AG Kerpen, Urteil vom 13.03.2003 - 25 C 40/02
Fundstelle
openJur 2011, 24354
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. 20 S 8/03

Der Kfz-Haftpflicht-Versicherer ist seinem Versicherungsnehmer gegenüber verpflichtet, sich ein umfassendes Bild über die Umstände zu verschaffen, aus denen Ansprüche gegen ihn hergeleitet werden. Unterlaufen ihm bei seiner Prüfung Fehler, die als schuldhafte Verletzung seiner Pflichten zu werten sind, braucht der Versicherungsnehmer das Verhalten des Versicherers gegenüber dem Anspruchssteller im Innenverhältnis nicht gegen sich gelten zu lassen.

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 283,62 Euro zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den Schaden zu ersetzten, der ihm infolge der auf dem Ereignis vom 08.06.2000 (F.-Parkplatz, E. Straße in L., amtl. Kennzeichen des beteiligten Fahrzeuges: XX - XX YYY) basierenden Höherstufung des Versicherungsvertrages ... entstanden ist oder noch entstehen wird.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Die Streithelferin der Beklagten trägt ihre Kosten selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen sich durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt gegen sie zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger war seit 1999 bis zum 31.12.2002 hinsichtlich einer Kfz-Haftpflichtversicherung Versicherungsnehmer der Beklagten.

Wegen eines am 08.06.2000 vom Kläger auf dem F.-Parkplatz auf der E.-Straße in L. mit dem bei der Beklagten versicherten Fahrzeug angeblich verursachten Schadens hat die Beklagte am 03.11.2000 an die dortige Anspruchstellerin, die Streithelferin der Beklagten in diesem Prozess, rund 2.500,00 DM gezahlt und das Versicherungsverhältnis des Klägers mit Wirkung ab 2001 in eine ungünstigere Schadensfreiheitsklasse umgestuft. Mit der Klage begehrt der Kläger die Rückgängigmachung der Folgen dieser Höherstufung.

Er selbst hatte auf Grund eines Besuches der Polizei am 24.06.2000 von den gegen ihn gerichteten Vorwürfen erfahren. Durch Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 08.07.2000 (Kopie hiervon als Bl. 7 zur Akte gereicht) wurde die Beklagte darauf hingewiesen, dass der Kläger die angebliche Schädigung mit Nachdruck bestreitet. Obwohl die Streithelferin bereits unter dem 19.07.2000 Ansprüche bei der Beklagten anmeldete, äußerte diese sich dem Kläger gegenüber zunächst nicht. Unter dem 09.08.2000 (Kopie Bl. 8 d. A.) schrieben die Prozessbevollmächtigten des Klägers die Beklagte erneut an und wiesen darauf hin, dass sich aus der Ermittlungsakte, die sie zwischenzeitlich eingesehen hatten, ergebe, dass die Schäden an den jeweils beteiligten Fahrzeugen einander nicht zugeordnet werden können. Sie wiesen die Beklagte weiter darauf hin, dass es vor diesem Hintergrund angezeigt wäre, dass die Beklagte bei einer entsprechenden Anspruchstellung eine Gegenüberstellung der Fahrzeuge veranlasst.

Die Beklagte antwortete dem Kläger erstmals mit Schreiben vom 25.08.2000 (Kopie Bl. 9 d. A.). In diesem Schreiben sagte die Beklagte zu, das Ermittlungsverfahren abzuwarten. Eine Gegenüberstellung zum jetzigen Zeitpunkt halte sie, da amtlicherseits ermittelt werde, nicht für sinnvoll.

Am 13.09.2000 erhob die Streithelferin beim Amtsgericht Köln unter dem Aktenzeichen 263 C 406/00 Klage gegen den Kläger und die Beklagte wegen der ihr durch den Unfall angeblich entstandenen Schäden; die Klage wurde dem Kläger am 23.09. und der Beklagten am 24.10.2000 zugestellt. In der Zwischenzeit waren bei der Beklagten die von dieser eingeholten schriftlichen Stellungnahmen der Unfallzeuginnen eingegangen (Kopie Bl. 49 d. A.). Nachdem ihm die Klage der Streithelferin zugestellt worden war, hatte der Kläger am 27.09.2000 durch seine Anwälte die Beklagte nochmals darauf hinweisen lassen, dass die gegen ihn gestellten Ansprüche unbegründet seien (Kopie Bl. 13 ff. d. A.). In diesem Schreiben wiesen die Prozessbevollmächtigten des Klägers die Beklagte auch darauf hin, dass der zwischenzeitlich am 30.08.2000 im Strafverfahren vor dem Amtsgericht Köln (AZ: 403 Js 712/00) ergangene Strafbefehl im Wege des Einspruchs angegriffen werde. Die im Strafverfahren abgegebene Einlassung des Klägers vom 09.08.2000 war diesem Schreiben beigefügt.

Am 03.11.2000 wies die Beklagte den Kläger darauf hin (Kopie Bl. 17 d. A.), dass sie die von der Streithelferin geforderte Summe gezahlt habe, da sie keine Aussichten auf eine erfolgreiche Rechtsverteidigung sehe.

Im auf den Einspruch gegen den Strafbefehl fortgesetzten Strafverfahren erging am 26.04.2001 freisprechendes Urteil, nachdem der Sachverständige ... in der Hauptverhandlung dargelegt hatte, dass eine Schädigung des Fahrzeugs der Anspruchstellerin durch das klägerische Fahrzeug auf Grund der Schadenspuren ausgeschlossen sei.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe durch die vorschnelle Regulierung gegenüber der Anspruchstellerin ihm gegenüber bestehende Pflichten aus dem Versicherungsvertrag verletzt. Aufgrund dessen sei sie ihm zum Schadensersatz dergestalt verpflichtet, dass sie seinen Versicherungsvertrag so weiterzuführen habe, als wenn das streitgegenständliche Ereignis vom 08.06.2000 nicht stattgefunden hätte.

Nach mehrmaliger Umstellung und Umformulierung seiner Anträge hat der Kläger mit Schreiben vom 04.07.2002 zuletzt beantragt, dass der bei der Beklagten bestehende Versicherungsvertrag bei der zukünftigen Prämienzahlung und der Bemessung der Schadensfreiheitsklasse so zu stellen ist, als finde das Ereignis vom 08.06.2000 keine Berücksichtigung. Weiter hat er beantragt, die Beklagte zunächst zur Auskunft darüber zu verurteilen, welche Versicherungsprämien in der Jahren 2001 und 2002 bezüglich des Versicherungsvertrages ... zur Zahlung fällig gewesen wären, sofern keine Höherstufung des Vertrages wegen des Ereignisses vom 08.06.2000 erfolgt wäre und weiterhin die Beklagte zu verurteilen, den sich aus der Auskunftserteilung ergebenden Differenzbetrag zur tatsächlich gezahlten Prämie an den Kläger zu erstatten. Hilfsweise für den Fall, dass der Versicherungsvertrag bei der Beklagten vorzeitig ende, hat er beantragt festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm den Schaden zu ersetzen, der ihm infolge der auf dem Ereignis vom 08.06.2000 basierenden Höherstufung des Versicherungsverhältnisses entstanden ist oder noch entstehen wird.

Nachdem die Beklagte bereits unter dem 31.07.2001 (Bl. 21 f. d. A.) und dem 10.05.2002 (Bl. 76 d. A.) einander widersprechende Mitteilungen zum Prämienmehraufwand infolge der Höherstufung gemacht hat, hat sie schließlich unter dem 01.10.2002 nochmals Auskunft erteilt. Eine Kopie dieses Schreibens ist als Bl. 163 zur Akte gereicht. Für das Jahr 2001 ergibt sich danach eine Mehrprämie von 186,63 Euro, für das Jahr 2002 eine solche 96,99 Euro. Aufgrund dieser Auskunft hat der Kläger im Termin vom 13.02.2003 den Auskunftsanspruch für erledigt erklärt. Da das Versicherungsverhältnis mit der Beklagten überdies zum 31.12.2002 sein Ende gefunden hat, hat der Kläger auch seinen primär verfolgten Feststellungsantrag aus dem Schriftsatz vom 04.07.2002, dort Ziff. 1, für erledigt erklärt.

Er beantragt nunmehr noch,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzweisen.

Die Streithelferin der Beklagten hat sich diesem Antrag angeschlossen.

Die Beklagte ist der Ansicht, sie habe durch die Regulierung keine Pflichtverletzung dem Kläger gegenüber begangen. Ihr Regulierungsverhalten sei auf Basis ihres damaligen Kenntnisstandes zu bewerten, vor diesem Hintergrund sei es nicht ermessensfehlerhaft gewesen, den Anspruch zu befriedigen.

Nachdem die Beklagte ihr zunächst erklärtes Einverständis mit einer Verwertung der Beweisergebnisse aus der Strafakte zurückgezogen hat, hat das Gericht gemäß der Beschlüsse vom 22.07., 29.08.2002 und 13.02.2003 durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens und durch Vernehmung von Zeuginnen Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen ... vom 11.10.2002 und auf das Sitzungsprotokoll vom 13.02.2003 Bezug genommen.

Die von der Beklagten gegen ihre Streithelferin und Zeugin erhobene Drittwiderklage hat das Gericht auf die entsprechende Rüge der Drittwiderbeklagten hin durch Beschluss vom 13.02.2003 abgetrennt und an das zuständige Amtsgericht in Wipperfürth verwiesen. Die Akten des Amtsgerichts Köln zum dortigen Aktenzeichen 263 C 406/00 und der Staatsanwaltschaft Köln zum dortigen Aktenzeichen 403 Js 712/00 waren zu Informationszwecken Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Gründe

Obwohl die Beklagte sich zu der teilweisen Erledigungserklärung des Klägers im Termin vom 13.02.2003 nicht ausdrücklich erklärt hat, war ihr Prozessverhalten so auszulegen, dass sie sich der Erledigung hinsichtlich der 2 Teilstreitpunkte anschließt. Dies deshalb, weil die die Erledigung begründenden Umstände unstreitig sind und auch die Beklagte zu keinem Zeitpunkt zu erkennen gegeben hat, dass sie hinsichtlich dieser Punkte eine weiter streitige Verhandlung wünscht.

Die Klage in ihrer zum Schluss verfolgten Gestalt ist zulässig und begründet.

Für die Zahlung der Beklagten an die Anspruchstellerin vom November 2000 gab es nicht nur keinen Anspruch, diese Regulierung verstieß auch gegen Pflichten, die der Beklagten gegenüber ihrem Versicherungsnehmer, dem Kläger, bestanden.

Diese Pflichtverletzung der Beklagten hat nach den Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung die Verpflichtung der Beklagten zur Folge, dem Kläger durch diese unberechtigte Regulierung entstandene Schäden auszugleichen. Beziffern kann der Kläger diese Schäden nach den mehrfachen und widersprüchlichen, zuletzt aber akzeptierten, Mitteilungen der Beklagten zum Prämienmehraufwand zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung lediglich für die Jahre 2001 und 2002. Unter Zugrundelegung der Auskünfte der Beklagten macht der Prämienmehraufwand für diese Jahre einen Betrag von 283,62 Euro aus. Diese Mehrprämie hat die Beklagte als Schadensersatz an den Kläger zurückzuzahlen.

Da das Versicherungsverhältnis zwischen den Parteien zum 31.12.2002 endete, ist es nicht mehr möglich, die weiter anfallenden Prämienmehraufwendungen, die auch bei der neuen Versicherung des Klägers dadurch entstehen, dass die Beklagte die Schadensfreiheitsdaten zum Zeitpunkt des Vertragswechsels an die neue Versicherung weitergegeben hat, unmittelbar zwischen den Parteien etwa dadurch auszugleichen, dass der Vertrag rückwirkend umgestuft wird. Dem Kläger entstehen damit bei seiner neuen Versicherung auch in den Jahren nach 2002 Mehraufwendungen, die derzeit auf Grund des unklaren weiteren Verlaufes des Vertragsverhältnisses noch nicht beziffert werden können. Soweit diesen Mehraufwendungen, der (unrichtige) auf Grund des Ereignisses vom 08.06.2000 erhöhte Prämiensatz, den die neue Versicherung von der Beklagten übernommen hat, zugrunde liegt, geht dieser Mehraufwand auf das vertragswidrige Verhalten der Beklagten zurück. Sie hat dem Kläger in Zukunft gerade dadurch entstehende Schäden zu ersetzen. Der Kläger hatte ein rechtliches Interesse daran, diese Verpflichtung durch gerichtliche Entscheidung feststellen zu lassen, § 256 ZPO.

Dem zwischen den Parteien vormals bestehenden Versicherungsvertrag lagen unstreitig die AKB in der den Musterbedingungen entsprechenden Fassung zugrunde. Nach § 10 Abs. 5 AKB war die Beklagte grundsätzlich berechtigt, Schadensersatzansprüche Dritter im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens zu regulieren. Die von der Beklagten im vorliegenden Fall vorgenommene Regulierung war allerdings objektiv unberechtigt, da der Anspruchsstellerin mangels eines vom Kläger verursachten Schadens Ersatzansprüche gegen diesen und die Beklagte als seine Pflichtversicherung nicht zustanden. Dies steht nach der nunmehr auch vor dem erkennenden Gericht durchgeführten Beweisaufnahme durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens unzweifelhaft fest. Auch die Beklagte hat die Ergebnisse des Gutachtens des Sachverständigen ... nicht in Zweifel gezogen. Die Aussagen der hierzu ergänzend noch gehörten Zeuginnen, die das Unfallgeschehen seinerzeit bemerkt haben wollen, steht dem nicht entgegen. Beide haben bei ihrer Befragung durch das Gericht deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie sich in der damaligen Situation keinerlei Gedanken darüber gemacht hätten, ob der von ihnen wahrgenomene Schaden am Anspruchstellerfahrzeug überhaupt vom Klägerfahrzeug verursacht worden sein konnte. Sie haben lediglich den Schaden und die aus ihrer Sicht eindeutige Situation gesehen und daraus falsche Schlüsse gezogen.

Dass es in der Folgezeit gleichwohl zu einer Regulierung kam, liegt daran, dass sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Beklagte bei ihren jeweils angestellten "Ermittlungen" falsch vorgegangen sind und falsche Schlüsse gezogen haben. Schon bei Blatt 12 der Ermittlungsakte hätte dem aufmerksamen Leser auffallen müssen, dass die jeweils gemessenen Höhen der Schadensspuren sich nicht ohne weiteres zueinander fügen lassen. Die von den Prozessbevollmächtigten des Klägers gegenüber der Staatsanwaltschaft abgegebene Einlassung von 09.08.2000 weist darauf ausdrücklich hin. Weshalb gleichwohl ein Strafbefehl beantragt und am 30.08.2000 auch erlassen wurde, bleibt Geheimnis der Staatsanwaltschaft und des zuständigen Strafrichters. Lediglich die Aussagen der beiden Zeuginnen, die sich zu diesem Zeitpunkt in schriftlicher Form in der Ermittlungsakte befanden, konnten bei vernünftiger Würdigung der Sachlage einen hinreichenden Tatverdacht nicht begründen. Auch die Beklagte hätte dies ohne weiteres erkennen können; jedenfalls, nachdem sie von dem Prozessbevollmächtigten ihres Versicherungsnehmers darauf hingewiesen worden war, dass die Schäden nicht korrespondieren können. Offensichtlich hat sie ja, wie sich ihrem Schreiben vom 25.08.2000 entnehmen lässt, selbst vorgehabt, nicht ohne eine Gegenüberstellung der Fahrzeuge über eine Regulierung zu entscheiden. Lediglich deshalb, weil sie zunächst davon ausging, dass die Staatsanwaltschaft eine solche Begutachtung veranlassen würde, hatte sie selbst zunächst davon abgesehen. Anhaltspunkte die es aus Sicht der Beklagten dann hätten rechtfertigen können, gleichwohl eine Regulierung durchzuführen, sind nicht erkennbar. Allein die bei der Beklagten eingegangene Darstellung der Zeugin ... vom 08.09.2000 war bei vernünftiger Würdigung nicht geeignet, nunmehr die Versicherungskasse zu öffnen. Warum insbesondere gerade diese Aussage, die ursprünglich auch bei der Beklagten bestehenden Bedenken hinsichtlich der Kompatibilität der Schäden etwa entkräften könnte, trägt die Beklagte selbst auch nicht vor.

Dass die Beklagte dann angesichts der erhobenen Zivilklage gleichwohl zahlte, kann aus Sicht ihres Versicherungsnehmers nur überraschen. Pflichtgemäßes Ermessen spiegelt diese Entscheidung nicht wieder.

Die Beklagte versteht die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 20.11.1980 (IVa ZR 25/80, MDR 1981, 391 ff) falsch, wenn sie aus dieser eine Rechtfertigung zur Zahlung im vorliegenden Fall herleitet. Ausdrücklich heißt es dort nämlich, "dem Ermessen der Versicherung sind dort Grenzen gesetzt, wo die Interessen des Versicherungsnehmers berührt werden und wo diese deshalb die Rücksichtnahme des Versicherers verlangen". Als konkretes Beispiel hierfür nennt die Entscheidung sogar den Fall, dass ein Schadensfreiheitsrabatt des Versicherungsnehmers auf dem Spiel steht. In solchen Fällen greift die regulierende Versicherung mit ihrem Verhalten nicht nur die Kasse der bei ihr versicherten Gemeinschaft an, sie schädigt vielmehr auch die konkreten Vermögensinteressen ihres Vertragspartners. Dieser muss nämlich auf Grund einer nicht durchdachten Entscheidung der Versicherung über Jahre hinweg Mehrprämien zahlen, die, wie das vorliegende Verfahren zeigt, beachtliches Ausmaß erreichen können.

Die von der Versicherung vorgebrachten Argumente, die ihre Regulierung zum Zeitpunkt November 2000 rechtfertigen sollen, sind fadenscheinig. Die Zweifelsfragen hinsichtlich der Kompatibilität waren zu diesem Zeitpunkt genauso zu bewerten, wie zu dem Moment, als die Beklagte ihr Schreiben vom 25.08.2000 verfasste. Der Erlass eines Strafbefehls führt in keiner Weise zu einer strafrechtlichen Präjudizierung. Abgesehen davon, dass das Beweisergebnis eines Strafverfahrens selbst dann, wenn dieses rechtskräftig abgeschlossen ist, nicht auf zivilrechtliche Konstellationen ohne Weiteres übertragen werden kann, stellt der Erlass eines Strafbefehls, zumal in der vorliegenden konkreten Situation, noch kein taugliches Kriterium dafür dar, ob der zugrundeliegende Vorwurf zutrifft oder nicht. Auch der Beklagten musste klar sein, dass Zeugenaussagen generell ein schwaches Beweismittel sind, dies zumal in Verkehrsunfallkonstellationen. Den schriftlichen Darstellungen der beiden Zeuginnen lassen sich an keiner Stelle Aussagen entnehmen, die über die Kompatibilitätszweifel hinweghelfen.

Die Ausführungen der Beklagten dazu, warum ihre Regulierung gleichwohl ermessensfehlerfrei gewesen sein soll, erschöpfen sich in abstrakten Aussagen über Wirtschaftlichkeitserwägungen und Prozesskosten. Sie nehmen jedoch an keiner Stelle Bezug auf die zum Regulierungszeitpunkt aktenkundigen Umstände, die allein die Frage einer pflichtgemäßen Ermessensausübung beantworten können. Nur am Rande sei der Hinweis gestattet, dass nicht erkennbar ist, weshalb eine weitere Sachaufklärung, von der Beklagten veranlasst, vorliegend zu unvertretbaren Kosten hätte führen sollen. Die Vorlage der Ermittlungsakte nebst darin enthaltener Fotos bei einem "Haussachverständigen" der Beklagten hätte bereits ausgereicht, die offenen Fragen zu klären. Dieser Weg wird von der ganz überwiegenden Zahl der mit Verkehrsschäden befassten Haftpflichtversicherungen regelmäßig beschritten, wenn es darum geht, zweifelhaft erscheinende Schadenspositionen zu überprüfen. Der damit auf Beklagtenseite verbundene Kostenaufwand dürfte kaum messbar sein.

Wenn die Beklagte anstatt dessen eine Regulierung vorzieht, kann dies jedenfalls ihrem insoweit unschuldigen Versicherungsnehmer nicht zum Nachteil gereichen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91, Abs. 1, 91 a, 101 Abs. 1 ZPO.

Soweit der Rechtsstreit teilweise übereinstimmend für erledigt erklärt ist, hat die Kosten ebenfalls die Beklagte zu tragen. Grund für die Erledigung hinsichtlich des ursprünglichen Antrages Ziffer 1 war lediglich das Ende des Versicherungsverhältnisses. Dies kann dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen. Hätte er den Vertrag bei der Beklagten fortbestehen lassen, wäre auch dieser Antrag erfolgreich gewesen. Dass er es vorzog, die Versicherung zu wechseln, erstaunt nicht.

Hinsichtlich des für erledigt erklärten Auskunftsanspruches hat die Beklagte ebenfalls die Kosten zu tragen. Allein der Umstand, dass sie zuvor zwei mal eine offensichtlich unrichtige Auskunft erteilt hat, zeigt, dass der Kläger richtig beraten war, auch insofern eine gerichtliche Klärung herbeizuführen. Auch die Beklagte hat nicht erklären können, wie sich die Zahlen aus ihrem Schreiben vom 01.10.2002, das schließlich zur Erledigung führte, zu den vorherigen Angaben, zum Beispiel im Schreiben vom 10.05.2002, fügen lassen.

Die Streithelferin hatte, da die Hauptpartei dem Prozess verloren hat, ihre Kosten selbst zu tragen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11, 711 ZPO, soweit Zahlungsansprüche betroffen sind.

Streitwert:

In Abänderung des vorläufigen Streitwertbeschlusses vom 06.02.2002 wird der Streitwert für den zuletzt gestellten Zahlungsantrag auf 283,62 Euro festgesetzt, für den Feststellungsantrag auf 500,00 Euro, insgesamt mithin auf 783,62 Euro.

Die mehrfache Umformulierung der Klageanträge hatte keine Auswirkungen auf den Wert der verfolgten Ansprüche.

Da sich die Auswirkungen der Hochstufungen offensichtlich auf einen Zeitraum von etwa 10 Jahren erstrecken, hat das Gericht den Gesamtprämienmehraufwand ausgehend von den Zahlen für 2001 und 2002, auf 1.000,00 Euro geschätzt und auf Grund des Umstandes, dass insofern lediglich ein Feststellungsantrag anhängig ist, lediglich 50 % dieses Betrages angesetzt.

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