KG, Urteil vom 15.12.2015 - 14 U 79/14
Fundstelle
openJur 2016, 8071
  • Rkr:

Bei nahezu pünktlichen Ratenzahlungen einer Schuldnerin auf einen um fünf Monate verlängerten Überbrückungskredit ihrer Hausbank kann es an einem Gläubigerbenachteilungsvorsatz der Schuldnerin gemäß § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO fehlen.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 07.03.2014, berichtigt durch Beschluss vom 24.04.2014, - 20 O 387/13 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird gestattet, eine Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % leistet.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einer Insolvenzanfechtung geltend.

Unter dem 23.11.2009 legte die Schuldnerin ein “Konzept zur Sanierung und erfolgreichen Fortführung” vor (Anlage B 1) und erteilte am 02.12.2009 einen Auftrag an die G... (kurz: G... ) zur Erstellung eines Sanierungsgutachtens. Die Schuldnerin und die Beklagte als ihre Hausbank schlossen am 03.12.2009 einen Kreditvertrag über 154.000,00 EUR mit einer Laufzeit bis zum 28.02.2010 (Anlage K 2). Da sich nach dem Vorbringen der Beklagten die Auszahlung durch die D... nach der Jahresabrechnung für 2009 verzögerte, zahlte die Schuldnerin nur eine erste Rate von 54.000,00 EUR am 24.02.2010 zurück und vereinbarte mit der Beklagten am 18.03.2010 einen Nachtrag zu dem Kreditvertrag (Anlage B 2) mit einer Laufzeit bis zum 30.07.2010 und monatlichen Raten von 25.000,00 EUR, beginnend am 25.04.2010. Die Schuldnerin leistete diese vier Raten am 26.04.2010, 25.05.2010, 25.06.2010 und 26.07.2010. Gegenstand der Anfechtung sind die fünf Zahlungen in Höhe von insgesamt 154.000,00 EUR. Im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil, berichtigt durch Beschluss vom 24.04.2014, die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Kläger haben gegen die Beklagte keinen Anspruch aus §§ 143 Abs. 1 Satz 1, 129 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO, weil es an einer Gläubigerbenachteiligung fehle. Die Schuldnerin habe einen durch ein Absonderungsrecht voll gesicherten Anspruch der Beklagten erfüllt. Der Globalzessionsvertrag, der nicht anfechtbar entstanden sei, gebe dieses Absonderungsrecht.

Der Kläger rügt mit seiner Berufung: Eine objektive Gläubigerbenachteiligung sei anzunehmen, weil die Schuldnerin von ihr vereinnahmte Beträge an die Beklagte weitergeleitet habe. Die Beklagte habe kein Ersatzabsonderungsrecht. Am 24.02.2010 habe die Schuldnerin ihre Zahlungen eingestellt. Der Forderungserwerb kraft Globalzession sei anfechtbar, da keine Forderung älter als vom 31.12.2009 gewesen sei. Die Insolvenzmasse sei unzureichend, wofür ein Anscheinsbeweis spreche. Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin bei den Kreditrückzahlungen folge daraus, dass sie (drohend) zahlungsunfähig gewesen sei. Die Beklagte habe als Hausbank der Schuldnerin Kenntnis von einer jedenfalls drohenden Zahlungsunfähigkeit und damit vom Benachteiligungsvorsatz gehabt. Die Sanierungsbemühungen würden weder dem Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin noch der Kenntnis der Beklagten entgegenstehen. Das Sanierungskonzept sei bis zur letzten Teilzahlung nicht in die Tat umgesetzt worden. Bei der Anlage B 1 handele es sich nicht um ein Sanierungskonzept, weil es keine Vorgaben enthalte, wie die anderen Verbindlichkeiten hätten bedient werden sollen. Der Darlehensvertrag, insbesondere in der abgeänderten Form, sei nicht geeignet gewesen, als Überbrückungskredit zu dienen. Er bestreite, dass die befristete Verlängerung auf nachvollziehbaren Verzögerungen beruht habe.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 07.03.2014 verkündeten Urteils des Landgerichts Berlin - 20 O 387/13 - wird die Beklagte verurteilt, an ihn 154.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 27.12.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und erwidert: Es liege keine Gläubiger-benachteiligung vor. Die Zahlungsströme seien irrelevant. Das Absonderungsrecht sei nicht durch die Zahlungen Dritter entfallen. Es sei voll werthaltig. Die Globalzession sei nicht anfechtbar. Der Kläger habe nicht dargelegt, dass die Insolvenzmasse nicht ausreiche, um alle Gläubiger zu befriedigen. Es fehle an einem Gläubigerbenachteilungsvorsatz der Schuldnerin, weil keine drohende Zahlungsunfähigkeit vorgelegen habe und sie auf Grundlage eines konkreten Sanierungskonzepts einen ernsthaften Sanierungsversuch vorgenommen habe. Sie, die Beklagte, habe keine Kenntnis von einem angeblichen Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gehabt.

Der Senat hat am 03.02.2015 und 20.11.2015 Hinweise erteilt.

II. Die Berufung hat keinen Erfolg. Die Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Zahlungsanspruch aus §§ 143 Abs. 1 Satz 1, 129 Abs. 1, 133 Abs. 1 InsO.

Es fehlt an einem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin.

Ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz kann ausgeschlossen sein, wenn lediglich ein Überbrückungskredit gewährt wurde, der nicht die Qualität eines Sanierungsversuchs erreicht. Jene subjektiven Anfechtungsvoraussetzungen dürfen nicht allein schon deswegen bejaht werden, weil ein Sanierungsversuch objektiv nicht hinreichend fachgerecht vorbereitet wurde. Beteiligte, die ernsthaft und mit aus ihrer Sicht tauglichen Mitteln die Sanierung anstreben, handeln objektiv redlich. Sie wollen typischerweise den Eintritt der Gläubigerbenachteiligung gerade vermeiden, nehmen sie also durchweg nicht in Kauf. Dabei kann die fachgerechte Einleitung des Versuchs allerdings Rückschlüsse auf dessen Ernsthaftigkeit zulassen (vgl. BGH Urteil vom 04.12.1997 - IX ZR 47/97 - NJW 1998, 1561, 1564 zu § 31 Nr. 1 KO; Uhlenbruck/Ede/Hirte, InsO, 14. Aufl., § 133 Rn. 139).

Hier liegt ein solcher Überbrückungskredit vor, den die Beklagte u.a. der Schuldnerin gemäß dem Vertrag vom 03.12.2009 gewährt hat, als diese bereits am 02.12.2009 eine unvoreingenommene, fachkundige Prüfung ihrer Lage (vgl. BGH Urteil vom 08.12.2011 - IX ZR 156/09 -, juris) durch die G... im Rahmen der Turn Around Beratung der K... (K 4, S. 7) in Auftrag gegeben hatte. Nach ihrer Sicht der Dinge, auf die es nur ankam (vgl. BGH Urteil vom 04.12.1997 - IX ZR 47/97 - a.a.O.) reichten gemäß dem Konzept zur Sanierung und erfolgreichen Fortführung der Schuldnerin (Anlage B 1) die von der Beklagten kreditierten 154.000,00 EUR zur Überbrückung aus. Die nach Zahlung der ersten Rate befristete Verlängerung des Kredits am 18.03.2010 beruhte auf nachvollziehbaren Verzögerungen (vgl. Huber NZI 2015, 447, 449), weil weder die Entgeltzahlung der D... eingegangen war, noch das Sanierungskonzept der G... vorlag. Die weiteren vier Raten leistete die Schuldnerin dann innerhalb der neuen Laufzeit fristgerecht oder mit einem Tag Verzögerung.

Dem stehen die Einwände des Klägers nicht entgegen.

Eine Überbrückungsfinanzierung sichert einem Unternehmen die Liquidität, die während des Zeitraums benötigt wird, in dem seine Sanierungsfähigkeit geprüft wird. Die Überbrückungsfinanzierung muss auch die Zeit für die Implementierung der Sanierungsfinanzierung, die im Anschluss an die Prüfungsphase folgt, abdecken. Man geht davon aus, dass die Laufzeit einer Überbrückungsfinanzierung in der Regel zwischen ein und drei Monaten liegt (Waldburg ZInsO 2014, 1405, 1406). Die Verlängerung (und ggf. Anpassung) von Überbrückungsfinanzierungen folgt im Grundsatz denselben Voraussetzungen wie die erstmalige Ausreichung einer Überbrückungsfinanzierung. Die verlängerte Überbrückungsfinanzierung muss für den verlängerten Überbrückungszeitraum ausreichend sein. Grundsätzlich muss der gewählte Verlängerungszeitraum geeignet sein, die Prüfung der Sanierungsfähigkeit abzuschließen und eine Sanierungsfinanzierung zu vereinbaren (Waldburg a.a.O., 1408).

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Beklagte hat nach der Präambel des Kreditvertrages vom 03.12.2009 der Schuldnerin einen Kredit gewährt, um den Zeitraum bis zur Vorlage des Gutachtens, der Prüfung des Gutachtens sowie der danach eventuell erforderlichen Entscheidung über weitere Maßnahmen zu überbrücken. Die Laufzeit betrug knapp drei Monate. Mit dem 1. Nachtrag zu diesem Kreditvertrag haben die Schuldnerin und die Beklagte am 18.03.2010 die Laufzeit des Kreditvertrages um fünf Monate bis zum 30.07.2010 verlängert. Hintergrund dieser Verlängerung war, dass die G... bis zu diesem Zeitpunkt noch kein Sanierungskonzept vorgelegt hatte. Dieses erstellte sie unstreitig zunächst am 26.03.2010 (Anlage B 6 = Bd. I Bl. 103 ff. d.A.) und anschließend am 10.05.2010 (Anlage K 4). Zudem hatte sich die Auszahlung durch die D... nach der Jahresabrechnung für 2009 verzögert. Das hat die Beklagte auf Seite 5 ihrer Klageerwiderung (Band I Bl. 27 d.A.) in erster Instanz unbestritten vorgetragen, ohne dass der Kläger dem entgegengetreten ist. Die Verlängerung hielt sich noch im Rahmen des Abschlusses einer Prüfung der Sanierungsfähigkeit und einer Vereinbarung einer Sanierungsfinanzierung, die nun in viereinhalb Monaten zu erwarten war. Die fünf Zahlungen auf den Kreditvertrag, verlängert um den Nachtrag, waren wie in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall der Sicherungsübereignung an einen Überbrückungskreditgeber (Urteil vom 04.12.1997 - IX ZR 47/97 - a.a.O.) subjektiv redliche Leistungen an die Beklagte in dieser Eigenschaft.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, lagen nicht vor.