OLG Hamm, Urteil vom 29.11.2002 - 11 U 92/02
Fundstelle
openJur 2011, 17856
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 21 O 16/02
Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 22. April 2002 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Klägerin hat der Beklagten unter dem 14. Juni 2000 und 27. Juni 2000 Angebote für die Lieferung von Baumaterial gemacht. Beide Angebote enthalten auch eine Position für Kalksandsteine "KS, Großformat, Quadro 1,8 inkl. Mörtel" zum Preis von 140,50 DM/cbm. In der Folgezeit hat die Klägerin dann die Beklagte mit Baumaterial, u.a. mit Kalksandsteinen, beliefert, wobei diese Steine im Wege des Streckengeschäfts von der Herstellerin L direkt an die Baustellen der Beklagten angeliefert wurden. Es wurden allerdings nicht die angebotenen Steine KS Großformat Quadro 1,8, sondern sog. Planelemente (KS-PE-System) geliefert. Diese werden ab Werk paßgenau nach Zeichnung (Plan) für das jeweilige Bauwerk gefertigt und bieten deshalb Verarbeitungsvorteile, sie sind allerdings auch deutlich teurer. Die Klägerin hat zwischen dem 31. Juli 2000 und 27. Oktober 2000 insgesamt 15 Rechnungen für ihre Lieferungen erteilt, die die Beklagte jeweils in den Positionen für die KS-Steine auf den nach dem angebotenen Einheitspreis (140,50 DM/cbm) ermittelten Preis gekürzt und in dieser Höhe bezahlt hat. Die Rechnungen berücksichtigten die Steine des KS-PE-Systems mit einem Einheitspreis von 220 DM/cbm. Insgesamt ist aus den 15 Rechnungen auf diese Weise ein Betrag von 35.617,36 DM gekürzt und nicht bezahlt worden. Diesen verfolgt die Klägerin mit der vorliegenden Klage.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen W und H der Klage stattgegeben aus den im angefochtenen Urteil dargestellten Gründen, auf die verwiesen wird.

Mit der Berufung erstrebt die Beklagte die Klageabweisung und führt aus: Sie habe entgegen der Annahme des Landgerichts nicht die von der Vereinbarung abweichende Lieferung vorbehaltlos angenommen, vielmehr habe sie die den Lieferungen nachfolgende Rechnung jeweils gekürzt, die gekürzte Rechnung jeweils zurückgesandt und den gekürzten Betrag bezahlt. Die Klägerin habe deshalb bereits vor der zweiten Lieferung gewußt, daß die Beklagte die geänderten Preise nicht akzeptiere. Außerdem gehe der berechnete Betrag über den für geschnittenes Material angemessenen und marktüblichen Betrag hinaus, dieser liege allenfalls bei 180 DM/cbm.

Die Beklagte beantragt,

abändernd die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie behauptet, es müsse eine Absprache zwischen der Beklagten und L über die geänderte Belieferung mit KS-PE-Steinen erfolgt sein, das habe auch der frühere Mitarbeiter L gegenüber dem Zeugen W, Mitarbeiter der Klägerin, seinerzeit auf telefonische Nachfrage bestätigt. Die Beklagte habe auch die Rechnungen der Klägerin mit großer Verspätung gekürzt bezahlt, die gekürzte Rechnung selbst aber nicht zeitnah zurückgereicht. Die erste Rechnung vom 31. Juli 2000 habe sie erst am 19. September 2000 bezahlt, die Rechnung mit den Kürzungen habe die Klägerin auf Nachfrage erst etwa einen Monat später erhalten. Der Preis von 220 DM/cbm sei auch angemessen, der Einkaufspreis der Klägerin habe bei 215 DM/cbm gelegen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Streit der Parteien dreht sich allein um die Frage, ob der Klägerin als Gegenleistung für die Steine eine Zahlung zusteht, die über den zunächst unstreitig angebotenen, bei der Bestellung noch unverändert gebliebenen Betrag für "KS Großformat Quadro 1,8" von 140,50 DM/cbm, den die Beklagte auch bereits bezahlt hat, hinausgeht. Der jetzt geltend gemachte vertragliche Anspruch kann sich deshalb nur aus § 433 Abs. 2 BGB (in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung, im Folgenden: a.F.) ergeben. Nach dem Ergebnis der Verhandlung und Beweisaufnahme in der Berufungsinstanz hat der Senat davon auszugehen, daß entgegen der Auffassung des Landgerichts ein solcher Anspruch der Klägerin nicht besteht.

1.

Die Pflicht zur Zahlung eines erhöhten Kaufpreises kann nicht mit dem Landgericht unter Anwendung der Regeln gemäß § 378 HGB über die rügelose Entgegennahme gelieferter Ware begründet werden. Das Landgericht hat allerdings zutreffend ausgeführt, die rügelose Entgegennahme der Steine und ihre Verwendung am Bauwerk führe gemäß § 378 HGB zur Genehmigungsfiktion, weil es sich um die Lieferung eines genehmigungsfähigen Aliud gehandelt habe. Jedoch kann die weitere Annahme des Landgerichts, die Beklagte habe deshalb auch den höheren Preis für das höherwertige Aliud zu bezahlen, nicht überzeugen. Die Frage, ob die Lieferung und rügelose Entgegennahme einer - im Vergleich zur bestellten - höherwertigen Ware dazu führt, daß der Besteller auch die erhöhte Vergütung zu bezahlten hat, ist umstritten. Die Autoren, auf die das Landgericht für seine Auffassung verwiesen hat (Schlegelberger-Hefermehl, HGB, 5. Aufl., § 378, 10; Brox, Handels- und Wertpapierrecht, 15. Aufl., Rdnr. 398) führen als Begründung für die aus der Genehmigungsfiktion folgende Pflicht zur Zahlung einer höheren Vergütung an, die Versäumung der Rüge solle dem Käufer, nicht dem Verkäufer zum Nachteil gereichen. Diese Begründung bietet aber keine Rechtfertigung dafür, daß der Kaufpreis - und damit der Vertragsinhalt - durch die versäumte Rüge geändert wird. Die besseren Gründe sprechen deshalb für die Auffassung jener Autoren, die es grundsätzlich beim Vertragsinhalt auch hinsichtlich des Preises belassen wollen (Brüggemann in: Großkomm. zum HGB, § 378, 24 [ausführlich]; Wagner in: Röhricht u.a., HGB, 2. Aufl., § 378, 27; K. Schmidt, Handelsrecht, 5. Aufl., S. 822/823; Heymann-Emmerich, HGB, 2. Aufl., § 378, 22). Danach bietet § 378 HGB keine Handhabe für eine Veränderung des vertraglich vereinbarten Preises, es wird nur die Lieferung als vertragsgemäß angesehen und die an die mangelhafte oder sonst fehlsame Lieferung anknüpfenden Rechte des Käufers werden ihm versagt. § 378 HGB kann deshalb eine Stütze für die Zuerkennung einer höheren Kaufpreiszahlung nicht abgeben.

2.

Eine abändernde Vereinbarung ist zwischen den Parteien hinsichtlich des angebotenen Kaufpreises für die Kalksandsteine nicht zustande gekommen.

Die Lieferung und die Entgegennahme des vom Angebot und von der Bestellung erkennbar abweichend gelieferten Kaufgegenstands stellen nicht ohne weiteres und in allen Fällen eine stillschweigende Abänderung der zugrunde liegenden Vereinbarung auch hinsichtlich der Höhe der Vergütung dar. Es fehlt in solchen Fällen regelmäßig bereits an einem Erklärungstatbestand. Eine Willenserklärung kann nur vorliegen, wenn der Erklärungstatbestand einen auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichteten Willen zum Ausdruck bringt. Die Ausführung einer Lieferung nach vorangegangenem Vertragsschluß läßt regelmäßig einen Willen, den vorangegangenen Vertrag zu verändern, auch dann nicht erkennen, wenn eine mangelbehaftete oder eine andere als die vereinbarte Sache geliefert wird. Das kommt nur in Betracht, wenn besondere zusätzliche Umstände vorliegen. Solche zusätzlichen Umstände fehlen hier.

a)

Ein Angebot zur Abänderung der Vereinbarung auch hinsichtlich des Preises kann dadurch abgegeben werden, daß eine als solche offen deklarierte Aliudlieferung erfolgt (vgl. Heymann-Emmerich, aaO; Brüggemann, aaO). Das ist hier aber nicht geschehen. Die Klägerin oder die direkt anliefernde Fa. L haben nicht bei Anlieferung klargestellt, daß es sich um eine Aliudlieferung mit einem erhöhten Preis handelte. Die Beklagte legt unwidersprochen dar, die Rechnungen habe die Klägerin mehrere Tage nach den Lieferungen übersandt. Selbst wenn man in den Rechnungen eine Offenlegung des Willens, in Abänderung des Vertrags ein Aliud und einen veränderten Preis zum Vertragsgegenstand zu machen, sehen wollte, könnte diese der Lieferung nachfolgende Erklärung nicht dazu führen, daß schon die bloße Lieferung (eines Aliud) diesen Erklärungsgehalt eines Vertragsangebots hat und die Entgegennahme der Lieferung als Annahme dieses Vertragsangebots anzusehen ist. Dabei spielt keine Rolle, ob die Rückgabe der gekürzten Rechnungen umgehend (so behauptet die Beklagte) oder erst auf Nachfrage mit Verzug (so stellt es die Klägerin dar) erfolgt ist. Abgesehen davon bringt ohnehin eine unkommentierte Berechnung der Waren abweichend von den vorangegangenen Vereinbarungen nicht ein Angebot auf eine abändernde Vereinbarung zum Ausdruck. Zumindest hat die Beklagte auf diese Rechnungen nicht ungekürzt bezahlt und somit eine Annahme nicht erklärt.

b)

Das Verhalten der Klägerin kann auch nicht deshalb als ein Angebot zu einer abändernden Vereinbarung der Parteien verstanden werden, weil es an eine vor der Belieferung erfolgte Absprache der Beklagten mit der Fa. L über die Belieferung mit Kalksandsteinen abweichend von der gegenüber der Klägerin erfolgten Bestellung anknüpfte. Wenn allerdings die Beklagte selbst eine solche abweichende Belieferung bewußt veranlaßt hätte, müßte schon die Anlieferung der Steine durch die Klägerin (oder veranlaßt von ihr durch die Fa. L) als ein Angebot auf Abänderung des Vertrags in dem oben beschriebenen Sinn verstanden werden. Die Beklagte hätte dann nicht erwarten können, daß die bewußt von ihr herbeigeführte Abweichung ohne Auswirkung auf den Vertragsinhalt blieb, und sie hätte das offenkundige Einverständnis der Klägerin dann als ein solches Eingehen auf Abänderungswünsche verstehen müssen. Die Annahme und Verarbeitung der Steine wäre dann eine Annahme des Angebots.

Der Senat ist nicht gehindert, insoweit eigene tatsächliche Feststellungen zu treffen, die über die vom Landgericht festgestellten Tatsachen hinausgehen. Es liegen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, daß die Feststellungen des Landgerichts unvollständig sind (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), weil das Landgericht die Frage, ob die Beklagte die abweichende Lieferung veranlaßt hat, für unerheblich gehalten hat.

Die insoweit beweisbelastete Klägerin hat aber nicht den Beweis geführt, daß die Beklagte bewußt die abgeänderte Belieferung mit geschnittenem Material veranlaßt hat. Der vom Landgericht vernommene Zeuge H hat dazu bekundet, er habe mit der Fa. L darüber nicht gesprochen. Der Geschäftsführer I hat für die Beklagte vor dem Senat erklärt, allein der Zeuge H habe die Verhandlungen über diesen Auftrag für die Beklagte geführt. Der Senat kann auch nach der Vernehmung des auf den Antrag der Klägerin erneut vernommenen Zeugen W nicht feststellen, daß es durch direkte Kontakte zwischen der Beklagten und der Fa. L zu der behaupteten abändernden Absprache gekommen ist. Der Zeuge W hat bekundet, daß aus seiner Sicht eine Diskrepanz zwischen der bei der Klägerin bestellten und der von der Fa. L gelieferten Ware bestanden habe. Zu den Gründen dafür hat der Zeuge allerdings nur Vermutungen anstellen und auf die Auskunft eines ihm namentlich nicht erinnerlichen Mitarbeiters der Fa. L verweisen können, wonach es zu Gesprächen zwischen der Beklagten und Herrn L von der Fa. L gekommen sei, in denen man die abgeänderte Belieferung besprochen habe. Diese Angaben versetzen den Senat nicht in die Lage, die direkten Gespräche und ihren Inhalt mit dem von der Klägerin behaupteten Inhalt als gesichert festzustellen. Es können durchaus andere Gründe als direkte Vereinbarungen zwischen der Beklagten und der Fa. L dafür vorgelegen haben, daß eine andere Sorte von Kalksandsteinen an die Beklagte geliefert wurde als die zunächst von der Beklagten bestellte. Es kann z.B. schon nicht ausgeschlossen werden, daß bei Herrn L Mißverständnisse vorgelegen haben oder er aus internen Gründen an einer Belieferung mit höherwertigen Steinen interessiert war und diese deshalb ohne vorherige Absprache mit der Beklagten veranlaßt hat. Zweifel insoweit ergeben sich auch deshalb, weil die Klägerin nach ihrer eigenen Darstellung nicht etwa, wie es zu erwarten gewesen wäre, von der Fa. L vorab über die Änderung des von der Klägerin erteilten Auftrags informiert worden ist, sondern die Klägerin erst durch die Rechnungen der Fa. L von der Änderung erfahren hat. Wie unsicher die tatsächliche Grundlage der vom Zeugen W bekundeten Vorgänge im Hinblick auf die angeblichen Änderungen der Verträge ist, ergibt sich auch daraus, daß der Zeuge von einem Mitarbeiter der Fa. L über angebliche Gespräche zwischen dem dort tätigen Herrn L und der Beklagten berichtet hat. Eine Übermittlung von Nachrichten über so viele Beteiligte bietet nach allgemeiner Lebenserfahrung keine hohe Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der übermittelten Informationen. Das gilt besonders dann, wenn wie hier einzelne der beteiligten Informanten namentlich nicht bekannt sind. Da der Senat angesichts der dargelegten Zweifel nicht ausschließen kann, daß es ohne die vorherige Billigung durch die Beklagte zu der abgeänderten Belieferung gekommen ist, ist eine konkludente abändernde Vereinbarung nicht anzunehmen.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

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