OLG Hamburg, Urteil vom 21.10.2015 - 1 U 196/14
Fundstelle
openJur 2016, 10074
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 3, vom 02.09.2014, 303 O 29/14, abgeändert und wie folgt neugefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 11.160,78 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf diesen Betrag seit dem 01.10.2013 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 76% und die Beklagte 24%.

3. Das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 3, vom 02.09.2014, 303 O 29/14, und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

I.

Der klagende Insolvenzverwalter fordert von der beklagten gesetzlichen Krankenkasse nach insolvenzrechtlicher Anfechtung die Rückgewähr von Arbeitnehmeranteilen auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge (nachfolgend die "Arbeitnehmerbeiträge"), welche die zur Begründung von Masseverbindlichkeiten befugte vorläufig eigenverwaltende ... GmbH während eines sog. Schutzschirmverfahrens (§§ 270 ff InsO) abgeführt hatte.

Die ... GmbH (nachfolgend die "Schuldnerin") betrieb die Entwicklung und den Vertrieb von Computerspielen, insbesondere hochwertiger 3D-Spiele für Handys und Smart-Phones. Die Schuldnerin beschäftigte zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung 75 Arbeitnehmer, welche u. a. bei der Beklagten versichert waren.

Am 24.07.2013 stellte die Schuldnerin beim Amtsgericht Hamburg einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen (Anlage K1). Dieser war verbunden mit einem Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung gemäß §§ 270 ff. InsO und dem Antrag, einen vorläufigen Sachwalter zu bestellen. Ferner beantragte die Schuldnerin, ermächtigt zu werden, Masseverbindlichkeit begründen zu dürfen. Mit Beschluss vom 24.07.2013 bestellte das Amtsgericht Hamburg den Kläger zum vorläufigen Sachwalter und ermächtigte die Schuldnerin unter Verweis auf §§ 270 b Abs. 3, 55 Abs. 2 InsO Verbindlichkeiten zu begründen, die im Falle einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeiten gelten (Anlage K2).

Mit Fax-Anschreiben vom 29.07.2013 setzte die Schuldnerin die Beklagte über die Insolvenzantragsstellung und den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 24.07.2013 in Kenntnis. In dem Schreiben wird darauf hingewiesen, dass die Arbeitnehmerbeiträge bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unter Vorbehalt gezahlt würden. Anschließend zahlte die Schuldnerin per Überweisung für die Monate Juli, August und September 2013 die Arbeitnehmerbeiträge der bei ihr versicherten Arbeitnehmer mit dem Hinweis "unter Anfechtungsvorbehalt" (Anläge K11) in Höhe von insgesamt € 45.913,96.

Mit Beschluss vom 01.10.2013 (Anlage K5) eröffnete das Amtsgericht Hamburg das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und ordnete die Eigenverwaltung an. Mit gleichem Beschluss bestellte das Amtsgericht Hamburg den Kläger zum Sachwalter. Mit Schreiben vom 11.11.2013 erklärte der Kläger in seiner damaligen Funktion als Sachwalter gegenüber der Beklagten die Anfechtung der oben erwähnten Zahlungen nach Maßgabe des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO und forderte die Erstattung auf das Geschäftskonto der Schuldnerin bei der Deutschen Bank AG (Anlage K6). Mit Schreiben vom 27.11.2013 wies die Beklagte das Begehren des Klägers zurück (Anlage K7).

Durch Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 03.12.2013 wurde die Anordnung der Eigenverwaltung auf Antrag der Schuldnerin aufgehoben und der Kläger zum Insolvenzverwalter ernannt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des unstreitigen und streitigen Sachverhaltes und der Anträge erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage im Wesentlichen zugesprochen. Das Landgericht hat ausgeführt, dass dem Kläger ein Rückgewähranspruch in Höhe von € 45.913,96 zustünde, da er sich mit Erfolg auf den Anfechtungsgrund des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO berufen könne. Die angefochtenen Zahlungen der Arbeitnehmerbeiträge hätten das Vermögen der Schuldnerin gemindert. Bei der Beklagten handele es sich um eine Insolvenzgläubigerin, da es sich bei den Zahlungen der Arbeitnehmerbeiträge nicht um Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 2 InsO, sondern nach Maßgabe des § 55 Abs. 3 Satz 2 InsO um Insolvenzforderungen handele. § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO sei auch anwendbar, weil ein Eröffnungsantrag im Sinne des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 13 InsO vorläge; § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO verweise ausdrücklich auf die allgemeinen Vorschriften. Es läge kein Bargeschäft vor, da die Schuldnerin mit der Beklagten weder eine Vereinbarung getroffen noch eine Gegenleistung von ihr erhalten habe.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten.

Die Beklagte wendet gegen die Ausführungen des Landgerichts ein: Die Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO seien nicht gegeben. Das Landgericht hätte keine objektive Gläubigerbenachteiligung annehmen dürfen, da die Arbeitnehmerbeiträge nach § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV dem Vermögen der Arbeitnehmer zuzurechnen seien. Ferner läge kein Eröffnungsantrag im Sinne des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO vor, da ein Antrag im Rahmen eines Schutzschirm-Verfahrens als eigenständiges Sanierungsverfahren im Wege der teleologischen Reduktion nicht ein Eröffnungsantrag im Sinne dieser Vorschrift darstelle. Des Weiteren lägen keine Zahlungen auf Insolvenzforderungen, sondern auf Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO vor. Die Masseverbindlichkeiten seien auch nicht aufgrund der Anwendung des § 55 Abs. 3 InsO als Insolvenzforderungen einzuordnen. § 55 Abs. 3 InsO fände im Schutzschirmverfahren nach §§ 270 ff InsO keine Anwendung, da § 270b Abs. 3 Satz 2 InsO lediglich auf § 55 Abs. 2 InsO und nicht auf § 55 Abs. 3 InsO verweise. Auch habe das Landgericht die Voraussetzungen des § 175 Abs. 1 SGB III nicht geprüft, die hier nicht erfüllt seien. Schließlich läge ein Bargeschäft im Sinne des § 142 InsO vor, das eine Anfechtung nach § 130 InsO ausschließe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 19.09.2014 (303 O 29/14) aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass im Rahmen des § 130 Abs. 1 InsO eine hypothetische Betrachtung dahingehend anzustellen sei, welchen Rang eine Forderung ohne die angefochtene Rechtshandlung gehabt hätte. Hätte die Schuldnerin die Arbeitnehmerbeiträge nicht beglichen, wären diese jedoch mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens Insolvenzforderungen gewesen. Der Beklagten hätte auch nicht freigestanden, ein Wahlrecht dahingehend auszuüben, ob sie die Forderung als Masseverbindlichkeiten geltend macht oder nicht. Vielmehr bestimmt § 55 Abs. 3 Satz 2 InsO, dass sie ihre Forderung als Insolvenzforderung zu Tabelle anzumelden hat.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze einschließlich Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlungen vom 28.05.20015 verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet.

1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte zunächst ein Anspruch auf anteilige Rückgewähr der durch die am 30.07.2013 per Überweisung gezahlten Arbeitnehmerbeiträge nach erfolgreicher Anfechtung gemäß §§ 143 Abs. 1, 140 Abs. 1, 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2, 129 Abs. 1 InsO i.V.m. §§ 818 Abs. 2, 819 BGB in Höhe von € 11.160,78 zu; der Anspruch umfasst die Arbeitnehmerbeiträge, die auf den vor dem Eröffnungsverfahren liegenden Zeitraum vom 01. bis zum 23.07.2013 entfallen.

Die Anfechtungsvoraussetzungen des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO sind gegeben. Gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die einem Insolvenzgläubiger eine Befriedigung gewährt hat, wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung den Eröffnungsantrag kannte.

a) Die angefochtene Rechtshandlung, die Überweisung der Arbeitnehmerbeiträge am 30.07.2013 über insgesamt € 11.160,78, war gemäß § 129 Abs. 1 InsO objektiv gläubigerbenachteiligend. Sie erfolgte - dies wird von der Beklagten in der Berufung nicht mehr bestritten - von dem für die Schuldnerin bei der Hamburger Volksbank eG geführten Konto (Anlage K 11). Die Befriedigungsmöglichkeit der weiteren Gläubiger der Schuldnerin wurde beeinträchtigt, da die mit der Abbuchung einhergehende Minderung des Kontoguthabens das Aktivvermögen der Schuldnerin schmälerte. Entgegen der Ansicht der Beklagten kann die Zahlung der Arbeitnehmerbeiträge nach gefestigter Rechtsprechung des BGH ungeachtet der Regelung des § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV als Rechtshandlung des Arbeitgebers im Insolvenzverfahren über dessen Vermögen als mittelbare Zuwendung an die Einzugsstelle angefochten werden, da diese Vorschrift der Annahme einer Gläubigerbenachteiligung im Sinn des § 129 Abs. 1 InsO nicht entgegen steht (vgl. BGH, Urteil vom 05.11.2009, IX ZR 233/08, Rn. 13, bestätigt durch BGH, Urteil vom 07.04.2011, IX ZR 118/10, Rn. 2). Der von der Beklagten zitierte Aufsatz, Geiger, NZI 2014, 644, führt insoweit keine neuen Argumente an.

b) Durch die angefochtene Rechtshandlung, die Überweisung der Arbeitnehmerbeiträge für den Beitragsmonat Juli 2013, erlangte die Beklagte Befriedigung im Sinne des § 130 Abs. 1 InsO hinsichtlich ihres Anspruchs auf die Arbeitnehmerbeiträge für den Monat Juli 2013 (§ 362 Abs. 1 BGB).

c) Die streitgegenständliche Rechtshandlung, die Überweisung der Arbeitnehmerbeiträge für den Beitragsmonat Juli 2013, erfolgte am 30.07.2013 und damit i.S. des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO nach dem von der Schuldnerin mit Schreiben vom 24.07.2013 (Anlage K 1) gestellten Eröffnungsantrag. Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass das Schreiben der Schuldnerin vom 24.07.2013 (Anlage K 1) ein Eröffnungsantrag im Sinne des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO ist und der Anwendungsbereich dieser Vorschrift nicht teleologisch zu reduzieren sei.

Zunächst stellte die Schuldnerin in Ziffer 1 des Schreibens vom 24.07.2013 (Anlage K 1) ausdrücklich einen Antrag auf Insolvenzverfahrenseröffnung, der mit einem Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung nach § 270b InsO verbunden war. Dieser Eröffnungsantrag ist auch nicht ein anderer, als jener in § 13 InsO oder jener, der in § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO vorausgesetzt wird (ebenso vgl. OLG Dresden, Urteil vom 18.06.2014, 13 U 106/14, Juris Rn. 16, LG Hamburg, Urteil vom 19.11.2014, 303 O 335/13, Juris Rn. 45). Die Ausgestaltung der Eigenverwaltung in §§ 270 ff InsO spricht hierfür nicht. § 270b Abs. 1 InsO geht davon aus, dass "der Schuldner den Eröffnungsantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gestellt und die Eigenverwaltung beantragt" hat und bezieht sich damit auf § 13 InsO, der den Begriff "Eröffnungsantrag" in seiner Überschrift führt. Aus § 280 InsO ergibt sich, dass auch im Verfahren der Eigenverwaltung und also auch im Rahmen des speziellen Schutzschirmverfahrens nach § 270b InsO eine Insolvenzanfechtung nach den Vorschriften der §§ 129 bis 147 InsO vom Gesetz vorgesehen ist, die in die Hände des Sachwalters gelegt wird. Die damit vom Gesetz vorausgesetzte Möglichkeit der Insolvenzanfechtung erstreckt sich grundsätzlich auch auf Rechtshandlungen, die während des Eröffnungsverfahrens nach den §§ 270 ff. InsO vorgenommen werden (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 18.06.2014, 13 U 106/14, Juris Rn. 11).

Entgegen der Ansicht der Beklagten besteht auch kein Bedürfnis für eine teleologische Reduktion des Tatbestandsmerkmals "Eröffnungsantrag" in § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO dergestalt, dass ein Eröffnungsantrag in Verbindung mit einem Antrag nach Eigenverwaltung im Sinne des § 270b InsO kein Eröffnungsantrag im Sinne des § 130 InsO darstellt. Weder der Sinn und Zweck des Schutzschirmverfahrens noch sein im Hinblick auf das Regelverfahren teilweise abweichende Ausgestaltung erfordern eine solche Beschränkung. Zu Recht weist das Landgericht darauf hin, dass, wenngleich bei Gläubigern durch die Wahl der Eigenverwaltung im Schutzschirmverfahren im Einzelfall ein schutzwürdiges Vertrauen in eine erfolgreiche Sanierung begründet werden mag, dies nichts an der für Gläubiger erkennbaren Ausgangssituation des Schutzschirmverfahrens ändert, nämlich der Stellung eines Eröffnungsantrag durch die Schuldnerin wegen drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung und der dadurch bedingten Erschütterung des allgemeinen Vertrauens in die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Schuldnerin. Angesichts der trotz gerichtlicher Prüfung der Gläubigerinteressen stets unsicheren Aussichten für eine Fortführung des Unternehmens bei Anordnung der Eigenverwaltung und für eine teilweise oder vollständige Begleichung der bestehenden Forderungen kann von einer von einem "normalen Insolvenzverfahren" substantiell abweichenden schutzwürdigen Vertrauenslage der Gläubiger nicht ausgegangen werden. Der wirtschaftliche Ausgang des normalen Insolvenzverfahrens wie der einer Selbstverwaltung durch die Schuldnerin ist zunächst ungewiss und rechtfertigt insoweit eine Gleichbehandlung bezüglich der Möglichkeit der Anfechtung. Soweit die Beklagte meint, dass die "automatische Anfechtungsmöglichkeit" nicht in das Leitbild einer eigenverantwortlichen vertrauensstiftende Betriebsfortführung gemäß § 270b InsO passe, vermag der Senat dem Gedanken nicht folgen. Es sind stets die Voraussetzungen der Normen §§ 129 InsO zu erfüllen und insbesondere bei Begründung einer Masseverbindlichkeit aufgrund der Ermächtigung nach § 270b Abs. 3 InsO gilt, dass die Anfechtungsmöglichkeit nach §§ 130, 131 InsO ausgeschlossen ist, da eine Anfechtung nach diesen Vorschriften als Anfechtungsgegner einen Insolvenzgläubiger nach §§ 38, 39 InsO voraussetzt. Gleiches gilt aber auch für eine Anfechtungsmöglichkeit nach § 133 InsO (siehe hierzu unter Ziffer 4).

Die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung des BGH (S. 22 der Berufungsbegründung, Bl. 140, z.B. BGH, Urteil vom 21.01.2013, IX ZR 52/10, Juris Rn. 11 und Urteil vom 12.11.1992 - IX ZR 236/91) vermag auch keine andere Würdigung zu rechtfertigen. Der aus den zitierten Entscheidungen von der Beklagten abgeleitete allgemeine Rechtssatz, dass ein "ernsthafter Sanierungsversuch der Kenntnis von (Umständen einer) Zahlungsunfähigkeit und damit einer Insolvenzanfechtung grundsätzlich entgegenstehe" kann in seiner Allgemeinheit auf eine Anfechtung nach § 130 InsO nicht angewandt werden, da die zitierten Entscheidungen zur Anfechtung einer Rechtshandlung wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung (§ 133 InsO und § 31 KO) ergingen und die Frage behandeln, wann der Vorsatz zu verneinen sei. Im Rahmen des § 130 InsO ist eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht nicht erforderlich. Es reicht auf subjektiver Seite die Kenntnis vom Eröffnungsantrag.

d) Die Forderung der Beklagten auf die Arbeitnehmerbeiträge für den Monat Juli 2013 ist, soweit sie vom 01. bis zum 23.07.2013 auf die Zeit vor dem insolvenzgerichtlichen Beschluss vom 24.07.2013 zur Ermächtigung der Schuldnerin zur Begründung von Masseverbindlichkeiten (Anlage K2) und der unstreitigen Inanspruchnahme der Leistung der Arbeitnehmer durch die Schuldnerin ab dem 24.07.2013 fällt, pro rata temporis Insolvenzforderung und die Beklagte ist diesbezüglich Insolvenzgläubigerin im Sinne des § 38 InsO. Die Schuldnerin konnte mangels Ermächtigung vor dem 24.07.2013 gemäß den §§ 270b Abs. 3 Satz 1 und Satz 2, 55 Abs. 2 InsO keine Verbindlichkeiten begründen, die im eröffneten Verfahren als Masseverbindlichkeiten gelten würden.

Die zeitliche Aufteilung der Forderungen der Beklagten gründet darin, dass sie aus bereits vor dem Eröffnungsantrag bestehenden Arbeitsverhältnissen als Dauerschuldverhältnissen resultieren und eine Einordnung als Masseverbindlichkeiten erst mit entsprechender Ermächtigung der Schuldnerin im Beschluss vom 24.07.2013 (Anlage K2) in Betracht kommt (so auch LG Hamburg, Urteil vom 19.11.2014, 303 O 335/13, Juris Rn. 53).

Offene Entgeltansprüche aus Arbeitsverhältnissen, zu denen auch die Beiträge zur Gesamtsozialversicherung gehören (vgl. Jarchow in Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 5. Aufl. 2015, § 55 Rn. 40), sind für die Zeit vor Insolvenzeröffnung Insolvenzforderungen im Sinne des § 38 InsO, § 108 InsO, und als solche nach § 130 InsO anfechtbar (vgl. Büteröwe in Schmidt, InsO, 18. Aufl., § 38 Rn. 20). Abweichend hiervon gilt der Entgeltanspruch aus einem Arbeitsverhältnis nach §§ 270b Abs. 3, 55 Abs. 2 Satz 2 InsO im eröffneten Insolvenzverfahren als Masseverbindlichkeit, sofern eine nach §§ 270b Abs. 3, 55 Abs. 2 InsO ermächtigte Schuldnerin vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aber nach Eröffnungsantrag eines Schutzschirmverfahrens die Arbeitnehmer im Rahmen der Betriebsfortführung weiter zur Arbeitsleistung heranzieht. In diesem Fall steht den Arbeitnehmern der vertragliche Arbeitslohn aus der Masse zu, solange sie ihre Dienste zu Gunsten des Schuldnervermögens erbracht haben (vgl. Undritz in Schmidt, InsO, 18. Aufl., 3 270b Rn. 12, Hefermehl in Münchner Kommentar, § 55 Rn. 173, 174). Entscheiden kommt es entsprechend nicht darauf an, wann das vorbestehenden Dauerschuldverhältnissen begründet wurde und wann der Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt verlangen kann (Jarchow in Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 5. Aufl. 2015, § 55 Rn. 39), sondern ob eine Leistung aus einem Dauerschuldnerverhältnis nach Eröffnungsantrag in Anspruch genommen wurde.

Vorstehendes gilt für die Einordnung, ob eine Insolvenzforderung oder eine Masseverbindlichkeit vorliegt, hinsichtlich der Nettoarbeitslöhne wie für die dazu gehörigen Beiträge zur Gesamtsozialversicherung. Die Beitragsansprüche der Sozialversicherungsträger und so auch die Arbeitnehmerbeiträge entstehen gemäß §§ 22 Abs. 1 Satz 1,2 Abs. 2 Nr. 1,7 Abs. 1 SGB IV sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Es gilt grundsätzlich das sog. Entstehungs-/Anspruchsprinzip. Für Personen, die wegen Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt pflichtversichert sind, entstehen die Beitragsansprüche kontinuierlich mit der Beschäftigung (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar z. Sozialversicherungsrecht, 85. Ergänzungslieferung 2015, § 22 Rn. 5 f.).

e) Ferner lag die Kenntnis der Beklagten von dem Eröffnungsantrag, wie von § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO gefordert, vor.

f) Der Bargeschäftseinwand der Beklagten gemäß § 142 InsO steht der Anfechtung nicht entgegen. Die Abführung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge beruht weder auf einer für die Annahme eines Bargeschäfts erforderlichen Vereinbarung zwischen der Schuldnerin und der Beklagten noch hat die Schuldnerin eine relevante Gegenleistung von der Beklagten erhalten (vgl. BGH Urteil vom 05.11.2009, IX ZR 233/08, Juris Rn. 14; Urteil vom 09.06.2005, IX ZR 152/03, Juris Rn. 20 ff.).l

g) Dem Kläger steht aufgrund der erfolgreichen Anfechtung gegen die Beklagten gemäß §§ 143 Abs. 1 InsO, 818 Abs. 2, 819 Abs. 1 BGB Arbeitnehmerbeiträge auf die auf den Zeitraum vor dem Eröffnungsantrag entfallenden Zeitraum, dem 01.07. bis zum 23.07.2013, in Höhe von € 11.160,78 zu.

2. Auf den zuerkannten Rückgewährbetrag kann der Kläger von der Beklagten die Zahlung von Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.10.2013 gemäß §§ 143 Abs. 1 Satz 2 InsO i.V.m. §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 291,288 Abs. 1 BGB verlangen. Bei anfechtbarem Erwerb von Geld hat der Anfechtungsgegner Prozesszinsen ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu entrichten (vgl. BGH, Urteil vom 01.02.2007, IX ZR 96/04, Juris Rn. 14 ff.).

3. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Rückgewähr der durch Überweisung vom 30.07.2013, 28.08.2013 und 26.09.2013 gezahlten weiteren Arbeitnehmerbeiträge für den restlichen Monat Juli 2013 und die Monate August und September 2013 nach §§ 143 Abs. 1, 140 Abs. 1, 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2, 129 Abs. 1 InsO i.V.m. §§ 818 Abs. 2, 819 BGB in Höhe von € 34.753,18 zu, da die Beklagte insoweit nicht wie von § 130 InsO gefordert Insolvenzgläubigern, sondern Massegläubigerin im Sinn des § 53 InsO ist.

Die Arbeitnehmerbeiträge gelten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Schuldnerin zunächst als Masseverbindlichkeiten nach §§ 53, 55 Abs. 2 Satz 2 InsO. Die Arbeitnehmerbeiträge, die mit der Inanspruchnahme der Leistung der Arbeitnehmer durch die Schuldnerin entstanden sind, sind, ebenso wie die Entgeltansprüche der Arbeitnehmer, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zunächst als Masseverbindlichkeiten einzuordnen, da die Schuldnerin aufgrund des insolvenzgerichtlichen Beschluss vom 24.07.2013 gemäß §§ 270b Abs. 3 Satz 1 und 2, 55 Abs. 2 InsO ermächtigt war, Masseverbindlichkeiten zu begründen (hierzu unter Buchstabe a). Eine "Rückstufung" der Arbeitnehmerbeiträge im Sinne des § 55 Abs. 3 InsO kommt nicht in Betracht, da die Ansprüche der Beklagten nicht wie von § 55 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 175 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB III verlangt, noch bestehen. Vielmehr hat die Schuldnerin die auf den Zeitraum ab Eröffnungsantrag bis zur Insolvenzverfahrenseröffnung (Zeitraum des Schutzschirmverfahrens) entfallenden Arbeitnehmerbeiträge vor der Insolvenzverfahrenseröffnung gezahlt (hierzu unter Buchstabe b).

a) Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelten die auf den Zeitraum des Schutzschirmverfahrens entfallenden Arbeitnehmerbeiträge als Masseverbindlichkeiten nach §§ 270b Abs. 3 Satz 2, 55 Abs. 2 Satz 2, 53 InsO.

aa) Unstreitig stellte die Schuldnerin ihre Arbeitnehmer während der Zeit des Schutzschirmverfahrens nicht frei, sondern nahm deren Arbeitsleistung zur Betriebsfortführung in Anspruch (vgl. Protokoll der mdl. Verhandlung vom 28.05.2015, Bl. 317 d.A.). Wegen der Inanspruchnahme der Gegenleistung sind die daraus erwachsenen Ansprüche der Arbeitnehmer aus den bereits vor dem Schutzschirmverfahren bestandenen Arbeitsverhältnissen gemäß § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO Masseverbindlichkeiten (vgl. Jarchow in Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 5. Aufl. 2015, § 55 Rn. 40). Dies gilt für das Nettoarbeitsentgelt wie für die auf diese Zeit entfallenden Arbeitnehmerbeiträge, da diese Bestandteil des Arbeitsentgeltes sind (vgl. Jarchow in Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 5. Aufl. 2015, § 55 Rn. 40) und wird durch die gesetzliche Regelung in § 55 Abs. 3 Satz 2 InsO, die u.a. Arbeitnehmerbeiträge betrifft, bestätigt; anderenfalls wäre diese Regelung überflüssig.

bb) Auch hindert die Befriedigung des Anspruchs der Beklagten auf die Arbeitnehmerbeiträge vor Insolvenzverfahrenseröffnung - anders als der Kläger meint (Bl. 327 d.A.) - nicht, dass die Forderungen der Beklagten von § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO erfasst werden. Damit der intendierte Schutz der Gläubiger (vgl. Foltis in Frankfurter Kommentar z. InsO, 7. Aufl. 2013, § 55 Rn. 41) nicht leerläuft, muss eine Forderung auch dann nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit gelten, wenn die Forderung vor Eintritt der Fiktionsvoraussetzung (Eröffnung oder Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens) zum Erlöschen gebracht worden ist, da ansonsten die intendierte Unanfechtbarkeit ausgehebelt werden würde. Im Übrigen gilt die Einordnung als Insolvenzforderung, Masseverbindlichkeit oder sonstige Forderung stets erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. mit dessen Ablehnung, da bis zur Eröffnung oder Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Einordnung einer Forderung unerheblich ist.

cc) Der weitere Aspekt, den der Kläger anführt, dass Sozialversicherungsträger wie die Beklagte wegen der Insolvenzausfallversicherung nach § 175 SGB III weniger schutzbedürftig als andere Gläubiger seien, führt nicht dazu, dass sie bei Erfüllung ihrer Forderung auf Arbeitnehmerbeiträge vor Insolvenzverfahrenseröffnung von § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO teleologisch auszunehmen ist; dem steht die ausdrückliche Rückstufungsregelung in § 55 Abs. 3 Satz 2 InsO entgegen; nur bei Vorliegen der dort normierten Voraussetzungen sind die Forderungen der Sozialversicherungsträger (wieder) als Insolvenzforderungen zu behandeln (so auch LG Hamburg, Urteil vom 19.11.2014, 303 O 335/13, Juris Rn. 65, 66).

dd) Ferner folgt der Senat auch nicht der in dem Urteil des LG Hamburg, Urteil vom 03.03.2015, 303 O 236/14 (nicht veröffentlich) dargelegten Rechtsauffassung, dass nach Sinn und Zweck des § 270b InsO jedenfalls solche Forderungen nach erfolgter Insolvenzverfahrenseröffnung nicht als Masseverbindlichkeiten gelten, bei deren Begleichung die Schuldnerin einen Anfechtungsvorbehalt klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, deren Begleichung offensichtlich nicht der Vorbereitung der Sanierung des insolvenzreifen Unternehmens gedient hat und bezüglich derer ein insolvenzrechtliches Ausfallrisiko wegen eines (kompensierenden) Anspruchs gegen die Bundesagentur für Arbeit auf Zahlung aus der Insolvenzausfallversicherung besteht. Die Rechtsauffassung sieht unter Bezugnahme auf das Urteil des OLG Sachsen-Anhalt vom 29.01.2014, Az. 5 U 195/13, Juris Rn. 23 a.E. eine teleologische Reduktion der Vorschrift des § 270b InsO dergestalt vor, dass die Ermächtigung nach § 270b Abs. 3 InsO nur solche Verbindlichkeiten umfassen soll, die der von dieser Vorschrift bezweckten Ermöglichung einer Unternehmenssanierung dienen. Eine Berufung auf eine erteilte Globalermächtigung komme dann nicht in Betracht, wenn es sich um Verbindlichkeiten handele, die mit der Betriebsfortführung und Sanierung nichts zu tun hätten oder deren Eigenschaft als spätere Masseverbindlichkeit für den Gläubiger wegen anderweitiger wirtschaftlicher Absicherung nicht erforderlich sei und damit einer Sanierung wegen der drohenden Verringerung der Insolvenzmasse entgegenstehe.

Eine teleologische Reduktion einer uneingeschränkt erteilten Ermächtigung der Schuldnerin zur Begründung von Masseverbindlichkeiten im Schutzschirmverfahrens würde dem Zweck dieser Regelung, die Verbesserung der Voraussetzungen der Unternehmensfortführung durch eine solche Ermächtigung, widersprechen. Zweck ist durch die Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten das Vertrauen der Gläubiger zu gewinnen, denen mit der Einstufung als Massegläubiger zumindest der Vorrang vor den Altgläubigern eingeräumt wird (zum Zweck Undritz in Schmidt, InsO, 18. Aufl., § 270b Rn. 11; Hefermehl in Münchner Kommentar InsO, 3. Aufl. 2013,§ 55 Rn. 173, 174). Dieses Vertrauen wäre nicht mehr gerechtfertigt, würde die uneingeschränkt erteilte Ermächtigung in ihrem Anwendungsbereich teleologisch reduziert werden, indem die mit der Ermächtigung zunächst gewährte Rechtssicherheit, vorab befriedigt zu werden, in Frage gestellt wird. Möchte die Schuldnerin sich vorbehalten, nicht ausschließlich Masseverbindlichkeiten zu begründen, steht es ihr nach überwiegender Auffassung frei, als ein weniger zu der gesetzlich vorgesehenen uneingeschränkten Ermächtigung Einzel- oder Gruppenermächtigungen zu beantragen (Undritz in Schmidt, InsO, 18. Aufl., § 270b Rn. 11; Kern in Münchner Kommentar InsO, 3. Aufl. 2014, § 270b Rn. 111; OLG Dresden, Urteil vom 18.06.2014, 13 U 106/14, Juris Rn. 18).

Zudem ist die Arbeitsleistung der Arbeitnehmer in der Regel für die Betriebsfortführung existenziell, wenn die Schuldnerin deren Leistung im Rahmen des Schutzschirmverfahrens in Anspruch nimmt, da er sie ansonsten freistellen würde, um keine Masseverbindlichkeiten zu begründen. Die Arbeitnehmerbeiträge sind aber Teil des Arbeitsentgelts. Eine Aufteilung des Arbeitsentgelts, dass die Zahlung der Arbeitnehmerbeiträge nicht für die Fortführung des Betriebs erforderlich sei, vermag daher nicht überzeugen. Schließlich kann es nicht darauf ankommen, ob der potentielle Gläubiger sich bei erfolgreicher Anfechtung und Wiederaufleben seiner Forderung ggfls. Durch Leistung eines Dritten, hier der Bundesagentur für Arbeit, schadlos halten könnte, da dies den Ausfall lediglich auf einen Dritten verlagern würde. Im Fall der Bundesagentur der Arbeit auf die dort einzahlenden Unternehmer und Arbeitnehmer.

b) Die Voraussetzungen für eine Rückstufung gemäß § 55 Abs. 3 Satz 2 InsO mit der Folge, dass die Masseverbindlichkeiten der Beklagten wieder als grundsätzlich anfechtbare Insolvenzforderungen gelten, sind nicht gegeben.

aa) Ob § 55 Abs. 3 InsO im Schutzschirmverfahren grundsätzlich Anwendung findet, muss vorliegend nicht entschieden werden, weil es fehlt an den für eine Rückstufung erforderlichen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 55 Abs. 3 Satz 2 InsO i.V.m. § 175 SGB III bereits fehlt.

Es fehlt an den für eine Rückstufung erforderlichen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 55 Abs. 3 Satz 2 InsO i.V.m. § 175 SGB III, der Nichtzahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages in Höhe der hier streitgegenständlichen Arbeitnehmerbeiträge. § 55 Abs. 3 Satz 2 InsO i.V.m. § 175 SGB III regelt, dass die Beklagte Ansprüche nach § 175 Abs. 1 Satz 1 InsO nur als Insolvenzgläubigem geltend machen kann, "soweit diese gegenüber dem Schuldner bestehen bleiben". Unstreitig ist jedoch, dass die Schuldnerin die Arbeitnehmerbeiträge nach ihrem Eröffnungsantrag für den Schutzschirmzeitraum durch Überweisungen zahlte und dadurch zum Erlöschen durch Erfüllung brachte (§ 362 Satz 1 BGB). Gegenüber der Schuldnerin bestehen keine Ansprüche mehr.

Durch das Aufgreifen der in § 175 Abs. 2 SGB III verwandten Formulierung "bestehen bleiben" in § 55 Abs. 3 Satz 2 InsO wird deutlich, dass es sich nicht lediglich um einen Rechtsfolgenverweis handelt. Hintergrund der Formulierung "bestehen bleiben" in § 55 Abs. 3 Satz 2 InsO ist, dass, sofern Arbeitnehmerbeiträge nicht gezahlt werden, die Beklagte Leistungen von der Bundesagentur für Arbeit in entsprechender Höhe nach Absatz 1 des § 175 SGB III erhalten kann. Hierdurch werden die Ansprüche gegenüber der Schuldnerin als Arbeitgeber jedoch nicht zum Erlöschen gebracht, vielmehr ordnet § 175 Abs. 2 SGB III an, dass "die Ansprüche auf die in Absatz 1 Satz 1 genannten Beiträge (...) gegenüber dem Arbeitgeber bestehen (bleiben)".

bb) Es ist zwar zutreffend, wenn der Kläger argumentiert, dass die Beklagte bei erfolgreicher Anfechtung einen Antrag auf Zahlung der Arbeitnehmerbeiträge bei der Bundesagentur für Arbeit nach § 175 Abs. 1 SGB III stellten könnte. Nach erfolgreicher Anfechtung und Rückgewähr würden die Forderungen der Beklagten gemäß § 144 Abs. 1 InsO wieder aufleben und bestünden daher die von § 175 Abs. 1 SGB III vorausgesetzte - nun wieder offenen - Arbeitnehmerbeiträge als Gesamtsozialversicherungsbeitragsforderung. Die Anfechtung einer der Beklagten als Einzugsstelle gewährten Befriedigung mit der Folge der Rückgewähr zur Insolvenzmasse (§ 143 InsO) steht der Geltendmachung der Beiträge aus der Insolvenzausfallversicherung auch nicht entgegen (vgl. insoweit: Peters-Lange in Gagel, SGB II / SGB III, 57. Ergänzungslieferung März 2015, § 175 SGB III, Rn. 43). Jedoch ist die Frage, ob die Zahlung der Arbeitnehmerbeiträge als Insolvenzforderung der Anfechtung nach § 130 InsO überhaupt zugänglich ist oder als Masseverbindlichkeit nicht, aus Sicht des Insolvenzrechts zu beurteilen.

cc) Zudem ermöglicht dieses Verständnis des § 55 Abs. 3 Satz 2 InsO und der Behandlung der Arbeitnehmerbeiträge auch einen Gleichlauf mit der Behandlung des Arbeitsentgelts, von dem es ein Teil ist. Die Rückstufung des Arbeitsentgelts aufgrund des § 55 Abs. 3 Satz 1 InsO setzt voraus, dass der Arbeitsentgeltanspruch auf die Agentur für Arbeit übergangen ist. Dies setzt wiederum voraus, dass ein Anspruch auf Insolvenzgeld gegenüber der Agentur für Arbeit nach § 165 SGB III besteht. Ein Anspruch auf Insolvenzgeld besteht jedoch nicht, wenn der Anspruch auf Arbeitsentgelt durch z.B. Erfüllung erloschen ist (Peters-Langein Gagel, SGB II / SGB III, 57. Ergänzungslieferung März 2015, § 165 Rn. 101). Für eine andere Behandlung der Arbeitnehmerbeiträge gibt es keine Veranlassung. Dass - sofern keine Masseverbindlichkeit begründet wurde - sowohl das Nettoarbeitsentgelt als auch die Arbeitnehmerbeiträge angefochten werden können und u.U. in diesem Fall Leistungen von der Bundesagentur für Arbeit beantragt werden können, steht dem nicht entgegen.

4. Dem Kläger steht auch kein Rückgewähranspruch wegen der weiteren Arbeitnehmerbeiträge für den restlichen Monat Juli 2013 und die Monate August und September 2013 nach §§ 143 Abs. 1, 140 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO i.V.m. §§ 818 Abs. 2, 819 BGB zu. Eine Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO ist streitgegenständlich nicht erfolgreich, weil eine Masseverbindlichkeiten nach Maßgabe der §§ 129 Abs. 1, 270b Abs. 3, 55 Abs. 2 Satz 2 InsO vorliegt, die zwar die Schuldnerin begründet hat, die jedoch einem vorläufigen starken Insolvenzverwalter gleichgestellt war.

Nach § 133 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die die Schuldnerin in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen hat mit dem Vorsatz, ihre Gläubiger zu benachteiligen, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte.

Entsprechend des Wortlauts des § 133 InsO kommt eine Anfechtung der Überweisungen als Rechtshandlungen der Schuldnerin in Betracht, da § 133 InsO, anders als § 130 InsO, nicht voraussetzt, dass der Anfechtungsgegner ein Insolvenzgläubiger nach §§ 38, 39 InsO ist (vgl hierzu nur Ganter/Weinland in Schmidt, InsO, 18. Aufl. 2013, § 133 Rn. 29). Allerdings bedarf die Anwendbarkeit des § 133 InsO dahingehend einer Einschränkung, dass eine Rechtshandlung der Schuldnerin dann nicht anfechtbar ist, wenn - wie streitgegenständlich - die Schuldnerin entsprechend §§ 270b Abs. 3 Satz 1 und Satz 2, 55 Abs. 2 InsO ermächtigt war, eine im eröffneten Insolvenzverfahren als Masseverbindlichkeit geltende Forderung zu begründen (LG Hamburg, Urteil vom 19.11.2014, 303 O 335/13, Juris Rn. 102ff). In einem solchen Fall ist die Schuldnerin einem starken vorläufigen Insolvenzverwalter, der die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis inne hat (§ 22 Abs. 1 Satz 1,21 Abs. 2 Nr. 2 InsO), gleich zu behandeln. Für den starken vorläufigen Insolvenzverwalter ist im Hinblick auf §§ 22, 55 Abs. 2 InsO anerkannt, dass seine Rechtshandlungen, die zur Begründung von Masseverbindlichkeiten führen, im Hinblick auf das berechtigte Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Beständigkeit der Gläubigerforderungen unanfechtbar sind. Die gesetzliche Regelung in § 55 Abs. 2 InsO wäre sinnlos, wenn nach Verfahrenseröffnung die Masseverbindlichkeit im Wege der Anfechtung wieder beseitigt werden könnte (vgl. BGH, Urteil vom 20.02.2014, IX ZR 164/13, Juris Rn. 11; OLG Dresden, Urteil vom 29.01.2004, 13 U 2163/03, Juris Rn. 13; Kirchhof in Münchener Kommentar InsO, 3. Aufl. 2013, § 129 Rn. 44; Rogge/Leptien in Hamburger Kommentar InsO, 5. Aufl. 2015, § 129 Rn. 21 ).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO ergangen. Die Voraussetzungen für die von dem Kläger angeregte Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht.