LG Paderborn, Urteil vom 28.10.2015 - 4 O 165/15
Fundstelle
openJur 2016, 3181
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Parteien hatten unter dem 15.04./21.04.2009 einen Darlehensvertrag mit anfänglichem Festzins in Höhe von 4,70 % p.a. (effektiver Jahreszins) mit der Nr. ... über 97.000,00 Euro geschlossen. Im Rahmen einer Zusatzvereinbarung vom 15.04.2009 wurde festgehalten, dass mit diesem Darlehen vorherige, bestehende Darlehen abgelöst werden sollten. Die Kläger gaben zur Besicherung des Darlehens zwei Grundschulden und eine Lebensversicherung hin.

Dieser Darlehensvertrag enthielt im Abschlusszeitpunkt eine Widerrufsbelehrung, an der im Vergleich zum Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und Abs. 3 der BGB-InfoV in der im Bundesgesetzblatt Jahrgang 2008 Teil I, S. 293 veröffentlichen Fassung insbesondere die folgende Änderung vorgenommen wurde.

Unter der Überschrift "Finanzierte Geschäfte" hieß es wie folgt:

Widerrufen Sie diesen Darlehensvertrag, mit dem Sie Ihre Verpflichtungen aus einem anderen Vertrag finanzieren, so sind Sie auch an den anderen Vertrag nicht gebunden, wenn beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn wir zugleich auch Ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrages sind, oder wenn wir uns bei Vorbereitung oder Abschluss des Darlehensvertrages der Mitwirkung Ihres Vertragspartners bedienen. Bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstückes oder grundstücksgleichen Rechts ist eine wirtschaftliche Einheit nur anzunehmen, wenn wir zugleich auch Ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrages sind oder wenn wir über die Zurverfügungstellung von Darlehen hinaus Ihr Grundstücksgeschäft durch Zusammenwirken mit dem Veräußerer fördern, indem wir uns dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu eigen machen, bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projektes Funktionen des Veräußerers übernehmen oder den Veräußerer einseitig begünstigen.

Im Übrigen wird wegen des Inhalts der Widerrufsbelehrung auf Anlage K1 Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 01.09.2014 erklärten die Kläger den Widerruf des Darlehensvertrages. Die Beklagte wies diese Erklärung mit Schreiben vom 29.09.2014 zurück. Auf ein Anwaltsschreiben der Kläger vom 24.03.2015, mit welchem sie erneut den Widerruf erklärten, erfolgte mit Schreiben vom 23.04.2015 eine weitere Zurückweisung.

Die Kläger erfüllten ihre aus dem Darlehensvertrag entspringenden Verpflichtungen weiter.

Die Kläger sind der Ansicht, ihr Widerruf sei wirksam und habe zum Wegfall des abgeschlossenen Darlehensvertrages geführt. Bei diesem Darlehensvertrag handele es sich um eine echte Abschnittsfinanzierung im Sinne der §§ 491, 495 BGB a.F. Es seien insgesamt drei Altdarlehen (M-Bauspardarlehen und H-Bank) abgelöst und völlig neue Konditionen vereinbart worden. Jedenfalls stehe den Klägern ein vertraglich vereinbartes Widerrufsrecht zu.

Die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung sei fehlerhaft und halte den gesetzlichen Anforderungen nicht stand. Sie entspreche insbesondere nicht in jeder Hinsicht dem seinerzeit gültigen Muster einer Widerrufsbelehrung aus § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a.F. Vielmehr habe die Beklagte diese Musterbelehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzogen. Daraus ergebe sich für die Kläger ein zeitlich unbefristetes Widerrufsrecht.

Im Einzelnen seien die von der Beklagten in der Erklärung verwendeten Fußnoten irreführend. Dem Verbraucher werde dort die Möglichkeit eines Fernabsatzvertrages aufgezeigt, allerdings nicht erläutert, ob und unter welchen Bedingungen sein eigener Vertrag darunter falle. Die Beklagte könne es den Klägern nicht zumuten, dies selbst zu entscheiden.

Der Fristbeginn sei ebenfalls nicht eindeutig beschrieben. Dem Verbraucher entstehe der Eindruck, die Widerrufsfrist begänne bereits zu laufen, wenn er das bloße Vertragsangebot zugesendet bekomme, da es mit "Darlehensvertrag" überschrieben sei und es in der Belehrung heiße, die Frist beginne bereits "nach Erhalt dieser Belehrung", obwohl der eigentliche (gestreckte) Vertragsschluss erst später erfolge.

Die Belehrung selbst sei mit überflüssigen Zusätzen überfrachtet, so insbesondere zu Rückgewährfolgen und Wertersatz.

In der Rubrik "finanzierte Geschäfte" vermische die Beklagte unzulässigerweise Bausteine der Musterbelehrung, die lediglich alternativ zu verwenden seien. Diese habe sie auch unzulässig abgeändert. Außerdem führe die Beklagte etwa mit dem Wort "Vertragsurkunde" gezielt unbestimmte Rechtsbegriffe in die Belehrung ein, die vom Verbraucher nicht nachzuvollziehen seien.

Die Kläger sind der Auffassung, daher ein Interesse an der gerichtlichen Feststellung des wirksamen Widerrufs zu haben. Sie sind weiter der Auffassung, infolgedessen die Rückgewähr des ursprünglichen Darlehensbetrages nebst Zinsen in Form von Nutzungsersatz zu schulden, umgekehrt von der Beklagten die Rückerstattung aller bereits bezahlten Zins- und Tilgungsleistungen unter Zugrundelegung der Vermutung, dass die Bank Nutzungen im Wert des üblichen Verzugszinses von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gezogen habe, sowie Abschluss- und Bearbeitungsgebühren sowie Disagio verlangen zu können. Darüber hinausgehende Gebühren stünden der Beklagten nicht zu.

Die Kläger sind weiter der Ansicht, soweit sie der Beklagten Wertersatz zurückzugewähren hätten, sei dieser nicht nach dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden marktüblichen Zins für den gesamten Vertragszeitraum bis zum Widerruf zu berechnen. Den Klägern sei es erlaubt, einen konkreten geringeren Gebrauchsvorteil nachzuweisen. Dies könne durch Verweis auf die EWU-Zinsstatistiken einfach erfolgen, indem der objektive Gebrauchswert nach Zeitabschnitten immer wieder neu festgelegt werde, da es ansonsten angesichts der Niedrigzinsphase zu Unbilligkeiten gegenüber dem Verbraucher komme, der wirtschaftlich mit der Rückabwicklung nicht besser stünde, obgleich er ein verbraucherrechtliches Sanktionsinstrument in Anspruch genommen habe. Wegen der weiteren Einzelheiten der klägerischen Rechtsansichten wird auf Bl. 50-51 d.A. Bezug genommen.

Die Kläger behaupten, unter Berücksichtigung ihrer Rechtsausführungen zum 01.09.2014 einen Wertersatzanspruch gegen die Beklagte in Höhe von 3.758,74 € zu haben. Ferner seien bis zum Widerruf Raten in Höhe von insgesamt 33.256,23 € an die Beklagte gezahlt worden. Dem gegenüber stehe ein Rückzahlungsanspruch der Beklagten in Höhe von noch 76.706,21 € per 01.09.2014. Dieser Betrag ergebe sich aus der Summe des Nettodarlehensbetrags von 97.000,00 € sowie des Wertersatzes in Höhe von 16.918,42 € abzüglich des Ratenrückgewähr- und Wertersatzanspruchs der Kläger. Die Kläger erklären insoweit die Aufrechnung. Hierzu sind sie der Ansicht, ein Aufrechnungsverbot aus den AGB der Beklagten könne im Rückabwicklungsschuldverhältnis nicht gelten.

Die Kläger behaupten weiter, der Beklagten mit Schreiben vom 24.03.2015 einen Ablösebetrag von 73.401,14 € wörtlich angeboten zu haben. Eine Anschlussfinanzierung sei möglich für den Fall, dass das streitgegenständliche Darlehen als widerrufen angesehen werden könne.

Den Klägern seien zur außergerichtlichen Rechtsverfolgung nicht anrechenbare Kosten in Höhe von 633,32 € entstanden. Diese seien als Schaden im Rahmen einer Pflichtverletzung durch Falschbelehrung seitens der Beklagten zu ersetzen. Die Rechtsschutzversicherung der Kläger habe diese zur Geltendmachung der Forderung im eigenen Namen ermächtigt.

Die Kläger haben ursprünglich beantragt,

1.) festzustellen, dass sie aus dem (Verbraucher-)Darlehensvertrag mit der Nummer ... aufgrund wirksamen Widerrufs vom 01.09.2014 bzw. 24.03.2015 nur verpflichtet sind, an die Beklagte einen Betrag in Höhe von 71.667,53 € zu zahlen und der mit der Beklagten abgeschlossene (Verbraucher-)Darlehensvertrag mit der Nummer ... aufgrund des Widerrufs der Kläger vom 01.09.2014 bzw. 24.03.2015 wirksam widerrufen ist,

2.) festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme der von den Klägern angebotenen Rückzahlung der noch offenen Darlehensvaluta (Nummer ...) im Annahmeverzug befindet,

3.) die Beklagte zu verurteilen, an sie außergerichtliche nicht anrechenbare Rechtsanwaltskosten in Höhe von 633,32 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz zu zahlen.

Mit Schriftsatz vom 14.09.2015 haben die Kläger die Klage erweitert und geändert.

Die Kläger beantragen nunmehr,

1.) festzustellen, dass der zwischen den Parteien bestehende (Verbraucher-)Darlehensvertrag mit der Nummer ... aufgrund des Widerrufs der Kläger vom 01.09.2014 beendet worden ist,

2.) festzustellen, dass sie der Beklagten aus dem unter der Darlehensnummer ... geführten Darlehen nur noch die Zahlung eines Betrages in Höhe von 76.706,21 €, abzüglich weiterer nach dem 01.09.2014 auf das Darlehen geleisteter Zahlungen, schulden,

3.) festzustellen, dass die nach dem Tag des Zugangs des Widerrufs gezahlten Beträge zu Gunsten der Kläger mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen sind,

4.) festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme der von den Klägern angebotenen Rückzahlung des noch offenen Betrages gemäß vorstehender Ziffer 2 seit dem 08.04.2015 im Annahmeverzug befindet,

5.) die Beklagte zu verurteilen, an sie außergerichtliche nicht anrechenbare Rechtsanwaltskosten in Höhe von 633,32 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

hilfsweise,

1.) die Beklagte zu verurteilen, an sie 44.386,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 221,67 €

seit dem 01.05.2009, seit dem 30.05.2009, seit dem 01.07.2009, seit dem 31.07.2009, seit dem 01.09.2009, seit dem 31.10.2009, seit dem 01.12.2009, seit dem 31.12.2009, seit dem 31.01.2010, seit dem 01.03.2010, seit dem 31.03.2010, seit dem 01.05.2010, seit dem 31.05.2010, seit dem 01.07.2010, seit dem 31.07.2010 und seit dem 31.08.2010,

aus jeweils weiteren 614,33 €

seit dem 01.10.2010, seit dem 31.01.2010, seit dem 01.12.2010, seit dem 31.12.2010, seit dem 31.01.2011, seit dem 01.03.2011, seit dem 31.03.2011, seit dem 01.05.2011, seit dem 01.07.2011, seit dem 31.08.2011, seit dem 01.10.2011, seit dem 31.10.2011, seit dem 01.12.2011, seit dem 31.12.2011, seit dem 31.01.2012, seit dem 01.03.2012, seit dem 31.03.2012, seit dem 01.05.2012, seit dem 31.05.2012, seit dem 01.07.2012, seit dem 31.07.2012, seit dem 31.08.2012, seit dem 01.10.2012, seit dem 31.10.2012, seit dem 01.12.2012, seit dem 31.12.2012, seit dem 31.01.2013, seit dem 01.03.2013, seit dem 31.03.2013, seit dem 01.05.2013, seit dem 31.05.2013, seit dem 01.07.2013, seit dem 31.07.2013, seit dem 31.08.2013, seit dem 01.10.2013, seit dem 31.10.2013, seit dem 01.12.2013, seit dem 31.12.2013, seit dem 31.01.2014, seit dem 01.03.2014, seit dem 31.03.2014, seit dem 01.05.2014, seit dem 31.05.2014, seit dem 01.07.2014, seit dem 31.07.2014, seit dem 31.08.2014,

einmalig aus weiteren 3.758,74 € seit dem 29.09.2014,

aus jeweils weiteren 614,33 €

seit dem 01.10.2014, seit dem 31.10.2014, seit dem 01.12.2014, seit dem 31.12.2014, seit dem 31.01.2015, seit dem 01.03.2015, seit dem 31.03.2015, seit dem 01.05.2015, seit dem 31.05.2015, seit dem 01.07.2015, seit dem 31.07.2015, seit dem 31.08.2015 zu zahlen,

Zugum-Zug gegen Zahlung von 97.000,00 € und weiteren 16.721,18 €.

2.) festzustellen, dass der zwischen den Parteien bestehende (Verbraucher-) Darlehensvertrag mit der Nummer ... aufgrund des Widerrufs der Kläger vom 01.09.2014 beendet worden ist, und der Beklagten infolgedessen keine Ansprüche, insbesondere nach dem 01.09.2014 keine Zins- und Tilgungsansprüche mehr zustehen.

3.) die Beklagte zu verurteilen, an sie außergerichtliche nicht anrechenbare Rechtsanwaltskosten in Höhe von 633,32 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, es komme auf die Richtigkeit der Widerrufsbelehrung gar nicht an. Zwischen den Parteien sei in dem Darlehensvertrag kein neues Kapitalnutzungsrecht, sondern lediglich die Ablösung von Altdarlehen im Rahmen einer unechten Abschnittsfinanzierung, mithin die Fortsetzung bestehender Vertragskonditionen für eine neue Zinsperiode, vereinbart worden. Dies führe zu einem grundsätzlichen Ausschluss des Widerrufsrechts.

Die Beklagte behauptet, in dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag das damals gültige gesetzliche Muster Nr. 2 der Widerrufsbelehrung verwendet zu haben.

Hilfsweise ist sie der Auffassung, es lägen zumindest keine die Gesetzlichkeitsfiktion vernichtende individuelle, mehr als nur geringfügige inhaltliche Bearbeitungen vor.

Die Beklagte behauptet weiter hilfsweise, insgesamt eine Restvaluta von 78.629,93 € beanspruchen zu können. Der Zinssatz habe marktüblich zu sein, dies richte sich nach dem Abschlusszeitpunkt, mithin 4,70 %. Eine von den Klägern beabsichtigte Umwandlung des Festzinsdarlehens in ein flexibles störe das Äquivalenzprinzip und sei daher unzulässig. Bei den im Darlehensvertrag der Kläger vereinbarten Zinsen handele es sich um eine risikoadjustierte Bepreisung. Dem Kreditengagement der Beklagten habe ein ungesicherter Blankoanteil in Höhe von 36.300,00 € zugrunde gelegen. Die Fremdkapitalquote habe sich auf 100% belaufen. Daneben sei eine Tilgung nicht erfolgt und es habe regelmäßige Sondertilgungszahlungen von 10.000,00 € pro Kalenderjahr geben sollen. Marktüblich sei zur damaligen Zeit ein über der Vereinbarung liegender Zinssatz von 5,16 nominal gewesen, daher könne der tatsächlich vereinbarte Zinssatz für den gesamten Darlehenszeitraum als marktüblich angesehen werden.

Die von den Klägern erklärte Aufrechnung scheitere an den AGB der Beklagten. Eine Saldierung von Ansprüchen komme nicht in Betracht. Die Beklagte befinde sich auch allein deswegen nicht im Annahmeverzug, weil die Kläger nicht leistungsfähig im Sinne eines tatsächlichen Angebotes seien.

Die Beklagte erhebt ferner den Einwand der Verwirkung und den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung. Sie habe über sechs Jahre nach Vertragsabschluss und im Übrigen ordnungsgemäßer Erfüllung nicht mehr mit einem Widerruf gerechnet und auch nicht rechnen müssen. Der Widerruf sei ferner allein aus sachfremden Erwägungen heraus erfolgt. Die Kläger hätten hierdurch allein eine wirtschaftlich günstigere vorzeitige Ablösung des Darlehens beabsichtigt, insbesondere zur Vermeidung einer Vorfälligkeitsentschädigung, nicht aber des Schutzes durch das Widerrufsrecht bedurft.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Der zwischen den Parteien bestehende Darlehensvertrag ist durch die Widerrufserklärung der Kläger vom 01.09.2014 nicht wirksam beendet worden.

1.

Den Klägern stand dem Grunde nach ein Widerrufsrecht zu. Es ist nicht deswegen ausgeschlossen, weil der Darlehensvertrag die Ablösung von Altdarlehen vorsieht. Die Rechtsprechung sieht in der Vereinbarung sog. unechter Abschnittsfinanzierungen eine nicht widerrufliche bloße Modifikation eines bestehenden Darlehensvertrages (vgl. BGH, Urt. v. 28.05.2013, Az. XI ZR 6/12, juris-Rn. 22). Dabei stellt sie maßgeblich auf eine abändernde Verlängerung der Zinsbindung nach Ablauf zu veränderten Konditionen ab. Der Darlehensvertrag zwischen den Parteien lässt sich indes nicht unter diesen Bereich subsumieren. Zum einen weist er sich nach seinem Wortlaut ausdrücklich als Darlehensvertrag, nicht als Prolongation oder Zinsänderungsvereinbarung aus. Es wird auch, außer in dem Abschnitt "Besondere Vereinbarungen" sowie in der (nicht vorgelegten) Anlage vom 15.04.2009, kein ausdrücklicher Bezug auf eine vergangene Zinsperiode genommen. Vielmehr entsteht der Eindruck, zahlreiche Altdarlehen zu unterschiedlichen Konditionen sollten nunmehr vereinheitlicht werden. Der Darlehensvertrag wurde im Übrigen auch nicht, wie von der Rechtsprechung gefordert, nach, sondern vor Ablauf der vorigen Festzinsperiode (30.09.2010) abgeschlossen.

2.

Die Widerrufserklärung ist aber verfristet.

a) Die Widerrufsfrist betrug nach § 355 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. zwei Wochen; gemäß § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. begann die Frist ab dem Zeitpunkt der Mitteilung einer den dort genannten Anforderungen entsprechenden Widerrufsbelehrung. Soweit diese unterblieb bzw. nicht ordnungsgemäß war, führte dies gemäß § 355 Abs. 3 S. 2 BGB a.F. zu einem unbefristeten Widerrufsrecht.

Die inhaltlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung regelten § 355 Abs. 2 BGB a.F. sowie Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 u. 3 BGB-InfoV a.F. mit der dortigen gesetzlichen Musterwiderrufsbelehrung. Zur Verwendung der Musterwiderrufsbelehrung bestand indes keine Verpflichtung; der Unternehmer begab sich insoweit lediglich auf eigenes Risiko aus dem Schutzbereich der sog. Gesetzlichkeitsvermutung. Die Gestaltung der Belehrung stand ihm jedoch - immer unter Berücksichtigung der unmittelbar aus § 355 BGB a.F. entnommenen Anforderungen - grundsätzlich frei (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 67. Aufl. 2008, § 14 BGB-InfoV Rn. 3). Nach weit überwiegender Rechtsprechung begründet aber jede inhaltliche Änderung an der Musterbelehrung, sei sie auch rein sprachlicher Natur, bereits den Entfall der Gesetzlichkeitsfiktion als Rückzugsebene für den Unternehmer (vgl. nur BGH, Urt. v. 28.06.2011, Az. XI ZR 349/10; Urt. v. 19.07.2012, Az. III ZR 252/11; OLG Hamm, Urt. v. 19.11.2012, Az. 31 U 97/12; OLG Köln, Urt. v. 23.01.2013, Az. 13 U 217/11). Ausnahmsweise ist lediglich eine inhaltliche Anpassung des Musters an die gesetzliche Regelung zu Gunsten des Verbrauchers für unschädlich gehalten worden (BGH, Beschl. v. 20.11.2012, Az. II ZR 264/10, juris-Rn. 6). Dies setzt indes umgekehrt notwendigerweise voraus, dass eine Veränderung des Textes des Musters nicht von vornherein die Wirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV sperrt. Hiervon ausgehend halten Teile der Rechtsprechung bereits bei der Frage nach dem Entfall der Gesetzlichkeitsfiktion solche Änderungen für unschädlich, bei denen es ausgeschlossen ist, dass der Adressat der Belehrung sie inhaltlich anders als den Text im Muster nach Anlage 2 der BGB-InfoV verstehen könnte und werten sie nicht als inhaltliche Bearbeitung im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung (OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.06.2015, Az. 22 U 17/15; Urt. v. 07.12.2012, Az. 17 U 139/11; OLG Frankfurt, Urt. v. 07.07.2014, Az. 27 O 172/13, juris-Rn. 38 f.; Urt. v. 17.09.2014, Az. 23 U 288/13; OLG Hamburg, Urt. v. 03.07.2015, Az. 13 U 26/15).

Die Frage, ob eine Änderung zum Entfall der Gesetzlichkeitsfiktion führt, kann aber letztlich offen bleiben, wenn die vorgenommene inhaltliche Bearbeitung jedenfalls nicht dazu führt, dass die insoweit vom Muster individualisierte Widerrufsbelehrung inhaltlich unrichtig im Sinne der gesetzlichen Anforderungen wird. Denn eine nach dem materiellen Verbraucherschutzrecht korrekte Widerrufsbelehrung hat auch dann Bestand, wenn sie dem jeweiligen Muster - insbesondere soweit dieses selbst unzureichend ist - nicht entspricht (BGH, Beschl. v. 20.11.2012, Az. II ZR 264/10, juris-Rn. 6). Dazu ist jedes zusätzliche bzw. abweichende Element gesondert an dem Maßstab des § 355 Abs. 2 BGB zu messen.

b) Die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung ist unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe nicht inhaltlich unrichtig.

aa) Soweit die Kläger die von der Musterbelehrung abweichende Fußnote 1 ("Nicht für Fernabsatzverträge") als Zusatz zur Überschrift "Widerrufsbelehrung" rügen, liegt darin eine nur unwesentliche sprachliche Änderung. Ausgehend von den obigen Grundsätzen führt auch dies nach herrschender Rechtsprechung zum Wegfall der Gesetzlichkeitsfiktion als Vermutungsebene zu Gunsten der Beklagten. Erheblich ist indes allein die Frage, ob hierdurch auch eine inhaltliche Unrichtigkeit der Widerrufsbelehrung begründet wird. Eine solche ist unter Zugrundelegung der obigen Kriterien festzustellen, wobei es auf den Charakter der inhaltlichen Bearbeitung im Einzelfall ankommt (vgl. OLG Schleswig-Holstein, Urt. v. 25.06.2015, Az. 5 U 9/15). Im Fall des von den Klägern in Bezug genommenen OLG Brandenburg beinhaltete die Fußnote eine ausdrückliche Aufforderung zur Einzelfallprüfung, sodass irreführend war, durch wen diese zu erfolgen hatte. Hier vermag ein durchschnittlicher Verbraucher aber zu erkennen, dass die Widerrufsbelehrung nur bei Fernabsatzverträgen nicht anwendbar sein soll, mithin durch die Tatsache, dass sie erteilt und vom Verbraucher selbst unterschrieben wurde, klargestellt wird, dass ein solcher Fall nicht vorliegt und die Belehrung Funktion erlangt hat. Zudem liegt in der Fußnote eine Handlungsanweisung an den jeweiligen Bankmitarbeiter, die Widerrufsbelehrung je nach Fall zu erteilen oder eben nicht zu erteilen (so auch OLG Schleswig-Holstein, aaO; vgl. ferner LG Hagen, Urt. v. 30.10.2014, Az. 9 O 73/14; LG Heidelberg Urt. v. 13.01.2015, Az. 2 O 230/14).

bb) Für die zweite verwendete Fußnote ("Bezeichnung des konkret betroffenen Geschäfts...") ergibt sich dasselbe. Insbesondere, da die Einfügung im Fließtext korrekt ist und auf den konkreten Darlehensvertrag Bezug genommen wird, besteht für einen durchschnittlichen Verbraucher kein Anlass zur Verwirrung. Fußnote und Zusammenhang sind selbsterklärend.

cc) Soweit die Beklagte in ihrer Belehrung zum Beginn der Widerrufsfrist u.a. die Wendung "nach Erhalt dieser Belehrung" verwendet, ist dies nicht zu beanstanden, da die Formulierung nebst Zusätzen exakt dem Wortlaut der damals gültigen Fassung der Musterwiderrufsbelehrung (Gestaltungshinweis Nr. 3) und insoweit der damals gültigen Gesetzesformulierung entspricht. Die von der Beklagten in Bezug genommene BGH-Entscheidung befasst sich mit einer wesentlich anders lautenden Formulierung, die insbesondere nicht den Zusatz "jedoch nicht" enthielt. Letztlich aber auch durch dessen Aufnahme ergibt sich aus der Widerrufsbelehrung der Beklagten ein hinreichend bestimmter und vom Verbraucher nachvollziehbarer Zeitpunkt des Fristbeginns. Dass auf die Voraussetzungen des § 187 Abs. 1 BGB nicht ausdrücklich eingegangen wird, ist unschädlich (vgl. BGH, Urt. v. 11.02.2015, Az. IV ZR 310/13).

dd) Auch die von der Beklagten verwendete Wendung zu Rückgewähr und Wertersatz ist nicht zu beanstanden. Dieser Hinweis, der in seiner von der Beklagten verwendeten Form auch der insoweit gültigen Musterwiderrufsbelehrung entspricht (Gestaltungshinweis Nr. 6), ist unschädlich, da er gesetzlich nicht vorgesehen war und seine Aufnahme für den Verbraucher jedenfalls nicht irreführend ist (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 16.03.2015, Az. 31 U 118/14).

ee) Eine inhaltliche Unrichtigkeit der Widerrufsbelehrung ergibt sich schließlich auch nicht aus dem im Vergleich zur gesetzlichen Musterbelehrung sprachlich veränderten Hinweis zu finanzierten bzw. verbundenen Geschäften.

Das Muster nach Anlage 2 der BGB-InfoV verlangte in Gestaltungshinweis 9, dass der Verwender nach der Überschrift "Finanzierte Geschäfte" in Satz 2 bei der Erklärung der "wirtschaftlichen Einheit" zwischen Darlehensverträgen zur Finanzierung von Grundstücken und sonstigen Sachen differenziert. Im Fall der Finanzierung von Grundstücken sollte der vorgesehene Satz 2 der Belehrung

"Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn wir zugleich auch Ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrags sind, oder wenn wir uns zur Vorbereitung oder Abschluss des Darlehensvertrages der Mitwirkung Ihres Vertragspartners bedienen"

durch folgenden Satz ersetzt werden:

"Dies ist nur anzunehmen, wenn die Vertragspartner in beiden Verträgen identisch sind oder wenn der Darlehensgeber über die Zurverfügungstellung von Darlehen hinausgeht und Ihr Grundstücksgeschäft durch Zusammenwirken mit dem Veräußerer fördert, indem er sich dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu eigen macht, bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projekts Funktionen des Veräußerers übernimmt oder den Veräußerer einseitig begünstigt."

Dieser Vorgabe ist die Beklagte nicht gefolgt und hat die thematisch zutreffende Belehrung als Satz 3 hinter den zu ersetzenden Satz 2 eingefügt und darüber hinaus den neuen Satz 3 redaktionell umformuliert.

Diese kumulative Verwendung der im Gestaltungshinweis Nr. 9 vorgegebenen Satzbausteine begründet eine sachlich weiterhin korrekte Sammelbelehrung des Verbrauchers. Zum einen ist die Aufnahme der Belehrung zu verbundenen Geschäften, wenn - wie hier - ein solches konkret gar nicht vorliegt, rein vorsorglich und insoweit für den konkreten Verbraucher im konkreten Fall überflüssig (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.06.2015, Az. 22 U 17/15, juris-Rn. 70). Die Verwendung solch eines überflüssigen Hinweises ist aber kein Ansatz für die Annahme einer irreführenden Belehrung, da die Gestaltungshinweise zum gesetzlichen Muster insgesamt nur davon ausgehen, dass die Zusatzbelehrung als solche entfallen könne, aber nicht müsse (OLG Düsseldorf, a.a.O.; OLG Hamburg, Urt. v. 03.07.2015, Az. 13 U 26/15, juris-Rn. 20; OLG München, Hinweisbeschluss vom 30.04.2015, Az. 19 U 4833/14). Die kumulativ verwendeten Elemente behalten ferner ihren Sinngehalt. Denn die von der Beklagten vorgenommenen Änderungen verfälschen den Inhalt der beiden Teilsätze aus dem Gestaltungshinweis Nr. 9 vor dem Hintergrund einer objektiven Auslegung nicht. Zwar kann hinsichtlich der Erkennbarkeit aus den obigen Erwägungen heraus nicht davon ausgegangen werden, dass jeder Verbraucher das notwendige Sprach- und Deutungsverständnis besitzt, um nicht einer vermeintlichen Irreführung zu unterliegen. Gleichwohl darf bei Zugrundelegung des durchschnittlichen Empfängerhorizonts nicht grundsätzlich von einem lediglich minderbegabten Verbraucher ausgegangen werden (OLG Bamberg, Urt. v. 25.06.2012, Az. 4 U 262/11, juris-Rn. 53). Bereits das Darlehensgeschäft an sich und die hiermit verbundenen Unterlagen im Übrigen stellen jedenfalls vergleichbare Anforderungen an sprachliche und intellektuelle Verständnisfähigkeit und unterliegen insoweit wesentlich geringeren Kontrollmaßstäben als die Widerrufsbelehrung (vgl. OLG Bamberg, a.a.O.; OLG Hamburg, a.a.O.). Hinzu kommt umgekehrt das Erfordernis des Verkehrsschutzes. Angesichts einer Vielzahl von Einzelfällen mit - ggf. auch erst kurzfristig erkennbaren - verschiedenen Anforderungen an den Vertrags- und Erklärungsaufwand kann den juristisch ebensowenig umfassend geschulten Mitarbeitern der Unternehmen kaum zugemutet werden, jeweils komplizierte, möglicherweise vorgreifliche Erwägungen anzustellen, welcher Belehrungsumfang konkret erfolgen muss (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O., juris-Rn. 75; OLG München, a.a.O.). Diesem Spannungsverhältnis begegnet die Verwendung einer aus Bausteinen der gesetzlichem Musterbelehrung bestehende "Sammelbelehrung", soweit sie den gesetzlichen Anforderungen weiter entspricht.

II.

Über die weiter beantragten Feststellungen war nicht mehr zu entscheiden. In Ermangelung eines wirksamen Widerrufs der Kläger ist kein Rückabwicklungsschuldverhältnis entstanden.

Auch ein Anspruch der Kläger auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten besteht mangels Hauptanspruchs nicht.

III.

Auch die hilfsweise gestellten Klageanträge bleiben ohne Erfolg. Der Hilfsantrag der Kläger setzt seinerseits ebenfalls insgesamt einen wirksam erklärten Widerruf des Darlehensvertrages voraus. Daran fehlt es auch insoweit.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 ZPO.

Der Streitwert wird auf 79.321,47 EUR festgesetzt.

Klageantrag zu 1.): 15.956,50 €

Klageantrag zu 2.): 61.364,97 €

Klageantrag zu 3.): 2.000,00 €

Klageantrag zu 4.): 0,00 €

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