LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 06.07.2016 - 4 Sa 67/15
Fundstelle
openJur 2016, 9993
  • Rkr:

Zum Prüfungsumfang bei Änderungen des Anforderungsprofils langjährig Beschäftigter.

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 29.10.2015 (1 Ca 431/13) abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigungen vom 09.08.2013 und vom 12.09.2013 sozial ungerechtfertigt ist.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz nur noch über die Wirksamkeit zweier arbeitgeberseitiger ordentlicher Änderungskündigungen.

Der am …1959 geborene, verheiratete und gegenüber keinen Kindern unterhaltsverpflichtete Kläger ist bei der Beklagten, beziehungsweise deren Rechtsvorgängerin beschäftigt seit 01.07.2005 als Chefarzt. Der Kläger führt die Bezeichnung Facharzt für Innere Medizin, Diabetologe DDG. Sein durchschnittliches monatliches Bruttoarbeitsentgelt betrug zuletzt 14.166,66 EUR.

Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer. Ein Betriebsrat ist in ihrem Betrieb gebildet.

Die Beklagte betrieb bis Ende 2011 in B. zwei Rehabilitationskliniken, nämlich die Klinik H1. und die Klinik H2. . Die Klinik H1 hatte eine orthopädische Abteilung und eine internistische Abteilung mit dem Schwerpunkt Gastroenterologie. Die Klinik H2 war internistisch ausgerichtet mit Schwerpunkt auf den Fachbereichen Kardiologie und Stoffwechselerkrankungen. Der Kläger war Chefarzt der inneren Abteilung der Klinik H2. Ab 01.08.2010 wurde dem Kläger zudem die chefärztliche Leitung der internistischen Abteilung der Klinik H1 übertragen. Er ersetzte den vormaligen dortigen Chefarzt Dr. A., der über die Zusatzbezeichnung Facharzt für Innere Medizin, Diabetologie DDG und Rehabilitationswesen verfügte.

Bedingt durch die schlechte wirtschaftliche Lage der Beklagten entschied deren Geschäftsleitung im Jahr 2010, den Geschäftsbetrieb der Klinik H2 zum 31.12.2011 stillzulegen. Diese Stilllegung wurde auch umgesetzt.

Im Zusammenhang mit der Schließung der Klinik H2 schloss die Beklagte mit dem Betriebsrat am 22.06.2011 einen Interessenausgleich, dem eine Namensliste beigefügt war, auf welcher der Kläger als zu kündigende Person benannt wurde. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 29.06.2011 ordentlich zum 31.12.2011. Die hiergegen vom Kläger erhobene Kündigungsschutzklage wurde vom Arbeitsgericht Heilbronn (1 Ca 256/11) abgewiesen. Dieses Urteil wurde jedoch vom Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Kammern Mannheim, mit Urteil vom 15.03.2015 (19 Sa 64/12) abgeändert. Es wurde festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch diese Kündigung nicht aufgelöst wurde. Das Landesarbeitsgericht ließ in seiner Begründung dahinstehen, ob (nicht wenigstens) der Arbeitsplatz des Klägers in der Klinik H1 noch fortbesteht oder ob (auch) dieser entfallen ist. Jedenfalls wäre die Beklagte im Rahmen der Verhältnismäßigkeit verpflichtet gewesen, dem Kläger über eine Änderungskündigung vorrangig eine freie Assistenzarztstelle anzubieten.

Mit der Stilllegung der Klinik H2 gerieten auch die an dieses Haus gebundenen Versorgungsverträge mit der Deutschen Rentenversicherung (DRV) in Wegfall für die Fachbereiche Innere Medizin, Kardiologie und Stoffwechselerkrankungen. Verblieben sind bei der Beklagten die an das Haus der Klinik H1 gebundenen Versorgungsverträge für die Fachbereiche Orthopädie und Gastroenterologie. Für letzteren Fachbereich galt der Versorgungsvertrag vom 01.07.2007 (Bl. 65-69 d. LAG-Akte).

Um eine wirtschaftliche Fortführung der Klinik H2 durch kontinuierliche Patientenzuweisung aus dem gesamten Bereich der DRV sichern zu können, setzte sich die Beklagte zum Ziel, mit der DRV Knappschaft-Bahn-See zum Abschluss eines Basisvertrages im Sinne von § 21 SGB IX zu kommen, damit diese die Federführung innerhalb der DRV übernehmen könne. Um die Anforderungen der DRV an die Strukturqualität von Reha-Einrichtungen erfüllen zu können, beschloss sie, dass sowohl die Chefarztstelle als auch die Oberarztstelle der gastroenterologischen Abteilung durch Ärzte mit der Facharztbezeichnung Gastroenterologe besetzt werden sollten.

In Umsetzung dieses Ziels stellte die Beklagte ab 29.08.2011 mit Herrn R. auf Honorararztbasis einen Gastroenterologen ein. Wegen dessen Arbeitsunfähigkeit ab Mitte März 2012 stellte die Beklagte ab 01.04.2012 Frau Dr. K. ein, zuerst auf Honorararztbasis. Mittlerweile steht sie in einem festen Anstellungsverhältnis zur Beklagten als Chefärztin der Abteilung Gastroenterologie. Frau Dr. K. ist vier Jahre jünger als der Kläger und nicht verheiratet.

Noch im Jahr 2013 stand die Beklagte mit der DRV Knappschaft-Bahn-See in Verhandlungen wegen des Abschlusses eines Basisvertrags. Kern dieser Verhandlungen war die Erfüllung der Anforderungen an die Strukturqualität und dabei insbesondere eine Forderung der DRV Knappschaft-Bahn-See, dass sowohl der Chefarzt als auch der Oberarzt über Facharztbezeichnungen verfügen müssen und diese nicht in einem Honorarverhältnis, sondern in einem festen Anstellungsverhältnis zur Beklagten stehen sollten. In einem Schreiben der DRV Knappschaft-Bahn-See vom 08.08.2013 (Bl. 94 d. ArbG-Akte) heißt es:

„Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Knappschaft-Bahn-See erklärt sich hiermit grundsätzlich bereit, für die gastroenterologische Abteilung der Klinik H1 in B. die Federführung innerhalb der DRV zu übernehmen und einen entsprechenden Basisvertrag nach § 21 SGB IX mit Ihnen abzuschließen.

Voraussetzung hierfür ist, dass die Klinik die Struktur- und Prozessanforderungen der DRV, insbesondere die personelle Ausstattung und die fachärztliche Kompetenz betreffend, erfüllt.

Informieren Sie uns bitte, sobald diese Voraussetzungen geschaffen sind und reichen Sie uns entsprechende Nachweise ein, damit wir uns anschließend im Rahmen einer Klinikvisitation hiervon überzeugen können.“

Auch auf den Inhalt der vom Kläger bestrittenen Gesprächsprotokolle der Beklagten hierzu (Bl. 92 und 93 d. ArbG-Akte) wird verwiesen.

Der Kläger selbst stellte mit E-Mail vom 03.01.2014 eine Anfrage an die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See zu den Anforderungen an die Strukturqualität. Er erhielt mit E-Mail vom 08.01.2014 (Bl. 266 d. ArbG-Akte) Antwort, in der es unter anderem heißt:

„In unserem Schreiben vom 08.08.2013 haben wir die von der DRV herausgegebenen einheitlichen Strukturanforderungen (Broschüre, auf die Sie sich beziehen) angesprochen.

Zu deren Erfüllung zählt auch die fachärztliche Kompetenz (hier: Gastroenterologe) sowohl bei dem Chefarzt als auch bei dem Oberarzt, um eine adäquate Patientenversorgung auch im Vertretungsfall und bei den Hintergrunddiensten sicherzustellen. Dies kann kurzfristig und übergangsweise auf Basis eines Honorararztvertrages sichergestellt werden, grundsätzlich erwarten wir jedoch eine Festanstellung der Ärzte in der jeweiligen Klinik.

Eine entsprechende Klarstellung der bereits heute gültigen Kriterien wird die DRV in Kürze mit der Herausgabe der neu überarbeiteten Strukturanforderungen vornehmen.“

Die Anforderungen an die Strukturqualität werden von der DRV in Umsetzung ihres gesetzlichen Auftrags zur Qualitätssicherung regelmäßig fortgeschrieben. Stand Mai 2010 hieß es im Anhang II des Merkblattes „Strukturqualität von Reha-Einrichtungen - Anforderungen der Deutschen Rentenversicherung“ unter IV:

In der fortgeschriebenen Fassung Stand Juli 2014 heißt es unter Nr. 5.1:

„5.1 Räumliche, technische und konzeptionelle Strukturqualität

Belegungsrelevante Merkmale (BR) sind Merkmale, deren Erfüllung für eine Inanspruchnahme eine herausragende Bedeutung hat. Sollte eines dieser Merkmale im Einzelfall nicht erfüllt sein, ist eine sofortige Nachbesserung Voraussetzung für die Belegung. Sie betreffen die Sicherheit der Rehabilitanten durch eine adäquate Notfallausstattung und die erforderliche Facharztkompetenz.

Belegungsrelevante Merkmale sind:

1. Facharztqualifikation leitender Arzt (Chefarzt, ärztlicher Direktor)

...“

Im Anhang II der Fassung Stand Juli 2014 heißt es wie folgt:

Nachdem das Landesarbeitsgericht die Beendigungskündigung für unwirksam erklärt hatte, hörte die Beklagte den Betriebsrat mit Schreiben vom 01.08.2013 (Bl. 95-97 d. ArbG-Akte) zu einer Änderungskündigung des Klägers an. Nach Zustimmung des Betriebsrats vom 09.08.2013 (Bl. 99 d. ArbG-Akte) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 09.08.2013 ordentlich zum 31.03.2014 und bot diesem zugleich die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als Assistenzarzt an bei Zahlung einer Vergütung von monatlich 5.360,-- EUR brutto nebst Zuschlägen. Die Beklagte hörte den Betriebsrat erneut zu einer Änderungskündigung des Klägers an mit Schreiben vom 06.09.2013 (Bl. 100-103 d. ArbG-Akte). Nach Zustimmung des Betriebsrates vom 11.09.2013 (Bl. 104 d. ArbG-Akte) sprach die Beklagte mit Schreiben vom 12.09.2013 erneut eine Änderungskündigung zum 31.03.2014 aus. Der Kläger nahm das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung an.

Gegen diese beiden Änderungskündigungen richten sich die vorliegend noch streitgegenständlichen Änderungsschutzklagen, die am 29.08.2013 und am 01.10.2013 beim Arbeitsgericht eingingen.

Der Kläger hielt die Änderung der Arbeitsbedingungen für nicht sozial gerechtfertigt.

Er vertrat die Auffassung, seine Chefarztstelle in der Gastroenterologie in der Klinik H1 sei nicht entfallen. Die Änderung des Anforderungsprofils der Chefarztstelle durch die Beklagte sei nicht durch einen zwingenden äußeren arbeitsplatzbezogenen Grund gedeckt. Soweit die Beklagte die Facharztbezeichnung Gastroenterologe erwarte, handele sie in Bezug auf die Anforderungen der DRV zur Strukturqualität überschießend. Nach diesen reiche es nämlich aus, wenn der Oberarzt Gastroenterologe sei und der Chefarzt - wie er - Diabetologe DDG. Auch in einer anderen Knappschaftsklinik in N. werde dies so gehandhabt. Soweit sich die Beklagte darauf berufe, dass die Chefarztstelle (mittlerweile) besetzt sei, sei jedenfalls im Verhältnis zur Frau Dr. K. die soziale Auswahl fehlerhaft durchgeführt worden.

Der Kläger rügte die Ordnungsgemäßheit der Betriebsratsanhörung.

Der Kläger erweiterte seine Klage erstinstanzlich um eine Kündigungsschutzklage gegen eine (überholende) außerordentliche Kündigung vom 03.02.2014 sowie um Annahmeverzugsvergütungsansprüche. Die Annahmeverzugsvergütungsansprüche wurden vom Arbeitsgericht vom vorliegenden Verfahren abgetrennt. Über die Änderungsschutzanträge entschied das Arbeitsgericht klageabweisend mit Teilurteil vom 03.07.2014. Dieses Teilurteil wurde auf Berufung des Klägers mit Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 07.05.2015 (6 Sa 57/14) wieder aufgehoben, weil die Voraussetzungen eines Teilurteils nicht vorlagen. Der Rechtsstreit wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Arbeitsgericht zurückverwiesen. Die Kündigungsschutzklage gegen die außerordentliche Kündigung vom 03.02.2014 wurde daraufhin mit Teilvergleich vom 29.10.2015 dahingehend erledigt, dass die Beklagte erklärte, aus dieser Kündigung keine Rechte mehr herzuleiten.

Der Kläger beantragte zuletzt:

1. Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß der Änderungskündigung vom 09.08.2013 sozial ungerechtfertigt ist.

2. Es wird weiter festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß der Änderungskündigung vom 12.09.2013 sozial ungerechtfertigt ist.

Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptete, die DRV Knappschaft-Bahn-See würde zum Abschluss eines Basisvertrags verlangen, dass sowohl der Chefarzt als auch der Oberarzt die Facharztbezeichnungen Gastroenterologe tragen. Der Kläger sei kein Gastroenterologe, erfülle somit nicht die erforderlichen Anforderungen an die Chefarztstelle. Auch wenn in anderen Knappschaftskliniken geduldet werden sollte, dass der Chefarzt oder der Oberarzt nicht über die gebotene Facharztqualifikation verfügt, wolle sie nicht vom Wohlwollen der DRV Knappschaft-Bahn-See abhängig sein. Die Anforderungen an das Stellenprofil könnten nur auf Willkür überprüft werden. Eine solche läge nicht vor. Mit Frau Dr. K. sei der Kläger mangels Facharztbezeichnung Gastroenterologe schon nicht vergleichbar.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 29.10.2015 abgewiesen. Das Arbeitsgericht führte zur Begründung aus, eine Beschäftigungsmöglichkeit als Chefarzt sei für den Kläger entfallen. Die Beklagte habe nämlich die organisatorische Entscheidung getroffen, für die Besetzung der Stelle eine Facharztausbildung zum Gastroenterologen zu verlangen. Dies sei auch nicht willkürlich, da die Anforderung zum Ziel der Beklagten passe, dass die DRV Knappschaft-Bahn-See die Federführung übernehmen solle. Aber selbst wenn die unternehmerische Entscheidung nicht nur einer Willkürkontrolle unterfallen sollte, so beruhe diese auch auf nachvollziehbaren arbeitsplatzbezogenen Kriterien zur Verfolgung des Ziels, dass die DRV Knappschaft-Bahn-See die Federführung übernehmen solle. Das Änderungsangebot entspreche der Billigkeit. Andere Stellen, die vorrangig hätten angeboten werden müssen, seien nicht vorgetragen worden. Die soziale Auswahl sei ordnungsgemäß erfolgt. Der Kläger sei mit Frau Dr. K. nicht vergleichbar. Ebenso sei die Betriebsratsanhörung ordnungsgemäß erfolgt.

Dieses Urteil wurde der Klägerseite am 23.11.2015 zugestellt. Hiergegen richtet sich die vorliegende Berufung des Klägers, die am 17.12.2015 beim Landesarbeitsgericht einging und die innerhalb der bis 23.02.2016 verlängerten Begründungsfrist begründet wurde.

Der Kläger beanstandet eine Verletzung materiellen Rechts und eine unzutreffende Tatsachenfeststellung.

Er meint, wenn die Organisationsentscheidung und der Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich seien, bedürfe es zur Rechtsfertigung der Änderung des Anforderungsprofils zu Meidung der Gefahr einer unzulässigen Austauschkündigung eines konkreten betrieblichen Anlasses. Diesen Prüfungsmaßstab habe das Arbeitsgericht verkannt. Außerdem habe es übersehen, dass die Anforderungen der DRV an die Strukturqualität eine Facharztbezeichnung als Gastroenterologe nicht erfordern. Die Facharztbezeichnung Diabetologe DDG sei ausreichend.

Im Rahmen der Billigkeit des Änderungsangebots hätte das Arbeitsgericht berücksichtigen müssen, dass es der Billigkeit entsprochen hätte, wenn Frau Dr. K. und nicht ihm die Assistenzarztstelle angeboten worden wäre.

Der Kläger beantragt:

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 29.10.2015 (Az. 1 Ca 431/13) wird abgeändert.

2. Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen gem. der Änderungskündigungen vom 09.08.2013 und vom 12.09.2013 ungerechtfertigt ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil im Wesentlichen unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gem. § 64 Abs. 7 ArbGG iVm. § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Gründe

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet.

I.

Die durch die beiden Änderungskündigungen ausgesprochene Änderung der Arbeitsbedingungen ist nicht sozial gerechtfertigt.

1. Eine betriebsbedingte Änderungskündigung iSv. § 2 KSchG ist nur sozial gerechtfertigt, wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 KSchG vorliegen. Dabei ist die soziale Rechtfertigung einer Änderung der bestehenden Vertragsbedingungen zu überprüfen. Das Änderungsangebot des Arbeitgebers ist daran zu messen, ob es durch dringende betriebliche Erfordernisse iSd. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist und sich darauf beschränkt, solche Änderungen vorzusehen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 396/13 - AP KSchG 1969 § 2 Nr. 158; BAG 5. Juni 2014 - 2 AZR 615/13 - BAGE 148, 227).

2. Vorliegend besteht bei der Beklagten ein Überhang an Chefärzten, der es bedingt, dass das Arbeitsverhältnis mit einem Chefarzt beenden werden muss.

a) Unstreitig wurde die Klinik H2, in der der Kläger vormals als Chefarzt tätig war, zum 31.12.2011 stillgelegt. Beschäftigungsmöglichkeiten als Chefarzt gibt es dort nicht mehr.

b) Ebenso unstreitig gibt es noch eine Chefarztstelle in der Abteilung Gastroenterologie in der Klinik H1, die bis zum Ausspruch der (unwirksamen) Beendigungskündigung vom 29.06.2011 ebenfalls vom Kläger besetzt wurde. Diese Stelle wurde nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers im Jahr 2012 neu besetzt durch Frau Dr. K.. Die Beklagte war somit zum Zeitpunkt des Ausspruchs der streitgegenständlichen Änderungskündigung vertraglich an zwei Chefärzte gebunden, obwohl sie nur eine Chefarztstelle hat. Es besteht somit ein Überhang von einer Chefarztstelle.

3. Dahinstehen kann, ob das Änderungsangebot, insbesondere dessen inhaltliche Ausgestaltung, der Billigkeit entsprach, auch wenn der Kläger hiergegen keine durchgreifenden Einwände vorzutragen vermochte.

4. Die Änderung der Arbeitsbedingung ist nämlich wegen fehlerhafter Sozialauswahl nicht sozial gerechtfertigt. Die Beklagte hätte statt dem Kläger vielmehr Frau Dr. K. änderungskündigen müssen.

§ 2 Satz 1 KSchG verweist zur sozialen Rechtfertigung der Änderung der Arbeitsbedingungen auch auf die Vorschriften der Sozialauswahl in § 1 Abs. 3 KSchG.

a) In eine Sozialauswahl einzubeziehen sieht nur vergleichbare Arbeitnehmer. Die Vergleichbarkeit wiederum richtet sich insbesondere nach dem Anforderungsprofil der Stelle.

aa) Die Gestaltung des Anforderungsprofils für einen Arbeitsplatz unterliegt grundsätzlich der freien unternehmerischen Disposition. Das Bestreben des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten - nach Möglichkeit - von Arbeitnehmern mit einer bestimmten Qualifikation ausführen zu lassen, ist grundsätzlich zu akzeptieren. Die Vorgabe kann von den Arbeitsgerichten nur auf Willkür und offenbare Unrichtigkeit hin gerichtlich überprüft werden. Diesem Maßstab hält die Festlegung jedenfalls dann stand, wenn die Qualifikationsmerkmale einen nachvollziehbaren Bezug zu den auszuführenden Arbeiten haben (BAG 22. Oktober 2015 - 2 AZR 582/14 - AP KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung § 1 Nr. 210). Auch eine Organisationsentscheidung zur Umstrukturierung des gesamten oder von Teilen eines Betriebs oder einzelner Arbeitsplätze, von der das Anforderungsprofil der im Betrieb nach Umstrukturierung verbleibenden Beschäftigungsmöglichkeiten erfasst wird, unterliegt nur einer Kontrolle auf Missbräuchlichkeit oder offenbare Unsachlichkeit (BAG 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - AP KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181; BAG 7. Juli 2005 - 2 AZR 399/04 - AP KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 138).

bb) Wenn allerdings die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss ohne nähere Konkretisierung praktisch deckungsgleich sind, so kann die Vermutung, die Unternehmerentscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht in jedem Fall von vornherein greifen. In diesen Fällen muss der Arbeitgeber konkrete Angaben dazu machen, wie sich die Organisationsentscheidung auf die Einsatzmöglichkeiten auswirkt und in welchem Umfang dadurch ein konkreter Änderungsbedarf besteht. Erhöhte Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers sind insbesondere dann zu stellen, wenn der Arbeitgeber durch eine unternehmerische Entscheidung das Anforderungsprofils für Arbeitsplätze ändert, die bereits mit langjährig beschäftigten Arbeitnehmern besetzt sind. Sonst hätte der Arbeitgeber die naheliegende Möglichkeit, unter Berufung auf eine gerichtlich nur eingeschränkte Unternehmerentscheidung eine missbräuchliche Umgehung des Kündigungsschutzes des betreffenden Arbeitnehmers dadurch zu erzielen, dass er in sachlich nicht gebotener Weise die Anforderungen an die Vorbildung des betreffenden Arbeitsplatzinhabers verschärft. Der Arbeitgeber hat insoweit darzulegen, dass es sich bei der zusätzlich geforderten Qualifikation für die Ausführung der Tätigkeit nicht nur um eine „wünschenswerte Voraussetzung“, sondern um ein nachvollziehbares, arbeitsplatzbezogenes Kriterium für eine Stellenprofilierung handelt (BAG 10. Juli 2008 aaO; BAG 7. Juli 2005 aaO). Diese erhöhten Anforderungen sind in den Fällen, in denen eine Nähe der unternehmerischen Entscheidung zum Kündigungsentschluss vorliegt, deshalb geboten, weil man es anderenfalls dem Arbeitgeber ermöglichen würde, den Arbeitnehmer bei unveränderter Aufgabenstellung durch einen anderen - ggfs. als besser geeignet angesehenen - Arbeitnehmer zu ersetzen, was eine unzulässige Austauschkündigung darstellen würde (BAG 10. Juli 2008 aaO). Es ist deshalb der betriebliche Anlass für die Stellenprofilierung darzustellen. Die Entscheidung zur Stellenprofilierung muss im Zusammenhang mit einer organisatorischen Maßnahme stehen, die nach ihrer Durchführung angesichts eines veränderten Beschäftigungsbedarfs auch die Anforderung an den Inhaber des Arbeitsplatzes erfasst (BAG 10. Juli 2008 aaO).

b) Dies Maßstäbe angewendet, ergibt Folgendes:

aa) Bei der Beantwortung der Frage, welcher Prüfungsmaßstab anzuwenden ist, ist auf den Zeitpunkt der Änderung des Anforderungsprofils abzustellen, also hier auf den Zeitpunkt der behaupteten unternehmerischen Entscheidung im Jahre 2011. Denn durch diese Maßnahme soll aus Sicht der Beklagten die Beschäftigungsmöglichkeit des Klägers entfallen sein als auch die Vergleichbarkeit des Klägers mit der erst nachfolgend eingestellten Frau Dr. K. entfallen seien.

bb) Der Kläger hatte vorliegend schon seit 01.08.2010 die chefärztliche Leitung der internistischen Abteilung der Klinik 1 inne. Für diese Abteilung bestand bereits ein Versorgungsvertrag vom 02.03.2007 mit einem Belegungsvolumen von 40 Betten für gastroenterologische Erkrankungen (30 Betten für Krankenkassen und 10 Betten für sonstige Kostenträger). Die unternehmerische Entscheidung der Beklagten, das Anforderungsprofil für die Chefarztstelle nach oben zu setzen und an eine Zusatzqualifikation als Gastroenterologe zu binden, ist somit vorliegend quasi deckungsgleich mit der Entscheidung zur Kündigung des Klägers. Es ist somit die (abändernde) Bestimmung des Anforderungsprofils danach zu überprüfen, ob hier ein notwendiger betrieblicher Anlass zugrunde gelegen hat.

c) Es ist vorliegend aber kein betrieblicher Anlass erkennbar, der es für die Beklagte erforderlich gemacht haben könnte, das Anforderungsprofil der Chefarztstelle in der Gastroenterologie nunmehr einem Facharzt für Gastroenterologie vorzubehalten. Die Stellenprofile eines Facharztes für Gastroenterologie und eines Diabetologen DDG sind vielmehr vergleichbar, weshalb eine Vergleichbarkeit zwischen dem Kläger und Frau Dr. K. vorliegt.

aa) Das Ziel der Beklagten, mit der DRV Knappschaft-Bahn-See einen Basisvertrag nach § 21 SGB IX schließen zu wollen zur Sicherung ihrer Bettenbelegung ist nachvollziehbar und als unternehmerische Entscheidung zu akzeptieren. Ein betrieblicher Anlass zur Neuprofilierung der Chefarztstelle läge aber unter Berücksichtigung dieses unternehmerischen Ziels allenfalls dann vor, wenn die Anforderungen der DRV an die Strukturqualität gem. §§ 19, 20 SGB IX bedingen würden, dass der Chefarzt einer Rehabilitationsklinik mit gastroenterologischem Schwerpunkt zwingend die Zusatzqualifikation als Gastroenterologe haben müsste. Dies zumal die DRV Knappschaft-Bahn-See der Beklagten mit Schreiben vom 08.08.2013 mitteilte, dass Voraussetzung für den Abschluss eines Basisvertrags die Erfüllung der Struktur- und Prozessanforderung der DRV, insbesondere die personelle Ausstattung und fachärztliche Kompetenz betreffend, sei.

bb) Der Anforderung der DRV an die Strukturqualität sehen aber, entgegen der Auffassung der Beklagten, nicht vor, dass der Chefarzt zwingend Gastroentereologe sein müsste. Er darf auch Facharzt für Diabetologie sein.

(1) Ausweislich Nr. IV des Anhangs II des Merkblatts „Strukturqualität von Reha-Einrichtungen - Anforderungen der Deutschen Rentenversicherung“ Stand Mai 2010 muss jede Fachkraft die für die Leistungserbringung erforderliche Ausbildung sowie die entsprechend zur Führung der Berufsbezeichnung berechtigende Erlaubnis besitzen. Für den Bereich der Gastroenterologie wird als strukturrelevantes Kriterium eine indikationsspezifische fachärztliche Qualifikation benannt.

Nichts anderes ergibt sich auch aus dem von der Beklagten vorgelegten Merkblatt „Rahmenkonzept zur medizinischen Rehabilitation in der gesetzlichen Rentenversicherung“. Dort heißt es unter Nr. 5.1.4.1, dass die ärztliche Leitung die Gebietsbezeichnung der Hauptindikation der Einrichtung führen müsse.

Damit ist aber noch nichts dazu gesagt, welches die indikationsspezifische fachärztliche Qualifikation ist. Dies lässt sich erst aus den Erhebungsbögen (Anlage K 5, Bl. 116 d. ArbG-Akte) ermitteln. Unter Nr. 3.4 des Erhebungsbogens „Erhebung der Strukturqualität stationärer Reha-Einrichtungen, Gastroenterologie“ Stand 2006 wurde unter den Strukturmerkmalen abgefragt, ob der Chefarzt oder Oberarzt Gastroenterologe oder Diabetologe DDG ist.

(2) Diese Anforderungen haben sich zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung nicht geändert.

Die DRV Knappschaft-Bahn-See bestätigte mit Email vom 08.01.2014 (Anlage K 14) zwar, dass sowohl der Chefarzt als auch der Oberarzt eine fachärztliche Kompetenz haben müssen, die in dieser Mail als „Gastroenterologe“ bezeichnet wurde. Die DRV Knappschaft-Bahn-See führte aber auch aus, dass eine „Klarstellung der bereits heute geltenden Kriterien in Kürze mit Herausgabe der neu erarbeiteten Strukturanforderung (vorgenommen werde)“. Hierbei handelt es sich um die Strukturanforderung Stand Juli 2014.

(3) In Nr. 3.6 des Anhangs II zu diesen Strukturanforderungen ist ausgeführt, dass es in der Indikation Gastroenterologie belegungsrelevant einen Facharzt der Inneren Medizin mit Schwerpunkt Gastroenterologie oder mit dem Schwerpunkt Endokrinologie oder Diabetologie geben müsse. Das Kürzel „BR“ für „Belegungsrelevant“ steht ohne Trennstriche zwischen den Facharztgruppen. Mit * wird ausgeführt, dass eine der Facharztqualifikationen beim leitenden Arzt/Chefarzt vorliegen müsse und dies belegungsrelevant sei. Daraus ergibt sich, dass der Chefarzt nicht zwingend Gastroenterologe sein muss, sondern auch - wie der Kläger - Diabetologe sein darf.

cc) Die DRV Knappschaft-Bahn-See hat gegenüber der Beklagten auch keine strengeren Anforderungen gestellt als die, die sich aus den Strukturanforderungen ergeben.

(1) Dies behauptet die Beklagte jedenfalls ausdrücklich auch nicht.

(2) Aber auch aus den von der Beklagten vorgelegten Gesprächsnotizen ergibt sich nichts anderes. Darin hat Herr S. zwar niedergeschrieben, dass die DRV Knappschaft-Bahn-See eine Zusatzbezeichnung Gastroenterologie gefordert habe. Jedoch bezogen sich die Gesprächsnotizen nicht auf die Fragestellung, ob statt eines Gastroenterologen ein Diabetologe eingesetzt werden dürfe. Die Fragestellung bezog sich darauf, ob die Beklagte die erforderlichen (vorhandenen) Fachärzte festanstellen müsse oder ob auch eine Anstellung als Honorarärzte zulässig sei. Die zu diesem Zeitpunkt bereits eingesetzten Honorarärzte Prof. R. und Frau Dr. K. sind aber Gastroenterologen, sodass für eine Differenzierung insoweit auch keine Veranlassung bestand.

(3) Aber selbst wenn die Beklagte Äußerungen der DRV Knappschaft-Bahn-See wegen einer verkürzten Bezeichnung der geforderten Fachärzte als Gastroenterologen irrtümlich missverstanden haben sollte, kann dieser Irrtum über die Strukturanforderungen nicht zu Lasten des Klägers gehen.

dd) Soweit die Beklagte in ihrer unternehmerischen Entscheidung zur Profiländerung über die Anforderung der DRV hinausgehen wollte, bestand bezogen auf das verfolgte Ziel des Abschlusses eines Basisvertrags keine betrieblich notwendige Veranlassung.

d) Der Kläger ist eindeutig sozial schutzwürdiger als Frau Dr. K..

Er ist älter, hat eine längere Betriebszugehörigkeit und ist, anders als Frau Dr. K., gegenüber seiner Ehefrau unerhaltsverpflichtet.

II. Nebenentscheidungen

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

2. Die Revisionszulassung beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.