LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.04.2016 - L 4 KR 188/16
Fundstelle
openJur 2016, 7549
  • Rkr:

1. Seit dem 1. Januar 2016 sind Klagen wegen Krankenhausvergütung mit einem Streitwert, der 2.000 Euro nicht übersteigt, auch dann ohne vorherige Durchführung eines Schlichtungsverfahrens zulässig, wenn sie vor dem 1. Januar 2016 erhoben worden sind.

2. Bei der Zurückverweisung an das Sozialgericht nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG wegen mangelnder Entscheidung in der Sache kommt es darauf an, ob die Klage im Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts zulässig ist, nicht auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Sozialgerichts.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 15. Dezember 2015 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht Stuttgart zurückverwiesen. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf EUR 1.217,76 festgesetzt.

Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Kostenentscheidung des Sozialgerichts Stuttgart vorbehalten.

Tatbestand

Der Rechtsstreit betrifft die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.

Die Klägerin ist Trägerin eines zur Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenen Krankenhauses. In diesem Krankenhaus wurde der bei der Beklagten krankenversicherte G. M. (im Folgenden: Versicherter) in der Zeit vom 15. bis 17. November 2011 vollstationär behandelt. Die Klägerin berechnete der Beklagten hierfür einen Betrag in Höhe von EUR 2.560,41 (Rechnung vom 29. Dezember 2011), den die Beklagte zunächst beglich. Die Beklagte prüfte sodann den stationären Aufenthalt gemäß § 275 Abs. 1c Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) unter Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) und kam zu dem Ergebnis, dass die vollstationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten teilweise (am 15. November 2011) nicht medizinisch notwendig gewesen sei. Am 22. Juni 2012 rechnete die Beklagte mit einem Rückforderungsbetrag von EUR 2.560,41 gegen Vergütungsansprüche der Klägerin für Krankenhausbehandlungen anderer Versicherter auf. Am 25. Juni 2012 zahlte sie der Klägerin für die streitige Behandlung des Versicherten EUR 1.642,65. Unter dem 14. August 2015 stellte die Klägerin der Beklagten die Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V in Höhe von EUR 300,00 in Rechnung.

Am 25. August 2015 erhob die Klägerin beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage mit dem Ziel der Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von EUR 1.217,76 zuzüglich Zinsen. Der Betrag setzt sich zusammen aus der Vergütungsforderung in Höhe von EUR 917,76 und der Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V in Höhe von EUR 300,00. Die Klage sei auch ohne Durchführung eines Schlichtungsverfahrens zulässig, weil nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. Juni 2015 (B 1 KR 26/14 R – juris) Vertrauensschutz bezüglich der früheren Rechtsprechung des BSG bis zum 31. August 2015 bestehe.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Die Klage sei unbegründet. Für den Fall der antragsgemäßen Verurteilung beantragte sie klageerwidernd hilfsweise für den Fall, dass das SG die erklärte Aufrechnung als nicht hinreichend bestimmt ansehe, die Klägerin zu verurteilen, ihr einen Betrag in Höhe von EUR 917,76 nebst Zinsen zu zahlen.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 15. Dezember 2015 ab. Hinsichtlich der begehrten Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Betrages von EUR 917,76 sei die Klage unzulässig, da die Beteiligten das nach § 17c Abs. 4b Satz 3 i.V.m. Abs. 4 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) in der (bis zum 31. Dezember 2015) geltenden Fassung erforderliche Schlichtungsverfahren nicht durchgeführt hätten. Das gesetzliche Erfordernis des fehlgeschlagenen Schlichtungsversuches gelte unabhängig davon, ob in Baden-Württemberg ein arbeitsfähiger Schlichtungsausschuss existiere oder nicht. Der Umstand, dass die hiesige Schiedsstelle den Landesverbänden der Krankenkassen, dem Verband der Ersatzkassen und der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft e.V nicht angezeigt habe, dass sie die Schlichtung nach § 17c Abs. 4 KHG übernehmen werde, mache die Klage nicht zulässig. Die entsprechende Rechtsprechung des 3. Senats des BSG (Urteil vom 8. Oktober 2014 – B 3 KR 7/14 R – juris, Rn. 18 ff.), wonach die Regelung zur obligatorischen Schlichtung bei Vergütungsstreitigkeiten zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen mit Streitwerten bis zu EUR 2.000,00 erst anwendbar sei, wenn der Schlichtungsausschuss anrufbar sei, d.h. wenn er seine Errichtung und Funktionsfähigkeit förmlich angezeigt habe, sei obsolet, nachdem der nunmehr alleine für das Leistungserbringerrecht der Krankenhäuser zuständige 1. Senat des BSG diese Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben habe, weil sie die Grenzen verfassungskonformer Auslegung überschreite (Hinweis auf BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 26/14 R – juris, Rn. 21 ff.). Die Klägerin könne sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Der 1. Senat des BSG habe im Hinblick auf seine Aufgabe der Rechtsprechung des 3. Senats ausgeführt, dass es ihm unter Achtung des verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutzes möglich sei, das vom 3. Senat konstruierte Anzeigeerfordernis zu beseitigen. Dementsprechend gehe der 1. Senat davon aus, dass die obligatorische Vorschaltung eines fehlgeschlagenen Schlichtungsverfahrens jedenfalls ab dem 1. September 2015 als Zulässigkeitsvoraussetzung für neu eingehende Klagen auf Krankenhausvergütung unterhalb einer Bagatellgrenze in Höhe von EUR 2.000,00 auch dann wirke, wenn die Schlichtungsstelle nach § 17c Abs. 4 KHG keine Anzeige ihrer Arbeitsfähigkeit abgegeben habe. Die vorliegende Klage wäre allenfalls dann zulässig, wenn sich die Klägerin zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 25. August 2015 auf Vertrauensschutz hätte berufen können. Ein derartiges tatsächliches Vertrauen habe die Klägerin zum Zeitpunkt der Klageerhebung indes nicht gehabt und auch nicht haben können. Sie habe nämlich in ihrer Klageschrift ausdrücklich auf die Entscheidung des 1. Senats des BSG vom 23. Juni 2015 Bezug genommen, habe also gewusst, dass die Rechtsprechung des 3. Senats des BSG hinfällig sei. Die Klägerin verkenne, dass die Entscheidung des 1. Senats des BSG vom 23. Juni 2015 selbst gar kein schützenswertes Vertrauen vermittle, sondern dieses vielmehr voraussetze. Der 1. Senat des BSG habe gerade nicht entschieden, dass Vergütungsleistungsklagen bis zu EUR 2.000,00 ohne Durchführung des Schlichtungsverfahrens erst ab dem 1. September 2015 unzulässig seien, sondern dass derartige Klagen, die jedenfalls vor diesem Zeitpunkt im Vertrauen auf die Rechtsprechung des 3. Senats des BSG erhoben worden seien und erhoben würden, aus Vertrauensschutzgründen zulässig sein könnten. Die Klägerin habe die vorliegende Klage aber nicht im Vertrauen auf die Rechtsprechung des 3. Senats des BSG erhoben, sondern im Gegenteil in positiver Kenntnis der nunmehr alleine geltenden Rechtsprechung des 1. Senats des BSG. Davon abgesehen könnte sich die Klägerin, selbst wenn sie tatsächlich ein schützenswertes Vertrauen hätte, nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn sie habe rechtsmissbräuchlich gehandelt. Sie habe im Zeitraum zwischen Mitte Juli und Ende August 2015 beim SG mehr als 150 Vergütungsklagen unterhalb der Bagatellgrenze von EUR 2.000,00 erhoben. Ihr sei ersichtlich daran gelegen gewesen, noch möglichst viele Bagatellklagen vor dem 1. September 2015 ohne Durchführung des Schlichtungsverfahrens anhängig zu machen, obgleich sie jedenfalls seit Mitte Juli 2015 Kenntnisse von der geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung gehabt habe. Dieser Versuch, unter Geltendmachung einer vermeintlichen formalen Rechtsposition die gesetzliche Vorschrift des § 17c Abs. 4b Satz 3 KHG zu umgehen und die staatlichen Gerichte, die von derartigen Bagatellklagen gerade entlastet werden sollten, in Anspruch zu nehmen, sei verwerflich, zumal es sich bei der Klägerin um eine Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts handle und auch nicht ersichtlich sei, dass Verjährung der eingeklagten Forderungen drohe. § 17c Abs. 4b Satz 3 KHG sei auch verfassungsgemäß. Da dem Gericht wegen der Unzulässigkeit der Vergütungsklage eine Sachentscheidung verwehrt sei, könne die Klägerin auch nicht mit Erfolg die Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V geltend machen. Das MDK-Prüfergebnis sei für den Anspruch auf die Aufwandspauschale dann unbeachtlich, wenn es im nachfolgenden Gerichtsverfahren keine Bestätigung im Sinne der Zuerkennung eines geringen Zahlbetrages finde. Die Prüfung führe dann nicht zu einer objektiv feststellbaren Abrechnungsminderung. Ob die Beklagte indes die Rechnung der Klägerin vom 29. Dezember 2011 im Wege der Aufrechnung zu Unrecht gekürzt habe, sei wegen der Unzulässigkeit der Vergütungsklage nicht zu prüfen. Die Klage sei daher im Hinblick auf die begehrte Aufwandspauschale ohne weitere Ermittlungen als (derzeit) unbegründet abzuweisen. Die Voraussetzung für eine Entscheidung über die hilfsweise erhobene Widerklage lägen nicht vor. Die innerprozessuale Bedingung, dass ihr Klageabweisungsantrag keinen Erfolg habe, sei nicht eingetreten.

Gegen das ihr am 4. Januar 2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 14. Januar 2016 Berufung eingelegt. Das SG habe die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen. Unabhängig von der Frage, ob die Klage im Zeitpunkt der Klageerhebung unzulässig gewesen sei und der Frage, ob das Gericht den Streitgegenstand verkannt habe, sei die Klage nunmehr nach § 17c Abs. 4b KHG in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Strukturen in der Krankenhausversorgung (Krankenhausstrukturgesetz – KHSG – vom 10. Dezember 2015, BGBl. I S. 2229) zulässig. Im Übrigen sei die Klage aber auch bei Erhebung am 25. August 2015 zulässig gewesen. Die im Rahmen des § 159 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) anzustellende Ermessensentscheidung spreche hier für eine Zurückverweisung an die erste Instanz. Bei einer eigenen Sachentscheidung des Berufungsgerichts ginge sonst eine Tatsacheninstanz verloren.

Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des Sozialgerichts vom 15. Dezember 2015 aufzuheben und den Rechtsstreit an eine andere Kammer des SG Stuttgart, hilfsweise an die 19. Kammer des Sozialgerichts Stuttgart zurückzuverweisen,

2. hilfsweise das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 15. Dezember 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verteilen, ihr EUR 1.217,76 zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach folgender Zinsstaffel zu zahlen: auf EUR 917,76 vom 25. Juni 2012 bis zum 24. August 2015 sowie auf EUR 1.217,76 seit dem 25. August 2015.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Klage zumindest unbegründet sei. Sie verweist auf ihr erstinstanzliches Vorbringen sowie auf den Inhalt der vorprozessual eingeholten Gutachtens des MDK.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

1. Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist auch im Übrigen zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung, denn die Klage betrifft eine Geldleistung und der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt EUR 750,00 (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG); er beträgt EUR 1.217,76. Der Senat konnte über die Berufung gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit dem Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

2. Die Berufung der Klägerin ist im Sinne der Zurückverweisung an das SG begründet.

a) Gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden. Dabei ist nicht entscheidend, ob die Entscheidung des Sozialgerichts im Zeitpunkt dessen Entscheidung rechtswidrig gewesen ist; vielmehr ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Landessozialgerichts abzustellen (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Bescheid vom 28. Juni 1956 – I A 1534/54OVGE 11, 135 [138] zu § 90 Abs. 1 Militärregierungs-Verordnung 165). Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, dass das Berufungsgericht die Zulässigkeit (und Begründetheit) einer allgemeinen Leistungsklage anhand der zum Zeitpunkt der eigenen Entscheidung geltenden Sach- und Rechtslage zu treffen hat, sofern das streitige Rechtsverhältnis hiervon erfasst wird (Keller, in: Meyer-Ladwig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 54 Rn. 34; vgl. auch § 157 Satz 1 SGG; vgl. zum gleichen maßgeblichen Zeitpunkt für das Revisionsgericht BSG, Urteil vom 9. Februar 1956 – 1 RA 5/55 – juris, Rn. 17; BSG, Urteil vom 2. Dezember 2010 – B 9 SB 3/09 R – juris, Rn. 24; Heinz, in: Roos/Wahrendorf [Hrsg.], SGG, 2014, § 162 Rn. 7). Nach den Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechts, die auch für die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Klage gelten, sind Änderungen der Rechtslage grundsätzlich ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens anzuwenden (BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 26/14 R – juris, Rn. 10 m.w.N.). Dies führt dazu, dass eine bei Klageerhebung noch unzulässige Klage durch eine spätere Rechtsänderung zulässig werden kann.

aa) Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung an das SG vor. Denn die Klage ist jedenfalls seit dem 1. Januar 2016 zulässig; insbesondere steht ihrer Zulässigkeit nicht entgegen, dass ein Schlichtungsverfahren nach § 17c Abs. 4b Satz 3 KHG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung des Art. 5c Nr. 2 Buchstabe e) Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung vom 15. Juli 2013 (BGBl. I, S. 2423) vor Klageerhebung nicht durchgeführt worden ist. Dabei kann dahinstehen, ob – wie das SG in seinem Urteil meinte – die Klage zum Zeitpunkt ihrer Erhebung am 25. August 2015 mangels Durchführung des Schlichtungsverfahrens unzulässig gewesen ist (vgl. einerseits BSG, Urteil vom 8. Oktober 2014 – B 3 KR 7/14 R – juris, Rn. 18 ff.; andererseits BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 26/14 R – juris, Rn. 21 ff.). Entscheidend ist, dass durch den Wegfall des § 17c Abs. 4b Satz 3 KHG mit Wirkung zum 1. Januar 2016 (aufgehoben durch Art. 1 Nr. 8 Buchstaben e) bb) KHSG) das Schlichtungsverfahren keine Zulässigkeitsvoraussetzung mehr ist. Dies gilt nach den oben dargestellten Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechts auch für Klagen, die – wie die vorliegende – bereits vor dem 1. Januar 2016 anhängig gemacht worden sind. Denn der Gesetzgeber hat auf eine Übergangsvorschrift, nach der § 17c Abs. 4b Satz 3 KHG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung auch nach seinem Außerkrafttreten noch Wirkung für bis zu diesem Datum erhobene Klagen finden soll, verzichtet.

Der Zurückverweisung steht nicht entgegen, dass das SG hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V die Klage nicht als unzulässig, sondern als „(derzeit) unbegründet“ abgewiesen hat. Denn § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG erfasst nicht nur die Fälle, in denen das SG eine Prozessentscheidung getroffen hat, sondern ist auch anwendbar, wenn das SG aus anderen Gründen zur eigentlichen Rechtsfrage nicht Stellung genommen hat (BSG, Urteil vom 18. Februar 1981 – 3 RK 61/80 – juris, Rn. 18; Keller, in: Meyer-Ladwig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 159 Rn. 2b; zu § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO etwa BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2012 – 3 C 8/11 – juris, Rn. 17 f. m.w.N.; Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier [Hrsg.], VwGO, § 130 Rn. 9 m.w.N. [Oktober 2015]; a.A. Sommer, in: Roos/Wahrendorf [Hrsg.], SGG, 2014, § 159 Rn. 8). Der Senat braucht nicht abschließend den Anwendungsbereich des § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG zu umgrenzen. Jedenfalls im vorliegenden Fall ist eine Konstellation gegeben, die in den Anwendungsbereich des § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG fällt. Die Entscheidung über die Aufwandspauschale ist materiell untrennbar mit der Entscheidung über den mit der Klage überwiegend geltend gemachten Anspruch auf Vergütung der stationären Krankenhausbehandlung verknüpft. Denn der Anspruch auf die Aufwandspauschale besteht nur, wenn die Prüfung der Abrechnung der Krankenhausbehandlung durch die Krankenkasse nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führt (§ 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V). Mangels Sachentscheidung über den Vergütungsanspruch konnte das SG daher auch über die Aufwandspauschale, die sich als Annex zum Vergütungsanspruch darstellt, nicht in der Sache entscheiden, auch wenn es insofern kein Prozessurteil erlassen hat.

Über die Widerklage der Beklagten schließlich hat das SG schon deswegen nicht in der Sache entschieden, weil die Bedingung der Widerklage – die Klagestattgabe – nicht eingetreten war.

bb) Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Die Klägerin hat mit der erhobenen echten Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 5 SGG die richtige Klageart gewählt; denn es handelt sich bei der auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse um einen sogenannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (BSG, Urteil vom 13. November 2013 – B 3 KR 33/12 R – juris, Rn. 9). Die Klägerin behauptet, einen eigenen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zu haben, so dass eine Klagebefugnis gegeben ist. Die Klägerin hat den Zahlungsanspruch auch konkret beziffert. Dies gilt auch für den geltend gemachten Zinsanspruch. Insofern reicht die Bezugnahme auf den Basiszinssatz aus (vgl. Urteil des Senats vom 27. Februar 2015 – L 4 KR 2536/13 – nicht veröffentlicht; Becker-Eberhard, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl. 2013, § 253 Rn. 132). Schließlich verfügt die Klägerin auch über ein Rechtsschutzbedürfnis.

b) Ob das Landessozialgericht gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG verfährt und die Sache an das Sozialgericht zurückverweist, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen (BSG, Urteil vom 7. August 1975 – 10 RV 313/74 – juris, Rn. 24; Hintz, in: Hintz/Lowe, SGG, 2012, § 159 Rn. 15; Sommer, in: Roos/Wahrendorf [Hrsg.], SGG, 2014, § 159 Rn. 15; zu § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG etwa BSG, Beschluss vom 7. Mai 2009 – B 14 AS 91/08 B – juris, Rn. 7). Dabei hat das Landessozialgericht zu berücksichtigen, dass die eigene Sachentscheidung in der Regel den Vorzug verdient, wenn die Sache spruchreif ist (BSG, Urteil vom 7. August 1975 – 10 RV 313/74 – juris, Rn. 24).

Der Senat übt sein Ermessen dahingehend aus, das es die Sache an das SG zurückverweist. Für eine Zurückverweisung spricht, dass das Verfahren insgesamt noch keine erhebliche Dauer hat – seit Klageerhebung vor dem SG sind erst acht Monate vergangen –, dass die Klage bereits 17 Tage nach Erlass des Urteils des SG in jedem Fall zulässig gewesen wäre, dass die Sache nicht ohne Weiteres entscheidungsreif ist, dass den Beteiligten anderenfalls eine Tatsacheninstanz verloren ginge (vgl. BSG, Urteil vom 7. August 1975 – 10 RV 313/74 – juris, Rn. 24) und die Klägerin selbst in erster Linie eine Zurückverweisung begehrte, ohne dass dem die Beklagte entgegengetreten wäre. Gegen eine Zurückverweisung spricht lediglich, dass bei einer Sachentscheidung des Senats ein rechtskräftiger Abschluss des Verfahrens möglicherweise eher zu erwarten wäre. Dieser Gesichtspunkt tritt in der Abwägung aber hinter die für eine Zurückverweisung sprechenden Aspekte zurück.

c) Welche Kammer des SG für die Entscheidung über die zurückverwiesene Sache zuständig ist, ist anhand des Geschäftsverteilungsplanes des SG zu entscheiden (vgl. Heinz, in: Roos/Wahrendorf [Hrsg.], SGG, 2014, § 170 Rn. 24). Anders als dem Revisionsgericht, das gemäß § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 563 Abs. 1 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) die Sache an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts zurückverweisen kann, ist dies dem Berufungsgericht im Verhältnis zum Sozialgericht erster Instanz nicht möglich (ebenso Keller, in: Meyer-Ladwig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 159 Rn. 5e; Sommer, in: Roos/Wahrendorf [Hrsg.], SGG, 2014, § 159 Rn. 17; zu § 130 Abs. 2 VwGO Happ, in: Eyermann [Hrsg.], VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 18; a.A. W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 130 Rn. 7). Insbesondere bietet § 538 ZPO hierfür keine Grundlage. Deswegen war dem Antrag der Klägerin, die Sache an eine andere als die 19. Kammer des SG zurückzuweisen, nicht zu folgen und die Berufung insoweit zurückzuweisen.

d) Über den hilfsweise gestellten Antrag der Klägerin auf Verurteilung der Beklagen war nicht zu befinden, nachdem der zuvörderst gestellte Antrag auf Zurückverweisung an das SG im Wesentlichen Erfolg hatte.

3. Eine Kostentscheidung war nicht zu treffen, da hierüber vom SG im Rahmen der erneuten Entscheidung zu befinden ist (vgl. BSG, Urteil vom 7. August 1975 – 10 RV 313/74 – juris, Rn. 29; Landessozialgericht [LSG] Bayern, Urteil vom 11. Juni 2015 – L 10 AL 159/14 – juris, Rn. 20; Keller, in: Meyer-Ladwig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 159 Rn. 5e).

4. Der Streitwert für dieses Berufungsverfahren war endgültig auf EUR 1.217,76 festzusetzen. Dies beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 3 Satz 1, § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Dabei war der Verzinsungsantrag nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen, da es sich insofern um eine Nebenforderung im Sinne von § 43 Abs. 1 GKG handelt.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.