VG Köln, Urteil vom 19.01.2011 - 8 K 5777/09
Fundstelle
openJur 2016, 5033
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin ist Verwalterin im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) der Wohnungseigentümergemeinschaft N.-----straße 000 / 000 in T. B. . In dem Wohnhaus sind 296 Wohneinheiten in 15 Stockwerken untergebracht.

Die Stockwerke verfügen über Abfallschächte, durch die der Abfall unmittelbar in einen Müllcontainer im Kellergeschoss gelangt und dort gepresst wird.

Nach vorheriger Anhörung wurde der Klägerin mit Ordnungsverfügung vom 29. Juli 2009 aufgegeben, die Abfallschächte außer Betrieb zu nehmen und dauerhaft zu verschließen. Für den Fall des Zuwiderhandelns wurde ein Zwangsgeld angedroht. zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, die Außerbetriebnahme sei angesichts der eindeutigen Regelung in § 46 Abs. 1 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (BauO NRW) zwingend und die Erteilung einer Abweichung nicht möglich.

Die Ordnungsverfügung wurde der Klägerin am 4. August 2009 durch die Post mit Zustellungsurkunde zugestellt.

Die Klägerin hat am 3. September 2009 Klage erhoben, zu deren Begründung sie unter anderem geltend macht, die geforderte Maßnahme sei unzumutbar. Sie verursache erhebliche Mehrkosten und die Bewohner - u. a. Rollstuhlfahrer - hätten einen unzumutbar weiten Weg zum Müllcontainer. Eine Mülltrennung sei auch bei Weiternutzung des Abfallschachtes gewährleistet. Es müsse eine Abweichung gemäß § 73 BauO NRW erteilt werden, in einem Vergleichsobjekt in Leverkusen sei ebenfalls so verfahren worden.

Die Klägerin beantragt,

die Ordnungsverfügung vom 29. Juli 2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist die Beklagte unter anderem darauf, dass die Mülltrennung bei dem Betrieb von Abfallschächten nicht gewährleistet sei und von deren Betrieb eine Brandgefahr ausgehe. Die ökologische Vorschrift des § 46 BauO NRW sei konsequent formuliert und eindeutig. Ein Anspruch auf Erteilung einer Abweichung nach § 73 BauO NRW setze eine Ermessensreduzierung auf Null voraus, für die nichts ersichtlich sei.

Das Gericht hat die Örtlichkeit am 2. September 2010 in Augenschein genommen. Wegen der Einzelheiten der Ortsbesichtigung sowie wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Die Klage ist zulässig. Sie ist als Anfechtungsklage statthaft und insbesondere auch nicht verfristet, da sie vorab per Telefax bereits am 3. September 2009 an das Gericht übermittelt wurde. Da die streitbefangene Ordnungsverfügung der Klägerin am 4. August zugestellt wurde, endete die nach § 57 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 222 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu berechnende Monatsfrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO erst am 4. September 2009.

Die zulässige Klage ist aber unbegründet.

Die streitgegenständliche Ordnungsverfügung der Beklagten vom 29. Juli 2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Ermächtigungsgrundlage für die Ordnungsverfügung ist § 61 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW. Nach dieser Vorschrift haben die Bauaufsichtsbehörden nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um Verstößen gegen öffentlichrechtliche Vorschriften zu begegnen.

Die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage liegen vor und rechtfertigen das bauordnungsbehördliche Vorgehen der Beklagten. Der Betrieb der Abfallschächte verstößt gegen § 46 Abs. 1 BauO NRW.

Nach § 46 Abs. 1 BauO NRW dürfen Abfallschächte nicht errichtet werden. Bestehende Abfallschächte sind spätestens bis zum 31. Dezember 2003 außer Betrieb zu nehmen. Die zu ihrem Befüllen vorgesehenen Öffnungen sind bis zu diesem Zeitpunkt dauerhaft zu verschließen.

Gegen diese Vorschrift verstößt der Betrieb der Abfallschächte in dem streitbefangenen Wohnhaus. Der Betrieb der Abfallschächte wurde auch nach Ablauf der im Gesetz genannten Frist fortgesetzt, die Öffnungen sind weiter unverschlossen.

Die Entscheidung der Beklagten, die streitbefangene Verfügung zu erlassen, lässt Ermessensfehler nicht erkennen. Sie ist insbesondere nicht unverhältnismäßig, da sie dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers entspricht. Die mit der BauO NRW 2000 verfügte Stilllegung zum 31. Dezember 2003 durch § 46 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW beseitigte den Mangel des Vorgängerrechts der Ungleichbehandlung von Bestand und Neuerrichtung und behandelt gleich, was gleich behandelt werden muss,

Czepuck in: Gädtke/Temme/Heintz/Czepuck, BauO NRW, § 46 Rdn. 11.

Ein Absehen von der Durchsetzung der gesetzlichen Vorgabe in § 46 Abs. 1 BauO NRW würde diese Ungleichbehandlung wieder herbeiführen. Die hier von der Klägerin geltend gemachten Aspekte (Umständlichkeit der Müllentsorgung - insbesondere für behinderte oder älter Menschen -, Platzprobleme, Kosten) stellen keine Besonderheit des Einzelfalls dar, sie gehen vielmehr mit der Außerbetriebnahme von Müllschächten typischerweise einher und wurden vom Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen. Sie rechtfertigen kein Absehen von der Vorschrift des § 46 Abs. 1 BauO NRW, die die Beklagte nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung bei allen anderen Objekten in ihrem Zuständigkeitsbereich bereits durchgesetzt hat.

Die Inanspruchnahme der Klägerin als Verwalterin nach dem WEG ist nicht zu beanstanden. Aus dem Umstand, dass der Verwalter gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG ein eigenes selbständiges Recht hat, die für die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung erforderlichen Maßnahmen zu treffen, ergibt sich auch, dass er aufgrund dieser Handlungsbefugnis als Störer in Anspruch genommen werden kann. Der Begriff der Instandhaltung umfasst auch die Beseitigung einer Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung.

Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 15. April 2009 - 10 B 304/09 -, juris, vom 17. Dezember 2008 - 10 A 1649/08 -, juris und vom 3. März 1994 - 11 B 2566/93 -, juris.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Abweichung gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW. Das nach dieser Vorschrift bestehende Ermessen der Beklagten ist nicht dahingehend reduziert, dass eine Abweichung erteilt werden muss. Das Gegenteil ist der Fall. Durch die Erteilung einer Abweichung würde das gesetzgeberische Ziel der Mülltrennung unterlaufen. Bei Abfallschächten ist nicht zu verhindern, dass Abfälle durchmischt und so stark verunreinigt werden, dass eine stoffliche Verwertung unwirtschaftlich ist. Das nachträgliche Aussortieren und - soweit überhaupt möglich - Reinigen der verwertbaren Stoffe verursacht unvertretbar hohe Kosten, auch eine behördliche Kontrolle ist nur mit unvertretbar hohem Aufwand möglich. Abweichungen von der klar formulierten Vorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW, die ausnahmslos sämtliche Abfallschächte erfasst, sind nicht denkbar,

vgl. Czepuck in: Gädtke/Temme/Heintz/Czepuck, BauO NRW, § 46 Rdn. 2, 8.

Rechtliche Bedenken hinsichtlich der Androhung des Zwangsgeldes, die ihre Rechtsgrundlage in den §§ 55, 57, 60 und 63 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen findet, werden nicht geltend gemacht und sind auch nicht erkennbar.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 Abs. 1 und 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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