VG Hamburg, Beschluss vom 02.07.2017 - 75 G 8/17
Fundstelle
openJur 2017, 15
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 2. Juli 2017 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. Juli 2017 wird abgelehnt.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Streitwert wird auf 2.500,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist Anmelder und vorgesehener Leiter einer geplanten Veranstaltung mit dem Tenor „Antikapitalistisches Camp - Alternativen zum Kapitalismus leben und sichtbar machen“. Die Veranstaltung soll nach derzeitigem Stand von Sonntag, dem 2. Juli 2017 (12 Uhr), bis Sonntag, dem 9. Juli 2017 (18 Uhr), in der Form eines politischen Protestcamps auf der Entenwerder Halbinsel im Hamburger Stadtteil Rothenburgsort stattfinden. Der Abbau soll bis 11. Juli 2017, 24 Uhr, durchgeführt werden. Der Antragsteller rechnet mit bis zu 5.000 Teilnehmern aus aller Welt, wobei bis zu 3.000 Personen in 1.500 Zelten (nebst den nachfolgend beschriebenen) wohnen und übernachten sollen. Das Camp soll in sogenannte Barrios eingeteilt werden, die teils thematische Schwerpunkte setzen sollen - so u.a. das Klima-Barrio, das Queer-Fem-Barrio oder das Anarchistische Barrio.

Während seiner Dauer soll das Camp nach Angaben des Antragstellers einen durchgängig bei Tag und bei Nacht wahrnehmbaren Ort des Protestes (Dauerkundgebung) gegen das am 7. und 8. Juli 2017 in Hamburg stattfindende Zusammentreffen der Staats- und Regierungschefs der Gruppe der 20 größten Industrie- und Schwellenländer (G20-Gipfel) darstellen. Hierzu sollen unter anderem auf einer Bühne, in drei Zirkuszelten und einer Vielzahl von weiteren Zelten, Jurten und Pavillons zahlreiche Kundgebungen, Veranstaltungen und Workshops großenteils politischen Inhalts stattfinden, die sowohl für Campbewohner als auch für die interessierte Öffentlichkeit zugänglich sein sollen. Der Antragsteller gibt an, dass die Veranstaltenden Infrastruktureinrichtungen wie Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, Toiletten und Waschmöglichkeiten, Stromversorgung und Müllentsorgung stellen wollten. Das Camp werde ohne Tauschlogik und Profit die Versorgung der Teilnehmer mit Essen und Getränken gewährleisten, wozu drei Küchen betrieben werden sollen.

Mit Schreiben vom 24. April 2017 meldete der Antragsteller zunächst ein ähnlich konzep-tioniertes Protestcamp auf der Festwiese des Stadtparks als Versammlung an. Die Antragsgegnerin vertrat insoweit die Auffassung, dass das Protestcamp keine Versammlung sei. Nach einem Gespräch anlässlich der Anmeldung des Protestcamps im Stadtpark am

2. Mai 2017 verbeschied sie den Antragsteller nicht versammlungsrechtlich, sondern berief sich auf ein grünanlagenrechtliches Verbot, auf öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen zu zelten.

Der Antragsteller suchte daraufhin um verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz nach und beantragte, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Aufbau, Durchführung und Abbau des von ihm angemeldeten Protestcamps im Stadtpark in der von ihm beabsichtigten Form zu dulden.

Das Verwaltungsgericht Hamburg gab dem Antrag des Antragstellers mit Beschluss vom 7. Juni 2017 (Az: 19 E 5697/17) überwiegend statt. Im Wege einer Gesamtabwägung gelangte es zu der Einschätzung, das Protestcamp auf der Festwiese des Stadtparks habe insgesamt den Charakter einer Versammlung. Eine Pflicht der Antragsgegnerin zur Duldung bestehe so lange, bis sie einen versammlungsrechtlichen Bescheid gegenüber dem Antragsteller bekanntgebe.

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin lehnte das Hamburgische Oberverwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers mit Beschluss vom 22. Juni 2017 (Az: 4 Bs 125/17) ab. Der Antragsteller habe einen Anordnungsanspruch auf Durchführung des von ihm beabsichtigten Protestcamps auf der Festwiese des Stadtparks nicht glaubhaft gemacht, da das Protestcamp in einer wertenden Gesamtschau nicht den Charakter einer von Art. 8 Abs. 1 GG geschützten Versammlung habe.

Der Antragsteller rief daraufhin das Bundesverfassungsgericht an und beantragte dort, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Vorbereitung, den Aufbau und die Durchführung des Protestcamps auf der Festwiese des Stadtparks in der vom ihm vorgesehenen Form zu dulden. Das Bundesverfassungsgericht gab dem Antrag des Antragstellers mit Beschluss vom 28. Juni 2017 (Az: 1 BvR 1387/17) insoweit statt, als es die Antragsgegnerin verpflichtete, über die Duldung der beabsichtigten Veranstaltung im Stadtpark versammlungsrechtlich zu entscheiden. Nach einer Folgenabwägung gab das Bundesverfassungsgericht der Antragsgegnerin dabei auf, einen Ausgleich vorzunehmen, der dem Antragsteller die Durchführung eines Protestcamps anlässlich des G20-Gipfels möglichst weitgehend ermögliche, andererseits müssten aber nachhaltige Schäden des Stadtparks verhindert und die diesbezüglichen Risiken für die öffentliche Hand möglichst gering gehalten werden. Es verwies darauf, dass die Versammlungsbehörde das vom Antragsteller geplante Protestcamp im Stadtpark vorsorglich den Regeln des Versammlungsrechts zu unterstellen habe.

Am 29. Juni 2017 fand ein Kooperationsgespräch zwischen den Beteiligten statt, welches abgebrochen wurde. Der Antragsteller behauptet dazu, die Vertreter der Versammlungsbehörde hätten mitgeteilt, im Protestcamp werde nicht genächtigt werden dürfen, Küchen würden nicht zugelassen und nur einige Toiletten würden erlaubt.

Der Antragsteller wandte sich daraufhin erneut an das Bundesverfassungsgericht und beantragte, den verfassungsgerichtlichen Beschluss vom 28. Juni 2017 klarstellend dahingehend zu ergänzen, dass auf dem jeweiligen Versammlungsgelände das Übernachten der Teilnehmer zuzulassen, die Aufstellung von Zelten zu Übernachtungszwecken in ausreichender Zahl zu gestatten, die Versorgung der Teilnehmer mit Essen und Getränken zu erlauben und die Aufstellung von Toiletten in ausreichender Form zu gestatten sei. Das Bundesverfassungsgericht lehnte den Antrag auf Erlass einer entsprechenden einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 30. Juni 2017 (Az: 1 BvR 1387/17) ab. Der Antragsteller habe noch nicht die bestehenden Möglichkeiten, fachgerichtlichen Rechtsschutz zu erlangen, ausgeschöpft.

Mit Schreiben vom 30. Juni 2017 teilte Antragsteller der Antragsgegnerin mit, dass im Hinblick auf die Ablehnung der Antragsgegnerin und in Ansehung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die geplante Veranstaltung nunmehr „hilfsweise“ so angemeldet werde, dass die Versammlung im dargestellten Rahmen beginnend am Sonntag, dem 2. Juli 2017 um 12 Uhr auf der Entenwerder Halbinsel im Hamburger Stadtteil Rothenburgsort bis zum 9. Juli 2017 um 18 Uhr durchgeführt werden würde. Der Abbau werde am 11. Juli 2017 um 24 Uhr beendet sein.

Am 1. Juli 2017 gab die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Bezug auf seine schriftliche Anmeldung vom 24. April 2017 und dem anschließenden Schriftverkehr eine „Anmeldebestätigung mit beschränkenden Verfügungen“ bekannt. Darin verfügte sie - jeweils unter Anordnung der sofortigen Vollziehung - folgende Auflagen:

„1. Es ist untersagt, in dem von Ihnen angemeldeten Zeitraum vom 30.06.2017 bis zum 09.07.2017 ein Protestcamp in Form einer Versammlung im Stadtpark oder wie am 30.06.2017 beantragt im Elbpark Entenwerder durchzuführen. Darunter fällt auch der angemeldete Zeitraum für das Aufbauen ab dem 26.06.2017 bis zum geplanten Abbauende am 11.07.2017.
2. Stattdessen ist die Versammlung auf dem Frascatiplatz in Hamburg-Bergedorf, 21037 Hamburg durchzuführen. Zuvor haben Sie die notwendigen Voraussetzungen für den Aufbau des Zirkuszeltes, der Bühne und der Sanitäreinrichtungen (z.B. Dixi Toiletten) zu schaffen. Darüber hinaus sind die erforderlichen Schnittstellen zur Strom- und Wasserversorgung herzustellen.
3. Untersagt sind das Aufstellen von Schlafzelten, das Errichten von Duschen sowie der Aufbau von Küchen.
4. Es dürfen maximal 10 Workshop-Zelte, die der öffentlichen Meinungskundgabe dienen (Größe ca. 5 x 10 m oder rund) aufgebaut werden, die bei Bedarf auch als Ruherückzugszone genutzt werden können. Die Zelte sind geöffnet zu halten und für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
5. Durch den Versammlungsleiter ist für jeweils 50 Teilnehmer ein Ordner einzusetzen. Die zum Einsatz kommenden Ordner sind entsprechend den Bestimmungen des Versammlungsgesetzes zu kennzeichnen (weiße Armbinde mit der Aufschrift „Ordner“). Die Ordner sind durch den Versammlungsleiter in Anwesenheit der Polizei vor Ort in ihre Aufgaben einzuweisen und über ihre Rechte und Pflichten zu belehren. Die Ordner müssen volljährig und im Besitz eines gültigen Personalausweises sein, der auf Verlangen vorzuzeigen ist.“

Wegen der Begründung wird auf den Bescheid vom 1. Juli 2017 Bezug genommen.

Unter dem 1. Juli 2017 erhob der Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid vom selben Tag und suchte beim Verwaltungsgericht Hamburg erneut um Eilrechtsschutz nach. Er verwies darauf, dass die Fläche des vom Hamburger Hauptbahnhof 18 km entfernten Frascatiplatzes nur als Verhöhnung angesehen werden könne. Dieser liege inmitten eines Gewerbegebietes und habe keinerlei Außenwirkung für die Durchführung der Veranstaltung. Unabhängig von Übernachtungen der Teilnehmer sei dieser Platz, für dessen Überlassung die Antragsgegnerin Geld verlange, ungeeignet. Die Geeignetheit des Versammlungsortes Elbpark Entenwerder ergebe sich u.a. auch daraus, dass dort regelmäßig Konzerte und ähnliche Veranstaltungen stattfänden. Die Antragsgegnerin gehe auf die konkrete Anmeldung für Entenwerder jedoch gar nicht ein und spreche weiterhin von 10.000 Teilnehmern, obwohl die Zahl auf 5.000 reduziert worden sei. Die angebliche Gefahrenlage in Bezug auf den Stadtpark habe mit diesem Ort jedenfalls nichts zu tun. Im Übrigen wird auf den Schriftsatz des Antragstellers vom 1. Juli 2017 Bezug genommen.

Das Verwaltungsgericht Hamburg gab dem Antrag des Antragstellers mit Beschluss vom 1. Juli 2017 (Az: 75 G 3/17) insofern statt als es die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Verfügung vom 1. Juli 2017 zum Teil wiederherstellte. Es stützte sich dafür im Wesentlichen darauf, dass die Antragsgegnerin keine Ermessenerwägungen im Hinblick auf den Versammlungsort Elbpark Entenwerder getroffen habe. Die bloße Übertragung der Erwägungen, die für den Stadtpark getroffen worden seien, sei ungenügend im Hinblick auf die Unterschiede (Nutzungsdauer, reduzierter Personenumfang, Strom-und Wasserversorgung, schutzbedürftige Anlagen und beeinträchtigte Nutzung durch die Öffentlichkeit).

Am 2. Juli 2017 fand sich der Antragsteller am Veranstaltungsort Elbinsel Entenwerder ein.

Nachdem Polizeikräfte den Versammlungsteilnehmern den Zutritt zur Fläche verwehrten und erneute Kooperationsgespräche mit der Antragsgegnerin scheiterten, hat der Antragsteller am 2. Juli 2017 gegen 16 Uhr erneut einen Antrag auf einstweiligen Rechtschutz beim Verwaltungsgericht Hamburg gestellt und gerügt, dass die Antragsgegnerin den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg zum Aktenzeichen 75 G 3/17 missachte. Es sei lediglich mündlich vor Ort ein (neues) Versammlungsverbot durch den Einsatzleiter ausgesprochen worden, dem der Antragsgegner vorsorglich (per Telefax der Antragsgegnerin um 14:45 Uhr zugegangen) widersprochen habe.

Gegen 18:45 Uhr desselben Tages gab die Antragsgegnerin dem Antragsteller einen neuen Bescheid im Hinblick auf das geplante Protestcamp im Elbpark Entenwerder bekannt. Sie bestätigte erneut die Anmeldung und erließ folgende beschränkende Verfügungen:

„Auflagen:
1. Es ist untersagt, in dem von Ihnen angemeldeten Zeitraum vom 02.07.2017 bis zum
09.07.2017 ein Protestcamp gemäß Ihrer Anmeldung im gesamten Elbpark Entenwerder durchzuführen. Darunter fällt auch der angemeldete Zeitraum für das Aufbauen ab dem
02.07.2017 bis zum geplanten Abbauende am 11.07.2017.
2. Stattdessen ist die Versammlung auf einem Teilabschnitt im Elbpark Entenwerder Hamburg durchzuführen (s. Anlage Skizze). Zuvor haben Sie die notwendigen Voraussetzungen für den Aufbau des Zirkuszelt, der Bühne der Sanitäreinrichtungen und weiterer Aspekte der Gefahrenabwehr unter Berücksichtigung der Vorgaben des Bezirksamtes zu schaffen.
3. Untersagt sind das Aufstellen von Schlafzelten, das Errichten von Duschen sowie der Aufbau von Küchen.
4. Es dürfen maximal zehn Workshop-Zelte, die der öffentlichen Meinungskundgabe dienen (Größe ca. 5 x 10 m oder rund) aufgebaut werden, die bei Bedarf auch als Ruhe Rückzugszone genutzt werden können. Die Zelte sind geöffnet zu halten und für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
5. Durch den Versammlungsleiter ist für jeweils 50 Teilnehmer ein Ordner einzusetzen. Die zum Einsatz kommenden Ordner sind entsprechend den Bestimmungen des Versammlungsgesetzes zu kennzeichnen (weiße Armbinde mit der Aufschrift „Ordner“). Die Ordner sind durch den Versammlungsleiter in Anwesenheit der Polizei vor Ort in ihre Aufgaben einzuweisen und über ihre Rechte und Pflichten zu belehren. Die Ordner müssen volljährig und im Besitz eines gültigen Personalausweises sein, der auf Verlangen vorzuzeigen ist.“

Die Antragsgegnerin ordnete die sofortige Vollziehung der Auflagen gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO an. Auf den weiteren Inhalt der Verfügung, insbesondere auf deren Begründung sowie ihre Anlagen wird Bezug genommen.

Die Antragsgegnerin hat in einem gesonderten Schreiben ausgeführt, dass mit dem am heutigen Tag erlassenen Bescheid die Verfügung der Versammlungsbehörde vom 1. Juli 2017, soweit sie den Elbpark Entenwerder betreffe, aufgehoben worden sei.

Der Antragsteller hat gegen die ihm zugestellte Verfügung vom 2. Juli 2017 Widerspruch eingelegt. Er macht insbesondere geltend, dass der Beschluss des Gerichts vom 1. Juli 2017 nötigenfalls durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durchgesetzt werden müsse. Die Antragsgegnerin dürfe keine erlaubte Versammlung verhindern und damit einen eklatanten Rechtsbruch begehen. Die beanspruchte Fläche im Elbpark Entenwerder sei geeignet für die angemeldete Versammlung und er erfülle alle Voraussetzungen, um sie als Anmelder durchzuführen. Er werde mit der Vorbereitungsgruppe sowie den Ordnern alles dafür tun, dass es nicht zu Schäden am Elbpark Entenwerder kommen werde. Dort gebe es im Übrigen keine besonders schützenswerten Pflanzen oder Tiere, die durch die Anwesenheit von bis zu 5.000 Menschen gestört würden. Anderenfalls dürfte die Antragsgegnerin dort keine Partys, Konzerte oder Festivals mit mindestens ebenso vielen Personen genehmigen. Die Teilnehmer würden ihre Notdurft nicht in den Grünanlagen verrichten, da eine ausreichende Zahl von WCs zur Verfügung stehen werde. Ebenso würde Müll in jedem Abschnitt des Camps gesammelt und ordnungsgemäß entsorgt werden. Er habe als Antragsteller sowohl ein Konzept für Sanitäranlagen wie auch für die gesamte Infrastruktur einschließlich des Brandschutzes.

Ein Camp ohne Übernachtung und Versorgung sei kein Camp. Das Bundesverfassungsgericht habe entschieden, dass die hier in Rede stehende Versammlung als Ganzes dem Schutz des Versammlungsrechts unterfalle und nicht nur einzelne Teile. Alle Personen, die im Camp übernachten würden, nähmen an den meinungsbildenden Veranstaltungen im Camp teil. Es entspreche nicht seiner Intention, lediglich Workshopzelte auf einer Wiese aufzustellen; insoweit besitze er eine Gestaltungsfreiheit. Ein Camp sei im Gegensatz zu einer klassischen Kundgebung oder Demonstration eine eigenständige Form einer Versammlung, zu der auch das Übernachten in Zelten gehöre. Politische Camps hätten sich zu einer weltweit gängigen und anerkannten politischen Protestform und zu einer eigenständigen Form von Versammlungen entwickelt.

Von der hier gegenständlichen Versammlung gingen auch keine Gefahren aus, die ein Verbot rechtfertigen könnten. Der Antragsteller und die Organisationsgruppe des Camps hätten nicht zu Blockaden aufgerufen. Es sei auch nicht nachzuvollziehen, dass Personen, die eine Straße blockieren wollten, sich in ein Camp begeben würden und nicht zum Ort der geplanten Blockade. Das Verbot des angemeldeten Camps sei nicht verhältnismäßig. Die Reduzierung der Fläche sei unverhältnismäßig, denn dies führe dazu, dass der Platz nicht für 5.000 Menschen ausreiche. Die Begrenzung der Fläche führe zur Undurchführbarkeit des Camps mit der Möglichkeit dort Schlafplätze für 3.000 Menschen zu schaffen. Die Anzahl von 1.500 Schlafzelten benötige die gesamte Fläche, hinzu kämen Veranstaltungszelte, Bühnen sowie Küchen und weitere Funktionseinrichtungen ebenso wie WCs und Duschen.

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs werde zusätzlich zum Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO gestellt. Die Antragsgegnerin habe heute in aller Deutlichkeit zu erkennen gegeben, dass sie die angemeldete Versammlung auch dann nicht zulassen werde, wenn sie in einem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO unterliegen würde.

Der Antragsteller beantragt,

die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 2. Juli 2017 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. Juli 2017 wieder herzustellen, soweit der Bescheid
• in Ziffer 1. ein Verbot des Aufbaus und der Durchführung der angemeldeten Versammlung im Elbpark Entenwerber auf einer Fläche gemäß der vom Antragsteller als Anlage 2 eingereichten Skizze ersichtlich enthält;
• in Ziffer 2. die Versammlung auf einem Teilabschnitt Elbpark Entenwerder beschränkt wird so wie es sich aus der Skizze der Antragsgegnerin ergibt;
• in Ziffer 3. die Aufstellung von Schlafzelten, das Errichten von Duschen sowie der Aufbau von Küchen untersagt werden und
• in Ziffer 4. eine Beschränkung der Infrastruktur der Versammlung enthalten ist, wonach nur die Aufstellung von maximal zehn Workshop-Zelten bewilligt wird.

Darüber hinaus hält der Antragsteller seinen ursprünglich gestellten Antrag aufrecht, folgende einstweilige Anordnung gemäß § 123 VwGO zu erlassen:

1. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Aufbau und die Durchführung der Versammlung mit dem Tenor “Alternativen zum Kapitalismus leben und sichtbar machen“ gemäß der (hilfsweisen) Anmeldung des Antragstellers vom 30.6.2017 (Anlage eins) einschließlich der gesamten darin aufgeführten Infrastruktur - auf der Enten werden der Halbinsel im Hamburger Stadtteil Rothenburgsort (gemäß als Anlage 2 beigefügte Skizze), die vom 2.7.2017 bis zum 9.7.2017 in der Form eines politischen Protestcamp mit bis zu 5000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern durchgeführt werden wird, sowie den am 2.7.2017 beginnenden Aufbau und den bis zum 11.7.2017 erfolgenden Abbau, zu dulden.
2. Der Antragsgegnerin wird mit sofortiger Wirkung untersagt, Maßnahmen jeglicher Art - insbesondere durch Ausübung unmittelbaren Zwangs durch Polizeikräfte -, zu treffen, die eine Durchführung der Versammlung nach den Maßgaben in 1. erschwert, behindert, verzögert oder gänzlich unmöglich macht.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen.

Nach ihrer Auffassung ergebe sich aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht, dass die Anlagen zur Infrastruktur vom Versammlungsrecht nach Art. 8 Abs. 1 GG geschützt seien. In diesem Zusammenhang sei auch auf die aktuelle Entscheidung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 2. Juli 2017 (Az. 4 Bs 137/17) hinzuweisen. Das Gericht bestätige, dass Auflagen der Versammlungsbehörde nicht nur zum Schutz einer Grün- und Erholungsanlage, sondern auch zum Beispiel zur Beschränkung der Infrastruktur grundsätzlich in Betracht kommen könnten. Die Antragsgegnerin habe somit rechtmäßig von ihrer Befugnis zum Schutz der Grün- und Erholungsanlagen und zur Abwehr der sonstigen in der Verfügung benannten Gefahren Gebrauch gemacht.

Sowohl der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO (dazu 1.) als auch der nach § 123 Abs. 1 VwGO (dazu 2.) haben keinen Erfolg.

1. Der zulässige Antrag des Antragstellers vom 2. Juli 2017 nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs vom selben Tag gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 2. Juli 2017 hat keinen Erfolg. Es wurde das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung in der Verfügung hinreichend begründet nach § 80 Abs. 3 VwGO (dazu a.). Zudem überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers an der vorläufigen Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Verfügung vom 2. Juli 2017 nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen und möglichen Prüfung der Sach-und Rechtslage (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.12.2012, 1 BvR 2794/10, juris Rn. 18) unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlich gebotenen Schutzfunktion eines verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens in versammlungsrechtlichen Verfahrens (dazu b.). Es besteht zudem ein besonderes Vollziehungsinteresse (dazu c.).

a. Die Antragsgegnerin hat im Bescheid vom 2. Juli 2017 das besondere Interesse an dessen sofortiger Vollziehung in einer dem formellen Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise schriftlich begründet. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeführten Erwägungen in der Sache zutreffen. Erforderlich ist vielmehr, dass die Anordnung überhaupt mit einer auf die Umstände des Einzelfalles bezogenen Begründung versehen ist (OVG Hamburg, Beschl. v. 20.2.2012, 2 Bs 14/12, juris Rn. 10). Dieser Anforderung genügen die Ausführungen auf S. 18 des Bescheids vom 2. Juli 2017, es sei nur durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Auflagen gewährleistet, dass die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintretenden Gefahren und Störungen für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abgewehrt werden könnten und die konkrete Abwägung der Interessen ergebe, dass das Interesse an der Durchführung der Versammlung wie angemeldet hinter dem Interesse anderer bzw. der Allgemeinheit, von Gefahren und Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verschont zu bleiben, zurückzustehen habe.

b. Im Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist der Rechtsschutzanspruch des Bürgers umso stärker, je schwerwiegender die ihm auferlegte Belastung wiegt und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabänderliches bewirken (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.04.1998, 1 BvR 2311/94, juris Rn. 25). Insbesondere im Bereich des Versammlungsrechts muss das verwaltungsgerichtliche Eilverfahren zum Teil Schutzfunktionen übernehmen, die sonst das Hauptsacheverfahren erfüllt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 3.3.2004, 1 BvR 461/03, juris Rn. 33). Die Verwaltungsgerichte müssen daher schon im Eilverfahren durch eine intensivere Prüfung dem Umstand Rechnung tragen, dass der Sofortvollzug der umstrittenen Maßnahme in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlung in der beabsichtigten Form (auch im Falle einer Dauerkundgebung wie hier) führt. Soweit möglich, ist die Rechtmäßigkeit der Maßnahme daher nicht nur summarisch zu prüfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 3.3.2004, a.a.O., Rn. 33). Die Interessenabwägung richtet sich überwiegend an der danach zu überprüfenden Rechtmäßigkeit der Maßnahme aus.

Gemessen an diesem spezifischen Prüfungsmaßstab erweist sich die angefochtene Verfügung vom 2. Juli 2017 als rechtmäßig. Die durch die Verfügung geregelten Auflagen finden ihre Rechtsgrundlage in § 15 Abs. 1 VersG.

Nach § 15 Abs. 1 VersG kann die zuständige Behörde eine Versammlung oder einen Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung oder des Aufzuges unmittelbar gefährdet ist. Diese Tatbestandsvoraussetzungen sind unter Beachtung der durch Art. 8 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützten Versammlungsfreiheit auszulegen. Art. 8 Abs. 1 GG schützt die Freiheit, mit anderen Personen zum Zwecke einer gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung örtlich zusammen zu kommen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2001,1 BvR 1190/90, juris Rn. 41). Als Freiheit zur kollektiven Meinungskundgabe, die auch und vor allem andersdenkenden Minderheiten zugutekommt, ist die Versammlungsfreiheit für eine freiheitlich demokratische Staatsordnung konstituierend (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985, 1 BvR 233/81, juris, Rn 63; Urt. v. 22.2.2011, 1 BvR 699/06, juris Rn. 101) und wird im Vertrauen auf die Kraft der freien öffentlichen Auseinandersetzung grundsätzlich auch den Gegnern der Freiheit gewährt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.11.2009, 1 BvR 2150/08, juris Rn. 67). Damit die Bürger selbst entscheiden können, wann, wo und unter welchen Modalitäten sie ihr Anliegen am wirksamsten zur Geltung bringen können, gewährleistet Art. 8 Abs. 1 GG nicht nur die Freiheit, an einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen oder ihr fern zu bleiben, sondern umfasst zugleich ein Selbstbestimmungsrecht über die Durchführung der Versammlung als Aufzug, die Auswahl des Ortes und die Bestimmung der sonstigen Modalitäten der Versammlung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.12. 2012, 1 BvR 2794/10, juris Rn.16, m.w.N.).

Voraussetzung einer das Versammlungsrecht beschränkenden Verfügung nach § 15 Abs. 1 VersG ist eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasst den Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen (BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985, 1 BvR 233/81, juris Rn. 77). Eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit setzt eine konkrete Sachlage voraus, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die der Versammlungsfreiheit entgegenstehenden Rechtsgüter führt (BVerfG, Beschl. v. 19.12.2007, 1 BvR 2793/04, juris Rn. 20; Beschl. v. 21.4.1998, 1 BvR 2311/94, juris Rn. 27). Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit sind bei Erlass beschränkender Verfügungen keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose zu stellen, die grundsätzlich der vollständigen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Als Grundlage der Gefahrenprognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich. Bloße Vermutungen reichen nicht aus (BVerfG, Beschl. v. 19.12.2007, a.a.O., Rn 20, m.w.N.). Eine das Versammlungsrecht beschränkende Verfügung darf nur ergehen, wenn bei verständiger Würdigung sämtlicher erkennbarer Umstände die Durchführung der Versammlung so wie geplant mit Wahrscheinlichkeit eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit verursacht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985, 1 BvR 233/81, juris Rn. 91). Dabei können an die Wahrscheinlichkeit der Schutzgutsverletzung umso geringere Anforderungen gestellt werden, je größer und folgenschwerer der drohende Schaden ist. Andererseits sind die Anforderungen an die Gefahrenprognose umso höher, je größer der Korridor und je länger der demonstrationsfreie Zeitraum ist (zum Vorstehenden: OVG Lüneburg, Urt. v. 29.5.2008, 11 LC 138/06, juris Rn. 45).

Vorliegend finden diese Maßstäbe Anwendung, da das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 28. Juni 2017 (1 BvR 1387/17, Rn. 29) angeordnet hat, dass die Versammlungsbehörde das von dem Antragsteller geplante Protestcamp (in seiner Gesamtheit) vorsorglich den Regeln des Versammlungsrechts zu unterstellen hat.

Der Verfügung vom 2. Juli 2017 liegen erkennbare Umstände für eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung bei der Durchführung des Aufzuges oder der Versammlung zugrunde. Eine solche Gefährdung besteht zum einen hinsichtlich der zu befürchtenden Schäden für die Grünanlagen im Elbpark Entenwerder. Dass eine Veranstaltung mit für die Zeit der Veranstaltung dauerhaft errichteten Zelten, die über einen Zeitraum von acht Tagen zuzüglich zwei Tagen Abbau (Sonntag, 2.7.2017, bis Sonntag, 9.7.2017, Abbau bis 11.7.2017) auf einer Grünfläche stehen sollen, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch den Aufbau selbst und noch weitergehend durch die Benutzung der etwa 5.000 angekündigten Teilnehmer für einen beachtlichen Zeitraum geschädigt wird, ist anzunehmen. Die Nutzung der Grün- und Erholungsflächen für die Öffentlichkeit wird während der Dauer der geplanten Versammlung für die in Anspruch genommene Fläche ausgeschlossen. Unabhängig davon, ob die Öffentlichkeit an den vom Antragsteller geplanten Veranstaltungen teilnehmen kann, stehen andere vom Verordnungsgeber vorgesehene Nutzungsmöglichkeiten nicht mehr zur Verfügung.

Vor diesem Hintergrund erweist sich die Verfügung vom 2. Juli 2017 hinsichtlich Ziffer 3 (dazu aa.), hinsichtlich Ziffer 4, soweit der Antragsteller die aufschiebenden Wirkung begehrt (dazu bb.), und hinsichtlich der Ziffern 1 und 2, soweit der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung begehrt (dazu cc.), als rechtmäßig, insbesondere als verhältnismäßig.

aa. Das unter Ziffer 3 untersagte Aufstellen von Schlafzelten, das Errichten von Duschen sowie der Aufbau von Küchen ist eine unter Berücksichtigung der Gefährdung gemäß § 15 Abs. 1 VersG (s.o.) unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten zulässige Auflage.

Die Behörde ist nach der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (v. 28.6.2017, 1 BvR 1387/17, Rn. 29) berechtigt, bei der versammlungsrechtlichen Entscheidung auch zu berücksichtigen, „in welchem Umfang die Maßnahmen notwendige Infrastruktur zu eigenständigen Versammlungselementen darstellen und wieweit sie darüber hinausgehen. Insbesondere sind die Behörden berechtigt, die Errichtung von solchen Zelten und Einrichtungen zu untersagen, die ohne Bezug auf Akte der Meinungskundgabe allein der Beherbergung von Personen dienen sollen, welche anderweitig an Versammlungen teilnehmen wollen.“ Der Umstand, dass das Bundesverfassungsgericht das Protestcamp auch hinsichtlich der Aufstellung von „Zelten“ vorsorglich unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG stellt, lässt nicht den Schluss zu, dass damit auch die Zelte erfasst sind, die dem Übernachten dienen. Denn der Antragsteller hat - unstreitig - eine Vielzahl von Zelten zum Zwecke der politischen Meinungsäußerung und Kundgabe vorgesehen. Darüber hinaus sollen Zelte zur Übernachtung aufgestellt werden.

Derartige Einrichtungen stellen nur dann einen geschützten Teil der Versammlung dar, sofern ihnen eine funktionale oder symbolische Bedeutung für das Versammlungsthema zukommt und diese Art des Kundgebungsmittels damit einen erkennbaren inhaltlichen Bezug zur kollektiven Meinungskundgabe aufweist. Das Übernachten in einem Zelt auf dem Veranstaltungsgelände und die Errichtung von Duschen und Küchen ist vorliegend keine versammlungsimmanente Infrastruktur (vgl. auch OVG Hamburg, Beschl. v. 2.7.2017, 4 Bs 137/17). Versammlungsimmanent wäre dies nur dann, wenn diesen Aspekten symbolische oder funktionale Bedeutung im Rahmen des Protestes gegen den G20-Gipfel zukäme. Dies ist nicht der Fall, denn ein inhaltsbezogener Beitrag, der für die Kundgebung geleistet wird (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 22.6.2017, 4 Bs 125/17 m.w.N.), fehlt. Das Übernachten in einem Zelt ist an sich neutral und nicht Ausdruck einer Meinungskundgabe, denn schlafend kann man grundsätzlich keine Meinung kundtun. Zwar wird dies vom Antragsteller als eine „alternative Lebensweise“ angesehen und angeführt, dass deren Darstellung gegen den Kapitalismus als solchen gerichtet sei. Dem kann das Gericht aber nicht folgen. Es ist nicht ersichtlich, dass einer Übernachtung im Zelt selbst Symbolkraft zukommt, wenn nicht ausnahmsweise die Versammlung die Art und Weise der Beherbergung von Menschen zum Gegenstand des Protestes machen würde, was hier nicht der Fall ist. In Anbetracht der - etwa im Urlaub - in weiten Teilen der Bevölkerung im Allgemeinen verbreiteten Art der Übernachtung im Zelt, erscheint es hier als offensichtlich, dass die Übernachtung im Zelt nicht selbst Meinungskundgabe sein, sondern lediglich dem leichteren und schnelleren Zugang der übernachtenden Personen zu den auf dem Gelände geplanten und auch anderen Veranstaltungen dienen soll. Dass die vom Antragsteller vorgebrachte Darstellung bspw. der Versorgung von Menschen ohne Tauschlogik und das internationale Zusammentreffen von Menschen aus aller Welt von der Übernachtung auf dem Gelände abhängt, ist nicht dargetan. Mangels einer nach außen gerichteten Wirkung auf die öffentliche Meinungsbildung liegt darin auch keine Kundgebung. Küchen und Duschen zur Versorgung aller Teilnehmer sind für sich genommen vor diesem Hintergrund erst recht kein Element einer Kundgebung.

Das Übernachten im Zelt sowie das Errichten von Duschen und Küchen ist auch keine notwendige versammlungsimmanente Infrastruktur für andere eigenständige Versammlungselemente. Das Übernachten auf dem Gelände ist nicht erforderlich, um die geplanten Veranstaltungen auf dem Gelände durchzuführen. Geplant sind nach Angaben des Antragstellers zwar auch politische Veranstaltungen in den Nächten des angemeldeten Veranstaltungszeitraums (u.a. „G20 bei Nacht betrachtet“, „Der tiefe Staat (BRD)“, „Nudismus statt Nationalismus“), aber um an diesen teilzunehmen, ist keine Übernachtung auf dem Veranstaltungsgelände selbst notwendig. Die Beteiligung erfordert vielmehr eine aktive Teilnahme an den Veranstaltungen. Für keine der geplanten Veranstaltungen ist die Teilnahme Schlafender Teil des versammlungsbezogenen Zweckes. Aus dem Veranstaltungsprogramm ergibt sich nicht, dass für das Ziel der Meinungskundgabe eine Übernachtungsmöglichkeit vor Ort für mehrere tausend Personen erforderlich wäre. Zwar bezeichnen die Antragsteller die Veranstaltung als „Dauerversammlung“, die „rund um die Uhr“ stattfinde und auch nachts ein „ruhiges Diskussionsangebot“ vorsehe. Die Antragsteller haben aber nicht glaubhaft gemacht, dass die Veranstaltung eine (schlafende) Anwesenheit in der Nacht erfordert.

bb. Die Auflage unter Ziffer 4 ist, soweit sie im Hinblick auf den insoweit beschränkten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu überprüfen ist, voraussichtlich rechtmäßig. Die Auflage dient dem Ausschluss nicht versammlungsimmanenter Infrastruktur und ist insofern geeignet, erforderlich und angemessen. Die Begrenzung der Anzahl der Workshop-Zelte auf maximal zehn trägt dem begrenzten Bedarf an Workshop-Zelten für die vom Antragsteller geplanten versammlungsimmanenten Veranstaltungsteile Rechnung. Diese Bedarf ergibt sich aus dem „Programm des anti-kapitalistischen G20, Alternativen zum Kapitalismus leben und sichtbar machen!“, das der Antragsteller zum vorausgegangenen Verfahren 75 G 3/17 vorgelegt hat. Dieses Programm enthält eine Tabelle, die einzelnen Zeiten und einzelnen Örtlichkeiten einzelne Veranstaltungsteile zuordnet. Die Zahl der gleichzeitig stattfindenden Veranstaltungsteile übersteigt zu keinem Zeitpunkt die Zahl neun, wobei einzelne Veranstaltungsteile auch der Bühne oder dem Zirkuszelt zugeordnet sind und zu keinem Zeitpunkt mehr als zwei Workshop-Zelte unmittelbar für eine Meinungskundgabe genutzt werden sollen. Daraus ergibt sich schlüssig, dass die Begrenzung auf maximal zehn Workshop-Zelte geeignet ist, um die Durchführung nicht versammlungsimmanenter Veranstaltungsteile auszuschließen, hierfür erforderlich und auch angemessen ist. Dies gilt selbst dann, wenn eine gewisse Anzahl von Workshop-Zelten als Ruherückzugszone im Rahmen der Großveranstaltung genutzt werden sollen. Auch insoweit dienen die Workshop-Zelte als notwendige Infrastruktur mittelbar der öffentlichen Meinungskundgabe und sind von der Versammlungsfreiheit geschützt. Für versammlungsfremde Nutzungen gilt dies hingegen nicht. Es würde sich insofern um eine erlaubnispflichtige Sondernutzung handeln.

cc. Die Auflage unter Ziffer 1, welche die Durchführung der Veranstaltung auf der in der Anmeldung bezeichneten weitaus größeren Fläche des Elbparks Entenwerder untersagt sowie die Auflage unter Ziffer 2 Satz 1, welche die Versammlung auf einen in der Anlage zum Bescheid markierten Teilabschnitt des Elbparks Entenwerder beschränkt, sind nach dem Erkenntnisstand des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes ebenfalls rechtmäßig.

Die Begrenzung der Versammlungsfläche auf die markierte Teilfäche von etwa 16.548 m2 gemäß der als Anlage dem Bescheid beigefügten Satellitenbild ist hinreichend bestimmt nach § 37 Abs. 1 HmbVwVfG. Denn die diese Teilfläche begrenzenden Wege sind vor Ort auch ohne Messinstrumente erkennbar.

Das Verbot der Versammlung auf den übrigen Teilen der vom Antragsteller bei der Anmeldung angegeben Fläche ist gerechtfertigt, obgleich es in das Selbstbestimmungsrecht der Grundrechtsträger über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Veranstaltung (dazu BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985, 1 BvR 233/81 u.a., BVerfGE 69, 315, juris Rn. 61) eingreift. Vorliegend muss Berücksichtigung finden, dass grundsätzlich an jedem Ort des allgemeinen kommunikativen Verkehrs zwar nach Art. 8 Abs. 1 GG geschützte Versammlungen stattfinden können (dazu BVerfG, Urt. v. 22.2.2011, 1 BvR 699/06, juris Rn. 68), jedoch mit einer intensiven Nutzung der in Rede stehenden geschützten Grünfläche für eine Großveranstaltung, entgegenstehende öffentliche Belange berührt sind. Bei der Nutzung des Elbparks Entenwerder durch eine Großveranstaltung sind die dem Widmungszweck der Fläche zugrunde liegenden Rechtsgüter - die Unversehrtheit des Parks, die Nutzungsmöglichkeit durch die Öffentlichkeit als Grün- und Erholungsanlage - zu berücksichtigen und mit dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit abzuwägen. Einerseits muss dem Antragsteller die Durchführung eines Protestcamps anlässlich des G20-Gipfels möglichst weitgehend ermöglicht, andererseits müssen aber nachhaltige Schäden des Parks verhindert und die diesbezüglichen Risiken für die öffentliche Hand möglichst gering gehalten werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 28.6.2017, 1 BvR 1387/17, Rn. 29). Diesen Risiken kann nicht wie bei Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für eine sondererlaubnispflichtige kommerzielle Großveranstaltung entgegen gewirkt werden, wie etwa bei einem Konzert der Rolling Stones durch eine Sicherheitsleistung von 250.000,-- Euro. Soweit der Antragsteller im antragserweiternden Schriftsatz vom 2. Juli 2017 beteuert, der Rasen werde so schonend wie möglich behandelt werden, die Fläche hinterher gesäubert, aufgelockert und nötigenfalls neu bepflanzt, gibt es dafür keine Gewähr.

Der gebotene verhältnismäßige Ausgleich mit der Versammlungsfreiheit wird dadurch hergestellt, dass nur die in der Anlage zum Bescheid markierte Teilfläche des Elbparks Entenwerder für die vom Antragsteller angemeldete Veranstaltung genutzt und auf der übrigen Fläche die Nutzung untersagt. Die demgemäß für die Veranstaltung zu Verfügung stehende Teilfläche erscheint hinreichend, um die nach den vorstehenden Erwägungen (s.o. aa. und bb.) versammlungsimmanenten Veranstaltungsteile zu tragen. Dies sind ein Zirkuszelt, eine Bühne, Sanitäreinrichtungen und zehn Workshop-Zelte der Größe von etwa 5 x 10 m. Weitere Veranstaltungszelte sowie das Aufstellen von Schlafzelten, das Errichten von Duschen sowie der Aufbau von Küchen bilden demgegenüber - wie dargestellt - keine für die öffentliche Meinungskundgabe notwendige Infrastruktur. Soweit die Begrenzung der Fläche, wie im antragserweiternden Schriftsatz vom 2. Juli 2017 ausgeführt, der Möglichkeit entgegensteht, Schlafplätze für 3.000 Menschen zu schaffen, ist dies ausgehend davon nicht zu beanstanden.

c. Es besteht ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids vom 2. Juli 2017, das gegenüber dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs vom 2. Juli 2017 überwiegt. Ohne die sofortige Vollziehbarkeit der Auflagen könnte aufgrund der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs die Veranstaltung wie angemeldet durchgeführt werden, da mit einer bestandskräftigen Entscheidung über den Widerspruch bis zum Abschluss der Veranstaltung nicht zu rechnen ist. Damit könnte den Gefahren für die öffentliche Sicherheit nicht wirksam begegnet werden, deren Abwehr der nach dem Erkenntnisstand des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes rechtmäßige Bescheid vom 2. Juli 2017 (s.o. b.) dient.

2. Der Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Aufbau und die Durchführung der Versammlung mit dem Tenor „Alternativen zum Kapitalismus leben und sichtbar machen“ gemäß der hilfsweisen Anmeldung des Antragstellers vom 30. Juni 2017 einschließlich des am 2. Juli 2017 beginnenden Aufbaus und des bis zum 11. Juli 2017 erfolgenden Abbaus zu dulden, sowie der Antragsgegnerin mit sofortiger Wirkung zu untersagen, Maßnahmen jeglicher Art zu treffen, die eine Durchführung der Versammlung erschwert, behindert, verzögert oder gänzlich unmöglich macht, bleibt ohne Erfolg.

Zwar kann das Gericht nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung eines bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Nach § 123 Abs. 5 VwGO gelten die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 jedoch nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a VwGO. Ein solcher Fall ist vorliegend gegeben. Durch die am 2. Juli 2017 erlassene und für sofort vollziehbar erklärte Verfügung der Antragsgegnerin bezüglich des Versammlungsortes Elbpark Entenwerder ist der Antragsteller darauf verwiesen, die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zu beantragen, wie er es auch getan hat. Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Duldung der angemeldeten Versammlung im gewünschten Umfang ist daneben nicht statthaft.

Soweit der Antragsteller darüber hinaus geltend macht, die Antragsgegnerin habe am heutigen Tag die zuvor wiederhergestellte aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die zuvor ergangene Verfügung der Antragsgegnerin vom 1. Juli 2017 missachtet, weshalb eine einstweilige Anordnung auf Beachtung derselben erforderlich sei, ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ebenfalls unzulässig. Hierfür besteht im vorliegenden Verfahren kein Rechtsschutzbedürfnis, da durch den neuen Bescheid der Antragsgegnerin vom 2. Juli 2017, der im Sinne eines ersetzenden Zweitbescheides zu verstehen ist, der Bescheid vom 1. Juli 2017 hinsichtlich des Elbparks Entenwerder aufgehoben worden ist und sich somit die aufschiebende Wirkung des dagegen gerichteten Widerspruch erledigt haben dürfte. Hinsichtlich des Bescheides vom 2. Juli 2017 hat das Gericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers nicht wiederhergestellt, so dass dieser gegenwärtig die beschränkenden Auflagen zu beachten hat und insbesondere keine Zelte zum Übernachten am Versammlungsort aufstellen darf. Nach einer telefonischen Mitteilung der Antragsgegnerin wird der Aufbau der nicht untersagten Zelte und Anlagen nicht (mehr) durch polizeiliche Maßnahmen unterbunden. Vor diesem Hintergrund besteht zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung kein Anlass anzunehmen, dass der Antragsteller die Versammlung nicht in dem Umfang, der von der Antragsgegnerin nicht im Bescheid vom 2. Juli 2017 untersagt worden ist, durchführen könne.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. In Anlehnung an Ziffer 45.4 und Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NordÖR 2014, 14) wird der Streitwert in der Hauptsache einer versammlungsbehördlichen Auflage mit dem halben Auffangwert von 2.500,-- Euro bemessen und dieser Wert im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, dessen Entscheidung wegen der zeitlichen Abläufe die Hauptsache vorwegnimmt, nicht herabgesetzt.

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