OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.05.2003 - 4 A 992/02
Fundstelle
openJur 2011, 25014
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

Der Antrag wird auf Kosten der Klägerin abgelehnt.

Der Streitwert wird auch für das Antragsverfahren auf 64.327,47 EUR festgesetzt.

Gründe

Der auf § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 3 VwGO gestützte Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Der Senat prüft dabei nur die von der Klägerin bis zum Ablauf der Begründungsfrist (8. April 2002) dargelegten Gründe (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).

Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 12. Juni 1998 in der Fassung ihres Widerspruchsbescheides vom 25. August 1998 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Mit den Bescheiden würden nicht nur Fördermittel zurückgefordert, sondern zugleich die in den Jahren 1994 und 1995 ergangenen Bewilligungsbescheide teilweise widerrufen. Der Widerruf finde seine Rechtsgrundlage in § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwVfG.NRW. Die aus dem Betrieb der Fachseminare für Altenpflege erwirtschafteten Einnahmen hätten die Personal- und Sachausgaben in den genannten Jahren um DM überstiegen. Die Fördermittel, die in Form einer Festbetragsfinanzierung gewährt worden seien, seien deshalb in dieser Höhe nicht benötigt worden mit der Folge, dass die in den Bewilligungsbescheiden jeweils enthaltene Zweckbestimmung innerhalb des maßgeblichen Bewilligungszeitraums nicht mehr habe erreicht werden können. Das widerspreche auch nicht der Auffassung, dass grundsätzlich Festbetragsfinanzierungen dann nicht nachträglich gekürzt werden könnten, wenn eine wirtschaftliche Haushaltsführung zu einer niedrigeren Kostenentstehung geführt haben sollte. Eine Grenze sei nämlich dann zu sehen, wenn durch die öffentliche Förderung mehr als 100 % der der Förderung zu Grunde gelegten Kostenberechnung finanziert würden. Die Regelung in Ziffer 2 der den Bewilligungsbescheiden beigefügten Nebenbestimmungen ANBest-P sei also insoweit einschränkend auszulegen, als jedenfalls keine über 100 % hinausgehende Förderung beabsichtigt und zulässig sei. Die Beklagte habe die für den Widerruf maßgebliche Jahresfrist eingehalten. Denn sie habe erst auf Grund der Prüfungsmitteilung des Rechnungsprüfungsamtes vom 23. September 1997 von der Rechtswidrigkeit der Förderung über 100 % hinaus Kenntnis erhalten. Schließlich seien auch die Ermessenserwägungen der Beklagten nicht zu beanstanden. Der geltend gemachte Erstattungsanspruch finde seine Rechtsgrundlage in § 49a VwVfG. NRW.

Die Klägerin macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und führt dazu in ihren Schriftsätzen vom 6. und 7. März 2002 aus: Ob eine zweckwidrige Verwendung vorliege, werde in den den Bewilligungsbescheiden beigefügten Nebenbestimmungen ANBest-P näher konkretisiert. Aus Nr. 2 ANBest-P ergebe sich bei einer auf den Empfängerhorizont abstellenden Auslegung, dass im Falle der Festbetragsfinanzierung - wie hier - eine Rückforderung von Fördermitteln gänzlich ausgeschlossen sei. Zumindest im Rahmen der Ermessensausübung hätte sich die Beklagte mit der Frage des Vertrauensschutzes auseinander setzen müssen. Abgesehen davon habe sie, die Klägerin, entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts in den Jahren 1994 und 1995 tatsächlich Verluste erwirtschaftet; jedenfalls habe sie den vom Verwaltungsgericht zu Grunde gelegten Gewinn in dieser Höhe nicht erzielt. Die von ihr im Verwaltungsverfahren vorgelegten Verwendungsnachweise seien insoweit missverständlich und bedürften der Korrektur. Die Beklagte verlange etwas Unmögliches, wenn sie jährliche Kostenverwendungsbelege anfordere. Sie berücksichtige nicht, dass die Kurse über zwei bzw. drei Jahre liefen und die genauen Kosten deshalb erst nach zwei bzw. drei Jahren ermittelt werden könnten. Es komme hinzu, dass die in den Verwendungsnachweisen ausgewiesenen Ausgaben und Einnahmen sich nur teilweise auf die von der Beklagten geförderten Kurse bezögen. Auch aus diesen Gründen habe sie mit einer Rückzahlung der Fördermittel nicht mehr rechnen müssen. Schließlich habe die Beklagte die für den Widerruf maßgebliche Jahresfrist versäumt, weil ihr schon nach Erhalt der Verwendungsnachweise alle erheblichen Tatsachen bekannt gewesen seien.

Diese Einwendungen greifen nicht durch.

Angesichts der erheblichen Bedeutung, die dem Zuwendungszweck gerade auch im Hinblick auf die Widerrufsmöglichkeit nach § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwVfG.NRW. zukommt, ist es Sache des Zuwendungsgebers, den Zweck im Zuwendungsbescheid im Einzelnen zu bestimmen. Dies ist in den Bewilligungsbescheiden jeweils unter Nr. 2 geschehen. Ob zur Bestimmung des Zuwendungszwecks darüber hinaus die zu Grunde liegende Verwaltungspraxis, die maßgeblichen Förderrichtlinien und die Erläuterungen zum Haushaltsplan herangezogen werden können, braucht der Senat nicht zu entscheiden.

Ebenso schon Senatsbeschluss vom 24. Januar 2001 - 4 A 325/00 - m.w.N., n.v.

Denn aus Nr. 2 ANBest-P - nur dazu verhält sich der Zulassungsantrag - lässt sich mit Blick auf das Vorbringen der Klägerin den Zuwendungszweck jedenfalls nichts herleiten. Nr. 2 ANBest-P bestimmt, dass sich im Falle der Anteil- oder der Fehlbedarfsfinanzierung bei einer Verminderung der veranschlagten Gesamtausgaben die Zuwendung nach näherer Maßgabe der Nrn. 2.1 und 2.2. ANBest-P ermäßigt. Dabei handelt es sich um eine auflösende Bedingung im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG. NRW. Ihr Eintritt bewirkt, dass der Bewilligungsbescheid und damit der Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Fördermittel bei der Anteilfinanzierung anteilig und bei der Fehlbetragsfinanzierung in Höhe des vollen in Betracht kommenden Betrages wegfällt.

Vgl. dazu Senatsbeschluss vom 28. Januar 2002 - 4 A 4927/99 -, n.v.; Ubbenhorst, Zuwendungsrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, 2. Auflage 1999, S. 81; Krämer/Schmidt, Zuwendungsrecht - Zuwendungspraxis, Loseblattsammlung, D XI, S. 46 (Stand: März 2002).

Nach dem Wortlaut der Nr. 2 ANBest-P treten die genannten Rechtswirkungen nur bei solchen Bewilligungsbescheiden ein, die eine Anteil- oder Fehlbedarfsfinanzierung zum Gegenstand haben. Dies lässt entgegen der Ansicht der Klägerin nicht den Schluss zu, dass im Wege der Festbetragsfinanzierung gewährte Mittel bei einer Ausgabenermäßigung stets dem Empfänger verbleiben müssten. Aus Nr. 2 ANBest-P lässt sich vielmehr nur herleiten, dass die Wirkungen des Bewilligungsbescheids - anders als bei der Anteil- und Fehlbedarfsfinanzierung - hier unberührt bleiben, eine "automatische" Kürzung der Zuwendungsmittel mit der Folge der teilweisen Rückerstattung also nicht erfolgt. Die mit einer Ausgabenermäßigung zusammenhängenden Probleme verlagern sich dadurch bei der Festbetragsfinanzierung in das Widerrufsverfahren. Dort ist bezogen auf den Einzelfall zu klären, ob die Fördermittel zweckentsprechend verwendet worden sind. Auch in der Literatur besteht Einigkeit darüber, dass ungeachtet der Regelung in Nr. 2 ANBest-P eine Ausgabenermäßigung bei der Festbetragsfinanzierung in Ausnahmefällen den teilweisen Widerruf rechtfertigen kann,

Krämer/Schmidt, a.a.O., D V S.7 (Stand: Oktober 2001); Ubbenhorst, a.a.O., S. 66 ("regelmäßig"),

etwa wenn und soweit die Ausgaben hinter der gewährten Zuwendung zurückbleiben.

Krämer/Schmidt, a.a.O., D V S.7 (Stand Oktober 2001).

Hier würde sich deshalb die Frage stellen, ob eine Zweckverfehlung vorliegt, wenn die Ausgaben zwar die gewährte Zuwendung übersteigen, insgesamt aber hinter den Einnahmen (einschließlich Drittmitteln) zurückbleiben. Damit befasst sich der Zulassungsantrag indessen nicht.

Der Einwand der Klägerin, sie habe in den Jahren 1994 und 1995 Verluste, jedenfalls aber nicht die vom Verwaltungsgericht zu Grunde gelegten Gewinne, erwirtschaftet, greift ebenfalls nicht durch. Bei dem durch den angefochtenen Bescheid konkludent ausgesprochenen Widerruf handelt es sich um einen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt, durch den die Wirkungen der Bewilligungsbescheide teilweise wieder aufgehoben worden sind. Bei der gerichtlichen Überprüfung ist deshalb, wie auch sonst bei rechtsgestaltenden Verwaltungsakten, auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen. Die Einnahmen- und Ausgabenberechnung, die die Klägerin jetzt im Zulassungsverfahren vorgelegt hat, existierte damals noch nicht. Die Beklagte konnte sie bei ihrer Entscheidung nicht berücksichtigen und durfte sich deshalb auf das von der Klägerin selbst angegebene Zahlenwerk in den Verwendungsnachweisen stützen.

Ohne Bedeutung ist auch der weitere Einwand der Klägerin, die Beklagte verlange von ihr etwas Unmögliches, wenn sie jährliche Kostenverwendungsbelege anfordere. Abgesehen davon, dass nicht dargelegt ist, inwiefern dieses Vorbringen für den Widerruf und die Rückforderung rechtlich bedeutsam sein soll, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Die Nebenbestimmungen zu den Bewilligungsbescheiden verpflichteten die Klägerin, spätestens drei Monate nach Ablauf des Haushaltsjahres unter Verwendung eines Vordrucks einen Verwendungsnachweis zu erbringen. Es versteht sich von selbst, dass die Klägerin nach Maßgabe der ANBest-P dabei nur die Belege vorlegen konnte, über die sie tatsächlich verfügte. Mehr hat die Beklagte von ihr auch nicht verlangt. Sofern sich die Personal- und Sachkosten sowie die Finanzierungsmittel in den Verwendungsnachweisen noch nicht genau beziffern ließen, blieb es der Klägerin unbenommen, darauf hinzuweisen, dass und aus welchen Gründen es sich um vorläufige bzw. geschätzte Beträge handelte.

Entgegen der Ansicht der Klägerin hat die Beklagte die für den Widerruf der Bewilligungsbescheide maßgebliche Jahresfrist (§ 49 Abs. 3 Satz 2 iVm § 48 Abs. 4 VwVfG. NRW.) gewahrt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beginnt diese Frist erst zu laufen, wenn die Behörde die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erkannt hat und ihr die weiteren für die Rücknahmeentscheidung erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind. Zur Herstellung der Entscheidungsreife, nach deren Eintritt die Entscheidungsfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG. NRW. erst beginnen kann, gehört daher regelmäßig das Anhörungsverfahren zumal, wenn es sich - wie hier - um eine Ermessensentscheidung handelt, bei der die für die Ermessensbetätigung maßgeblichen Umstände auch in der Sphäre des anzuhörenden Betroffenen liegen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. September 2001 - 7 C 6.01 -, NVwZ 2002, 485.

Der Lauf der Jahresfrist konnte deshalb nicht vor Eingang der Stellungnahme der Klägerin vom 1. April 1998 in Gang gesetzt werden.

Schließlich vermisst die Klägerin in den angefochtenen Bescheiden bei der Ermessensbetätigung Ausführungen zum Vertrauensschutz und macht aus diesem Grunde ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend. Insoweit fehlen aber schon nähere Darlegungen dazu, welche Dispositionen sie im Vertrauen auf den Fortbestand der Bewilligungsbescheide getroffen hat, die Anlass zu entsprechenden Ermessenserwägungen hätten geben können.

Die Klägerin meint weiter, die Rechtssache weise besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Es sei außerordentlich schwierig, das in den Jahren 1994 und 1995 erzielte wirtschaftliche Ergebnis darzustellen und zu bewerten. Besondere rechtliche Schwierigkeiten ergäben sich aus der Auslegung der den Zuwendungsbescheiden beigefügten Nebenbestimmungen. Dem ist nicht zu folgen. Aus den bereits dargelegten Gründen ist weder die Auslegung der Nebenbestimung Nr. 2 ANBest-P, soweit sie hier in Rede steht, besonders schwierig noch kommt es auf die Darstellung und Bewertung des jetzt im Zulassungsverfahren von der Klägerin vorgelegten Zahlenmaterials für die Jahre 1994 und 1995 an.

Schließlich misst die Klägerin der Rechtssache eine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), weil die Förderungspraxis der Beklagten zu beanstanden sei. Denn es sei objektiv nicht möglich, die von ihr geforderten Kostennachweise, jeweils bezogen auf einzelne Jahre, beizubringen. Insoweit genügt der Zulassungsantrag schon nicht den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Dafür bedarf es der Formulierung einer bestimmten, noch ungeklärten und für die Berufungsentscheidung erheblichen Frage und außerdem der Angabe, worin die allgemeine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll.

Vgl. in diesem Zusammenhang BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 -, NJW 1997, 3328.

Vorliegend fehlt es bereits an der Formulierung einer konkreten Frage. Abgesehen davon kann - wie dargelegt - von einer objektiven Unmöglichkeit keine Rede sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 13 Abs. 2 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar.