Schleswig-Holsteinisches OVG, Beschluss vom 11.05.2016 - 4 O 12/16
Fundstelle
openJur 2016, 10170
  • Rkr:

1. Der Verlust der Staatsangehörigkeit infolge einer erfolgreichen Anfechtung der Ehelichkeit (jetzt: Anfechtung der Vaterschaft) ergibt sich aus der Anwendung zweier ungeschriebener Rechtsregeln. Zugrunde liegen erstens die Annahme der Rückwirkung der erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung auf den Zeitpunkt der Geburt und zweitens die Annahme, dass das Staatsangehörigkeitsrecht in vollem Umfang den familienrechtlichen Abstammungsvorschriften folgt, so dass die staatsangehörigkeitsrechtlichen Erwerbsvoraussetzungen einheitlich mit der Vaterschaft rückwirkend entfallen (BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 -, juris Rn. 82).

2. Hat ein Kind gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 RuStAG bzw. § 4 Abs. 1 Satz 1 StAG in Verbindung mit den für die Elternschaft maßgebenden zivilrechtlichen Bestimmungen die deutsche Staatsangehörigkeit erworben, so ist es gegen den Verlust dieser Staatsangehörigkeit nach Maßgabe des Art. 16 Abs. 1 GG geschützt (BVerfG, Urteil vom 24. Mai 2006 - 2 BvR 669/04 -, juris Rn. 54; Beschluss vom 24. Oktober 2006 - 2 BvR 696/04 - , juris Rn. 15).

3. Die Rechtsregeln, aus denen sich auf der Grundlage einer erfolgreichen Anfechtung der Ehelichkeit der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit ergibt, könnten insofern gegen Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen, als dem über die Anfechtung entscheidenden Gericht weder aufgegeben noch ermöglicht ist, Rücksicht darauf zu nehmen, ob das betroffene Kind infolge der Anfechtung staatenlos wird.

4. Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG verlangt zur Legitimierung eines unfreiwilligen Verlusts der Staatsangehörigkeit eine gesetzliche Grundlage. Dem genügen die Regelungen über die Anfechtung der Ehelichkeit möglicherweise nicht, weil der Umstand, dass die Staatsangehörigkeit infolge der Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft wegfällt, nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts – 9. Kammer – vom 21. März 2016 geändert:

Dem Kläger wird für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt … aus B-Stadt zu den Bedingungen eines in Schleswig-Holstein (Bezirk des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts) niedergelassenen Rechtsanwalts beigeordnet.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Der Kläger wurde am 30. Oktober 1996 als eheliches Kind der ukrainischen Staatsangehörigen X. und des deutschen Staatsangehörigen XXX. geboren. Auf die Anfechtung der Ehelichkeit  durch  Herrn A.  stellte  das  Amtsgericht  B-Stadt-Wandsbek  mit  Urteil  vom 6. Mai 1997 – 714a C 379/96 – fest, dass dieser nicht der Vater des Klägers ist. Mit Urteil vom 25. Februar 2000 – 712a C 269/98 – wurde die Vaterschaft des rumänischen Staatsangehörigen XXX festgestellt.

Der Beklagte verweigerte dem Kläger die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises. Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die hiergegen erhobene Klage abgelehnt. Im Fall der Vaterschaftsanfechtung durch den rechtlichen Vater bestehe eine hinreichende Gesetzesgrundlage für den damit verbundenen rückwirkenden Verlust der Vaterschaft, da kein gezielter Eingriff einer Behörde vorliege.

Mit der Beschwerde macht der Kläger geltend, ein Eingriff in Art. 16 Abs. 1 GG könne nicht deshalb verneint werden, weil der Verlust der Staatsangehörigkeit als bloße Nebenfolge eintrete.

II.

Die Beschwerde ist begründet. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen vor (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg. Es kommt ernsthaft in Betracht, dass der ablehnende Bescheid rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Kläger hat möglicherweise einen Anspruch auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit und Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 StAG.

Der Kläger ist mit der Geburt deutscher Staatsangehöriger geworden. Nach der für ihn anwendbaren Bestimmung des § 4 Abs. 1 Satz 1 RuStAG (jetzt § 4 Abs. 1 Satz 1 StAG) erwirbt ein Kind durch die Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Die deutsche Staatsangehörigkeit des Klägers leitete sich von dem deutschen Ehemann seiner Mutter ab, da die Nichtehelichkeit gemäß § 1593 BGB a.F. (vgl. jetzt § 1592 Nr. 1 BGB) nicht geltend gemacht werden konnte. Ergibt sich aus der Familienrechtsordnung des Bürgerlichen Gesetzbuches eine abschließende Statusregelung einer familienrechtlichen Beziehung, so ist daran auch dann anzuknüpfen, wenn andere Gesetze – auch auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts – darauf Bezug nehmen, ohne ihrerseits eine besondere Regelung zu treffen (BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 – 5 C 12/09 –, juris Rn. 14). Dies gilt insbesondere für § 1593 BGB a.F. (BVerwG, Urteil vom 29. Februar 1968 – VIII C 82.67 –, juris Rn. 9, 11).

Es ist zweifelhaft, ob die deutsche Staatsangehörigkeit des Klägers dadurch beseitigt worden ist, dass der Ehemann der Mutter die Ehelichkeit erfolgreich angefochten hat.

8Weder im Familienrecht noch im Staatsangehörigkeitsrecht findet sich eine gesetzliche Regelung, die den Verlust der Staatsangehörigkeit infolge einer erfolgreichen Anfechtung der Ehelichkeit (jetzt: Anfechtung der Vaterschaft) anordnet. In der Aufzählung der Verlustgründe in § 17 RuStAG ist diese Verlustform nicht enthalten (ebenso wenig nunmehr in § 17 Abs. 1 StAG). Der Wegfall ergibt sich vielmehr aus der Anwendung zweier ungeschriebener Rechtsregeln. Zugrunde liegen erstens die Annahme der Rückwirkung der erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung auf den Zeitpunkt der Geburt und zweitens die Annahme, dass das Staatsangehörigkeitsrecht in vollem Umfang den familienrechtlichen Abstammungsvorschriften folgt, so dass die staatsangehörigkeitsrechtlichen Erwerbsvoraussetzungen einheitlich mit der Vaterschaft rückwirkend entfallen (BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 1 BvL 6/10 –, juris Rn. 82).

9Diese Rechtsregeln sind am Maßstab des Art. 16 Abs. 1 GG zu messen. Hat nämlich ein Kind gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 RuStAG bzw. § 4 Abs. 1 Satz 1 StAG in Verbindung mit den für die Elternschaft maßgebenden zivilrechtlichen Bestimmungen die deutsche Staatsangehörigkeit erworben, so ist es gegen den Verlust dieser Staatsangehörigkeit nach Maßgabe des Art. 16 Abs. 1 GG geschützt. Gesetzliche Vorschriften oder sonstige Rechtsakte, die eine einmal wirksam erworbene deutsche Staatsangehörigkeit in Wegfall zu bringen beanspruchen, entgehen der Prüfung am Maßstab des Art. 16 Abs. 1 GG nicht dadurch, dass der Wegfall rückwirkend zum Erwerbszeitpunkt vorgesehen ist und die Staatsangehörigkeit danach von einem ex-post-Standpunkt aus als nie erworben erscheint. Genügte der Umstand, dass ein Wegfall der Staatsangehörigkeit rückwirkend zum Zeitpunkt des Erwerbs eintritt, um die Vorgaben des Art. 16 Abs. 1 GG unanwendbar zu machen, so liefe der Schutz des Grundrechts ganz unabhängig davon, wie es im Übrigen interpretiert wird, gegenüber jeder gesetzlichen Regelung leer, die eine Wegnahme der Staatsangehörigkeit ex tunc vorsieht oder ermöglicht. Das Grundrecht könnte dann selbst gegen Maßnahmen nicht mehr schützen, die im Kern seiner historischen Schutzrichtung liegen (BVerfG, Urteil vom 24. Mai 2006 – 2 BvR 669/04 –, juris Rn. 54; Beschluss vom 24. Oktober 2006 – 2 BvR 696/04 –, juris Rn. 15).

10Der Schutz des Art. 16 Abs. 1 GG entfällt auch nicht deshalb, weil für den Kläger gemäß Art. 224 § 1 Abs. 1 EGBGB noch das früher geltende Abstammungsrecht anzuwenden ist, nach dem sich die Ehelichkeit des in der Ehe geborenen Kindes und demgemäß auch die Vaterschaft für dieses Kind auf Rechtsvermutungen gründete. Daraus folgt nicht, dass eine deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes, soweit sie auf dieser Vaterschaft beruht, mit einem unter Umständen fiktiven Charakter der zugrundeliegenden Vermutungen mittelbar infiziert und insoweit selbst als nur scheinbare dem Schutzbereich des Art. 16 Abs. 1 GG von vornherein entzogen wäre. Mit der rechtskräftigen Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft soll eine auf ihr beruhende deutsche Staatsangehörigkeit entfallen, von der nach den maßgebenden einfachgesetzlichen Vorschriften zunächst auszugehen war. Aus der verfassungsrechtlich maßgeblichen Perspektive handelt es sich daher um einen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit, der dem Schutzbereich des Art. 16 Abs. 1 GG unterfällt (BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2006, a.a.O. Rn. 13).

11Zu Recht ist das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Verletzung von Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG nicht vorliegt. Nach dieser Grundrechtsnorm darf die deutsche Staatsangehörigkeit nicht entzogen werden. Entziehung ist jede Verlustzufügung, die die Funktion der Staatsangehörigkeit als verlässliche Grundlage gleichberechtigter Zugehörigkeit beeinträchtigt. Eine Beeinträchtigung der Verlässlichkeit und Gleichheit des Zugehörigkeitsstatus liegt insbesondere in jeder Verlustzufügung, die der Betroffene nicht oder nicht auf zumutbare Weise beeinflussen kann (BVerfG, Urteil vom 24. Mai 2006, a.a.O. Rn. 49 f.). Die Bestimmungen über die Anfechtung der Ehelichkeit bzw. Vaterschaft ermöglichen eine Korrektur der kindschaftsrechtlichen Zuordnung des in einer Ehe geborenen Kindes, wenn sie dem biologischen Abstammungsverhältnis nicht entspricht; sie sind allgemeiner Natur, frei von irgendeinem diskriminierenden Gehalt und betreffen in ihren Auswirkungen die Staatsangehörigkeit – soweit diese überhaupt betroffen ist – nur als eines von vielen an die Elternschaft anknüpfenden Rechtsverhältnissen. Die Verbindung, die das Staatsangehörigkeitsrecht zu diesen Regelungen mittelbar herstellt, indem es, seinerseits diskriminierungsfrei, den Geburtserwerb der deutschen Staatsangehörigkeit an die deutsche Staatsangehörigkeit mindestens eines Elternteils knüpft, läuft von daher dem Sinn und Zweck des Entziehungsverbots des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG nicht zuwider. Insbesondere wird die für die Integrationsfunktion der Staatsangehörigkeit zentrale gesicherte Gleichheit des Zugehörigkeitsstatus aller Staatsangehörigen in keiner Weise in Frage gestellt (BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2006, a.a.O. Rn. 20). Der Grundsatz, wonach es darauf ankommt, ob der Betroffene selbst den Verlust der Staatsangehörigkeit beeinflussen kann, ist bei der hiesigen Ausgangslage nicht anwendbar. Eine Beeinträchtigung der deutschen Staatsangehörigkeit in ihrer Bedeutung als verlässliche Grundlage gleichberechtigter Zugehörigkeit kommt nicht in Betracht, wenn Staatsangehörige in einem Alter, in dem sie normalerweise noch kein eigenes Bewusstsein ihrer Staatsangehörigkeit und kein eigenes Vertrauen auf deren Bestand entwickelt haben, nach Maßgabe der geltenden einfachgesetzlichen Vorschriften von einem durch erfolgreiche Vaterschaftsanfechtung bedingten Wegfall der Staatsangehörigkeit betroffen werden oder betroffen werden können (BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2006, a.a.O. Rn. 19). So verhält es sich im Fall des Klägers, der zum Zeitpunkt der gerichtlichen Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft des Ehemannes seiner Mutter etwa sechs Monate alt war. Die damals geltenden einfachgesetzlichen Bestimmungen schlossen zwar  einen durch erfolgreiche Anfechtung der Vaterschaft bedingten Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit auch in einem Alter, in dem sich die Frage stellt, ob die Verlässlichkeit des Staatsangehörigkeitsstatus beeinträchtigt sein könnte, nicht aus (anders nunmehr § 17 Abs. 3 StAG). Es gibt jedoch keinen Verfassungsgrundsatz, nach dem die Anwendung gesetzlicher Regelungen auch in materiell-verfassungsrechtlich eindeutig unproblematischen Fällen allein deshalb ausgeschlossen wäre oder gesetzliche Regelungen allein deshalb insgesamt verfassungswidrig wären, weil eine verfassungsrechtliche Grenze, die die Anwendung in besonderen Einzelfällen ausschließen kann, nicht durch die Regelungen selbst ausdrücklich bestimmt ist. In dem damaligen Fehlen einer einfachgesetzlichen Regelung, die für den anfechtungsbedingten Wegfall der Staatsangehörigkeit eine Altersgrenze setzt, liegt auch kein Bestimmtheitsmangel, der die zu diesem Wegfall führenden gesetzlichen Vorschriften insgesamt verfassungswidrig und einer verfassungskonform begrenzenden Auslegung im Bedarfsfall unzugänglich machte (BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 2006, a.a.O. Rn. 27 f.).

Dagegen kann der Klage hinsichtlich einer möglichen Verletzung von Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG die Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden.

13Die oben beschriebenen Rechtsregeln, aus denen sich auf der Grundlage einer erfolgreichen Anfechtung der Ehelichkeit der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit ergibt, könnten insofern verfassungswidrig sein, als dem über die Anfechtung entscheidenden Gericht weder aufgegeben noch ermöglicht ist, Rücksicht darauf zu nehmen, ob das betroffene Kind infolge der Anfechtung staatenlos wird. Nach Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG darf der Verlust der Staatsangehörigkeit gegen den Willen der Betroffenen nur dann eintreten, wenn diese dadurch nicht staatenlos werden. Welche Auswirkungen der Wegfall der deutschen Staatsangehörigkeit für die weitere Staatsangehörigkeit des Kindes hat, bestimmt sich nach ausländischem Staatsangehörigkeitsrecht. Das deutsche Recht kann Erwerb, Fortbestand oder Wiederaufleben der mütterlich vermittelten ausländischen Staatsangehörigkeit nicht steuern. Eine Rechtfertigung der Inkaufnahme von Staatenlosigkeit kommt nicht in Betracht. Der Wortlaut des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG sieht abgesehen vom Willenskriterium keine weitere Einschränkung des Verbots der Inkaufnahme von Staatenlosigkeit vor; das Staatenlosigkeitsverbot ist strikt formuliert (BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013, a.a.O. Rn. 77). Zwar wurde in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Inkaufnahme der Staatenlosigkeit im Fall der Rücknahme einer durch bewusst falsche Angaben erwirkten rechtswidrigen Einbürgerung für verfassungsrechtlich zulässig gehalten. Wegen des strikt formulierten Verbots des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG ist jedoch bei einer Weiterung der für den Rücknahmefall angestellten Rechtfertigungsüberlegungen auf andere Konstellationen äußerste Zurückhaltung geboten (BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013, a.a.O. Rn. 78). In der hier zu beurteilenden Konstellation greifen die zur Rücknahme einer durch Täuschung erschlichenen Einbürgerung angestellten Erwägungen jedenfalls nicht. Dort stand im Zentrum, dass sich die Betroffenen über die Rechtsordnung hinweggesetzt und durch willentliche Täuschung eine rechtswidrige Einbürgerung erreicht haben. Im Fall der Anfechtung der Ehelichkeit liegen die Dinge anders. Durch die Eheschließung haben sich die Eltern weder über die Rechtsordnung hinweggesetzt, noch haben sie irgendjemanden über irgendetwas getäuscht, noch haben sie eine rechtswidrige Entscheidung herbeigeführt. Vor allem aber treten hier der Verlust der Staatsangehörigkeit und damit gegebenenfalls die Staatenlosigkeit beim Kind ein, das selbst an der Erlangung der Staatsangehörigkeit nicht aktiv beteiligt war. Anders als im Anwendungsbereich von Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG ist es angesichts des klaren Verbots der Inkaufnahme von Staatenlosigkeit im Fall des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG nicht möglich, dem Kind ein Verhalten der Eltern zuzurechnen (BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013, a.a.O. Rn. 80).

14Darüber hinaus verstoßen die angeführten Rechtsregeln möglicherweise gegen den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts. Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG verlangt zur Legitimierung eines unfreiwilligen Verlusts  der  Staatsangehörigkeit eine gesetzliche Grundlage. Der Verlust der Staatsangehörigkeit ist so bestimmt zu regeln, dass die für den Einzelnen und für die Gesellschaft gleichermaßen bedeutsame Funktion der  Staatsangehörigkeit als verlässliche Grundlage gleichberechtigter Zugehörigkeit nicht beeinträchtigt wird (BVerfG, Urteil vom 24. Mai 2006, a.a.O. Rn. 75; Beschluss vom 17. Dezember 2013, a.a.O. Rn. 80). Dem genügen die Regelungen über die Anfechtung der Ehelichkeit möglicherweise nicht, weil der Umstand, dass die Staatsangehörigkeit infolge der Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft wegfällt, nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist. Damit läge zugleich ein Verstoß gegen das Zitiergebot vor (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG). Zwar hat die staatsangehörigkeitsrechtliche Wirkung der erfolgreichen Anfechtung im Februar 2009 mittelbar Niederschlag im Gesetz gefunden, indem der Gesetzgeber in § 17 Abs. 2 und 3 StAG für den Staatsangehörigkeitsverlust drittbetroffener Kinder eine Altersgrenze festgesetzt hat. Diese Bestimmung impliziert, dass die Anfechtung zum Verlust der Staatsangehörigkeit führt. Den strengen Anforderungen, die der Gesetzesvorbehalt an die Regelung der Staatsangehörigkeit stellt, dürfte diese nur mittelbare Regelung jedoch nicht genügen (BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 2013, a.a.O. Rn. 83).

Zwar hat das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2006 eine Verfassungsbeschwerde in einem vergleichbaren Fall nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 24. Oktober 2006, a.a.O.). Daraus ergibt sich jedoch kein Widerspruch, denn jene Entscheidung betraf ausschließlich die Frage einer Verletzung von Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG.

Der Kläger kann nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen.

Die Kostenentscheidung folgt aus Nr. 5502 KV GKG bzw. § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).