SG Rostock, Beschluss vom 05.11.2015 - S 15 KR 753/15 ER
Fundstelle
openJur 2016, 6267
  • Rkr:
Tenor

1. Die Antragsgegnerin wird bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren S 15 KR 161/14 verpflichtet, die Kosten für das Arzneimittel Sativex® ab dem 23. Oktober 2015 vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung zu übernehmen.

2. Die Antragsgegnerin hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu erstatten.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Kostenübernahme des Cannabis-Präparates Sativex® zur Behandlung einer chronischen Schmerzerkrankung.

Die im Jahre 1943 geborene Antragstellerin leidet an einem chronischen Schmerzsyndrom mit somatischen und psychischen Faktoren bei ausgebrannter Arthrose beider Schultergelenke, einem chronischen zerviko-brachialen Schmerzsyndrom, einem instabilen Postpoliosyndrom mit tetraparetischem Betroffensein und Betroffensein der Atemmuskulatur (Dauergebrauch eines CPAP-Gerätes) bei Z.n. Poliomyelistis acuta anterior 1957 sowie an Adipositas, Arterieller Hypertonie, Allergischer Disposition, Chronischen Schlafstörungen, Lähmungsskoliose, Lähmungsödeme beider Beine und neuropathischer Fußdeformität bds. mit Spitzfußstellung. Sie befindet sich seit 21.06.2012 in ambulanter schmerztherapeutischer Behandlung im Krankenhaus Bad Doberan GmbH.

Mit Schreiben vom 12.02.2014 und 11.03.2014 beantragte der FA für Orthopädie, Spezielle Schmerztherapie, Dr. med. H vom Krankenhaus B die Übernahme der Kosten für das Arzneimittel Sativex®. Er führte insbesondere aus, dass die bisherigen schmerztherapeutischen Interventionen und die lokalen und globalen systemischen orthopädischen therapeutischen Maßnahmen bisher keine anhaltende stabile Schmerzreduktion bei der Patientin erreichen konnten. Es seien bisher alle Substanzklassen von Schmerzmitteln ohne ausreichende Schmerzreduktion bzw. unter Beeinträchtigung der Vigilanz eingesetzt worden. Es bestünden weiterhin Schmerzen zwischen 5 und 8 auf der VAS von 0 bis 10. Die Behinderung schreite durch die Arthrose und insbesondere die damit verbundenen Schmerzen im Bereich der Schultern und der HWS voran. Die Patientin wünsche keine Ausweitung einer Opiattherapie. Sativex® werde bei multipler Sklerose mit ähnlichem Beschwerdebild angewendet. Es sei bei chronischem Schmerz durch Arthrose und krampfartigen Muskelschmerzen eine Analogie zum Schmerz bei multipler Sklerose gegeben.

Die Antragsgegnerin holte eine Stellungnahme des MDK ein. Herr K. führte im Gutachten vom 17.03.2014 (Bl. 9 BA) aus, dass es sich bei dem Medikament Sativex® um ein zugelassenes Arzneimittel zur zusätzlichen Behandlung von Patienten mit multipler Sklerose handele, um mittelschwere bis schwere spastische Symptome zu verbessern. Für die Diagnose chronische Schmerzstörung bei Postpoliosyndrom und Arthrose bestünde keine Zulassung. Bei der Erkrankung der Antragstellerin handele es sich um eine schwerwiegende, die Lebensqualität erheblich beeinträchtigende Erkrankung. Eine lebensbedrohliche Erkrankung liege nicht vor. Die bisher durchgeführten umfangreichen schmerztherapeutischen Interventionen mit ausgebauter Schmerzmedikation hätten nicht zum gewünschten Erfolg geführt, so dass davon auszugehen sei, dass die zugelassenen Therapieoptionen ausgeschöpft worden seien. Die verfügbaren und zugelassenen Therapiemöglichkeiten seien langfristig und umfangreich angewandt worden. Die Antragstellerin habe aufgrund der chronischen Schmerzsymptomatik eine reaktiv depressive Symptomatik entwickelt und sei in ihrer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beeinträchtigt. Es würden bislang keine adäquaten Studien vorliegen, die eine Wirksamkeit von Sativex® zur Behandlung eines chronischen Schmerzsyndroms bei Arthrose und Postpoliosyndrom belegen. Die Effektivität von Cannabinoiden in der Schmerztherapie sei in einer Meta-Analyse von 20 Studien aus dem Jahr 2001 untersucht worden und komme zu dem Schluss, dass diese nicht effektiver als Codein und wegen unterschiedlicher, zum Teil psychotroper Nebenwirkungen, nicht geeignet sei. Auch neuere Einschätzungen würden dies bestätigen. Es sei daher die Fortsetzung der intensiven Schmerztherapie in kombinierter Anwendung mit begleitenden physiotherapeutischen und psychotherapeutischen Verfahren erforderlich.

Mit Bescheid vom 04.04.2014 lehnte die Antragsgegnerin daraufhin unter Bezugnahme auf das eingeholte MDK-Gutachten eine Kostenübernahme ab. Die verfügbaren und zugelassenen Therapiemöglichkeiten seien langfristig und umfangreich angewendet worden, so dass davon auszugehen sei, dass die zugelassenen Therapieoptionen ausgeschöpft sind. Die derzeitige Datenlage zum Einsatz von Cannabinoiden, insbesondere zu Sativex® in der Schmerztherapie genüge jedoch nicht den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Die Antragstellerin führte im Widerspruchsschreiben u.a. aus, dass die vorgeschlagene Therapie mit Codein nicht anwendbar sei, weil die häufigen Nebenwirkungen das Krankheitsbild Postpoliosyndrom erheblich verschlechtern würden. Sie sei bereits 2012 und 2013 in Schmerzkliniken gewesen. Auch die Fortsetzung der intensiven Schmerztherapie in Kombination mit physio- und psychotherapeutischen Verfahren erfolge seit Jahren. Sie wisse nicht, wie lange sie dieses Martyrium noch ertragen könne.

Die Antragsgegnerin holte erneut ein Gutachten des MDK ein. Im Gutachten vom 17.06.2014 führte der Gutachter Herr Dr. K. aus, dass eine zulassungsreife Datenlage für die Cannabinoide zur Behandlung chronischer neuropathischer bzw. nozizeptiver Schmerzsyndrome nicht vorliegen würde. Eine gesicherte Wirksamkeit des Arzneimittels Sativex® sei nicht zu bestätigen. Es werde eine Betreuung durch einen spezialisierten Schmerztherapeuten – ggf. auch unter stationären Bedingungen - angeraten.

Die Antragsgegnerin hörte die Antragstellerin mit Schreiben vom 24.06.2014 zur ablehnenden Entscheidung an und wies mit Widerspruchsbescheid vom 13.08.2014 den Widerspruch als unbegründet zurück. Auf die Begründung wird verwiesen.

Die Klage der Antragstellerin ging am 04.09.2014 (S 15 KR 161/14) bei Gericht ein. Es wurde weiter vorgetragen, dass es der Antragstellerin schon aus dem im Grundgesetz verankerten Grundsatz eines menschenwürdigen Daseins und dem Sozialstaatsprinzip nicht zuzumuten sei, dass sie auf weiter nicht geeignete und der Gesundheit zudem schädigende Medikamente verwiesen werde. Es wurde insbesondere unter Hinweis auf die Ausführungen eines Dr. med. P. vorgetragen, dass medizinhistorisch Cannabis als wirksames Arzneimittel unter anderem zur Behandlung von Schmerzzuständen bekannt sei. Das Auftreten einer psychischen Abhängigkeit liege mit 8 % deutlich unter legalen Drogen wie Nikotin (50 %) und Alkohol (15 %). Cannabis erlaube in seiner medizinischen Anwendung zur wirksamen Schmerzbehandlung eine relativ niedrige Dosierung unterhalb der psychisch veränderte Reaktionen auslösenden Schwelle. Naturextrakte hätten gegenüber den synthetisch veränderten Auszügen den großen Vorteil einer klinisch weitgehend nebenwirkungsarmen bis nebenwirkungsfreien Anwendung. Eine Reihe von Arzneistoffen werde auf Grund von poliobedingten Schäden im Zentral-Nerven-System nicht vertragen und könne auf diese Weise ein Post-Polio-Syndrom sogar auslösen oder verschlimmern, weil sie auf eine geschädigte Struktur treffen. Dazu würden u.a. Beta-Blocker, Cholesterinsenker, Muskelrelaxantien, Narkotika, Anästhetika, Opiate, Psychopharmaka (Antidepressiva, Neuroleptika, Sedativa, Tranquilizer/Benzodiazepine) und einige Antibiotika gehören. Es würden zur Schmerzbekämpfung beim Post-Polio-Syndrom häufig Opiate und Psychopharmaka mit teilweiser katastrophalen Folgen eingesetzt. Der Einwand, Cannabis würde sich beim Post-Polio-Syndrom im Hinblick auf die Muskelschwächen oder Lähmungen ungünstig verstärkend auswirken, stehe im Widerspruch zur alltäglichen Praxis der Schmerztherapie. Cannabis komme mit seiner Wirkung den körpereigenen Morphinen, den Endorphinen als Schmerzhemmer am nächsten. Es gebe keine bessere Alternative.

Das Gericht hat im Rahmen des Klageverfahrens bereits Beweis erhoben durch Einholung eines Befundberichts des Herrn Dr. med. H. (Bl. 24 ff., 47 ff. GA) sowie durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens des Herrn Prof. Dr. G. mit Beweisbeschluss vom 04.05.2015. Es wird insbesondere auf die Befundberichte und das Sachverständigengutachten vom 23.08.2015 (Bl. 113 ff. GA) verwiesen. Da die Ausschöpfung der vertraglichen Alternativen nach dem aktuellen Gutachten des MDK vom 28.09.2015 (Dr. med. T.) nicht ausreichend dargelegt wurden, waren weitere Ermittlungen in Form eines erneuten Befundberichtes und ggf. durch Einholung eines Sachverständigengutachtens notwendig.

Am 23.10.2015 hat die Antragstellerin daraufhin einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz erhoben. Sie verweist auf die Ausführungen im Klageverfahren S 15 KR 161/14 und trägt weiter vor, dass die Erkrankung der Antragstellerin wertungsmäßig einer lebensbedrohlichen Erkrankung gleichzustellen sei. Sie habe ein Recht auf ein menschenwürdiges Dasein. Die Einnahme zugelassener Medikamente habe nicht zu einer Schmerzreduktion, sondern zu erheblichen Nebenwirkungen geführt. Die Sache sei eilbedürftig, weil die finanziellen Mittel, welche durch Spenden zusammenkamen, für den Kauf des Medikaments Sativex® aufgebraucht seien und aus den monatlichen Einnahmen nicht finanziert werden könnten. Es werde auf den Beschluss LSG Niedersachsen vom 22.09.2015 zum Aktenzeichen L 4 KR 276/15 B ER verwiesen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Antragsgegnerin bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu verpflichten, die Kosten für die Therapie mit dem Arzneimittel Sativex® ab dem 23. Oktober 2015 vorläufig zu übernehmen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.

Sie erklärt, ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht worden. Es sei zu erwarten, dass die Hauptsache in absehbarer Zeit abgeschlossen werde. Es stehe nicht fest, ob alle vertraglichen Alternativen ausgeschöpft seien. Ein Anordnungsgrund bestehe daher nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakten der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutz hat Erfolg.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig ist. Das ist immer dann der Fall, wenn ohne den vorläufigen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache im Fall des Obsiegens nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 19. Oktober 1977, 2 BvR 42/76, BVerfGE 46, 166, 179, 184). Steht dem Antragsteller ein von ihm geltend gemachter Anspruch voraussichtlich zu und ist ihm nicht zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten, ist der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes begründet. Eine aus Gründen der Gewährung effektiven Rechtsschutzes gebotene Vorwegnahme der Hauptsache im einstweiligen Verfahren ist jedoch nur dann zulässig, wenn dem Antragsteller ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung unzumutbare Nachteile drohen und für die Hauptsache hohe Erfolgsaussichten prognostiziert werden können.

Die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung), wobei mit Blick auf das verfassungsrechtliche Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes) und die Ausgestaltung des Eilverfahrens die diesbezüglichen Anforderungen umso niedriger sind, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. BVerfG, NJW 1997, 479, 480 f.; NJW 2003, 1236 f und NVwZ 2005, 927 ff. sowie SuP 2009, 235). Deshalb ist in den Fällen, in denen es um existenziell bedeutsame Leistungen für den Antragsteller geht, den Gerichten eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage grundsätzlich verwehrt; vielmehr müssen die Gerichte unter diesen Voraussetzungen die Sach- und Rechtslage abschließend prüfen. Ist dem Gericht in einem solchen Fall eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden.

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist dem Eilantrag der Antragstellerin vorliegend im Ergebnis stattzugeben. Da dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, muss eine Folgenabwägung erfolgen. Vorliegend sind die Ermittlungen, ob die vertragsärztlichen Therapiemöglichkeiten tatsächlich ausgeschöpft sind, noch nicht abgeschlossen. Der MDK-Gutachter Dr. med. T. hatte im letzten Gutachten entgegen den Ausführungen seines Vorgutachters Herr Dr. K. erstmals konkret ausgeführt, dass nicht dargelegt sei, dass die verfügbaren medikamentösen Alternativen ausgeschöpft worden seien. Ob der Gutachter dabei berücksichtigt hat, dass eine Reihe von Arzneistoffen auf Grund von poliobedingten Schäden im Zentral-Nerven-System nicht vertragen und ein Post-Polio-Syndrom sogar auslösen oder verschlimmern können, wird das Gericht noch durch Einholung von Befundberichten und notfalls Einholung eines Sachverständigengutachtens zu ermitteln haben. Ob das Verfahren in Kürze abgeschlossen werden kann, ist entgegen den Ausführungen der Antragsgegnerin bisher nicht absehbar.

Die Folgenabwägung führt zur vorläufigen Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Leistungsgewährung, denn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes drohen der Antragstellerin schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Eine Orientierung an der nicht abschließend geklärten Sach- und Rechtslage kommt daher nicht in Betracht. In die Folgenabwägung sind vielmehr die grundrechtlichen Belange der Antragstellerin umfassend einzustellen (st. Rspr., vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05).

Das Gericht bezieht sich auf den Hinweis vom 22.10.2015 im Verfahren S 15 KR 161/14. Nach dem Stand der Ermittlungen im Hauptsacheverfahren sind zwar die Voraussetzungen für eine Übernahme der Kosten für das Arzneimittel Sativex® weder nach den Grundsätzen des sog. Seltenheitsfalls und des Off-Label-Use noch nach den Grundsätzen des § 2 Abs. 1a SGB V (lebensbedrohliche Erkrankung) erfüllt. Die Regelungen des Leistungsrechts der GKV zur Arzneimittelversorgung bedürfen dann aber einer verfassungskonformen Auslegung, so wie sie das Bundesverfassungsgericht bereits im Beschluss vom 06. Dezember 2005 – 1 BvR 347/9-) und im Beschluss vom 26. Februar 2013 (1 BvR 2045/12) vorgenommen hat. Es bedarf einer besonderen Rechtfertigung vor Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, wenn den der Versicherungspflicht unterworfenen Versicherten Leistungen für die Behandlung einer Krankheit durch gesetzliche Bestimmungen oder durch deren fachgerichtliche Auslegung und Anwendung vorenthalten werden (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 26. Februar 2013 – 1 BvR 2045/12 –, Rn. 15, juris). Der Schutzbereich des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit umfasst unter anderem die Freiheit vor Verletzung der körperlichen Gesundheit und vor Schmerzen. Aus dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) ist auch eine Schutzpflicht des Staates und seiner Organe abzuleiten (vgl. Di Fabio – Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 67. Ergänzungslieferung 2013, Art. 2, Rn 55f.). Demnach gibt es einen engen (Kern-)Bereich, in dem sich aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG (ggf. in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip) auch Leistungsansprüche für die Gesundheitsversorgung ableiten lassen (vgl. Seewald, Gesundheit als Grundrecht, 1982, S. 86). Die Antragstellerin hat nach ihren Angaben ohne Verwendung des Arzneimittels Sativex® Schmerzen bis zu einer Skala von 10 und das permanent und täglich und selbst unter Verwendung von Sativex® sind die Schmerzen nur zu Hälfte reduziert. Eine anhaltende stabile Schmerzreduktion sei bei der Antragstellerin nach ihrer Aussage nicht erreichbar gewesen. Zahlreiche Medikamente, die ansonsten zur Schmerztherapie eingesetzt werden können, könnten nach ihren Ausführungen zudem die Symptome des Postpoliosyndroms verstärken.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG.

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