FG Düsseldorf, Urteil vom 16.05.2012 - 5 K 3311/10 U
Fundstelle
openJur 2016, 4872
  • Rkr:
Tenor

Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidungen vom 18.8.2010 werden die Umsatzsteuer-(Vorauszahlungs-)Bescheide 2005 vom 12.8.2009, 2006 und 2007 vom 2.2.2009, 2008 vom 5.11.2009, II. und IV. Quartal 2009 sowie II. Quartal 2010 vom 20.7.2010 dahingehend geändert, dass die Umsatzsteuer 2005 um 1.233,86 €, 2006 um 1.438,86 €, 2007 um 1.933,- €, 2008 um 657,50 € und die Umsatzsteuervorauszahlungen II. und IV. Quartal 2009 sowie II. Quartal 2010 um jeweils 41,80 € gemindert werden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens haben die Klägerin zu 98 v. H. und das beklagte Finanzamt zu 2 v. H. zu tragen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Berechtigung der Klägerin zum Vorsteuerabzug, nachdem letztinstanzlich bereits ihre Ausgangsumsätze aus früherer Geschäftstätigkeit als steuerfrei gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. b) Umsatzsteuergesetz - UStG - beurteilt wurden.

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin war nach deren Gesellschaftsvertrag der Zusammenschluss von Spielern, die in verschiedene Spielgemeinschaften investieren, der Vertrieb von Anteilen der Gemeinschaften durch international tätige Vertriebsgesellschaften und die Durchführung sämtlicher damit zusammenhängender Geschäfte.

Die Klägerin sollte nach dem von ihr ausgearbeiteten Vertragswerk und den allgemeinen Geschäftsbedingungen (Teilnahmebedingungen) auf den Zusammenschluss einer Vielzahl von Spielern in inländischen Spielgemeinschaften hinwirken und dazu mit den Spielern entsprechende Geschäftsbesorgungsverträge abschließen. Sie sollte die für die Spielgemeinschaften einzusetzenden Systemreihen (Zahlenkombinationen) entwickeln und den Mitspielern monatlich die Spielgemeinschaft(en), an der bzw. denen sie beteiligt waren, die Anzahl der Anteile, die je Spielgemeinschaft vom Spieler eingesetzt wurden, und die Spielscheinnummern der für die jeweiligen Spielgemeinschaften eingesetzten Lottoscheine mitteilen.

Die Spielverträge mit den nationalen Lottogesellschaften sollte ein in den Niederlanden ansässiges Unternehmen als Treuhänder abschließen und dabei 44,8 % der von den Spielern gezeichneten Anteilspreise einsetzen. Der verbleibende Teil von 55,2 % der Anteilpreise sollte der Klägerin und ihren Beauftragten für die Spielvermittlung, die Serviceleistungen und die Konzeption zustehen. Der Treuhänder sollte die anfallenden Gewinne an sich auszahlen lassen und anteilig an die Mitspieler verteilen.

Tatsächlich wurden nur ca. 2 % der Einsätze der Spieler für den Erwerb von Lottoscheinen eingesetzt. Im Übrigen erhielten die Spieler anteilig die Gewinne ausbezahlt, die angefallen wären, wenn mit einem zum Deutschen Lotto- und Totoblock gehörenden Unternehmen (Lottounternehmen) Spielverträge mit den - den Spielern mitgeteilten - Zahlenkombinationen und Spielscheinnummern zustande gekommen wären.

Zwischen der Klägerin und den Finanzbehörden war seit Beginn ihrer Tätigkeit im März 2000 (ebenso wie schon bei der Vorgängerfirma der Klägerin) streitig, ob die Tätigkeit der Klägerin als umsatzsteuerbefreite Veranstaltung einer Lotterie zu werten sei und dementsprechend der Lotteriesteuer unterliege mit der Folge, dass keine Umsatzsteuerpflicht bestehe (so die Finanzbehörden) oder ob die Leistungen der Klägerin umsatzsteuerpflichtig seien und sie damit vorsteuerabzugsberechtigt sei (so die Klägerin).

Dementsprechend war für den Zeitraum 01.03.2000 bis 30.11.2002 die Frage der Lotteriesteuerpflicht bereits Gegenstand einer finanzgerichtlichen Auseinandersetzung. Sowohl das Finanzgericht - FG - Köln, Urteil vom 16.11.2005 11 K 3095/04, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2006, 849, als auch der Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 02.04.2008 II R 4/06, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2009, 735 bestätigten jeweils die Lotteriesteuerpflicht der Klägerin. Nach dem tatsächlich verwirklichten Sachverhalt, der für die steuerliche Beurteilung maßgebend sei, sei die Klägerin als Veranstalter einer der Lotteriesteuer unterliegenden Lotterie anzusehen. Als Bemessungsgrundlage der Steuer wurden die von den Spielern geleisteten Einsätze einschließlich der für Spielervermittlung, Serviceleistungen und Konzeption bestimmten Anteile abzüglich von 2 % für tatsächlich gespielte Lottoscheine und von 1/6 für die Lotteriesteuer angesetzt.

Gegen die o. g. Urteile des FG Köln und des BFH hat die Klägerin Verfassungsbeschwerde erhoben, die vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen wurde (BVerfG-Beschluss vom 25.03.2010 Az. 1 BvR 3382/08). Auch eine Gegenvorstellung betreffend das Urteil des BFH II R 4/06 blieb erfolglos (BFH Beschluss vom 14.11.2008 II S 9/08, BFH/NV 2009, 211). Auf den Inhalt der Entscheidungen wird im Folgenden - soweit relevant - Bezug genommen.

Ausgehend von Ihrer - in den o.g. Verfahren vertretenen - Rechtsauffassung hatte die Klägerin für die Streitjahre jeweils Vorsteuerbeträge angemeldet, die aus dem Leasing von Kuvertiermaschinen sowie aus Aufwendungen für die oben angeführten Gerichtsverfahren und aus Kosten für die Strafverteidigung ihres Geschäftsführers resultierten, mit denen die Klägerin sich gegen die Beurteilung ihrer Umsätze als umsatzsteuerfreie Lotterieumsätze gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. b) UStG zur Wehr gesetzt hat. Umsätze hatte die Klägerin, die ihren Geschäftsbetrieb in den Streitjahren bereits weitgehend eingestellt hatte, nur noch durch die Vermietung der geleasten Kuvertiermaschinen erzielt.

Unter Bezugnahme auf die Rechtsauffassung des BFH in dessen Urteil II R 4/06 versagte der Beklagte, das Finanzamt -FA -, der Klägerin den Vorsteuerabzug für ihre Lotterie-Tätigkeit, da sie insoweit nach § 4 Nr. 9 Buchst. b) UStG steuerfreie Umsätze getätigt habe, die gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten. Lediglich die Vorsteuerbeträge, die auf die Anmietung der Kuvertiermaschinen entfielen, berücksichtigte das FA zugunsten der Klägerin, indem es diese Beträge mit der auf die Weitervermietung der Maschinen resultierende Umsatzsteuer verrechnete. Soweit die Bescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung zunächst erklärungsgemäß ergangen waren (Umsatzsteuerbescheide 2005 bis 2007 und Voranmeldungszeiträume II. und IV. Quartal 2009 sowie II. Quartal 2010), erließ das FA unter dem 12.8.2009 (für 2005), dem 2.2.2009 (für 2006 und 2007) und dem 20.7.2010 (für die Voranmeldungszeiträume II. und IV. Quartal 2009 sowie II. Quartal 2010) geänderte Bescheide. Für das Streitjahr 2008 versagte das FA der von der Klägerin eingereichten Umsatzsteuererklärung die Zustimmung und erließ unter dem 5.11.2009 einen hiervon abweichenden Bescheid, in dem es den Vorsteuerabzug ablehnte.

Die Einsprüche gegen die o.g. Bescheide wies das FA durch Einspruchsentscheidungen 18.8.2010 zurück.

Hiergegen richtet sich die Klage, mit welcher die Klägerin weiterhin den Vorsteuerabzug geltend macht.

Die Klägerin trägt vor:

Bis zum Zeitpunkt der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde durch Beschluss des BVerfG 1 BvR 3382/08 vom 25.3.2010 habe die Klägerin die Leistungen, hinsichtlich derer sie den Vorsteuerabzug geltend macht, in dem Bewusstsein und Bestreben bezogen, diese zur Erbringung umsatzsteuerpflichtiger Leistungen zu nutzen. Dies sei schon an der Vielzahl der Prozesse zu erkennen, welche die Klägerin geführt habe, um ihren Rechtsstandpunkt durchzusetzen.

Das FA stelle eine "ex post" Betrachtung an und komme dabei zu dem Ergebnis, es habe im ersten Streitjahr 2005 bereits festgestanden, dass die Ausgangsumsätze der Klägerin als steuerbefreite Lotterieumsätze zu beurteilen seien. Dies sei jedoch falsch, da ausschlaggebend sei, dass die Klägerin jeweils im Zeitpunkt des Leistungsbezuges subjektiv in der Annahme gehandelt habe, dass ihre frühere Tätigkeit nicht der Lotteriesteuerpflicht unterliege, sondern umsatzsteuerpflichtig sei. Abzustellen sei bezüglich der Vorsteuerabzugsberechtigung nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes - EuGH - und des BFH alleine auf die Verwendungsabsicht im Zeitpunkt des Leistungsbezuges.

Der Klägerin stehe der Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG zu, weil sie die streitigen Eingangsleistungen als Unternehmerin bezogen habe. Eine Versagung des Vorsteuerabzugs gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG komme hingegen nicht in Betracht, da sie in den Streitjahren nicht entsprechend dieser Vorschrift steuerfreie Umsätze, sondern - abgesehen von der steuerpflichtigen Vermietung der Kuvertiermaschinen - gar keine Umsätze erbracht habe. Insoweit sei § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG vom Wortlaut her nicht einschlägig.

Schließlich sei unstreitig, dass ein geringer Anteil der für die Spieleinsätze geleisteten Beiträge der Teilnehmer von der Klägerin auch tatsächlich zum Erwerb von Lottoscheinen einer durch die Klägerin gebildeten Spielgemeinschaft genutzt worden sei

Die Klägerin beantragt,

die Einspruchsentscheidungen vom 18.8.2010 und die Umsatzsteuer-(Vorauszahlungs-)Bescheide 2005 vom 12.8.2009, 2006 und 2007 vom 2.2.2009, 2008 vom 5.11.2009, II. und IV. Quartal 2009 sowie II. Quartal 2010 vom 20.7.2010 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuern jeweils entsprechend der von ihr eingereichten Erklärungen festgesetzt werden,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Das beklagte Finanzamt beantragt,

die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass zwei Prozent der streitigen Vorsteuerbeträge berücksichtigt werden.

Das FA trägt vor:

Nach dem rechtskräftigen Urteil des BFH vom 02.04.2008 II R 4/06 (a. a. O.) sei von einer vollumfänglichen Lotteriesteuerpflicht der Klägerin auszugehen. Die Verfassungsbeschwerde sei nicht zur Entscheidung angenommen worden.

Der Klägerin sei bereits seit den in den Jahren 1997 und 1999 bei ihr durchgeführten Steuerfahndungsprüfungen die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung hinsichtlich der umsatzsteuerlichen Problematik bekannt gewesen.

Diese Rechtsauffassung der Finanzverwaltung sei sowohl vom FG Köln in seinem Urteil vom 16.11.2005 (11 K 3095/04, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2006, 849), als auch vom BFH in dessen Urteil vom 02.04.2008 (II R 4/06, BStBl. II 2009, 735) letztinstanzlich bestätigt worden. Das FG Köln habe im Beschluss vom 30.12.2003, 11 V 4314/03 darauf hingewiesen, dass der Klägerin spätestens am 09.04.1999 bekannt gewesen sei, dass durch den von der Klägerin verwirklichten Sachverhalt Lotteriesteuer und damit keine Umsatzsteuer ausgelöst worden sei.

Soweit das FG Köln und der BFH in ihren Urteilen eine Lotteriesteuerpflicht in Höhe von 2% der von der Klägerin von den Lottospielern vereinnahmten Beträge verneint hat, hat das FA in der mündlichen Verhandlung eine Vorsteuerabzugsberechtigung der Klägerin eingeräumt.

Gründe

Die zulässige Klage ist nur in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet, da die Klägerin nach § 15 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 UStG nur in diesem geringen Umfang zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sind gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG grundsätzlich die Steuern für die Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet.

§ 15 UStG beruht auf Art. 17 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) und ist nach den gleichen Grundsätzen auszulegen (BFH-Urteil vom 3. Juli 2008 V R 51/06, BFHE 222, 128, BStBl II 2009, 213, m.w.N.). Der Steuerpflichtige ist nach Art. 17 Abs. 2 der vorgenannten Richtlinie zum Vorsteuerabzug befugt, "soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden".( BFH Urteil vom 08.09.2010 XI R 31/08 BFHE 231, 335, BStBl II 2011, 197).

Die hier streitigen Vorsteuerbeträge resultieren ausschließlich aus Veranlagungszeiträumen, in denen die Klägerin ihre frühere Geschäftstätigkeit, welche nach dem Urteil des BFH vom 02.04.2008 II R 4/06 (a. a. O.) als Veranstaltung einer der Lotteriesteuerpflicht unterliegenden Lotterie zu beurteilen ist, bereits eingestellt hatte. Ihre unternehmerische Betätigung beschränkte sich in den Streitjahren auf die steuerpflichtige Vermietung der Kuvertiermaschinen, welche sie ursprünglich für ihre frühere Geschäftstätigkeit angemietet hatte. Die hiermit zusammenhängenden Vorsteuerbeträge aus der Anmietung der Kuvertiermaschinen hat das FA jedoch bereits zugunsten der Klägerin in den streitigen Bescheiden durch Saldierung der Vorsteuern mit den auf die Vermietung der Maschinen entfallenden Umsatzsteuerbeträgen berücksichtigt.

Soweit die von der Klägerin geltend gemachten Vorsteuerabzugsbeträge Eingangsleistungen betreffen, welche im Zusammenhang mit der Strafverteidigung ihres Geschäftsführers A von der Klägerin in Anspruch genommen wurden, hält es das Gericht schon für sehr fraglich, ob die zugrunde liegenden Leistungen i.S. von § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG "für das Unternehmen" der Klägerin bezogen wurden oder nicht vielmehr außerunternehmerische, private Zwecke ihres Geschäftsführers betreffen (siehe zu dieser Problematik EuGH-Vorlage des BFH vom 22.12.2011 V R 29/10, BFH/NV 2012, 673).

Da die Vorsteuerbeträge jedoch überwiegend wegen § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG nicht abzugsfähig sind, braucht diese Frage nicht abschließend erörtert zu werden.

Denn soweit die Leistungen, welche von der Klägerin in den Streitjahren in Anspruch genommen wurden, "ihr Unternehmen" betreffen, betreffen diese Eingangsleistungen - was unstreitig ist - nicht die steuerpflichtige Vermietung der Kuvertiermaschinen. Den streitigen Vorsteuerbeträgen liegen vielmehr ausschließlich Leistungen zugrunde, welche die Klägerin im Zusammenhang mit der Abwicklung ihres vormaligen Geschäftsbetriebes und der hiermit zusammenhängenden Durchführung diverser Rechtsstreitigkeiten bezogen hat. Soweit diese frühere Geschäftsbetrieb unter Berücksichtigung der Entscheidung des BFH (Urteil vom 02.04.2008 II R 4/06, BStBl. II 2009, 735) als Veranstaltung einer Lotterie zu beurteilen ist, ist der Klägerin der Vorsteuerabzug zu versagen.

Nach § 4 Nr. 9 Buchst. b) UStG sind Umsätze, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen, von der Umsatzsteuer befreit. Dies hat zur Folge, dass für die mit diesen Umsätzen in Zusammenhang stehenden Aufwendungen grundsätzlich kein Vorsteuerabzug gegeben ist (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG). Nach dem Urteil des BFH vom 02.04.2008 II R 4/06 (a. a. O.), in dem die erstinstanzliche Entscheidung des FG Köln 11 K 3095/04 vom 16. November 2005 (EFG 2006, 849) bestätigt wurde, unterlagen 98 % der von der Klägerin von den Spielern vereinnahmten Beträge der Lotteriesteuer, da die Klägerin als Veranstalterin einer Lotterie i.S. von § 19 Abs. 1 des Rennwett- und Lotteriegesetzes zu beurteilen sei. Auf die Entscheidungsgründe in dem BFH-Urteil II R 4/06 wird insoweit Bezug genommen. Weder die Gegenvorstellung der Klägerin gegen diese BFH-Entscheidung noch eine hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde hatten Erfolg.

Dementsprechend hat das FA ohne weitere Prüfung, inwieweit die Eingangsleistungen überhaupt der Geschäftstätigkeit der Klägerin zuzuordnen sind und nicht etwa den privaten Interessen ihrer Verantwortlichen (z.B. Aufwendungen für Steuerstrafverfahren des Geschäftsführers), einen weiteren Vorsteuerabzug in Höhe von 2 % der von der Klägerin geltend gemachten Abzugsbeträge in der mündlichen Verhandlung anerkannt und hierdurch den Sachverhaltsfeststellungen in den Urteilen des FG Köln vom 16.11.2005 11 K 3095/04 und des BFH vom 02.04.2008 II R 4/06 (a.a.O.), hinreichend Rechnung getragen, wonach die von der Klägerin vereinnahmten Beträge nicht in vollem Umfang, sondern nur zu 98% lotteriesteuerpflichtig waren.

Weitere Vorsteuerbeträge waren nicht zu berücksichtigen, da diese lediglich der früheren umsatzsteuerfreien Geschäftstätigkeit der Klägerin zuzuordnen sind und deshalb der Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausgeschlossen ist.

Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, die Voraussetzungen für eine Versagung des Vorsteuerabzugs gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG seien vorliegend deshalb nicht erfüllt, weil die zugrunde liegenden Eingangsleistungen - obwohl sie diese für ihr Unternehmen bezogen habe - überhaupt keinen Umsätzen zugeordnet werden könnten und deshalb § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG bereits vom Wortlaut her nicht erfüllt sei, teilt das Gericht unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des BFH und des EuGH diese Auffassung nicht.

Es ist einhellige Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass auch nach Beendigung der unternehmerischen Tätigkeit als solcher Vorsteuerbeträge abziehbar sind, sofern Leistungen bezogen werden, die im Zusammenhang mit der ehemaligen unternehmerischen Tätigkeit stehen. Da diese Aufwendungen nicht dem privaten Verbrauch dienen, gebietet es das Gesetzesziel, solche Aufwendungen noch als i.S. des § 15 Abs. 1 UStG für das Unternehmen bezogen anzusehen. So wie die Unternehmereigenschaft typischerweise mit den der eigentlichen Umsatztätigkeit vorausgehenden Vorbereitungshandlungen beginnt, endet sie auch erst nach einer der eigentlichen Umsatztätigkeit folgenden Abwicklungsphase (Stadie in Rau/ Dürrwächter, UStG, § 2 UStG, Rz. 562; Scharpenberg in Hartmann/ Metzenmacher, UStG, § 2 UStG, Rz. 219; Meyer in Offerhaus/ Söhn/ Lange, UStG, § 2 UStG, Rz. 141; Radeisen in Vogel/ Schwarz, UStG, § 2 UStG, Rz. 247 jeweils m. w. N.).

Solche im Zusammenhang mit der Abwicklung der unternehmerischen Tätigkeit stehenden Leistungen sind auch Steuerberatungsleistungen oder Prozessführungstätigkeiten bezüglich der Unternehmenssteuern (FG Schleswig-Holstein vom 11. Juli 1995 IV 764, 765/93, EFG 1995, 1078; FG Baden Württemberg vom 07. August 1990 IX Ko 3/90, EFG 1991, 37; Stadie in Rau/ Dürrwächter, UStG, § 2 UStG, Rz. 562)

Nach der Rechtsprechung des EuGH erfordert das Recht auf Vorsteuerabzug gemäß Art. 17 der Richtlinie 77/388/EWG, "dass grundsätzlich ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Umsätzen der nachfolgenden Stufe, die zum Vorsteuerabzug berechtigen ...", besteht (vgl. EuGH-Urteile vom 8. Juni 2000 Rs. C-98/98 --Midland Bank plc--, Slg. 2000, I-4177, Rz 24; vom 22. Februar 2001 Rs. C-408/98 --Abbey National--, Slg. 2001, I-1361, BFH/NV Beilage 2001, 48, Rz 26; vom 3. März 2005 Rs. C-32/03 --Fini H--, Slg. 2005, I-1599, BFH/NV Beilage 2005, 179, Rz 26).

Dies setzt voraus, dass die für den Bezug der Leistungen getätigten Aufwendungen zu den Kostenelementen der besteuerten Umsätze gehören. Die Aufwendungen müssen somit Teil der Kosten der Ausgangsumsätze sein, für die die Gegenstände und Dienstleistungen verwendet werden (vgl. EuGH-Urteil --Midland Bank plc-- in Slg. 2000, I-4177, Rz 30). Dies hat der EuGH bejaht für die allgemeinen Kosten der wirtschaftlichen Tätigkeit eines Steuerpflichtigen (vgl. EuGH-Urteil --Abbey National-- in Slg. 2001, I-1361, BFH/NV Beilage 2001, 48, Rz 39). Zu diesen Kosten zählen Aufwendungen aber nur, soweit sie ihren ausschließlichen Entstehungsgrund in den steuerpflichtigen Tätigkeiten haben (EuGH-Urteil vom 8. Februar 2007 Rs. C-435/05 --Investrand BV--, Slg. 2007, I-1315, BFH/NV Beilage 2007, 289, Rz 33).

Auch nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs folgt aus § 15 Abs. 2 und 4 UStG, dass der Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Zurechnung/Zuordnung der Vorsteuerbeträge zu den sog. Verwendungsumsätzen zu bestimmen ist. Wie der BFH im Urteil vom 10. April 1997 V R 26/96 (BFHE 182, 432, BStBl II 1997, 552, m.N.). ausgeführt hat, stellt die wirtschaftliche Zurechnung vorsteuerbelasteter Leistungsbezüge zu Umsätzen grundsätzlich darauf ab, ob die Aufwendungen für die bezogene Leistung Kostenelement des ausgeführten Umsatzes wurden. Das Recht auf Abzug der Umsatzsteuer für eine bezogene Leistung als Vorsteuer setzt also voraus, dass die Aufwendungen für diese Leistung bereits als Kostenelement der versteuerten Umsätze berücksichtigt worden sind. Die Aufwendungen müssen in die Kosten der ausgeführten Umsätze eingegangen sein. Das Kostenelement muss regelmäßig vor Ausführung der Verwendungsumsätze entstanden sein (Urteil des BFH vom 10.04.1997 V R 26/96, BFHE 182, 432, BStBl II 1997, 552).

Würde man somit der Auffassung der Klägerin folgen, wonach die Eingangsleistungen, aus denen sie den Vorsteuerabzug begehrt, wegen zuvor bereits erfolgter Einstellung ihrer Geschäftstätigkeit überhaupt keinen Umsätzen zugeordnet werden könnten, wäre der Vorsteuerabzug nach den o.g. Ausführungen bereits aus diesem Grund zu versagen.

Richtigerweise sind jedoch zumindest die Eingangsleistungen, welche die Klägerin im Rahmen der Durchführung der Klageverfahren vor dem FG Köln, dem BFH und dem BVerfG bezogen hat, nach den oben gemachten Ausführungen ihrer früheren steuerbefreiten Umsatztätigkeit zuzuordnen.

Zwar hat die Klägerin durch mehrere Instanzen bis hin zum Bundesverfassungsgericht die Rechtsauffassung vertreten, es habe sich bei der von ihr unternehmerisch betriebenen Bildung von Spielgemeinschaften und dem Abschluss von Spielverträgen um eine umsatzsteuerpflichtige Tätigkeit gehandelt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließe. Diverse von ihr bezogene Leistungen, aus denen sie den Vorsteuerabzug beansprucht, stehen dementsprechend auch im Zusammenhang mit dem Versuch, diese Rechtsauffassung gerichtlich durchzusetzen. Letztlich steht jedoch aufgrund der Revisionsentscheidung des BFH vom 02.04.2008 II R 4/06 (a.a.O.) fest, dass die Klägerin mit ihrem früheren Geschäftsmodell als Veranstalterin einer Lotterie zu beurteilen ist und die im Rahmen dieser Tätigkeit erbrachten Umsätze zu 98 % der Lotteriesteuerpflicht unterliegen, damit gleichzeitig nach § 4 Nr. 9 Buchst. b) UStG umsatzsteuerbefreit sind und wegen § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG den Vorsteuerabzug hiermit zusammenhängender Eingangsleistungen ausschließen.

Dass die Klägerin hingegen nach eigenem Bekunden subjektiv bei Bezug der Leistungen entsprechend ihrer Rechtsauffassung eine Lotteriesteuerpflicht bezüglich der von den Spielern vereinnahmten Beträge verneint und gleichzeitig von einer Umsatzsteuerpflicht und einer daraus resultierenden Vorsteuerabzugsberechtigung ausgegangen ist, verhilft ihr vorliegend nicht zum Vorsteuerabzug. Denn es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH, dass § 15 UStG im - hier vorliegenden - Steuerfestsetzungsverfahren keinen Schutz des guten Glaubens an die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs vorsieht (u.a. Urteile des BFH vom 8. Oktober 2008 V R 63/07, BFH/NV 2009, 1473; vom 30. April 2009 V R 15/07, BFHE 225, 254, BStBl II 2009, 744; vom 8. Juli 2009 XI R 51/07, BFH/NV 2010, 256, Beschluss des BFH vom 12.10.2010 V B 134/09, BFH/NV 2011, 326).

Nachdem das FA durch Anerkennung von 2% der geltend gemachten Vorsteuerbeträge den Entscheidungen des FG Köln vom 16.11.2005 11 K 3095/04 und des BFH vom 02.04.2008 II R 4/06 (a.a.O.) hinreichend Rechnung getragen hat, wonach 98% der von den Spielern vereinnahmten Beträge lotteriesteuerpflichtig und damit von der Umsatzsteuer befreit waren, war die Klage im übrigen abzuweisen.

Die Kostenfolge beruht auf § 136 Abs. 1 FGO.

Die Revision war mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht zuzulassen.

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