VG Berlin, Urteil vom 16.06.2016 - 1 K 13.14
Fundstelle
openJur 2016, 9040
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Gegenstand der Klage sind Äußerungen seitens der Staatsanwaltschaft Berlin gegenüber Medienvertretern betreffend eine Anklage gegen den Kläger.

Gegen den Kläger wurde im Jahr 2012 ein Ermittlungsverfahren wegen Ausspähens von Daten und Vergehen nach dem Bundesdatenschutzgesetz eingeleitet. Ihm wird vorgeworfen, sich in den Jahren 2009 bis 2012 unbefugt Zugang zu vertraulichen Daten aus dem Bundesministerium für Gesundheit verschafft und diese für eigene wirtschaftliche Zwecke verwendet zu haben. Am 16.1.2014 wurde dem Kläger durch Postzustellungsurkunde eine vom 12.12.2013 datierende Anklage der Staatsanwaltschaft Berlin zugestellt. Das vor dem Landgericht Berlin geführte Strafverfahren ist bislang nicht abgeschlossen.

Über die Vorwürfe gegen den Kläger wurde in den Medien berichtet, erstmalig im Dezember 2012 nach Bekanntwerden der Ermittlungen. Am 10.1.2014 informierten die Online-Magazine „DAZ.online – Das Internetportal der Deutschen Apotheker Zeitung“ sowie „Spiegel Online“, die Staatsanwaltschaft Berlin habe ihre Ermittlungen gegen den Kläger zwei Wochen vor Weihnachten abgeschlossen. Es sei nun Anklage erhoben, d.h. eine Anklageschrift mit dem Antrag, das Hauptsacheverfahren zu eröffnen, sei an das Landgericht Berlin übermittelt worden. Ähnliche Beiträge veröffentlichten „Die Welt“, die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, die „Zeit Online“ sowie das „Handelsblatt“ am 12.1.2014 und 13.1.2014 auf ihren Internetseiten. Am 20.1.2014 gab der Pressesprecher der Generalstaatsanwaltschaft ohne namentliche Nennung des Klägers eine Presseerklärung zu der erfolgten Anklageerhebung ab.

Mit Emails vom 10.1.2014, 11.1.2014 und 13.1.2014 wandte sich der Klägervertreter an den Pressesprecher sowie den zuständigen Dezernenten der Staatsanwaltschaft Berlin, verwies auf die erfolgte Berichterstattung und bat um Mitteilung bis zum 14.1.2014, mit welchen Medienvertretern bezüglich der Anklage kommuniziert wurde.

Am 14.1.2014 hat der Kläger erhoben. Er trägt vor, die Medien seien über die gegen ihn erfolgte Anklageerhebung informiert worden, bevor ihm die Anklage zugestellt wurde. Dies stelle einen Verstoß gegen das Gebot des fairen Verfahrens dar.

Der Kläger beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger mitzuteilen,

- mit welchen Medienvertretern durch den Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Berlin betreffend das Strafverfahren gegen H... (222 Js 1953/12) zwischen dem 12.12.2013 und dem 16.1.2014 kommuniziert worden ist (Ansprechpartner, Zeitung/Zeitschrift/Presseagentur, Datum des Gesprächs)

- welchen dieser Medienvertreter in diesem Zusammenhang mitgeteilt worden ist, dass gegen H... durch die Staatsanwaltschaft Berlin Anklage erhoben worden ist.

2. festzustellen, dass die – ausdrückliche oder sinngemäße – Unterrichtung von Medienvertretern durch die Staatsanwaltschaft Berlin im Zeitraum zwischen Abschlussverfügung und 13.1.2014, wonach die Staatsanwaltschaft Berlin gegen Herrn T... im Zusammenhang mit einer sog. Datenaffäre beim Bundesgesundheitsministerium Anklage zum Landgericht Berlin erhoben hat, rechtswidrig war.

3. den Beklagten zu verurteilen, den Empfängern der erteilten Auskünfte (Ziffer 1.) schriftlich mitzuteilen, dass die jeweilige Auskunft zu einer durch die Staatsanwaltschaft erhobenen Anklage gegen H... (Ziffer 2) rechtswidrig erteilt wurde.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt im Wesentlichen vor, die Ansprüche zu 1. und 3. seien nicht erfüllbar, da Gespräche mit Medienvertretern nicht dokumentiert würden und der Justizpressesprecher sich an die im Zusammenhang mit diesem Verfahren geführten Gespräche nicht im Einzelnen erinnern könne. Bezüglich des Antrages zu 2. trägt der Beklagte vor, aus Stellungnahmen der Pressestelle gegenüber Medienvertretern habe zwar der Schluss gezogen werden können, dass gegen den Kläger Anklage erhoben wurde. Der Beklagte sei jedoch durch das Berliner Pressegesetz verpflichtet, dem Auskunftsanspruch der Presse Rechnung zu tragen. Auskünfte dürften nur verweigert werden, wenn durch die Erteilung ein schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde. Bei der Abwägung, die hier zulasten des Klägers ausfalle, sei entscheidend, dass weder der Name des Klägers genannt noch Angaben zum Inhalt der Anklage gemacht wurden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Verwaltungsvorgang Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg, da sie teilweise bereits unzulässig und im Übrigen unbegründet ist.

Der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 S. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (- VwGO -) ist vorliegend eröffnet. Presseauskünfte durch Pressestellen der Staatsanwaltschaften sind funktional nicht der Strafermittlung und Strafverfolgung i.S.d. § 23 Abs. 1 S. 1 Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz (- EGGVG -) zuzurechnen. Ihr Zweck ist vielmehr die Öffentlichkeitsarbeit, die dem allgemeinen öffentlichen Recht zuzuordnen ist (BVerwG, Urteil vom 14.4.1988 - 3 C 65/85, NJW 1989, 412 [413]; VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 25.5.2001 – 1 G 2174/91, juris, Rn. 6; VG Berlin, Gerichtsbescheid vom 23.3.2010 – VG 1 K 914.09, S. 3 des amtlichen Entscheidungsabdrucks).

1. Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass die ausdrückliche oder sinngemäße Unterrichtung von Medienvertretern durch die Staatsanwaltschaft Berlin über die gegen den Kläger erfolgte Anklageerhebung vor dem 13.1.2014 rechtswidrig war (Antrag zu 2.), ist die als Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO statthafte Klage bereits unzulässig. Es fehlt am Vorliegen eines Feststellungsinteresses im Sinne eines nach vernünftigen Erwägungen schutzwürdigen Interesses rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur.

Ein Interesse an einer Rehabilitierung des Klägers kann nicht geltend gemacht werden, da mit Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft vom 12.12.2013 gegen den Kläger tatsächlich Anklage erhoben wurde und die Berichterstattung in den Medien damit zutreffend war. Auch soweit die Klägerseite darauf abstellt, dass eine – ausdrückliche oder sinngemäße – Unterrichtung der Presse zu früh erfolgt ist, d.h. bevor die Anklage dem Kläger zugestellt war, kann daraus unter dem Gesichtspunkt eines tiefgreifenden, sich typischerweise kurzfristig erledigenden Grundrechtseingriffes (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30.4.1997 - 2 BvR 817/90, NJW 1997, 2163 [2163 f.]) kein Feststellungsinteresse hergeleitet werden. Zwar erfordert das aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (- GG -) i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG folgende Grundrecht auf ein faires Verfahren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8.10.1974 - 2 BvR 747/73, BeckRS 9998, 106675), dass die Öffentlichkeit über die Tatsache einer Anklageerhebung erst informiert wird, wenn die Anklage dem Betroffenen zugestellt ist (VGH Kassel, Beschluss vom 15.10.2001 – 10 TZ 1734/01, juris, Rn. 3; VG Frankfurt a. M., Beschluss vom 25.5.2001 – 1 G 2174/01, juris, Rn. 9; LG Wiesbaden, Urteil vom 3.6.2015 – 10 O 80/12, NJW 2015, 2975 [2982]; vgl. auch Ziff. 23 Abs. 2 RiStBV). Sinn und Zweck dessen ist die Herstellung einer „Waffengleichheit“ zwischen der Strafverfolgungsbehörde und dem Beschuldigten. Der Beschuldigte soll in die Lage versetzt werden, unmittelbar im Anschluss an eine öffentliche Äußerung der Staatsanwaltschaft auf Nachfragen von Medienvertretern fundiert antworten zu können (VGH Kassel, Beschluss vom 15.10.2001 – 10 TZ 1734/01, juris, Rn. 3; LG Wiesbaden, Urteil vom 3.6.2015 – 10 O 80/12, NJW 2015, 2975 [2982]).

Die vorliegend inmitten stehende mögliche Beeinträchtigung ist jedoch nicht so tiefgreifend, dass sich daraus ein Feststellungsinteresse begründen lassen könnte (ebenso: VGH München, Beschluss vom 5.5.2003 – 5 ZB 03.81, BeckRS 2003, 27795). Mit den typischen Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe – Anordnungen der Exekutive, die durch das Grundgesetz unter Richtervorbehalt gestellt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30.4.1997 – 2 BvR 817/90, 2 BvR 728/92, 2 BvR 802/95, 2 BvR 1065/95, BVerfGE 96, 27, juris, Rn. 51, VGH München, Beschluss vom 5.5.2003 – 5 ZB 03.81, BeckRS 2003, 27795) – ist die hiesige Konstellation nicht vergleichbar. Eine aktive Information der Öffentlichkeit über Einzelheiten der Anklage vor ihrer Zustellung, etwa durch eine Presseerklärung oder Abhaltung einer Pressekonferenz, ist vorliegend nicht erfolgt. Die das Verfahren des Klägers betreffende Pressemittelung 2/2014 datiert vom 20.1.2014 und wurde damit vier Tage nach Zustellung der Anklage an den Kläger veröffentlicht. Streitig ist lediglich eine, auf Nachfrage abgegebene, ausdrückliche oder sinngemäße Auskunft über die Tatsache der Anklageerhebung als solche. Die – auch mediale – „Waffengleichheit“ zwischen der Strafverfolgungsbehörde und dem Kläger wurde hierdurch jedoch nicht beeinträchtigt. Die konkreten Vorwürfe waren sowohl dem Kläger als auch seinem Verteidiger, dem während des laufenden Ermittlungsverfahrens im Mai 2013 Akteneinsicht gewährt wurde, bekannt. Der Kläger kann damit nicht geltend machen, er habe mangels Kenntnis der ihm zur Last gelegten Tat auf Fragen von Medienvertretern nicht adäquat reagieren und sich damit medial nicht hinreichend verteidigen können. Inhaltlich enthielten die Medienveröffentlichungen vom Januar 2014, von der Tatsache der Anklageerhebung abgesehen, gegenüber den früheren Berichten nichts wesentlich Neues. Nachdem über die Ermittlungen gegen den Kläger bereits seit Dezember 2012 breit in der Presse berichtet wurde, wurde der Kläger durch die (neuerliche) Berichterstattung im Januar 2014 auch nicht von einer plötzlichen öffentlichen Aufmerksamkeit überrumpelt. Vielmehr musste der Kläger unter den gegebenen Umständen mit einer Anklageerhebung und in deren Folge einem Wiederaufflammen des medialen Interesses jederzeit rechnen. Von einem tiefgreifenden Grundrechtseingriff infolge einer Verletzung des Rechts auf „Waffengleichheit“ kann vor diesem Hintergrund nicht gesprochen werden. Auch eine Wiederholungsgefahr oder bis in die Gegenwart fortwirkende Beeinträchtigung ist nicht ersichtlich.

Ein Feststellungsinteresse kann schließlich auch nicht im Hinblick auf das noch laufende Strafverfahren gegen den Kläger begründet werden. Eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren ist vielmehr im Fall einer Verurteilung durch das erkennende Strafgericht im Rahmen der Strafzumessung und damit unter Würdigung aller für und gegen den Kläger sprechenden Umstände zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 21.1.2009 - 1 StR 727/08, NStZ 2009, 405 [405]; Schädler/Jakobs, Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 7. Auflage 2013, Art. 6 MRK, Rn. 27). Durch ein feststellendes verwaltungsgerichtliches Urteil wäre das erkennende Strafgericht weder gebunden noch ist sonst ersichtlich, dass die Rechtsstellung des Klägers hierdurch verbessert werden könnte.

2. Soweit der Kläger die Erteilung einer Auskunft begehrt, mit welchen Medienvertretern der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Berlin über das Strafverfahren gegen den Klägern kommuniziert hat und welchen dieser Medienvertretern die erfolgte Anklageerhebung mitgeteilt wurde (Antrag zu 1.), ist die Klage als allgemeine Leistungsklage zulässig, aber unbegründet.

Dabei kann dahinstehen, ob eine vorherige, erfolglose Antragstellung bei der zuständigen Behörde eine (nicht nachholbare) Klagevoraussetzung der allgemeinen Leistungsklage ist (so etwa VGH Mannheim, Urteil vom 18.10.1990 - 2 S 2098/89, NVwZ 1991, 583 [583] und Urteil vom 16.10.1989 - 1 S 1056/88, NVwZ 1990, 892 [893]; ablehnend VG Berlin, Urteil vom 14.11.1997 - 3 A 817–97, NJW 1998, 1243 [1243] m.w.N.); denn der Kläger ist vor Klageerhebung mit seinem Begehren an den Beklagten herangetreten. Am 10.1.2014 hat der Klägervertreter den Pressesprecher und den zuständigen Dezernenten der Staatsanwaltschaft zunächst auf die Veröffentlichung in der „Deutschen Apotheker-Zeitung“ hingewiesen und mitgeteilt, dass der Verteidigung noch keine Anklage vorliegt. Mit Email vom 11.1.2014 hat sich der Klägerbevollmächtigte sodann an den zuständigen Dezernenten der Staatsanwaltschaft Berlin, den Zeugen P... gewandt, der daraufhin mitteilte, er habe der Presse zu keinem Zeitpunkt Auskünfte gegeben. Mit Email vom 13.1.2014 hat der Klägervertreter schließlich gegenüber der Pressestelle der Staatsanwaltschaft Berlin die Erteilung der vorliegend eingeklagten Auskunft begehrt. Zwar war die darin gesetzte Frist bis zum nächsten Tag, dem 14.1.2014, 14 Uhr, knapp bemessen. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass im Bereich von Presse- und Onlineveröffentlichungen typischerweise sehr kurze Reaktionszeiten üblich und geboten sind; denn es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, dass die öffentliche Aufmerksamkeit sich sehr schnell anderen, aktuelleren Nachrichten zuwendet. Eventuelle presserechtliche Schritte erfordern damit ein sehr zeitnahes Handeln. Zudem ist der Klägervertreter bereits am 10.1.2014 per Email mit dieser Thematik an den Beklagten herangetreten, ohne dass durch diesen eine Reaktion erfolgt ist. Der Beklagte hatte damit jedenfalls ausreichend Gelegenheit, auf die Nachricht des Klägers telefonisch oder per Email zu reagieren. Der notwendigen Vorbefassung der Verwaltung ist damit Genüge getan.

Die Klage ist jedoch unbegründet, weil der Kläger keine weitergehende Auskunft beanspruchen kann. Eine Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Auskunftsanspruch folgt nicht aus dem Berliner Pressegesetz, da dieses dem Betroffenen keinen Anspruch gegen öffentliche Stellen auf Mitteilung der an die Presse und Öffentlichkeit weitergegebenen Informationen einräumt. Auch auf den Auskunftsanspruch gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 Bundesdatenschutzgesetz (- BDSG -) kann sich der Kläger vorliegend nicht stützen. Dieser gewährt dem Betroffenen einen Anspruch auf Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten, mithin über sämtliche Einzelangaben zu persönlichen und sachlichen Verhältnissen einer natürlichen Person (§ 3 Abs. 1 BDSG). Die auf das Verfahren bezogene, gegenwärtig noch verfügbare Email-Korrespondenz wurde als Verwaltungsvorgang vom Beklagten vorgelegt und von der Klägerseite eingesehen, so dass ein entsprechender Anspruch jedenfalls erfüllt und damit erloschen ist. Weitere Aufzeichnungen wurden, der Aussage des Pressesprechers, des Zeugen S... zufolge, nicht angefertigt. Die Kammer hat keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Angaben des Zeugen zu zweifeln. Auf die von der Klägerseite angeregte Vereidigung des Zeugen gemäß § 98 VwGO i.V.m. § 391 Zivilprozessordnung (- ZPO -) konnte vorliegend verzichtet werden. Gemäß § 98 VwGO i.V.m. § 391 ZPO ist ein Zeuge zu beeidigen, wenn das Gericht dies mit Rücksicht auf die Bedeutung der Aussage oder Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Aussage für geboten erachtet. Die Entscheidung über die Beeidigung steht im pflichtgemäßen Ermessen des erkennenden Gerichts (BVerwG, Beschluss vom 6.7.1998 - 9 B 562–98, NJW 1998, 3369 [3369]; Huber, in: Musielak/Voit, Zivilprozessordnung, 13. Auflage 2016, § 391 ZPO, Rn. 1, jeweils m.w.N.). Auch soweit eine Zeugenaussage entscheidungserheblich und damit von Bedeutung i.S.d. § 391 ZPO ist, kann auf die Beeidigung verzichtet werden, wenn der Zeuge glaubwürdig ist (Huber, in: Musielak/Voit, Zivilprozessordnung, 13. Auflage 2016, § 391 ZPO, Rn. 1).

Letzteres ist vorliegend der Fall. Zwar ist nicht auszuschließen, dass der Zeuge als Pressesprecher der Staatsanwaltschaft insofern ein Interesse am Ausgang des Verfahrens hat, als letztlich er die Verantwortung für eine rechtskonforme Öffentlichkeitsarbeit trägt. Für die Glaubwürdigkeit des Zeugen spricht jedoch, dass dieser kritisch eingeräumt hat, er habe im vorliegenden Verfahren, in der langen Zwischenzeit zwischen der staatsanwaltschaftlichen Abschlussverfügung und der Zustellung der Anklageschrift, Medienvertretern gegenüber etwas „herumgeeiert“ (vgl. das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.6.2016, S. 3). Weiterhin hat der Zeuge mitgeteilt, er habe anfragenden Journalisten im Zeitraum zwischen Mitte Dezember 2013 und Mitte Januar 2014 geraten, sich an das zuständige (Straf-)Gericht zu wenden (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.6.2016, S. 4). Mit den Verfahrensabläufen vertrauten Journalisten musste sich mit dieser Auskunft der Schluss aufdrängen, dass durch die Staatsanwaltschaft Berlin Anklage erhoben wurde; ob dieses Vorgehen mit dem Gebot vereinbar ist, die Öffentlichkeit auch über die reine Tatsache einer Anklageerhebung erst nach Zustellung der Anklageschrift zu informieren (vgl. Ziff. 23 Abs. 2 RiStBV), erscheint fraglich. Dass der Zeuge damit jedoch einen letztlich gegen die behördliche Praxis sprechenden Umstand eingeräumt hat, spricht für seine Glaubwürdigkeit. Hinzu kommt, dass vorliegend die berufliche Stellung des Zeugen als Oberstaatsanwalt bei der Generalstaatsanwaltschaft Berlin ein weiteres Indiz für dessen Glaubwürdigkeit bietet (vgl. Foerste: Parteiische Zeugen im Zivilprozess, NJW 2001, 321 [326]). Mit seiner Aussage hat der Zeuge sich überdies zu dienstlichen Vorgängen geäußert und unterliegt insofern gegenüber seinem Vorgesetzen oder Dienstherrn, der wiederum gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden ist, der aus der allgemeinen Dienst- und Treuepflicht folgenden Pflicht, in dienstlichen Angelegenheiten die volle Wahrheit zu sagen (so zu einer, hinsichtlich der Beweiskraft einer eidesstattlichen Versicherung gleichkommenden dienstlichen Stellungnahme eines Beamten: OVG Münster, Beschluss vom 11.01.2010 - 19 A 3316/08, BeckRS 2010, 46487). Schließlich konnte die Kammer bei der Vernehmung des Zeugen auch den persönlichen Eindruck gewinnen, dass der Zeuge darum bemüht war, möglichst differenzierte und zutreffende Angaben zum Verfahrensgegenstand zu machen. Die Einlassung des Zeugen erscheint darüber hinaus der Sache nach glaubhaft, da eine Dokumentationspflicht der Pressestelle nicht besteht und der Kammer die – nicht zu beanstandende – Praxis der Pressestelle der Staatsanwaltschaft, mündlich erteilte Auskünfte nicht schriftlich zu dokumentieren, aus ähnlichen Verfahren bekannt ist (vgl. VG Berlin, Gerichtsbescheid vom 23.3.2010 – VG 1 K 914.09, S. 4 des amtlichen Entscheidungsabdrucks).

Aus § 3 Abs. 1 S. 1 Berliner Informationsfreiheitsgesetz (- BlnIFG -) kann der Kläger ebenfalls keinen weitergehenden Auskunftsanspruch herleiten, da diese Vorschrift lediglich einen Anspruch auf Einsicht in oder Auskunft über den Inhalt der von einer öffentlichen Stelle geführten Akten gewährt. Soweit schriftliche Aufzeichnungen über die Pressearbeit betreffend das Strafverfahren gegen den Kläger bei der Pressestelle der Staatsanwaltschaft Berlin vorhanden sind, wurde der Klägerseite jedoch bereits Einsicht gewährt und ist auch dieser Anspruch damit schon erfüllt.

Hinsichtlich der vom Kläger jenseits einer Einsicht in Verwaltungsvorgänge begehrten Mitteilung, welche Medienvertreter über die Anklageerhebung informiert wurden, steht dem Kläger zwar ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über eine Auskunftserteilung zu. Denn soweit ein berechtigtes Interesse geltend gemacht werden kann, kommt dem Betroffenen auch ohne gesetzliche Grundlage ein entsprechender Anspruch gegen die Verwaltung zu (vgl. VG Berlin, Gerichtsbescheid vom 23.3.2010 – VG 1 K 914.09, S. 3 des amtlichen Entscheidungsabdrucks). Ein berechtigtes Interesse folgt vorliegend aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers (VG Berlin, Gerichtsbescheid vom 23.3.2010 – VG 1 K 914.09, S. 3 des amtlichen Entscheidungsabdrucks). Auch insofern hat der Beklagte den Anspruch jedoch bereits erfüllt und die begehrte Auskunft, soweit ihm dies möglich ist, schon erteilt. Der Beklagte hat bereits schriftsätzlich mitgeteilt, der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft könne aufgrund der Vielzahl der geführten Gespräche nicht mehr angeben, mit welchem Medienvertreter wann und mit welchem genauen Gesprächsinhalt über das konkrete Verfahren gesprochen wurde. Anfragenden Journalisten sei nach Abschluss der Ermittlungen und vor Zustellung der Anklage, soweit erinnerlich, lediglich ausweichend geantwortet worden. In der mündlichen Verhandlung vom 16.6.2016 hat der hierzu als Zeuge vernommene Pressesprecher diese Angaben bestätigt und erklärt, der üblichen Praxis zufolge werde Journalisten in einem solchen Fall lediglich mitgeteilt, dass die Ermittlungen abgeschlossen sind; gegebenenfalls werde geraten, sich an das zuständige Strafgericht zu wenden. Im hiesigen Fall habe der Zeuge, ... soweit er sich erinnern könne, eine Anklageerhebung gegen den Kläger im Zeitraum zwischen Dezember 2013 und Januar 2014 nicht bestätigt und anfragende Journalisten an das Strafgericht verwiesen. Von welchen Zeitungen die Anfragen stammten und welchen genauen Inhalt die Gespräche hatten, ist dem Zeugen nicht mehr in Erinnerung. Die Kammer hat auch insofern keinen Anlass, an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben des Zeugen S... zu zweifeln, sodass auf eine Vereidigung gemäß § 98 VwGO i.V.m. § 391 ZPO auch unter diesem Gesichtspunkt verzichtet werden konnte. Hinsichtlich der Glaubwürdigkeit des Zeugen gelten die obigen Ausführungen in gleicher Weise. Die Einlassungen des Zeugen sind darüber hinaus glaubhaft. Es erscheint nachvollziehbar, dass der Zeuge, der das Amt des Pressesprechers der Staatsanwaltschaft Berlin alleine und hauptamtlich ausführt, aufgrund der Vielzahl der Presseanfragen keine Erinnerung mehr daran hat, mit welchem Medienvertreter er im Zeitraum zwischen dem 12.12.2013 und dem 16.1.2014 über das Verfahren gegen den Kläger gesprochen hat. Wie der Zeuge ausgeführt hat, hat dieses Verfahren von Beginn an – mithin seit Dezember 2012 – großes Medieninteresse hervorgerufen, so dass sich verschiedene Journalisten teilweise wöchentlich bei der Pressestelle gemeldet haben. Unter diesen Umständen erscheint es lebensnah, dass einzelne Gespräche in der Erinnerung miteinander verschwimmen und eine genaue Abgrenzung und Einordnung rückblickend nicht mehr möglich ist. Der Zeuge hat angegeben, es sei nicht untypisch, dass sich auch Vertreter von speziellen Zeitungen wie beispielsweise der „Deutschen Apotheker-Zeitung“ bei der Pressestelle melden und dass anfragende Journalisten bereits über zahlreiche Detailinformationen verfügen. Der Beklagte hat damit im Rahmen des Möglichen Auskunft erteilt, so dass der Anspruch des Klägers jedenfalls durch Erfüllung erloschen ist.

3. Hinsichtlich des Antrags, den Beklagten zu verurteilen, die Empfänger der Information über die erfolgte Anklageerhebung davon in Kenntnis zu setzen, dass diese Information rechtswidrig war (Antrag zu 3.), ist die Klage ebenfalls zumindest unbegründet. Zwar ist der Klage insofern das Rechtsschutzbedürfnis nicht bereits deshalb abzusprechen, weil der Kläger sich nicht vor Klageerhebung mit einem entsprechenden Antrag an den Beklagten gewandt hat; denn insofern handelt es sich um eine auf dem Klageantrag zu 1. aufbauende Erweiterung des ursprünglichen Begehrens (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. August 1993 – 11 C 15/92, NVwZ 1995, 76 [77]; Sodan, in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, Großkommentar, 4. Aufl. 2014, § 42, Rn. 37). Hinsichtlich des Auskunftsbegehrens (Antrag zu 1.) hat der Kläger aber, wie ausgeführt, vor Klageerhebung bei dem Beklagten einen entsprechenden Antrag gestellt.

Dem Erfolg der Klage steht aber entgegen, dass eine Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch nicht ersichtlich ist. Insbesondere kann der Kläger nicht, wie bezüglich des Widerrufs von (inhaltlich falschen) Presseerklärungen, einen öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch geltend machen (vgl. insoweit VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 21.7.2011 - 8 L 1521/11, BeckRS 2011,52692 m.w.N.). Ein fortdauernder rechtswidriger Zustand besteht vorliegend nicht, da gegen den Kläger tatsächlich Anklage erhoben wurde und die Öffentlichkeit hiervon, jedenfalls nach Zustellung der Anklage am 16.1.2014, Kenntnis haben durfte. Dabei kann letztlich dahinstehen, ob die Möglichkeit einer Verletzung in subjektiven Rechten in entsprechender Anwendung von § 42 Abs. 2 VwGO bereits Voraussetzung der Zulässigkeit einer allgemeinen Leistungsklage ist (vgl. hierzu Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 30. EL Februar 2016, § 42; Rn. 170 m.w.N.). Denn jedenfalls ist die Klage aus diesem Grund unbegründet.

Die Klage ist darüber hinaus aber auch deswegen unbegründet, weil der Anspruch nicht erfüllbar ist. Denn es ist, wie ausgeführt, nicht bekannt und nicht mehr nachvollziehbar, mit welchen Medienvertretern seitens der Pressestelle der Staatsanwaltschaft über das Verfahren gegen den Kläger kommuniziert wurde.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

BESCHLUSS

Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß §§ 39 ff., 52 f. des Gerichtskostengesetzes auf

10.000,00 Euro

festgesetzt.