OLG Köln, Urteil vom 09.12.2015 - 5 U 184/14
Fundstelle
openJur 2016, 3622
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 05.11.2014 - 25 O 134/13 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das vorliegende Urteil und die angefochtene Entscheidung sind vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der am 00.00.1946 geborene Kläger begab sich im Jahr 2010 wegen langjähriger Beschwerden im Bereich der linken Hüfte in die Behandlung des von der Beklagten zu 1) betriebenen F Krankenhaus in L. Dort wurde die Indikation zur Implantierung einer Hüft-Endoprothese gestellt. Am 08.12.2010 erfolgte ein Aufklärungsgespräch, welches der Beklagte zu 2) in Anwesenheit des Klägers und seiner Ehefrau führte. Der Kläger selbst ist der deutschen Sprache kaum mächtig. Der Beklagte zu 2) vermerkte auf dem Aufklärungsbogen vom 08.12.2010 "Frau als Übersetzerin anwesend". Am 13.12.2010 wurde dem Kläger eine Hüft-Endoprothese links eingesetzt. Die Beklagten zu 2) und 3) waren die Operateure. Infolge des operativen Eingriffs kam es zu einer Ischiadicusparese. Am 16.12.2010 erfolgte eine Revisionsoperation mit Ausräumung eines Hämatoms.

Der Kläger hat den Beklagten Behandlungsfehler vorgeworfen und hierzu behauptet, der Nervus ischiadicus sei während der am 13.12.2010 durchgeführten Operation geschädigt worden. Der Kläger hat darüber hinaus die Aufklärungsrüge erhoben. Er hat behauptet, seine Ehefrau spreche nur bruchstückhaft Deutsch, so dass ein Dolmetscher hätte hinzugezogen werden müssen. Die Aufklärung sei auch inhaltlich unzureichend gewesen, weil über Risiken nicht gesprochen worden sei.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens 50.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.10.2011 zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm sämtliche künftigen immateriellen sowie alle vergangenen und künftigen materiellen Schäden, die ihm in Folge der fehlerhaften Behandlung ab November 2010 entstanden sind bzw. noch entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben behauptet, der Kläger sei durch den Beklagten zu 2) ausreichend aufgeklärt worden und habe dessen Ausführungen infolge einer Übersetzung durch seine dolmetschende Ehefrau auch verstanden. Die Beklagten haben sich hilfsweise auf den Einwand der hypothetischen Einwilligung berufen. Der Kläger hätte aufgrund seiner langjährigen Leidensgeschichte auf jeden Fall in die Operation eingewilligt.

Wegen der Einzelheiten des streitigen Vorbringens der Parteien und der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil (Bl. 166 ff. d.A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. K vom 25.02.2014 (Bl. 89 ff. d.A.) und durch die Vernehmung der Zeugen D und H. Den Beklagten zu 2) und den Kläger hat die Kammer persönlich angehört (Sitzungsprotokoll vom 01.10.2014, Blatt 146 ff. d.A.). Anschließend hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Behandlungsfehler der Beklagten lasse sich nicht feststellen. Die Hüft-Endoprothese sei nach den Regeln der ärztlichen Kunst eingesetzt worden. Der Ischiasschaden des Klägers müsse als schicksalhaft angesehen werden. Das Hämatom sei postoperativ nicht zu spät erkannt und versorgt worden und es sei auch nicht für die Ischiasschädigung ursächlich gewesen. Die Aufklärungsrüge des Klägers habe ebenfalls keinen Erfolg, denn die Beklagten hätten bewiesen, dass der Kläger vor der streitgegenständlichen Operation hinreichend aufgeklärt worden sei. Die Kammer sei davon überzeugt, dass der Kläger gemeinsam mit seiner Ehefrau als Übersetzerin eine ausreichende Verständigungsmöglichkeit gehabt habe.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Klageanträge weiter. Er ist der Ansicht, das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass er ordnungsgemäß über die Risiken des Eingriffs aufgeklärt worden sei. Es sei für jeden Laien erkennbar, dass weder er noch seine Ehefrau über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügten. Auch eine Verständigung mit seiner Ehefrau sei nicht möglich gewesen, weil diese nur rudimentär Deutsch spreche und medizinische Fachbegriffe überhaupt nicht habe übersetzen können. Da es sich nicht um eine Notfallmaßnahme gehandelt habe, habe das Gespräch mit einem Dolmetscher stattfinden müssen, um ihn adäquat über die Risiken des Eingriffs aufklären zu können. Wäre dies geschehen, hätte er sich keinesfalls dem Eingriff unterzogen. Er habe für das Jahr 2011 geplant, seinen Lebensschwerpunkt in die Türkei zu verlegen, wofür er noch einige Dinge habe erledigen müssen. Auch habe er unbedingt bei der Hochzeit seines Neffen in der Türkei dabei sein wollen. Hätte er gewusst, dass all dies durch die streitgegenständliche Operation in Frage gestellt werden würde, hätte er die Operation zu diesem Zeitpunkt nicht durchführen lassen. Ferner habe er darüber aufgeklärt werden müssen, dass bei ihm als Marcumarpatient ein erhöhtes Operationsrisiko bestand. Hätte er die Risiken und das bei ihm sogar erhöhte Operationsrisiko gekannt und hätte er gewusst, dass er nach diesem Eingriff nicht mehr laufen könne und pflegebedürftig sei, hätte er den Eingriff zu diesem Zeitpunkt keinesfalls durchführen lassen.

Die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung und treten dem Berufungsvorbringen im Einzelnen entgegen. Sie behaupten, die Ehefrau des Klägers habe während der gesamten Behandlung als Dolmetscherin übersetzt. Auch die Söhne seien teilweise bei Gesprächen mit den behandelnden Ärzten anwesend gewesen, um die Aussagen zu übersetzen. Der Kläger hätte jederzeit die Hinzuziehung eines Dolmetschers fordern oder die Leistung seiner Unterschrift unter dem Aufklärungsbogen verweigern können. Soweit die Ehefrau in der mündlichen Verhandlung vorgegeben habe, die Übersetzung durch eine Dolmetscherin zu benötigen, sei dies nicht glaubwürdig gewesen. Die Zeugin sei vor Beginn ihrer Vernehmung durchaus in der Lage gewesen, Fragen des Vorsitzenden zu beantworten. Die Beklagten rügen den Vortrag des Klägers in der Berufungsbegründung zum Entscheidungskonflikt als verspätet. Sie behaupten, der Leidensdruck des Klägers sei so groß gewesen, dass er einen möglichst zeitnahen Eingriff habe durchführen lassen wollen. Der Kläger habe bereits seit 15 Jahren unter Beschwerden in der linken Hüfte gelitten. Aufgrund der für ihn unerträglich gewordenen Schmerzsymptomatik habe er sich im Jahr 2010 für den Eingriff entschieden. Es erscheine schon aufgrund der starken Schmerzen und Einschränkungen des Klägers völlig außerhalb jeder Lebenserfahrung, dass er ohne den Eingriff Bauarbeiten in der Türkei habe aktiv unterstützen wollen.

Der Kläger hat nach Eingang der Berufungserwiderung mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 25.02.2015 erklärt, den Sachverständigen Prof. Dr. K nicht mehr akzeptieren zu können, weil er in einem anderen, ebenfalls durch seine Prozessbevollmächtigten geführten Rechtsstreit wegen Behandlungsfehler in Anspruch genommen werde.

Der Senat hat den Kläger und den Beklagten zu 2) persönlich angehört und die Zeugen D und Dr. T vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 28.10.2015 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen,

II.

Die Berufung ist unbegründet.

Nach dem Ergebnis der vor dem Senat durchgeführten Parteianhörung und Zeugenvernehmung steht zwar nicht mit der erforderlichen Sicherheit fest, dass der Kläger ordnungsgemäß aufgeklärt worden ist. Insoweit sind für den Senat Zweifel verblieben, ob der der deutschen Sprache nicht mächtige Kläger in der Lage war, den Ausführungen des aufklärenden Arztes, des Beklagten zu 2), zu folgen. Die Beklagten dringen jedoch mit ihrem Einwand der hypothetischen Einwilligung durch, denn der Kläger hat einen Entscheidungskonflikt nicht plausibel machen können.

1.)

Die Beklagten haben den ihnen obliegenden Beweis einer ordnungsgemäßen Eingriffs- und Risikoaufklärung des Klägers vor Durchführung der Operation vom 13.12.2010, bei der eine Hüft-Endoprothese links eingesetzt werden sollte, nicht geführt. Der Senat ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht davon überzeugt, dass dem Kläger eine Aufklärung zuteil wurde, die er auch verstehen konnte.

Dabei geht der Senat zunächst davon aus, dass der Beklagte zu 2) in dem mit dem Kläger und seiner Ehefrau am 08.12.2010 durchgeführten Gespräch den Eingriff als solchen und seine Risiken erläutert hat. Der Beklagte zu 2) hat dem Senat den Ablauf eines üblichen Aufklärungsgespräches dargestellt und dabei glaubhaft geschildert, dass er Patienten regelmäßig über die Operationsindikation, den Eingriff und die einzelnen Risiken umfassend aufkläre. Die Behauptung des Klägers, der Beklagte zu 2) habe ihm nur kurz die zu implantierende Prothese gezeigt und ihn dann zur Unterschrift aufgefordert, hält der Senat aufgrund der glaubhaften Angaben des Beklagten zu 2), die durch eine Vielzahl an handschriftlichen Markierungen, Unterstreichungen und Zusätzen im schriftlichen Aufklärungsbogen gestützt werden, für widerlegt.

Zweifel an einer ordnungsgemäßen Aufklärung sind jedoch deswegen verblieben, weil auch nach Anhörung des Beklagten zu 2) und Vernehmung des Zeugen Dr. T nicht mit der notwendigen Sicherheit angenommen werden kann, dass der Kläger die Ausführungen des Beklagten zu 2) auch verstanden hat. Unstreitig ist der aus der Türkei stammende Kläger der deutschen Sprache kaum mächtig und war deswegen ohne Übersetzungshilfe nicht in der Lage, dem Aufklärungsgespräch zu folgen. Der Beklagte zu 2) musste daher sicher stellen, dass dem Kläger durch eine Übersetzung von der deutschen in die türkische Sprache der Inhalt des Aufklärungsgesprächs vermittelt wurde. Die Beklagten haben behauptet, die Ehefrau des Klägers habe aus der deutschen Sprache ins Türkische übersetzt. Für den Senat sind nach Anhörung des Klägers und des Beklagten zu 2) sowie nach Vernehmung der Zeugen T2 D und Dr. T jedoch Zweifel verblieben, ob die Sprachkenntnisse der Zeugin D ausreichend waren, um eine ausreichende Übersetzung zu gewährleisten.

Wird ein der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtiger Patient in deutscher Sprache aufgeklärt, und werden die Erläuterungen des aufklärenden Arztes - wie hier - durch einen Familienangehörigen übersetzt, muss der Arzt in geeigneter Weise überprüfen, ob der als Dolmetscher agierende Familienangehörige seine Erläuterungen verstanden hat. Hierzu muss der Arzt sich zumindest einen ungefähren Eindruck von den sprachlichen Fähigkeiten des Übersetzers verschaffen. Anschließend muss er durch eigene Beobachtung feststellen, dass dem Patienten übersetzt wird und er muss aus der Länge des Übersetzungsvorgangs den Schluss ziehen können, dass eine vollständige Übersetzung vorliegt. Zum Schluss muss der Arzt sich durch Rückfrage an den Patienten einen Eindruck davon verschaffen, ob dieser die Aufklärung auch verstanden hat. Hat der aufklärende Arzt Zweifel, ob der Patient seine Ausführungen verstanden hat oder muss er solche Zweifel haben, ist er gehalten, sich der Hilfe eines Dolmetschers zu bedienen, von dessen ausreichenden Sprachfähigkeiten er hinreichend sicher ausgehen kann.

Die Beklagten haben nicht bewiesen, dass sich der Beklagte zu 2) von den sprachlichen Fähigkeiten der Zeugin D als Übersetzerin in einem ausreichenden Maße überzeugt hat. Der Beklagte zu 2) hat im Rahmen seiner mündlichen Verhandlung nicht dargelegt, dass und wie er sich von den sprachlichen Fertigkeiten der übersetzenden Person überzeugt. Nach dem Ergebnis der Vernehmung der Zeugin D sind für den Senat auch erhebliche Zweifel verblieben, ob die Zeugin überhaupt so gut Deutsch verstehen konnte, dass sie einer Aufklärung über eine Operation mit Implantation einer Hüft-Totalendoprothese und über deren Risiken inhaltlich folgen konnte. Zwar glaubt der Senat der Zeugin D nicht, dass sie nur ganz rudimentäre Deutschkenntnisse hat. Bei der Vernehmung der Zeugin ist vielmehr der Eindruck entstanden, dass die Zeugin - offenbar aus prozesstaktischen Erwägungen - ihre Sprachkenntnisse deutlich geringer dargestellt hat, als sie in Wirklichkeit bestehen. Die Zeugin hat im Rahmen ihrer Vernehmung vorgegeben, selbst bei einfachen Fragen des Vorsitzenden die Hilfe der anwesenden Dolmetscherin zu benötigen. Im Anschluss an ihre Vernehmung, als es um die Frage ging, wer ihre schriftliche Zeugenaussage (Anlage K 33) formuliert hatte, hat sie sich allerdings auf die Vermutung ihres Ehemannes, dass die Aussage durch seinen Rechtsanwalt festgehalten worden sei, spontan in einwandfreiem Deutsch geäußert ("Nein, ich denke nicht."). Der Senat geht daher davon aus, dass die Zeugin sehr wohl über einen Wortschatz verfügt, der ihr eine Kommunikation im Alltag ermöglicht. Aus den aus Sicht des Senates zweifellos bestehenden, offenbar nicht nur rudimentären Deutschkenntnissen der Zeugin D lässt sich jedoch nicht der Schluss ziehen, dass sie auch den Ausführungen des Beklagten zu 2) im Rahmen des medizinischen Aufklärungsgespräches so folgen konnte, dass eine umfassende und zutreffende Übersetzung an den Kläger möglich war. Dem im Hause der Beklagten verwendeten Aufklärungsbogen, an dem sich der Beklagte zu 2) bei seiner mündlichen Aufklärung orientiert hat und den er mit entsprechenden Unterstreichungen versehen hat, lässt sich entnehmen, dass der Beklagte zu 2) über eine Vielzahl von Komplikationen und Risiken aufgeklärt hat, was - selbst bei unterstelltem Weglassen von medizinischen Fachbegriffen - einer gewissen Sprachfertigkeit des Übersetzers bedarf, die über das hinausgeht, was man für eine Kommunikation im Alltag braucht. Soweit der Beklagte zu 2) beispielsweise über Allergien, Wundheilungsstörungen, Blutvergiftung, Herzinnenwandentzündungen, Narbenwucherungen, Nachblutungen, Blutgerinnselbildungen aufgeklärt hat, ist für den Senat nicht ersichtlich, wie Sinn und Bedeutung dieser Risiken einer Person mit nur geringen Sprachkenntnissen verständlich gemacht werden können. Aber auch hinsichtlich des sich im vorliegenden Fall verwirklichten Risikos einer Verletzung von Nerven und deren Folgen, hat der Beklagte zu 2) dem Senat nicht überzeugend darlegen können, wie er in Fällen einer Übersetzung durch Familienangehörige aufklärt und wie er sicher stellt, dass die Aufklärung auch verstanden wird. Soweit der Beklagte zu 2) erklärt hat, er sage konkret, dass es "zu Lähmungen und Gefühlsverlust und im allerschlimmsten Fall zum Verlust des Beines kommen kann", bleiben auch hier Zweifel, ob dies für eine Person, die nur geringe Sprachkenntnisse hat, verständlich ist. Der Beklagte zu 2) hat selbst eingeräumt, dass es schwer sei, die Verletzung eines Ischiasnervs einem Sprachunkundigen zu erklären. Er spreche in solchen Fällen deutlich langsamer als sonst und versuche durch Augenkontakt zu klären, "ob etwas ankommt bei Patienten bzw. was bei ihm angekommen" sei. Ob und wieweit der Beklagte zu 2) bei der so beschriebenen Vorgehensweise verlässliche Informationen dazu erhalten konnte, ob der Kläger seinen Ausführungen folgen konnte, ist für den Senat nicht hinreichend sicher beurteilbar.

Auch nach den Bekundungen des Zeugen Dr. T, der die anästhesiologische Aufklärung durchgeführt hat, steht nicht fest, dass die Zeugin D so gut Deutsch verstehen konnte, dass eine Übersetzung möglich war. Der Zeuge hatte schon keine sichere Erinnerung mehr daran, ob die Ehefrau bei der Aufklärung anwesend war.

Der Senat übersieht nicht die Schwierigkeiten, im Falle einer medizinischen Aufklärung von sprachunkundigen Patienten einen Weg zu finden, der einerseits sicherstellt, dass der Patient die Aufklärung versteht und der andererseits aber auch im klinischen Alltag praktikabel ist. Zumindest im Fall einer umfangreichen und komplexen Aufklärung über eine nicht eilbedürfte Operation an der Hüfte, wie sie hier anstand, muss der aufklärende Arzt aber im Zweifelsfall durch Hinzuziehung eines professionellen Dolmetschers, eines gut sprachkundigen Angehörigen oder eines für eine Übersetzung geeigneten Mitglied des Krankenhauspersonals sicherstellen, dass der Patient dem Aufklärungsgespräch inhaltlich folgen kann.

2.)

Auf die Frage, ob der Kläger möglicherweise schon voraufgeklärt war, weil er sich kurz zuvor im St. G Hospital zur Durchführung der Operation vorgestellt hat, kommt es nicht an, denn die Beklagten haben sich auf den Einwand der hypothetischen Einwilligung berufen und der Kläger hat einen Entscheidungskonflikt nicht plausibel gemacht.

Der Senat ist nach Anhörung des Klägers nicht davon überzeugt, dass dieser, wenn er ordnungsgemäß über den Eingriff und seine Risiken aufgeklärt worden wäre, ernsthaft vor der Frage gestanden hätte, ob er seine Einwilligung in die Operation am 13.12.2010 erteilt. Der Kläger hatte nach eigenen Angaben seit 20 Jahren Schmerzen in der Hüfte. Er war regelmäßig wegen Hüftbeschwerden in Behandlung seines behandelnden Orthopäden Dr. T3, der ihn schon im Jahr 2005 auf die Möglichkeit einer Operation der linken Hüfte bei einem Erkrankungsbild der Koxarthrose hingewiesen hatte. Nachdem sich der Kläger mehrfach bei Dr. T3 mit Schmerzen in der Hüfte vorgestellt hatte, überwies dieser ihn im Jahr 2009 wegen schwerer Koxarthrose (4. Grad) in das St. G Hospital, wo er sich jedoch zunächst nicht operieren ließ. Im November 2011 äußerte der Kläger laut Behandlungsunterlagen von Dr. T3 den Wunsch, sich im St. G Hospital wegen einer Implantation einer Hüft-Totalendoprothese vorzustellen. Nachdem er sich im St. G Hospital hatte untersuchen lassen, stellte sich der Kläger im Hause der Beklagten zu 1) vor, weil er - so seine Angaben in der mündlichen Verhandlung - über das F Krankenhaus nur Gutes gehört hatte. Im F Krankenhaus äußerte der Kläger bei der präoperativen Anamnese, dass er seit vielen Jahren unter Schmerzen in der linken Hüfte leide, und die Schmerzen zuletzt zu Bewegungseinschränkungen geführt hätten. Er sei nunmehr im Alltag maximal eingeschränkt und könne überhaupt nicht mehr schmerzfrei gehen (Arztbrief vom 29.11.2010). Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, er habe sehr, sehr starke Schmerzen gehabt. Er habe nicht mehr laufen können und abends schlecht einschlafen können, weil er Stiche im Bein gespürt habe. Er habe sich operieren lassen wollen und auf den guten Ruf des F Krankenhauses vertraut. Aus der Gesamtschau der sich aus den Behandlungsunterlagen und den persönlichen Angaben des Klägers ergebenden Umstände ergibt sich, dass der Kläger aufgrund starker Schmerzen im Bereich der linken Hüfte und im Bein und aufgrund der Bewegungseinschränkungen großen Leidensdruck hatte und dass er großes Vertrauen in das Krankenhaus der Beklagten zu 1) hatte. Letzteres zeigt sich auch daran, dass der Kläger, obwohl er nach seinen Angaben bis auf einen Blick auf ein Prothesenmodell über keinerlei weitere Informationen hinsichtlich der Operation verfügte, in die Operation eingewilligte. Vor diesem Hintergrund ist es nicht plausibel, dass der Kläger, wenn er über das operationsimmanente Risiko einer Nervenschädigung, welches nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. K und des Privatgutachters Prof. Dr. T4 bei lediglich 2 % liegt, aufgeklärt worden wäre, ernsthaft vor der Frage gestanden hätte, die Operation nicht durchzuführen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Vortrages des Klägers, er habe Anfang des Jahres 2010 ein Haus in der Türkei gebaut, welches er habe fertigstellen wollen, um im Frühjahr 2011 seinen Lebensschwerpunkt in die Türkei zu verlegen und er habe eine Hochzeit seines Neffen in der Türkei besuchen wollen. Im Hinblick auf die starken Einschränkungen durch die schwere Koxarthrose erscheint es nicht plausibel, dass er überlegt hätte, zunächst die Bauphase des Hauses weiter aktiv zu unterstützen und den Eingriff erst später durchführen zu lassen. Plausibel ist vielmehr, dass der Kläger die Operation möglichst schnell durchführen lassen wollte, weil er sich von ihr erhoffte, im Anschluss an die Operation und einer Rekonvaleszenzzeit wieder schmerzfrei und mobil zu sein, um das Haus fertigzustellen und um die Hochzeitsfeier seines Neffen beschwerdefrei erleben zu können. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung geäußert hat, er hätte, wenn man ihm das zweiprozentige Risiko einer Nervschädigung dargestellt hätte, lieber die Schmerzen ertragen, als so behindert zu sein, wie er es jetzt sei, nimmt der Kläger eine unzulässige Betrachtung des Geschehens aus der Sicht ex post vor.

3.)

Nachdem der Kläger seine Klageforderung mit der Berufung nicht mehr auf das Vorliegen eines Behandlungsfehlers gestützt hat, kommt es auf die Frage einer etwaigen Befangenheit des Sachverständigen Prof. Dr. K nicht mehr an. Beweiserhebliche Fragen, die noch durch den Sachverständigen zu klären wären, bestehen nicht. Die in der Berufungsinstanz streitige Frage der Aufklärung bedarf einer sachverständigen Beurteilung nicht. Die von Prof. Dr. K in Bezug auf das operationsimmanente Risiko von Nervschädigungen angegebene Komplikationsrate von bis zu 2,24 % ist vom Kläger nicht bestritten worden und unterscheidet sich im Übrigen auch nicht maßgeblich von der Prozentzahl, die Prof. Dr. T4 in seinem Gutachten angegeben hat (vgl. Seite 21 des Gutachtens von Prof. Dr. T4, Anlage K 1 zur Klageschrift). Abgesehen davon begründet der Umstand, dass eine dritte Person, vertreten durch die klägerischen Prozessbevollmächtigten, den Sachverständigen als Chefarzt eines Krankenhauses wegen Behandlungs- und Aufklärungsfehlern im Zusammenhang mit einer Hüftgelenksoperation in Anspruch nimmt, aber auch nicht die Besorgnis der Befangenheit.

4.)

Ohne Erfolg rügt der Kläger, er habe darüber aufgeklärt werden müssen, dass bei ihm als Marcumarpatient und der dadurch gegebenen Gefahr von Blutungen ein erhöhtes Operationsrisiko bestand. Der Kläger bestreitet nicht mehr, dass die Schädigung des Nervus ischiadicus durch Hakendruck während der Operation und nicht durch eine postoperativ aufgetretene Blutung entstanden ist. In Bezug auf die postoperativ notwendig gewordene, folgenlos gebliebene Ausräumung eines Hämatoms hat sich zwar möglicherweise ein bestehendes Blutungsrisiko verwirklicht. Es ist jedoch nicht plausibel, dass der Kläger bei entsprechender Aufklärung einem Entscheidungskonflikt unterlegen gewesen wäre.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO). Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die entscheidungserheblichen Fragen sind ausschließlich solche des Einzelfalls.

Berufungsstreitwert: 150.000,- €