Schleswig-Holsteinisches VG, Urteil vom 17.09.2015 - 9 A 164/13
Fundstelle
openJur 2016, 10203
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der erstattungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Ausbaubeitragsbescheid der Beklagten.

Der Kläger ist Eigentümer des Buchgrundstücks „Lindenallee xx“ (Flurstück xx, Flur x, Gemarkung V...), welches an der gleichnamigen Straße im Ortsteil V... anliegt. Es hat eine Größe von xxxxx m².

Am 30.01.2007 beschloss der Bau- und Umweltausschuss „Zusätzliche Straßensanierungsmaßnahmen im Zuge der Zentralisierung Schmutzwasserkanal bzw. der Neuherstellung der Entwässerungskanäle für Niederschlagswasser“. Dieser Beschluss wurde durch einen Beschluss der Stadtvertretung vom 19.08.2008 über die „Sanierung der Niederschlagswasserkanäle im Bereich der Stadt A-Stadt und Ausbau von Straßen und Wegen“ ergänzt. Hiervon umfasst war auch die vorliegend streitgegenständliche „Lindenallee“, in der eine Erneuerung der Straßenentwässerung, die Verbreiterung der Fahrbahn, die Verstärkung des Fahrbahnoberbaus, das Einfügen von Rinnen- und Randsteinen und der Ausbau der Rand- und Grünstreifen vorgesehen war.

Die Abnahme der Bauarbeiten erfolgte am 17.12.2008.

Am 15.10.2012 erließ die Beklagte gegenüber dem Kläger einen Ausbaubeitragsbescheid in Höhe von 17.218,99 €. Zur Begründung wurde auf das Bauprogramm vom 19.08.2008 und den darin beschlossenen Ausbau- und Erneuerungsmaßnahmen betreffend die „Lindenallee“ abgestellt. Danach ergebe sich unter Berücksichtigung der Vorgaben aus der Straßenbaubeitragssatzung der Beklagten vom 16.06.2008, dass das im unbeplanten Innenbereich belegene klägerische Grundstück mit einer Fläche von xxxxx m² innerhalb und mit einer Fläche von xxxx m² (gewichtete Fläche xxxx m²) außerhalb der Tiefenbegrenzung läge. Unter Berücksichtigung eines Vollgeschosses ergebe sich daraus insgesamt eine gewichtete Grundstücksfläche von xxxxx m². Multipliziert mit dem Beitragssatz von 1,732726 €/m² ergebe dies einen Beitrag in Höhe von 25.828,48 €. Aufgrund der Mehrfacherschließung des Grundstücks wurde eine Ermäßigung von 8.609,49 € in Abzug gebracht, woraus der zu zahlende Beitrag in Höhe von 17.218,99 € resultiere.

Hiergegen legte der Kläger am 14.11.2012 Widerspruch ein, den er im Wesentlichen damit begründete, dass ein großer Teil des Grundstücks im Außenbereich liege. Der Bebauungszusammenhang ende vorliegend südlich und westlich mit den auf dem Grundstück befindlichen Hofgebäuden. Das übrige Grundstück werde, wie auch die südlich und westlich angrenzenden Flächen, landwirtschaftliche genutzt. Die Zuwegung finde innerbetrieblich statt. Er habe weder die Absicht noch eine Genehmigung dafür, diese Grünlandanteile zu bebauen. Grundsätzlich ende der im Zusammenhang bebaute Ortsteil mit der letzten Bebauung. Ein Grundstück am Rande eines Ortsteils liege daher in der Regel nicht mehr innerhalb des Bebauungszusammenhangs. Dies gelte auch, wenn es beidseitig von bebauten Grundstücken umgeben sei. Bei der Abgrenzung des Innenbereichs vom Außenbereich sei den Grundstücks-und Parzellengrenzen keine Bedeutung beizumessen. Dies gelte umso mehr, als es sich bei der Grundstücksnutzung um eine für den Außenbereich typische Nutzung handele. Die Berücksichtigung landwirtschaftlicher Flächen belaste den Anlieger mit Blick auf die Größe solcher Flächen in einem unzumutbaren Maß. Vorliegend hätte demnach für diese Grundstücksfläche lediglich der Vervielfältiger 0,03 (statt 1,0) herangezogen werden dürfen, mit einem daran anknüpfenden geringeren Beitrag für ihn.

Im Übrigen sei eine sachliche Beitragspflicht noch nicht entstanden, da nach seinem Kenntnisstand die Baumaßnahme noch nicht dem von der Stadtvertretung beschlossenen Bauprogramm entsprechend abgeschlossen worden sei. Eine Abweichung vom Bauprogramm lasse die sachliche Beitragspflicht entfallen.

Der Kläger beantragte zugleich die Aussetzung der Vollziehung.

Am 10.06.2013 erließ die Beklagte einen zurückweisenden Widerspruchsbescheid und lehnte dan Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab.

Zur Begründung führte sie im Wesentlichen an, dass die sachliche Beitragspflicht entstanden sei. Die Maßnahme sei entsprechend des am 19.08.2008 beschlossenen Bauprogramms durchgeführt worden. Sofern sich überhaupt Änderungen der Bauausführung ergeben hätten, die nicht mit dem Bauprogramm übereinstimmten, seien die dafür angefallenen Kosten nicht in den umlagefähigen Aufwand eingeflossen und somit bei der Beitragserhebung unberücksichtigt geblieben. Die Kosten trage allein die Beklagte. Die Bauarbeiten seien am 06.11.2008 abgeschlossen worden und die Abnahme habe am 17.12.2008 stattgefunden.

Entgegen der Ansicht des Klägers liege das Grundstück im unbeplanten Innenbereich. Eine Außenbereichslage beginne erst im westlichen Grundstücksteil. Betrachte man die Bebauung in V..., zeige sich hier die für die Fortadörfer typische Bebauung. Diese sei durch tiefe Vorgärten gekennzeichnet, bevor dann die Wohnhäuser und die landwirtschaftlich oder sonst genutzten Nebengebäude begännen. Letztere stünden bei den landwirtschaftlichen Hofstellen bis zu einer großen Tiefe auf den Grundstücken und gingen teilweise bis an die hintere Grundstücksgrenze. Bei dem Kläger sei dies die westliche Grundstücksgrenze. Die Bebauungstiefe sei bei dem Kläger mithin keine atypische. Betrachte man die benachbarten Bereiche, so sei festzustellen, dass die tiefe Bebauung der Grundstücke mit überwiegend landwirtschaftlichen Scheunen vielfach gegeben sei und den Innenbereich somit prägten. Da das klägerische Grundstück auch über die Tiefenbegrenzung von 50 Metern hinaus bebaut sei, werde der „überschießende“ Grundstücksteil ebenfalls mit dem Faktor 1,0 veranlagt. Lediglich der darüber hinaus gehende Teil im Westen sei mit dem Faktor 0,03 veranlagt worden. Gegen eine Baugenehmigung für landwirtschaftliche Nutzgebäude auf diesen Flächen spreche nichts. Auf die tatsächliche Nutzung als Hofwiese oder Spielplatz für Feriengäste komme es nicht an.

Der Kläger hat am 10.07.2013 Klage erhoben, zu deren Begründung er im Wesentlichen seine Begründung aus dem Widerspruchsverfahren vertieft.

Der Kläger beantragt,

den Abgabenbescheid vom 15.10.2012 und den Widerspruchsbescheid vom 10.06.2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung vertieft sie ihre Argumente aus dem Widerspruchsbescheid.

Am 19.12.2013 fasste die Stadtvertretung den Beschluss über die Widmung der „Lindenallee“ als gemeindliche Ortsstraße. Die Widmungsverfügung vom 20.12.2013 wurde im A-Stadtschen Tageblatt am 28.12.2013 öffentlich bekannt gemacht.

Mit Beschluss der Kammer vom 13.07.2015 ist der Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen worden.

Das Gericht hat die Örtlichkeiten im Rahmen der mündlichen Verhandlung informatorisch in Augenschein genommen. Insoweit wird wegen der näheren Einzelheiten auf das Terminsprotokoll vom 15.09.2015 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgängen Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlungen waren.

Gründe

Die Klage ist zulässig aber unbegründet.

Der Bescheid vom 15.10.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2013 ist rechtsmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers zu einem Straßenbaubeitrag ist § 8 Abs. 1 Kommunalabgabengesetz - KAG - i.V.m. der Satzung der Beklagten über die Erhebung von Beiträgen für die Herstellung, den Ausbau, die Erneuerung und den Umbau von Straßen, Wegen und Plätzen (Straßenbaubeitragssatzung - SBBS 2013 -) vom 23.12.2013. Diese Fassung ist der Entscheidung zugrunde zu legen, weil sie zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entstehung der Beitragspflicht wirksam war. Diese Satzung trat rückwirkend - nach ihrem Wortlaut (vgl. § 14 Abs. 1) - „zum 01.01.2008“ in Kraft und ersetzte die vorhergehende Straßenbaubeitragssatzung vom 16.06.2008. Nach § 2 Abs. 2 S. 1 KAG kann eine Satzung rückwirkend in Kraft treten. Die Rückwirkung kann allerdings gem. § 2 Abs. 2 S. 2 KAG nur bis zu dem Zeitpunkt ausgedehnt werden, zu dem die ersetzte Satzung in Kraft getreten war oder in Kraft treten sollte. Da die ersetzte Satzung vom 16.06.2008 allerdings erst am Tag nach ihrer Bekanntmachung, mithin frühestens am 17.06.2008 in Kraft getreten ist (vgl. § 14 Abs. 1 SBBS 2008), kann auch die ersetzende Satzung nach der Rechtslage frühestens zu diesem Zeitpunkt wirksam werden. Da sich die Satzung 2013 ausdrücklich zu einer Ersetzung der Satzung vom 16.06.2008 verhält und sich der Wille des Gesetzgebers über ein rückwirkendes Inkrafttreten unmissverständlich aus § 14 SBBS 2013 ergibt, spricht Überwiegendes dafür, dass im Sinne einer normerhaltenden Auslegung die SBBS 2013 mit Wirkung ab Bekanntmachung der ersetzten Satzung, also frühestens zum 17.06.2008, in Kraft getreten ist. Demgemäß spricht weniger dafür, dass die Satzung nichtig ist oder sie erst gemäß des in § 69 LVwG normierten Regelfalls mit dem Tag nach ihrer Bekanntmachung in Kraft getreten ist. Nur die Nichtigkeitsvariante hätte zur Folge, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht am 28.12.2008 noch die SBBS 2008 Geltung gehabt hätte.

Im Ergebnis kann dies jedoch dahinstehen, da sich aus der Anwendung der SBBS 2013 im Vergleich zur SBBS 2008 hier keine relevanten Änderungen ergeben (auch nicht im Hinblick auf das bei einer Rückwirkung zu beachtende Schlechterstellungsverbotes gem. § 2 Abs. 2 S. 3 KAG). Denn die in diesem konkreten Fall zur Anwendung kommenden Vorschriften über den beitragsfähigen Aufwand (§ 2), die Vorteilsregelung (§ 4) und den Beitragsmaßstab (§ 6) unterscheiden sich von ihren Maßgaben her nicht.

Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Satzung im Übrigen sind weder vorgetragen oder ersichtlich.

Nach § 8 Abs. 1 KAG werden Beiträge zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung, den Ausbau und Umbau sowie die Erneuerung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen von denjenigen Grundeigentümern erhoben, denen hierdurch Vorteile erwachsen. Nach § 1 SBBS 2013 erhebt die Antragsgegnerin zur Deckung ihres Aufwandes für diese Maßnahmen Beiträge nach den Bestimmungen dieser Satzung.

Bei der Straße „Lindenallee“ handelt es sich um eine öffentliche Einrichtung i.S.d. § 8 Abs. 1 KAG. Bei Straßen ist die Frage der Öffentlichkeit straßenrechtlich zu beurteilen. Öffentliche Straßen sind Straßen, Wege und Plätze, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind (§ 2 Abs. 1 Straßen- und Wegegesetz des Landes Schleswig-Holstein - StrWG). Eine Widmung der „Lindenallee“ als gemeindliche Ortsstraße erfolgte durch Beschluss der Stadtvertretung vom 19.12.2013; die Widmungsverfügung vom 20.12.2013 wurde im A-Stadtschen Tageblatt am 28.12.2013 öffentlich bekannt gemacht. Damit ist die Widmung zwar erst nach Erlass des streitgegenständlichen Bescheides vom 15.10.2012 und des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2013 erfolgt. Es entspricht der Rechtsprechung der Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts und der Kammer, dass danach die Bescheide zwar zunächst rechtswidrig waren, der damit eventuell zunächst nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO gegebene Aufhebungsanspruch aber jedenfalls mit der vor Ergehen des Urteils erfolgten Widmung der Straße jedoch entfallen ist. Es bedarf nach der mit der Widmung bewirkten Entstehung der sachlichen Beitragspflicht nicht des Erlasses neuer Bescheide (vgl. OVG Schleswig, B. v. 07.07.2011 - 2 LA 40/11 -; VG Schleswig, Urt. v. 06.04.2011 - 9 A 119/10 -). Dieser Rechtsprechung schließt sich die erkennende Einzelrichterin an.

Die öffentliche Einrichtung „Lindenallee“ findet vorliegend ihre Begrenzung jeweils im Übergang zum Außenbereich im Nordwesten bei Haus Nr. xx und im Süden bei Haus Nr. xx. Die räumliche Begrenzung der öffentlichen Einrichtung ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

Vorliegend handelt es sich - ebenfalls zwischen den Beteiligten unstreitig - um eine beitragspflichtige Erneuerung der Straßenentwässerung bzw. verbessernden Ausbau der Fahrbahn, der Rinnen- und Randsteine und der Rand- und Grünstreifen.

Bedenken gegen die Höhe des hierfür entstandenen beitragsfähigen Aufwandes sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, ebenso wenig wie gegen den Zuschnitt des Abrechnungsgebietes und die Berechnung der Beitragsfläche. Die Beklagte hat alle an die „Lindenallee“ angrenzenden Grundstücke zu Beiträgen veranlagt.

Die Beklagte hat auch zu Recht den e. g. Straßenzug „Lindenallee“ als Haupterschließungsstraße eingestuft, die im Wesentlichen dem innerörtlichen Verkehr dient mit Erschließungs- und Sammelfunktion innerhalb des Ortsteils, so dass nach § 4 Abs. 1 Ziffer 1 b) und 2 b) SBBS 2013 40 % des Aufwandes für die Fahrbahn und 60 % für die übrigen Straßeneinrichtungen auf die Anlieger als umlagefähiger Aufwand umzulegen sind.

Beiträge können nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG nur von den Grundstückseigentümern erhoben werden, denen durch die Straßenbaumaßnahme Vorteile erwachsen. Es scheiden aus dem Kreis der Beitragspflichtigen die Grundstückseigentümer aus, die die öffentliche Einrichtung nur wie jeder andere Verkehrsteilnehmer in Anspruch nehmen können. Damit kommen als beitragspflichtige Grundstückseigentümer nur solche in Betracht, deren Grundstücke zu der öffentlichen Einrichtung in einer räumlich engen Beziehung stehen, d.h. die von ihrem Grundstück aus die öffentliche Einrichtung nutzen können. Zum Kreis der vorteilhabenden und damit beitragspflichtigen Grundstückseigentümer gehören daher diejenigen, deren Grundstücke unmittelbar an die ausgebaute Einrichtung angrenzen und von der Einrichtung aus zugänglich sind. So verhält es sich bei dem klägerischen Grundstück.

Auch die Ermittlung der gewichteten Beitragsfläche für das Grundstück des Klägers ist nicht zu beanstanden. Zunächst hat die Beklagte das Abrechnungsgebiet zutreffend als einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil gem. § 34 BauGB eingestuft. Dies entspricht der Örtlichkeit, wie sie sich dem Gericht bei dem Termin vor Ort aufgrund des Bebauungszusammenhangs dargestellt hat; dieser Eindruck verstärkt sich durch das vorliegende Kartenmaterial.

Die Beklagte hat für den Teil des klägerischen Grundstückes, der innerhalb der Tiefenbegrenzungslinie liegt, einen Vervielfältiger von 1,0 und für den Teil außerhalb der Tiefenbegrenzungslinie den Vervielfältiger 0,03 zugrunde gelegt. Dies entspricht § 6 Abs. 2 Ziffer 2 SBBS 2013 und ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Die Vorschrift lautet:

„Liegt ein Grundstück nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes, aber im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) oder im Geltungsbereich einer Satzung nach § 35 Abs. 6 BauGB (Außenbereichssatzung), wird die Grundstücksfläche, die baulich, gewerblich, industriell oder vergleichbar genutzt wird oder genutzt werden kann, in vollem Umfang (Vervielfältiger 1,0) berücksichtigt. Als Fläche in diesem Sinne gilt die Grundstücksfläche bis zu einer Tiefe von 50 m (Tiefenbegrenzungsregelung). Ist das Grundstück über die Tiefenbegrenzungsregelung hinaus baulich, gewerblich, industriell oder vergleichbar genutzt, wird die Fläche bis zum Ende dieser Nutzung zugrunde gelegt. Als Bebauung in diesem Sinne gelten nicht untergeordnete Baulichkeiten wie z.B. Gartenhäuser, Schuppen, Ställe für die Geflügelhaltung für den Eigenverbrauch und dgl., wohl aber Garagen. Für die vorstehenden Regelungen dient zur Abgrenzung der baulich, gewerblich, industriell oder vergleichbar genutzten Grundstücksfläche eine Linie im gleichmäßigen Abstand von der Straße, dem Weg oder dem Platz.

Der Abstand wird

a) bei Grundstücken, die an die Straße, den Weg oder Platz angrenzen, von der Straßengrenze aus gemessen,

b) bei Grundstücken, die mit der Straße, dem Weg oder dem Platz nur durch eine Zuwegung verbunden sind, vom Ende der Zuwegung an gemessen,

Die über die nach den vorstehenden Tiefenbegrenzungsregelungen hinaus gehenden Flächen des Grundstücks, die nicht baulich, gewerblich, industriell oder vergleichbar genutzt werden oder genutzt werden können, werden mit dem Vervielfältiger 0,03, für die Flächen die über 10 ha hinausgehen ein Vervielfältiger von 0,02, für Flächen die über 30 ha hinausgehen ein Vervielfältiger von 0,01 angesetzt.“

Für das Grundstück „Lindenallee xx“ hat die Beklagte die Tiefenbegrenzung zutreffend zur Anwendung gebracht. Eine solche ist gem. § 8 Abs. 1 S. 4 KAG zulässig und dient der genauen Abgrenzung des Innenbereichs gegenüber dem Außenbereich. Bei im Zusammenhang bebauten Ortsteilen (§ 34 BauGB) ist die Baufläche grundsätzlich die gesamte im Innenbereich gelegene Grundstücksfläche. Die Tiefenbegrenzungsregelung begründet die (beitragsrechtliche) Vermutung, dass die Grundstücke des Innenbereichs bis zur festgesetzten (Tiefen-)Grenze erschlossen sind (BVerwG, Urt. v. 19.2.1982, DVBl 1982 S. 552 = NVwZ 1982 S. 677), d. h. Baulandqualität besitzen. Die Bestimmung der Tiefenbegrenzung liegt im Ermessen des Satzungsgebers. Sie hat sich an der ortsüblichen Tiefe der baulichen Nutzung in der Gemeinde zu orientieren. Eine zwischen der Grundstücksgrenze zur ausgebauten Straße bis zu einer im Abstand von 50 Metern verlaufenden Linie (entsprechend dem Straßenverlauf) gelegene Fläche als Baufläche ist rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. Habermann, in: Praxis Kommunalverwaltung, § 8 KAG, Rn. 231). Die Vermutung, dass ein bevorteiltes Grundstück bis zur Tiefenbegrenzung Baulandqualität besitzt, ist nur widerlegt, wenn und soweit ein Grundstück über die Grenze hinaus tatsächlich bebaut ist oder gewerblich genutzt wird (BVerwG, Urt. v. 19.2.1982, a. a. O.). Diesen Vorgaben entspricht die Satzungsregelung § 6 Abs. 2 Ziffer 2 SBBS 2013.

Es ist vorliegend entgegen der Annahme des Klägers nicht vorteilswidrig, dass der südliche Teil seines Grundstückes nicht vollständig als Außenbereichsfläche mit einem Vervielfältiger von 0,03 berücksichtigt wurde. Diese Fläche war nur insoweit mit der geringeren Gewichtung in die Beitragsberechnung einzustellen, als diese (in westlicher Richtung) in die Tiefenbegrenzung fällt. Dies entspricht der Typengerechtigkeit und Verwaltungspraktikabilität im Beitragsrecht.

Das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt (Urt. v. 26.09.2007 - 2 LB 21/07 -, zitiert nach juris, Rn. 26 ff.):

„Die Vorschrift des § 8 Abs. 1 KAG, nach der die Beiträge auf der Grundlage fester Verteilungsmaßstäbe nach den Vorteilen zu bemessen sind, die Grundstückseigentümern, zur Nutzung von Grundstücken dinglich Berechtigten und Gewerbetreibenden durch die Herstellung sowie den Ausbau und Umbau von notwendigen öffentlichen Einrichtungen erwachsen, enthält keine ausdrückliche Normierung konkreter Maßstäbe für die Verteilung des beitragsfähigen Aufwandes unter den Beitragsschuldnern. Es obliegt vielmehr dem örtlichen Satzungsgeber, gerechte und praktikable Verteilungsmaßstäbe auszuwählen und in einer Beitragssatzung im Einzelnen zu regeln. Der vom Ortsgesetzgeber gewählte Verteilungsmaßstab muss geeignet sein, den umlagefähigen Aufwand in einer dem Grundsatz der Vorteilsgerechtigkeit genügenden Weise zu verteilen. Dieser - mit gleichem Inhalt sowohl aus dem Landesrecht als auch dem Bundesrecht (Gleichbehandlungsprinzip) herzuleitende - Grundsatz verlangt allerdings keine Gerechtigkeit im Einzelfall, sondern lediglich eine Typengerechtigkeit, d.h. ein Abstellen auf Regelfälle eines Sachverhalts und deren gleichartige Behandlung als so genannte typische Fälle (vgl. Senatsurt. v. 11.02.1998 - 2 L 79/96 -, NordÖR 1998, 268 m.w.N.). Für die Gestaltung eines Verteilungsmaßstabes ist an ein Merkmal anzuknüpfen, von dem - nach Wahrscheinlichkeitsgesichtspunkten - angenommen werden darf, es sei von besonderem Aussagewert für den Umfang des durch die ausgebaute Anlage (die Straße) gebotenen Vorteils (Senatsurt. v. 21.12.1993 - 2 L 185/93 -). Der Umfang der Steigerung des Gebrauchs- und/oder Verkehrswertes hängt von der Größe und der Nutzbarkeit des jeweiligen Grundstücks ab (Senatsurt. v. 11.02.1998, a.a.O.). Daher kann der Kläger sich nicht mit Erfolg darauf berufen, der Beitrag für vergleichbar genutzte Nachbargrundstücke sei erheblich geringer, denn diese Grundstücke haben entsprechend geringere Flächen.

Der Beitragsmaßstab des § 6 ABS differenziert auch zutreffend nach der Art der Nutzbarkeit der bevorteilten Grundstücke. Danach wird die Grundstücksfläche, die baulich, gewerblich, industriell oder vergleichbar nutzbar ist, mit dem Vervielfältiger 1,0 berücksichtigt, für sonstig nutzbare Flächen ist – von bestimmten Sonderfällen abgesehen – ein Vervielfältiger von 0,05 vorgesehen. Gegen diese Abstufung der Vorteile bestehen keine Bedenken (vgl. Senatsbeschl. v. 02.07.2002 – 2 M 38/02 -, NordÖR 2002, 520). Es liegt auf der Hand, dass der Gebrauchswert eines Baugrundstücks und dessen Bebaubarkeit in einem engen Verhältnis zueinander stehen und der Gebrauchswert mit der Bebaubarkeit wächst. Eine Außenbereichsfläche, die grundsätzlich kein Bauland ist, erfährt einen geringeren Vorteil, ist aber bei der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen ebenfalls bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwandes zu berücksichtigen (Senatsurt. v. 11.02.1998, a.a.O.). Diese Unterschiede sind auch auf einem Grundstück zu beachten.

Auch im Straßenbaubeitragsrecht gilt der bürgerlich-rechtliche Grundstücksbegriff. Dies bedeutet aber nicht, dass die gesamte Grundstücksfläche beitragsrechtlich einheitlich zu behandeln ist. Beschränken sich die Vorteilswirkungen einer Ausbaumaßnahme eindeutig auf eine oder mehrere Teilflächen eines (Buch-)Grundstücks, so nehmen ausnahmsweise nur diese Teilflächen des Grundstücks an der Aufwandsverteilung teil (Senatsurt. v. 11.02.1998 - 2 L 136/96 -, Die Gemeinde 1998, 220). Wird ein Grundstück auf Teilflächen unterschiedlich genutzt oder ist es unterschiedlich nutzbar, so sind die Teilflächen unterschiedlich zu gewichten. Das findet seinen Ausdruck z.B. in der Tiefenbegrenzung, die darauf abstellt, dass nur die Fläche bis zu dieser Grenze Bauland und die Fläche dahinter als Nicht-Bauland im geringeren Maße bevorteilt ist. Mit einer solchen Satzungsbestimmung soll im Interesse der Rechtssicherheit und Verwaltungspraktikabilität ausgeschlossen werden, in jedem Einzelfall prüfen zu müssen, bis zu welcher Tiefe ein Grundstück Baulandqualität besitzt (Senatsurt. v. 26. 05 1999 - 2 K 23/97 -, Die Gemeinde 1999, 185, zum Anschlussbeitragsrecht).

Da die Tiefenbegrenzungsregelung sachlich an die Abgrenzung zwischen bebaubarem und höher bevorteiltem Vorderland und nicht baulich nutzbarem und damit geringer bevorteiltem Hinterland anknüpft und somit zugleich auch die für die bauliche Nutzung des Grundstücks maßgebliche Erschließungssituation berücksichtigt, kann sich die Tiefenbegrenzungslinie nur auf den Abstand zur Anbaustraße beziehen (Klausing in: Driehaus, KAG, § 8 Rdnr. 1030a m.w.N.), und zwar in einem lotrecht gemessenen gleichen Abstand von der Grenze, die das Grundstück von der Straße trennt (Thiem/Böttcher, a.a.O., Rdnr. 594).“

[…]

Aufgrund der Lage des veranlagten Grundstücks zur ausgebauten Straße ist die Abgrenzung zwischen Bauland und geringer bevorteilter Fläche nicht im Hinblick auf die Grundstückstiefe vorzunehmen, sondern hinsichtlich der seitlichen Ausdehnung des Grundstücks in ostwärtige Richtung. Dafür enthält die Satzung keine pauschalierende Regelung. § 6 Abs. 2 Nr. 2 Satz 7 ABS ist darauf auch nicht analog anwendbar. Eine abstrakt-generelle Festlegung einer „Seitenbegrenzungslinie“ scheidet aus, denn anders als bei der Festlegung der Tiefenbegrenzung in der Satzung gibt es für eine ortsübliche Breite der baulichen Nutzung der so betroffenen Grundstücke keine sachlichen Anhaltspunkte (Klausing, a.a.O., Rdnr. 1031b m.w.N.).“

Danach soll zum Einen mit einer Tiefenbegrenzungsregelung im Interesse der Rechtssicherheit und Verwaltungspraktikabilität ausgeschlossen werden, in jedem Einzelfall prüfen zu müssen, bis zu welcher Tiefe ein Grundstück Baulandqualität besitzt. Zum Anderen gibt es im Beitragsrecht keine Gerechtigkeit im Einzelfall, sondern lediglich eine Typengerechtigkeit, d.h. ein Abstellen auf Regelfälle eines Sachverhalts und deren gleichartige Behandlung. Eine Einzelfallbetrachtung ist erst dann vorzunehmen, wenn eine Tiefenbegrenzungsregelung im konkreten Fall nicht vorhanden ist oder keine Anwendung findet (z.B. bei einem Grundstück mit geringer Tiefe aber erheblicher Breite). So liegt der Fall hier jedoch nicht. Vielmehr handelt es sich vorliegend um die typische Fallkonstellation der Verschiebung der Tiefenbegrenzungslinie aufgrund darüber hinausgehender baulicher Nutzung. Vorliegend ist eine Tiefenbegrenzung von 50 Metern - bei Anliegergrundstücken gemessen von der Straßengrenze aus - satzungsrechtlich geregelt; die Linie hat sich aufgrund der tatsächlich vorhandenen Bebauung (also Nutzung) durch eine Maschinenhalle im rückwärtigen Bereich des einheitlichen Buchgrundstücks mit einer Größe von xxxx m² in den westlichen Bereich nach hinten verschoben, weshalb als Folgewirkung auch der südliche Bereich aufgrund der von der Rechtsprechung anerkannten lotrechten Messung ab der ausgebauten Straße aus der für den Kläger günstigeren Vervielfältigung mit dem Faktor 0,03 herausfällt. Für eine weitere, daneben stehende Einzelfallbetrachtung in südlicher Richtung ist daneben kein Raum.

Diese Situation ist in der Ortslage V... auch nicht untypisch, wie sich z.B. an den gegenüberliegenden Buchgrundstücke „Lindenallee xx“ (Flurstück xx, Flur x, Gemarkung V...) oder „Lindenallee xx“ (Flurstück xx, Flur x, Gemarkung V...) zeigt (vgl. Kartenmaterial Beiakte A). Zu den sog. Fortadörfern hat die Beklagte plausibel vorgetragen; dem ist Nichts hinzuzufügen.

Aufgrund der Mehrfacherschließung des Grundstücks hat die Beklagte auch entsprechend § 6 Abs. 5 SBBS 2013 den Beitrag um 1/3 reduziert.

Die abgerechneten Maßnahmen waren mit der Abnahme der Bauarbeiten am 17.12.2008 abgeschlossen, so dass grundsätzlich die sachliche Beitragspflicht zu diesem Zeitpunkt entstehen konnte (vgl. § 8 Abs. 4 S. 3 KAG, § 7 SBBS 2013). Wie bereits ausgeführt, ist die sachliche Beitragspflicht vorliegend aber erst mit der später, nämlich am 28.12.2013 öffentlich bekannt gemachten Widmung der „Lindenallee“ erfolgt.

Soweit der Kläger im Zusammenhang mit der sachlichen Beitragspflicht anführt, dass diese noch nicht entstanden sei, da die Baumaßnahme nicht dem beschlossenen Bauprogramm entspreche, kann dem nicht gefolgt werden.

Mit dem Bauprogramm bestimmt die Gemeinde die räumliche Ausdehnung und den Umfang einer Straßenausbaumaßnahme und damit all das, was im Einzelfall für die Herstellung, den Ausbau oder Umbau sowie für die Erneuerung der Einrichtung erforderlich ist, nach ihrem Ermessen. Ein Bauprogramm geht daher über eine bloße Bekundung der Absicht, eine bestimmte Einrichtung in der Zukunft auszubauen, hinaus und hat einen hinreichenden gestalterischen Detaillierungsgrad aufzuweisen, anhand dessen später auch festgestellt werden kann, zu welchem Zeitpunkt die Verwirklichung des Bauprogramms abgeschlossen ist und sachliche Beitragspflichten entstanden sind. Lassen sich keine eindeutigen abweichenden Festlegungen der Gemeinde feststellen, ist davon auszugehen, dass der Umfang der konkret in Auftrag gegebenen und durchgeführten Arbeiten das zugrunde liegende Bauprogramm wiedergibt. Das Bauprogramm wird durch die Ausbauplanung bestimmt, soweit diese von dem dazu berufenen Gremium beschlossen oder jedenfalls gebilligt wurde. Es bedarf keiner förmlichen Festlegung durch Satzung oder Beschluss, es kann sich auch aus Vergabebeschlüssen auf der Grundlage von Ausbauplänen ergeben, wobei aber Unklarheiten zu Lasten der Gemeinde gehen. Das Bauprogramm kann nur bis zu seiner Verwirklichung, d.h. vor Entstehung der sachlichen Beitragspflicht geändert werden, eine Änderung hat die Zuständigkeit des insoweit zur Willensbildung berufenen Gremiums zu wahren und in einer Form zu erfolgen, die mindestens den Grad der rechtlichen Verfestigung aufweist wie die vorhergehende Entscheidung über das Bauprogramm (OVG Schleswig, Urteil vom 21.10.2009 - 2 LB 14/09 -).

Nach diesen Maßstäben ist das maßgebliche Bauprogramm hier der vom Stadtrat genehmigte Beschluss vom 19.08.2008. Dieses ist hinreichend detailliert; es ergibt sich im Einzelnen, welche Teileinrichtungen in welchem Umfang und in welcher Ausgestaltung erneuert/ausgebaut werden sollten (Bl. 186 bis 217 Beiakte A). Der Beklagte hat in seiner Klagerwiderung hierzu noch einmal ausführlich vorgetragen, auch zu etwaigen nicht die „Lindenallee“ betreffenden weiteren Maßnahmen, deren Kosten vorliegend aber nicht eingestellt worden seien. Diesem Vortrag ist der Kläger nicht entgegen getreten. Das Gericht hat auch keinen Anlass zu Zweifeln an der Maßnahmedurchführung entsprechend des Bauprogramms.

Der Kläger als Eigentümer des Grundstücks ist zudem persönlich Beitragspflichtig, § 8 Abs. 5 KAG, § 3 SBBS 2013.

Danach war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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