gesperrt werde, sei dies ein wünschenswertes Ergebnis. Wenn eine Sperrung durch U. tatsächlich nicht möglich sein sollte, liege es an der Antragstellerin, den Vertrag mit U. zu kündigen. Die Sperrung sei der Antragstellerin auch zumutbar. Die Sperrung etwa nach der DNS-Methode lasse sich durch einfache Konfiguration des Servers herbeiführen und erfordere lediglich einen geringen Personal- und Sachaufwand. Dementsprechend könne von der Antragstellerin erwartet werden, dass sie die Sperrung veranlasst, sei es auch durch Einflussnahme auf ihren Subunternehmer. Mit Schriftsatz vom 15.9.2003 hat die Antragsgegnerin auf Nachfrage der Kammer vom 21.8.2003 noch erklärt, nach ihren neuesten Erkenntnissen besitze die Antragstellerin durchaus eine eigene Infrastruktur in Form eines kompletten Rechenzentrums. Es sei nämlich ein Server auf den Namen N. registriert. Die Antragstellerin ist dem mit Schriftsatz vom 29.9.2003 entgegen getreten und hat erklärt, mit Hilfe des von der Antragsgegnerin benannten Rechenzentrums würden bestimmte andere Dienstleitungen für ihre Kunden erbracht. Systeme für den Netzzugang zum Internet würden in dem Rechenzentrum hingegen nicht betrieben. Eine solche eigene Infrastruktur habe sie zwar bis zum Jahre 2000 betrieben; dann jedoch aus wirtschaftlichen Gründen aufgegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genom- men. II. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist zulässig und be- gründet. Das Gericht stellt die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO wieder her, wenn das Interesse des Adressaten, von der Vollziehung einer Maßnahme vorläufig verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Dies ist der Fall, wenn entweder der zu vollziehende Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, so dass ein öffentliches Interesse an seiner Vollziehung von vornherein nicht gegeben sein kann, oder wenn aus sonstigen Gründen das Aussetzungsinteresse des Adressaten das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt. Gemessen an diesem Maßstab ist die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen, denn auf der Grundlage der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung spricht vieles dafür, dass die in Rede stehende Verfügung rechtswidrig ist (dazu 1.). Die von dieser Annahme ausgehende Interessenabwägung fällt zu Gunsten der Antragstellerin aus (dazu 2.). 1. Es spricht vieles dafür, dass die Verfügung vom 13.3.2003 in der Gestalt des Wider- spruchsbescheides vom 21.7.2003 rechtswidrig ist. Rechtsgrundlage der Sperrungsverfügung ist § 22 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 des Medien- dienste-Staatsvertrages vom 27.6.1997 (GVBl. NW S. 158) in der ab dem 1.7.2002 geltenden Fassung des Sechsten Staatsvertrages zur Änderung des Rundfunkstaatsvertrages, des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrages und des Mediendienstestaatsvertrages vom 20./21.12.2001, bekannt gemacht am 7.6.2002 (GVBl. NW S. 178), zuletzt geändert durch den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag vom 28.2.2003 (GVBl. NW S. 84) - MDStV -. Zwar dürften nach vorläufiger Einschätzung der Kammer die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Einschreiten auf dieser Grundlage vorliegen, vgl. den Beschluss der Kammer vom 7.2.2003 - 6 L 2495/02 -, bestätigt durch OVG NW, Beschluss vom 25.3.2003 - 8 B 513/02. Auch erscheinen der Kammer die Möglichkeit und die Zumutbarkeit der angeordneten Maßnahmen nicht von vornherein ausgeschlossen. Insoweit fehlen der Kammer allerdings hinreichende Informationen über die technische Durchführbarkeit einer auf die Kunden der Antragstellerin beschränkten Sperrung durch die Fa. U. , über die Vertragsverhältnisse zwischen U. und der Antragstellerin sowie zwischen U. und ihren anderen Auftraggebern - insbesondere B. und D. - und über die Möglichkeiten, ohne Übergangsfrist einen anderen Subunternehmer als U. zu beauftragen bzw. eine eigene Infrastruktur zu installieren. Die streitgegenständlichen Verfügungen sind aber ermessensfehlerhaft. Die Antrags- gegnerin hatte bei dem Erlass der Verfügung vom 13.3.2003 eine Ermessensentscheidung zu treffen. Dies geht aus dem Wortlaut des § 22 Abs. 3 MDStV eindeutig hervor, dem zufolge die Medienaufsichtsbehörde Maßnahmen auch gegen den Diensteanbieter von fremden Inhalten richten "kann". Dabei steht der Behörde wohl schon ein Ermessen bezüglich des "Ob" des Einschreitens, also ein Entschließungsermessen, zu, so OVG NRW, Beschluss vom 19.3.2003 - 8 B 218/03 -, Urteilsab- druck, S. 16 f.; anders - nur Auswahlermessen - noch die Tendenz der Kammer in ihrem Beschluss vom 7.2.2003 - 6 L 2495/02 -, Urteilsabdruck, S. 21; von diesem Standpunkt ausgehend ergäbe sich vorliegend kein anderes Ergebnis. Dahin stehen kann, ob die Antragsgegnerin vorliegend das ihr zustehende Ermessen überhaupt betätigt hat. Zweifel daran wecken die Ausführungen im Widerspruchsbe- scheid (dort S. 13 f. und 16), denen zufolge es sich bei den Aufsichtsmaßnahmen nach § 22 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 MDStV um "gebundene Entscheidungen" handelt. Selbst wenn man aber von einer Ermessensausübung der Antragsgegnerin ausgeht - vor allem im Ausgangsbescheid hat die Antragsgegnerin der Sache nach durchaus Ermessenserwägungen angestellt -, genügt diese nicht den an eine ordnungsgemäße Ausübung des Ermessens zu stellenden Anforderungen. Die Ermessensausübung dient in erster Linie der Einzelfallgerechtigkeit. Die Behörde wird in die Lage versetzt, unter Berücksichtigung der gesetzlichen Zielvorstellungen einerseits und der konkreten Umstände andererseits eine dem Einzelfall angemessene und sachgerechte Lösung zu finden. Entsprechend dieser Zielsetzung verbietet sich in der Regel eine "schematische" Ermessensausübung, die die besonderen Umstände des Einzelfalles außer Betracht lässt, vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 11.2.1977 - VI VC 105.74 -, BVerwGE 52, 70, 82f.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl. 2002, § 7 Rn. 13. Erforderlich ist vielmehr, dass die Behörde bei ihrer Abwägung die wesentlichen Um- stände des Einzelfalles berücksichtigt, vgl. nur BVerwG, Urt. v. 24.9.1996 - 1 C 9.94 -, BVerwGE 102, 63, 70; näher dazu Wolff, in Sodan/Ziekow, Kommentar zur VwGO, Stand: Januar 2003, § 114 Rn. 173, mit weiteren Nachweisen. Wesentlich sind dabei jedenfalls diejenigen Umstände, die sich bei der Entscheidung ohne Weiteres als erheblich aufdrängen. Gemessen an diesen Maßstäben durfte die Antragsgegnerin vorliegend die Tatsache, dass die Antragstellerin sich bei der Bereit- stellung des Internet-Zugangs der Fa. U. bedient und die daraus folgenden Konsequenzen nicht ignorieren. Diese Umstände waren der Antragsgegnerin bereits bei Erlass der Ausgangsverfügung aufgrund des Schreibens der Antragstellerin vom 3.2.2003 bekannt, so dass die Bemerkung in der Antragserwiderung, die Behörde könne nicht in jedem Einzelfall die Organisationsstrukturen des Providers ermitteln, von vornherein ins Leere geht. Der Antragsgegnerin musste sich die Frage aufdrängen, welchen Einfluss die besondere Situation auf die zu treffende Entscheidung hat. Dass die Fa. U. nach ihrem Erfolg vor dem Verwaltungsgericht Minden nicht ohne Weiteres bereit sein würde, eine Sperrung auf Verlangen der Antragstellerin vorzunehmen, lag auf der Hand. Berücksichtigt man noch die Tatsache, dass U. offenbar große Teile seiner Rechnerkapazität im Auftrag von anderen Providern - vor allem B. und D. - betreibt, wird die Problematik um so deutlicher. Es liegt nämlich die Annahme nahe, dass die anderen, ihrerseits nicht zur Sperrung verpflichteten Provider mit entsprechenden Maßnahmen, die eine - für sie nicht zwingende - Verringerung des Angebotes an ihre Kunden bedeuten, nicht ohne Weiteres einverstanden wären. Dass die Fa. U. eine technisch und wirtschaftlich durchführbare Möglichkeit hat, die Sperrung ausschließlich für den Zugriff durch Kunden der Antragstellerin vorzunehmen, ist von der Antragsstellerin bestritten worden. Kann demnach die Antragstellerin der Sperrungsverfügung unter Umständen nur nachkommen, indem sie ihre Vertragsbeziehungen zu U. löst und entweder die Tätigkeit als Access-Provider aufgibt oder einen anderen Subunternehmer sucht bzw. die Infrastrukur selbst einrichtet, so stellt sich nach- drücklich die Frage der Zumutbarkeit dieser Alternativen im Verhältnis zu dem erzielten Zweck. Dies gilt um so mehr, als die Frage der Zumutbarkeit in § 22 Abs. 3 MDStV ausdrücklich angesprochen wird. Ob entsprechende Interessen der Antragstellerin wegen der Bedeutung der Sperrung oder zur Verhinderung von Umgehungsmöglichkeiten zurückstehen müssen, musste die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Ermessensbetätigung erwägen. Eventuell hätten sich dabei auch zusätzliche Regelungen, etwa eine Übergangsfrist für die Antragstellerin aufgedrängt. Unzulässig war es jedenfalls, die Umstände des Einzelfalles bei der Entscheidung zu ignorieren. Eben dies ist aber bei der Verfügung vom 3.2.2003 offenbar geschehen. Die vorstehenden Gesichtspunkte werden in der Verfügung jedenfalls mit keinem Wort erwähnt. Da die Sperrungsverfügung ihre für die Entscheidung des Hauptsacheverfahrens maßgebliche Gestalt durch den Widerspruchsbescheid vom 21.7.2003 erhalten hat, wäre eine Behebung des Ermessensdefizits durch entsprechende Ermessenserwägungen im Widerspruchsverfahren denkbar. Diese ist hier aber nicht erfolgt. In dem Widerspruchsbescheid vom 21.7.2003 ist die besondere betriebliche Situation der Antragstellerin zwar als Teil des Widerspruchsvorbringens der Antragstellerin wiedergegeben. In den eigenen Ausführungen der Behörde findet sie indes erneut keine Berücksichtigung. Stellen sich die Verfügung vom 13.3.2003 und der Widerspruchsbescheid vom 21.7.2003 somit bei summarischer Prüfung als ermessensfehlerhaft dar, so stellt sich die Frage, ob in den Ausführungen, welche die Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren gemacht hat, eine nach § 114 Satz 2 VwGO zu berücksichtigende Ergänzung der Ermessensausübung liegt und die auf diese Weise ergänzte Ermessensausübung ausreicht, um die Entscheidung zu tragen. Beides hält die Kammer für sehr zweifelhaft, lässt es angesichts des vorläufigen Charakters dieses Verfahrens aber offen. Dass die Ausführungen insbesondere der Antragserwiderung eine Ergänzung der Ermessensausübung darstellen, erscheint schon deshalb fraglich, weil davon in der Antragserwiderung nicht die Rede ist, was dafür spricht, dass die Behörde sich ihrer defizitären Ermessensausübung nicht bewusst war. Die für eine Ergänzung vorrangig in Betracht kommenden Passagen (S. 3 - 5) finden sich im Übrigen an einem Punkt, bei dem der Behörde ein Ermessen gar nicht zusteht, nämlich bei der Erörterung einer Nichtigkeit nach § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG. Vor allem aber ist zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin nur wenige Tage vor der Antragserwiderung ihren Widerspruchsbescheid erlassen hat, in dem sie die bei der Ermessensausübung des Ausgangsbescheides zu Unrecht ausgeblendeten Gesichtspunkte abermals ignoriert hat. Dass die Behörde wenige Tage später, ohne dass sich an der Sach- und Rechtslage etwas geändert hätte, eine Ergänzung, also eine ernsthafte Überprüfung ihrer Ermessensentscheidung vorgenommen hat, ist sehr zweifelhaft. Hinzu kommt, dass es sich bei dem unterbliebenen Teil der Ermessensausübung um einen gewichtigen Teil handelt. Ob man insoweit noch von einer "Ergänzung" des Ermessens sprechen kann, die gemäß § 114 Satz 2 VwGO Berücksichtigung finden kann, oder es sich der Sache nach um eine Auswechslung der Ermessensentscheidung handelt, ist durchaus fraglich. Selbst wenn man jedoch von einer Ergänzung ausgeht und diese für gemäß § 114 Satz 2 VwGO berücksichtigungsfähig hält, ist fraglich, ob die ergänzte Ermessensausübung nicht immer noch defizitär ist. Die Ausführungen lassen nämlich nicht erkennen, dass die Behörde bereit gewesen ist, sich nunmehr auf die Einwände der Antragstellerin ernsthaft einzulassen. So macht die Antragsgegnerin z. B. Ausführungen auf der Grundlage der Annahme, dass U. "wider Erwarten" einer Sperrungsaufforderung der Antragstellerin nicht nachkommt; auch erklärt sie, es könne "nicht nachvollzogen werden, warum das Subunternehmen U. ... nicht in der Lage sein soll, die inkriminierten Seiten zu sperren" (Antragserwiderung, S. 3 f.). Dass die Fa. U. nach der Aufhebung der gegen sie selbst gerichteten Sperrungsverfügung einer entsprechenden Aufforderung nicht ohne Weiteres nachkommen würde, erscheint der Kammer aber durchaus nahe liegend. Dass in einer solchen Sperrung im Übrigen - wie von der Antragstellerin vorgetragen - eine Vertragsverletzung der Fa. U. gegenüber ihren Auftraggebern, etwa B. und D. , liegen könnte, erscheint der Kammer ebenfalls nicht völlig abwegig. Auch die angestellten Zumutbarkeitserwägungen (Antragserwiderung, S. 11) gehen auf die Einwände der Antragstellerin nicht wirklich ein. So geht der Hinweis der Antragsgegnerin auf die ohne größeren Aufwand durchführbare DNS-Sperrung ins Leere. Wenn die Fa. U. nämlich einer Sperrungsaufforderung durch die Antragstellerin nicht nachkäme, so müsste die Antragstellerin - wie auch die An- tragsgegnerin selbst vorträgt - einen anderen Subunternehmer beauftragen. Dass ein solcher zur Verfügung steht und die Antragstellerin ihn ohne jede Übergangsfrist in Anspruch nehmen kann, ist aber jedenfalls nicht so selbstverständlich, dass die Antragsgegnerin diese Frage ignorieren könnte. Die vorstehenden Beispiele zeigen, dass die Antragsgegnerin sich auch bei den in der Antragserwiderung nieder gelegten Überlegungen kaum von den Umständen des Einzelfalles, sondern vielmehr von generellen, die Situation der Antragstellerin kaum zur Kenntnis nehmenden Erwägungen hat leiten lassen.

2. Die durch das Gericht vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Gunsten der An- tragstellerin aus. Dabei ist zunächst festzustellen, dass die Antragstellerin ein beachtliches Interesse hat, von der Vollziehung der Sperrungsverfügung vorläufig verschont zu bleiben. Eine sofort vollziehbare Verfügung könnte für sie erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten mit sich bringen, nämlich vor allem dann, wenn die Fa. U. sich - etwa mit Rücksicht auf ihre anderen Auftraggeber - weigert, einer Sperrungsaufforderung durch die Antragstellerin ohne Weiteres nachzukommen. Um die zwangsweise Durchsetzung der Verfügung zu verhindern, bliebe der Antragstellerin, wenn ihr nicht umgehend ein anderer Subunternehmer zur Verfügung steht und das Vertragsverhältnis zu U. ohne Weiteres beendet werden kann, nur die Möglichkeit, ihre Tätigkeit als Access-Provider vorläufig einzustellen. Hinter diesem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin muss das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der Verfügung zurückstehen. Zwar dient die Sperrungsverfügung dem Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter, vgl. den Beschluss der Kammer vom 7.2.2003 - 6 L 2495/02 -, S. 24. Das insoweit grundsätzlich anzunehmende öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der Verfügung wird aber schon dadurch gemindert, dass die Wirkung der angeordneten Sperrungsmaßnahmen für den Schutz der genannten Rechtsgüter äußerst begrenzt ist, vgl. den Beschluss der Kammer vom 7.2.2003, S. 21 ff., Entscheidend ist jedoch, dass die streitgegenständliche Verfügung - wie vorstehend unter 1. ausgeführt - mit großer Wahrscheinlichkeit rechtswidrig ist. Je größer die Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Verfügung sind, desto geringer ist nämlich das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der Verfügung zu veranschlagen, vgl. nur Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 80 Rn. 158. Gemessen daran ist das Vollzugsinteresse vorliegend so erheblich gemindert, dass es hinter dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin zurückstehen muss. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG. Die Kammer hat dabei den gesetzlichen Auffangstreitwert von 4.000 EUR zugrunde gelegt und diesen wegen des nur vorläufigen Charakters der Entscheidung auf die Hälfte reduziert.