LG Aachen, Urteil vom 08.09.2003 - 73 Ns 48/03
Fundstelle
openJur 2016, 4962
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung des Angeklagten wird das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Gesamtgeldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 50,-- Euro verurteilt wird.

Die Kosten des Berufungsverfahrens und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe

I.

Der angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts - Strafrichter - Düren vom 12.12.2002 wegen unerlaubten Erwerbs einer halbautomatischen Selbstladewaffe mit einer Länge von nicht mehr als 60 cm und der Ausübung der tatsächlichen Gewalt über dieselbe in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 50,-- Euro verurteilt worden. Gegen diese entscheidung hat er mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 16.12.2002, eingegangen am 17.12.2002, form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Diese hat er in der Hauptverhandlung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft auf die Überprüfung des Strafmaßes beschränkt. Ziel der Berufung ist die Reduzierung des Strafmaßes auf unter 60 Tagessätze gewesen.

II.

Der Angeklagte ist bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten.

III.

Nachdem der Angeklagte seine Berufung in zulässiger Weise auf die Überprüfung des Straffolgenausspruchs beschränkt hat, sind die Feststellungen zu den dem Angeklagten zur Last gelegten Taten sowie ihre rechtliche Würdigung in dem Urteil des Amtsgerichts Düren vom 12.12.2002 in Rechtskraft erwachsen. Es ist daher folgender Sachverhalt zugrunde zu legen:

Der Angeklagte ist Waffensammler, Jäger, Sportschütze, Wiederlader und Waffensachverständiger. Er kannte seit Jahren den Mitangeklagten M, dessen Verfahren abgetrennt worden ist.

M übergab dem Angeklagten Mitte März 2000 eine Pistole, Marke Walter P 38, bei der es sich um eine halbautomatische Selbstladewaffe handelt. Der Angeklagte sollte einen Käufer für diese Waffe suchen; M wollte 600,00 DM für diese Waffe haben. Der Angeklagte verkaufte die Pistole an den Zeugen C, der dem M nicht bekannt war. Er erzielte hierbei einen Preis von 900,00 DM. Außerdem gab der Zeuge C ihm für die Vermittlung 400 Schuss 9 mm Munition.

Am 31.03.2000 übergab der M dem Angeklagten weiter eine Pistole der Marke Mauser, Model P 08, sowie einen von ihm selbst hergestellten Revolver; bei beiden Waffen handelt es sich um halbautomatische Selbstladewaffen. Auch diese Waffen sollte der Angeklagte im Auftrag des M verkaufen. Zu einem Verkauf kam es jedoch nicht, da die Waffen bereits am 07.04.2000 anlässlich einer Wohnungsdurchsuchung beim Angeklagten sichergestellt wurden.

In beiden Fällen verfügte der Angeklagte nicht über die gemäß § 28 WaffG a.F. erforderliche Erlaubnis der zuständigen Behörde. Dies räumte er anlässlich seiner polizeilichen Vernehmung am 07.04.2000 ein; wie er sagte, wusste er, dass es sich bei den Waffen um "illegale Waffen" handelte.

Gemäß der Wertung des Amtsgerichts hat sich somit der Angeklagte des Erwerbs und der Ausübung der tatsächlichen Gewalt über halbautomatische Selbstladewaffen mit einer Länge von nicht mehr als 60 cm in zwei Fällen gemäß §§ 53 Abs. 1 Nr. 3a a) WaffG a.F., 53 StGB schuldig gemacht. Eine Anwendung der am 01.04.2003 in Kraft getretenen Neuregelung des Waffengesetztes in der Fassung der Bekanntmachung vom 11.10.2002, hier des § 52 Abs. 1 Nr. 2 b) WaffG n.F., wäre dem Angeklagten nicht günstiger (§ 2 Abs. 3 StGB).

IV.

Bei der Strafzumessung ist die Kammer, ebenso wie das Amtsgericht, jeweils von einem minder schweren Fall im Sinne des § 53 Abs. 1 letzter Satz WaffG a.F. ( § 52 Abs. 6 WaffG n.F.) ausgegangen, so dass ein Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe anzuwenden ist. Hier weichen Tatbild und Täterpersönlichkeit von den erfahrungsgemäß vorkommenden Fällen so sehr ab, dass eine zusammenfassende Abwägung aller wesentlichen tat- und täterbezogenen Umstände, also eine Gesamtbetrachtung aller wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen, die Annahme eines minder schweren Falles geboten sein lässt. Dabei spricht für den Angeklagten sein umfassendes Geständnis. Er hat nicht erst in der Berufungsinstanz den Sachverhalt eingestanden, sondern bereits in seiner ersten polizeilichen Vernehmung und auch in erster Instanz den Sachverhalt im Wesentlichen eingeräumt und auch zur Feststellung des Sachverhalts bezüglich der gesondert verfolgten M - der nach seinen Angaben in der Berufungsverhandlung für seine Taten inzwischen mit 120 Tagessätzen bestraft worden ist - und C, die als Haupttäter anzusehen sind, beigetragen. Soweit das Amtsgericht eine fehlende Einsicht des Angeklagten in sein Fehlverhalten konstatiert hat, hat sich dies in der Berufungsinstanz nicht bestätigt. Nicht nur durch die Beschränkung der Berufung auf das Strafmaß, sondern auch durch seine sonstigen Äußerungen hat der Angeklagte Reue und Einsicht in die Strafbarkeit seines Verhaltens deutlich erkennbar gemacht. Er ist auch bereits durch das Verfahren als solches sichtlich beeindruckt worden. Dass er im Ermittlungsverfahren und vor dem Amtsgericht insbesondere durch seinen Verteidiger eine ggf. abweichende Rechtsauffassung bezüglich der Strafbarkeit seines Verhaltens vertreten hat, kann nicht zu seinen Lasten gewertet werden, zumal er jetzt auch die Einsicht gezeigt hat, dass sein Verhalten nicht rechtmäßig war. Immerhin kann man durchaus diskutieren, ob sein Verhalten - er hatte die in Rede stehenden Waffen nur für kurze Zeit, jeweils für etwa eine Woche, von dem gesondert verurteilten M überlassen erhalten, um sie dem gesondert verfolgten C anzubieten und zu übergeben - die Tatbestandsmerkmale des Erwerbens und der Ausübung der tatsächlichen Gewalt im Sinne von §§ 53 Abs. 1 Nr. 3a a), 4 Abs. 1 WaffG a.F. (siehe auch Abschnitt 2 der Anlage 1 zum WaffG n.F.) erfüllt hat, da eine nur kurze Hilfstätigkeit ohne Herrschaftswillen nicht ausreicht (BGHSt. 28, 294), insbesondere nicht die als Bote eines Waffengeschäfts, der dem Erwerber die gekaufte Waffe lediglich überbringt und somit als bloßer Besitzdiener ohne zivilrechtliche Benutzungsbefugnis ist.

Dafür, dass die vorliegenden Fälle nach unten hin von den üblicherweise vorkommenden Fällen abweichen, spricht auch der jeweils nur kurze Zeitraum von etwa einer Woche, in dem der Angeklagte die Waffen besessen hat, und zwar nicht, um die Waffen zu behalten, sondern um sie an den gesonderten verurteilten C weiterzuleiten. Eine Gefahr, dass die Waffen benutzt würden, bestand während dieser Zeit nicht. Weiter hatte der Angeklagte die - nicht zu widerlegende - Vorstellung, dass die an den gesondert verfolgten C, einem - auch - legal tätigen Waffenhändler, veräußerten Waffen von diesem legalisiert würden.

Zu Gunsten des Angeklagten kann zudem nicht außer Acht bleiben, dass er ein in jeder Hinsicht sozial integriertes und sozial engagiertes Leben geführt hat und weiterhin führt und bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist. Auch sein Umgang mit Waffen war bislang nicht zu beanstanden. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass zwei der tatgegenständlichen Waffen bei ihm sichergestellt werden konnten.

Insgesamt überwiegen damit bei weitem die für den Angeklagten sprechenden Gründe, die jeweils die Annahme eines minder schweren Falles rechtfertigen.

Innerhalb der Strafzumessung im engeren Sinne ist nochmals auf die oben bereits genannten Strafzumessungsgesichtspunkte Bezug zu nehmen. Weiter ist nicht außer Acht zu lassen, welche Wirkungen die Verurteilung für den Angeklagten in sozialer und beruflicher Hinsicht mit sich bringt. Hier ist auch bedeutsam, dass nach der Neuregelung des Waffengesetzes bei der Beantwortung der Frage der Erteilung (oder Entziehung) der erforderlichen Erlaubnisse für den Besitz einer Waffe gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG n.F. die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel - bereits dann - verneint wird bei Personen, die zu einer Freiheitsstrafe oder Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden sind. Entsprechende Regelungen bestehen im Jagdrecht (§ 17 BJagdG n.F.). Die Kammer hielte es für eine nicht mehr angemessene Wirkung der Strafe, wenn der Angeklagte, der nicht nur hinsichtlich seiner privaten Waffensammlung, sondern insbesondere auch für seine Tätigkeit als Jäger und Jagdaufseher auf seine waffen- und jagdrechtlichen Erlaubnisse angewiesen ist, als Folge der Bestrafung insoweit Nachteile erleiden müsste. Dies wäre angesichts seines ansonsten nicht zu beanstandenden Lebenswandels und seiner bisher in jeder Hinsicht sozial integrierten Stellung mit einer schuldangemessenen Strafe nicht mehr zu vereinbaren und erschiene weder aus dem Gesichtspunkt der Spezialprävention angesichts des bereits durch das Verfahren sichtlich beeindruckten Angeklagten noch aus Gründen der Generalprävention gerechtfertigt.

Insgesamt hält die Kammer daher für jeden der beiden Fälle eine Einzelstrafe von 30 Tagessätzen zu je 50,-- Euro zur Ahndung der Taten und Einwirkung auf den Angeklagten für ausreichend und schuld- und tatangemessen. Hieraus war eine Gesamtgeldstrafe zu bilden, die unter nochmaliger Abwägung aller relevanten Umstände und Berücksichtigung des zeitlich und sachlich nahen Zusammenhangs der Taten mit 50 Tagessätzen zu je 50,-- Euro angemessen bemessen ist. Die Höhe des Tagessatzes ergibt sich aus den wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 StPO.

Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte