OLG Karlsruhe, Urteil vom 03.12.2015 - 12 U 57/15
Fundstelle
openJur 2016, 2721
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Schlussurteil des Landgerichts Karlsruhe vom 13.03.2015 - 8 O 351/12 - im Kostenpunkt aufgehoben und wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 200.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit 28.04.2011 zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.137,91 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit 23.04.2014 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin macht nun in der zweiten und letzten Stufe der von ihr erhobenen Stufenklage einen Zahlungsanspruch aus einem zwischen ihrem verstorbenen Ehemann und der Beklagten geschlossenen Risikoversicherungsvertrag geltend.

Mit Antrag vom 18.09.2010 beantragte der zwischenzeitlich verstorbene Ehemann der Klägerin R. S. (künftig: Versicherungsnehmer) bei der Beklagten den Abschluss einer Risikoversicherung.

Im Rahmen der im Antrag enthaltenen Risiko- und Gesundheitserklärung beantwortete er die Frage Ziffer 1., ob er in den letzten 5 Jahren durch Ärzte oder andere Heilbehandler untersucht, beraten oder behandelt worden sei, nur bezüglich des Buchstabens a) „hinsichtlich des Herzens, des Kreislaufes, der Gefäße (…)“ mit „ja“ und erläuterte hierzu unter Ziffer 2. „1 Untersuchung wg. Bluthochdruck Dr. B. O.“. Die weitere Frage nach insoweit bestehenden Beschwerden und/oder Folgen wurde mit „Nein“ beantwortet. Die Frage Ziffer 3., ob er derzeit länger als 2 Wochen fortdauernd Medikamente einnehme oder innerhalb der letzten 5 Jahre einnahm, beantwortete er ebenfalls mit „Nein“.

Den daraufhin seitens der Beklagten zugesandten Fragebogen Blutdruck/Kreislauf beantwortete der Versicherungsnehmer am 09.10.2010 dahingehend, dass eine leichte Hypertonie vorliege, deswegen keine weiteren Beschwerden bestünden und er weder Medikamente nehme oder genommen habe. Auf die Frage nach durchgeführten Untersuchungen am Herzen, die einen von der Norm abweichenden Befund ergaben, erklärte der Versicherungsnehmer, dass eine „24 h Blutdruckmessung“ durchgeführt worden sei und insoweit ein leichter Bluthochdruck festgestellt worden sei.

Nach - auch aufgrund des vom Versicherungsnehmer ausgefüllten Fragebogens Blutdruck/Kreislauf - durchgeführter Risikoprüfung bot die Beklagte dem Versicherungsnehmer den Abschluss eines Risikovertrages mit einem Sonderbeitrag in Höhe von 859,65 EUR an, welcher sodann mit einer Versicherungssumme im Todesfall in Höhe von 200.000,00 EUR beginnend am 01.11.2010 zustande kam. Als Bezugsberechtigte für alle Leistungen aus der Versicherung war die Klägerin bestimmt.

Am 01.03.2011 erlitt der Versicherungsnehmer eine Synkope mit anschließender Aortendissektion und verstarb am 04.03.2011 an Organversagen nach Perikardtamponade und Myokardinfarkt. Die Klägerin ist die Erbin des Versicherungsnehmers.

Nach Mitteilung des Todes des Versicherungsnehmers forderte die Beklagte mit Schreiben vom 14.03.2011 weitere Unterlagen, insbesondere einen ärztlichen Bericht über die Todesursache und evtl. vorangegangene Erkrankungen laut Vordruck an. Nachdem die Klägerin diesen von Dr. B. am 17.03.2011 ausgefüllten Vordruck bei der Beklagten eingereicht hatte, forderte diese bei Dr. B. mit Schreiben vom 22.03.2011 die komplette Patientenakte des Versicherungsnehmers an.

In den daraufhin von Dr. B. übersandten Unterlagen befand sich ein Arztbrief des Kardiologen Dr. Bo. vom 22.10.2007, aus dem sich ergab, dass der Versicherungsnehmer von Dr. Bo. am Herzen untersucht worden war und sich im Rahmen einer farbkodierten Duplex-Echokardiografie eine beginnende konzentrische linksventrikuläre Hypertrophie sowie eine erweitere Aortenwurzel herausgestellte hatte. Dr. Bo. hatte deshalb eine beginnende hypertensive Herzerkrankung diagnostiziert und die Einnahme eines ACE-Hemmers empfohlen.

Auf Nachfrage der Beklagten bei Dr. B. teilte dieser mit ärztlichem Attest vom 15.04.2011 mit, dass der Befund des Dr. Bo. mit dem Versicherungsnehmer besprochen worden sei und auf Rat des Dr. Bo. eine medikamentöse Therapie mit einem Kombinationspräparat zur Senkung des Blutdrucks und Entlastung des Herzens begonnen worden sei. Das Medikament sei aus Sicht des Dr. B. als Dauermedikation angesetzt gewesen, vom Versicherungsnehmer aber auf eigene Verantwortung bei fehlender Beschwerdesymptomatik zeitweise abgesetzt worden. Ein letztes Rezept sei im Januar 2010 ausgestellt worden.

Daraufhin erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 27.04.2011, der Klägerin zugegangen am 28.04.2011, den Rücktritt vom Lebensversicherungsvertrag wegen vorsätzlicher Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht und focht diesen wegen arglistiger Täuschung an.

Die Klägerin hat geltend gemacht, die Beklagte könne den Risikoversicherungsvertrag weder anfechten noch von diesem zurücktreten, denn der Versicherungsnehmer habe die ihm von der Beklagten im Antrag vom 18.09.2010 und im Fragebogen vom 09.10.2010 gestellten Fragen innerhalb seiner Obliegenheiten richtig beantwortet und daher weder grob fahrlässig bzw. vorsätzlich noch mit der für eine Anfechtung erforderlichen dolosen Absicht gehandelt.Gemäß § 19 VVG n. F. schulde ein Versicherungsnehmer nur noch die Beantwortung der vom Versicherer in Textform konkret gestellten Fragen. Darüber hinausgehende Angaben im Sinne einer vollständigen Offenlegung der gesundheitlichen Verhältnisse seien nicht geschuldet. Die ihm von der Beklagten im Antrag sowie in dem Fragebogen gestellten Fragen habe der Versicherungsnehmer daher richtig beantwortet. So sei in Frage 3. des Antrags vom 18.09.2010 lediglich nach der Einnahme von Medikamenten gefragt worden. Nachdem der Versicherungsnehmer keine Medikamente eingenommen habe, habe er diese Frage mit „Nein“ richtig beantwortet. Dasselbe gelte für Frage 7. des Fragebogens vom 09.10.2010. Hier beziehe sich die Frage nach der Einnahme von Medikamenten auf die vorausgegangene Frage nach Beschwerden. Nachdem der Versicherungsnehmer zwar leichten Bluthochdruck, aber keine Beschwerden gehabt habe und deshalb keine Medikamente eingenommen habe, habe er auch diese Frage mit „Nein“ richtig beantwortet. Dies ergebe sich auch aus dem Attest des Dr. B. vom 15.04.2011. Schließlich habe der Versicherungsnehmer bezüglich der Fragen nach erfolgten Untersuchungen die Behandlung bei Dr. B. und die dort stattgefundene 24-h-Blutdruckmessung offengelegt.

Darüber hinaus komme ein Rücktritt auch deshalb nicht in Betracht, weil es an der Kausalität zwischen dem angeblichen Verschweigen von Umständen und der Ursache des beim Versicherungsnehmer eingetretenen Todes fehle. Die beim Versicherungsnehmer eingetretene und zum Tod führende Aortendissektion wäre auch bei der Gabe von Medikamenten zur Blutverflüssigung eingetreten, da diese von der Schwäche der Gefäßwand der Aorta vollständig zu trennen sei.Schließlich sei die Erklärung der Beklagten vom 27.04.2011 der Klägerin erst am 28.04.2011 zugegangen und damit verfristet, da die Beklagte spätestens um den 26.03.2011 Kenntnis von sämtlichen Gesundheitsumständen des Versicherungsnehmers gehabt habe, spätestens am 27.03.2011 sei die von Dr. B. überlassene Krankenakte dem Sachbearbeiter der Beklagten bekannt gewesen.

Mit Teil-Urteil vom 29.04.2013 hat das Landgericht Karlsruhe den von der Klägerin in erster Stufe geltend gemachten Auskunftsansprüchen teilweise stattgegeben. Bezüglich der näheren Einzelheiten wird auf das Urteil vom 29.04.2013 verwiesen.

Die Klägerin hat in der zweiten Stufe beantragt,

1. die Beklagte zur Zahlung von 200.000,00 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zins über dem Basiszinssatz seit 28.04.2011 zu verurteilen,

2. die Beklagte zur Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten unter dem Gesichtspunkt des Verzugs aus einem Gegenstandswert von 200.000,00 EUR und einer 1,8 Gebühr nach § 13 RVG VV 2300 zzgl Postpauschale und MwSt in Höhe von 3.913,67 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zins über dem Basiszinssatz seit 23.04.2014 zu verurteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat ausgeführt, der Klägerin stünde der geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht zu, da die Beklagte den Risikoversicherungsvertrag wirksam angefochten habe und dieser daher nichtig sei. Der Versicherungsnehmer habe die Beklagte bei Abschluss des Vertrages arglistig getäuscht, als er wissentlich falsche Angaben machte bzw. offenbarungspflichtige Tatsachen verschwieg. Der Versicherungsnehmer habe die Frage 3. im Antrag vom 18.09.2010 bzw. die Frage 7. im Fragebogen vom 09.10.2010 nach der Einnahme von Medikamenten bewusst unwahr beantwortet, da er - wie sich aus dem Attest des Dr. B. vom 15.04.2011 ergebe - die von Dr. Bo. empfohlene und von Dr. B. verschriebene Medikation lediglich zeitweise abgesetzt habe. Doch auch wenn der Versicherungsnehmer die Medikamente tatsächlich nicht eingenommen hätte, hätte er anmerken müssen, dass ihm über mehrere Jahre starke Medikamente verschrieben worden seien, denn er sei verpflichtet gewesen, alles anzugeben, was für die Einschätzung des Risikos von Bedeutung sein könnte. Bereits aus der Diagnose einer beginnenden hypertensiven Herzerkrankung des Dr. Bo. ergebe sich, dass der Versicherungsnehmer gesundheitliche Beschwerden gehabt habe.

Darüber hinaus habe der Versicherungsnehmer die Frage 8. im Fragebogen vom 09.10.2010 unvollständig beantwortet, als er die Ultraschall-Untersuchung des Herzens am 22.10.2007 bei Dr. Bo. verschwieg. Der Versicherungsnehmer habe - was sich aus einer Gesamtschau aller vorliegenden Indizien ergebe - arglistig gehandelt, weil ihm bewusst gewesen sei, dass die Beklagte bei Angabe wahrer Angaben den Vertrag möglicherweise nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen würde.

Die Beklagte sei auch wirksam vom Vertrag zurückgetreten. Die bewusste Falschbeantwortung der Fragen durch den Versicherungsnehmer habe zu einem Rücktrittsrecht der Beklagten nach § 19 Absatz 2 VVG geführt.Die bewusst vom Versicherungsnehmer verschwiegenen Tatsachen hätten auch Einfluss auf den Tod des Versicherungsnehmer und damit auf den Eintritt des Versicherungsfalls gehabt. Der Versicherungsnehmer sei an einer Aortendissektion verstorben, welche kausal im Zusammenhang mit der beim Versicherungsnehmer bestehenden erweiterten Aortenwurzel gestanden habe.Die Rücktrittsfrist von einem Monat sei mit der der Klägerin am 28.04.2011 zugegangenen Rücktrittserklärung eingehalten. Das Antwortschreiben des Dr. B. auf die Anfrage der Beklagten vom 22.03.2011 habe die Beklagte am 28.03.2011 erhalten. Darüber hinaus habe die Frist von einem Monat auch nicht mit dem Zeitpunkt des Eingangs der von Dr. B. zugesandten Unterlagen begonnen, da der Beklagten bei Eingang der Unterlagen eine Zeit zur deren Prüfung zuzugestehen sei.

Das Landgericht hat mit Schlussurteil vom 13.03.2015 die Klage abgewiesen und ausgeführt, dass es auf die Wirksamkeit des Rücktritts nicht ankomme. Die Beklagte habe den Versicherungsvertrag gem. § 123 BGB wirksam angefochten. Der Versicherungsnehmer habe die Beklagte dadurch getäuscht, dass er die von Dr. Bo. sowie seinem Hausarzt Dr. B. empfohlene Medikation eines ACE-Hemmers abgesetzt und dies bei Zustandekommen des Vertrags nicht mitgeteilt habe. Die Nichteinnahme von Medikamenten sei entgegen ärztlichem Rat erfolgt und hätte der Beklagten mitgeteilt werden müssen. Auf Grund der Art der Befragung und auf Grund der Häufigkeit sei es dem Versicherungsnehmer auch ersichtlich gewesen, dass es sich bei den Fragen nach seinem Gesundheitszustand und einer evtl. bestehenden Medikation um für die Beklagte entscheidende Umstände handelte. Der Versicherungsnehmer habe auch dadurch getäuscht, dass er auf Frage 2. im Antrag vom 18.09.2010 und Frage 7. im Fragebogen vom 09.10.2010 nach Untersuchungen am Herz die von Dr. Bo. am 22.10.2007 durchgeführte Ultraschalluntersuchung verschwiegen habe. Der Versicherungsnehmer habe auch arglistig gehandelt. So habe er bei der Frage nach Untersuchungen des Herzens die vergleichsweise harmlose leichte Hypertonie und die 24h-Blutdrckmessung, nicht aber die Ultraschalluntersuchung angegeben, sondern sogar gestrichen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der diese ihre erstinstanzlich gestellten Anträge in vollem Umfang weiterverfolgt. Es sei nach einem Absetzen von Medikamenten nicht gefragt worden. Das Absetzen der Medikamente sei dem Arzt mitgeteilt worden, ebenso sei dessen Name und der Befund der Beklagten mitgeteilt worden. Auch die fehlende Angabe der Überweisung an Dr. Bo. begründe kein arglistiges Verschweigen. Der Versicherungsnehmer habe die entscheidende Untersuchung bei seinem Hausarzt angegeben. Dessen Überweisung an Dr. Bo. nicht anzugeben, begründe noch keine Arglist.

Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil und beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird - soweit hier keine abweichenden Feststellungen getroffen sind - auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung sowie die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und hat auch in der Sache überwiegend Erfolg. Die Klägerin kann Zahlung von 200.000,00 EUR aus der Risikolebensversicherung ihres verstorbenen Ehemanns beanspruchen. Die Berufung ist bezüglich der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nur zu einem geringen Teil nicht begründet.

1. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der Versicherungssumme in Höhe von 200.000,00 EUR aus der zwischen der Beklagten und ihrem verstorbenen Ehemann (im Folgenden: Versicherungsnehmer) abgeschlossenen Risikolebensversicherung als Erbin zu.

Die Beklagte hat den Versicherungsvertrag nicht wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten. Es fehlt am Nachweis eines arglistigen Verhaltens des Ehemanns der Klägerin bei Abschluss der Risikolebensversicherung. Dass der Versicherungsnehmer bei Ausfüllung des Antrags vom 18.09.2010 und des Fragebogens „Blutdruck/Kreislauf“ vom 09.10.2010 arglistig getäuscht hat, steht nicht zur Überzeugung des Senats fest.

a. Von einem arglistigen Verhalten ist auszugehen, wenn der Täuschende weiß oder damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass er unzutreffende Angaben macht, und dass dadurch bei dem Empfänger seiner Erklärung eine falsche Vorstellung entsteht und diese ihn zu einer Erklärung veranlasst, die er bei richtiger Kenntnis der Dinge nicht oder nicht so abgegeben haben würde. Das Tatbestandsmerkmal der Arglist erfasst nicht nur ein Handeln, das von betrügerischer Absicht getragen ist, sondern auch solche Verhaltensweisen, die auf bedingten Vorsatz im Sinne eines "Fürmöglichhaltens" reduziert sind und mit denen kein moralisches Unwerturteil verbunden sein muss (BGH NJW 2001, 2326; Senat NJW-RR 2006, 463). Auf Arglist als innere Tatsache kann regelmäßig nur auf der Grundlage von Indizien geschlossen werden. Voraussetzung für die Annahme einer arglistigen Täuschung ist somit, dass der Versicherungsnehmer mit wissentlich falschen Angaben von Tatsachen bzw. dem Verschweigen anzeige- und offenbarungspflichtiger Umstände auf die Entschließung des Versicherers, seinen Versicherungsantrag anzunehmen, Einfluss nehmen will und sich bewusst ist, dass der Versicherer möglicherweise seinen Antrag nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen werde, wenn er wahrheitsgemäße Angaben mache. Arglistig täuscht im Sinne des § 123 BGB damit nur derjenige, dem bei der Beantwortung der Fragen nach dem Gesundheitszustand oder früherer Behandlungen auch bewusst ist, dass die Nichterwähnung der nachgefragten Umstände geeignet ist, die Entschließung des Versicherers über die Annahme des Vertragsangebots zu beeinflussen (Senat NJW-RR 2006, 463; Senat NJW-RR 2013, 869).

Dabei gibt es keinen allgemeinen Satz der Lebenserfahrung des Inhalts, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung von Fragen nach dem Gesundheitszustand oder früheren Behandlungen immer oder nur in der Absicht erfolgt, auf den Willen des Versicherers Einfluss zu nehmen. Denn häufig werden unrichtige Angaben über den Gesundheitszustand auch aus falsch verstandener Scham, aus Gleichgültigkeit, aus Trägheit oder einfach in der Annahme gemacht, dass die erlittenen Krankheiten bedeutungslos seien. Deshalb muss der Versicherer entsprechend den allgemeinen Beweislastregeln nachweisen, dass der Versicherungsnehmer mit Hilfe der Abgabe einer falschen Erklärung auf den Willen des Versicherers einwirken wollte, sich also bewusst war, der Versicherer werde seinen Antrag nicht oder möglicherweise nur unter erschwerten Bedingungen annehmen, wenn der Versicherungsnehmer die Fragen wahrheitsgemäß beantworten würde. Da es sich bei dem Bewusstsein des Versicherungsnehmers um eine innere Tatsache handelt, kann der Beweis in der Praxis meist nur durch einen Indizienbeweis geführt werden.

Das Verschweigen von Umständen, deren Gefahrerheblichkeit auch aus Sicht des Versicherungsnehmers auf der Hand liegt, also das Verschweigen schwerer oder chronischer Erkrankungen, rechtfertigt grundsätzlich die Annahme einer Täuschung. Hat der Versicherungsnehmer gewisse Umstände - auch Untersuchungen - stark verharmlost oder harmlosere Umstände als die Verschwiegenen angegeben, so folgt daraus, dass er sich der Gefahrerheblichkeit tatsächlich bewusst war und das Verschweigen daher auf Arglist schließen lässt. Gleiches gilt, wenn länger zurückliegende, nicht aber aktuelle Krankheiten angegeben werden. Dagegen spricht gegen Arglist, wenn der Versicherungsnehmer leichtere Erkrankungen oder solche, die von ihm als solche angesehen werden, verschwiegen oder gravierendere Umstände als die verschwiegenen angezeigt hat (BGH VersR 2004, 1297; Prölss/Martin, VVG, 29. Auflage, § 22, Rn. 15 ff.).

Liegen objektive Falschangaben vor, ist es Sache des Versicherungsnehmers, substantiiert plausibel zu machen, warum und wie es zu diesen objektiven falschen Angaben gekommen ist (OLG Saarbrücken VersR 2007, 96; Senat NJW-RR 2013, 869). Den Versicherungsnehmer trifft damit eine sekundäre Darlegungslast (BGH NJW-RR 2008, 343).

b. Der Versicherungsnehmer hat die Frage nach der Einnahme von Medikamenten innerhalb der letzten fünf Jahre im Antrag vom 18.09.2010 mit nein und auch die Frage Nr. 7 im Fragebogen vom 09.10.2010 nach der Einnahme von Medikamenten mit nein beantwortet. Tatsächlich nahm der Versicherungsnehmer das ihm von seinem Hausarzt Dr. B. verschriebene Medikament Ramipril comp. zur Blutdrucksenkung und Herzentlastung nicht ein. Der Versicherungsnehmer hat die verschriebene Medikation auf eigene Entscheidung nicht durchgeführt. Nach Mitteilung des behandelnden Arztes Dr. B. hat der Versicherungsnehmer das als Dauermedikation gedachte Medikament bei Beschwerdefreiheit auf eigene Verantwortung abgesetzt.

Damit liegt objektiv keine falsche Angabe vor. Der Versicherungsnehmer hat keine Medikamente bei Antragstellung eingenommen. Ebenso wurden unstreitig keine Medikamente bei Beantwortung des Fragebogens eingenommen.

Der Versicherungsnehmer musste auch nicht ungefragt angeben, dass er Ende 2007 die von zwei Ärzten empfohlenen Medikamente zur Blutdrucksenkung und Entlastung des Herzens nicht einnahm, und er musste auch nicht davon ausgehen, dass bei einer solchen Nichtangabe von einem arglistigen Verhalten auszugehen ist. Die Beklagte führt aus, aus der Nichteinnahme verschriebener Medikamente folge denknotwendig ein erhöhtes Risiko dahingehend, dass sich die bereits bestehende Erkrankung noch weiter verschlechtere. Auch das Landgericht sieht in der Nichtangabe zu der unterbliebenen Einnahme verschriebener Medikamente eine zusätzliche Risikoerhöhung, über welche der Versicherungsnehmer hätte von sich aus aufklären müssen.

Im Rahmen von § 22 VVG kann das Unterbleiben von Angaben nicht ohne weiteres eine Offenbarungspflicht hindern. Das bedeutet, dass eine solche Pflicht jedenfalls besteht, wenn es um Umstände geht, die auch nach der Einschätzung des Versicherungsnehmers trotz des Unterbleibens diesbezüglicher Fragen gefahrerheblich sind (Prölss/Martin, a.a.O., § 22 Rn. 3). Anders als bei der Anzeigepflicht gemäß § 19 VVG, die nur die Anzeige erfragter Umstände erfasst, kann die Angabe nicht erfragter gefahrerheblicher Umstände eine Täuschung sein. Letzteres setzt weiter voraus, dass der Versicherungsnehmer auch ohne entsprechende Frage von der Gefahrerheblichkeit ausging, dass diese somit auf der Hand lag. Bei dem Vorwurf der Arglist muss der Versicherer mithin beweisen, dass der Versicherungsnehmer mit Hilfe der Abgabe einer falschen Erklärung auf seinen Willen zum Vertragsschluss einwirken wollte, er sich also bewusst war, der Versicherer werde seinen Antrag bei wahrheitsgemäßer Beantwortung der Fragen nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen. Für ein solches Bewusstsein spricht das Verschweigen schwerer, chronischer oder immer wieder auftretender Erkrankungen oder gesundheitlicher Beeinträchtigungen (BGH NJW 2011, 1213; OLG Köln BeckRS 2012, 20806).

Hiervon kann bei der unterlassenen Angabe zur Nichteinnahme von Herzmedikamenten vorliegend nicht ausgegangen werden. Der Versicherungsnehmer befand sich zwar wegen seines Bluthochdruckes und der Herzerkrankung in ärztlicher Behandlung. Ausweislich des Schreibens von Dr. B. vom 15.04.2011 hatte der Versicherungsnehmer aber zu keiner Zeit Beschwerden seitens des Herzens beschrieben. Das Ruhe-EKG sowie das Belastungs-EKG zeigten einen unauffälligen Herzbefund. Auch unter Belastung hatte der Versicherungsnehmer zu keiner Zeit Beschwerden angegeben, weshalb nach der Untersuchung durch den Kardiologen Dr. Bo. auch keine weiteren Herzuntersuchungen gemacht wurden.

Danach lag für den Versicherungsnehmer die unterlassene Angabe zur Nichteinnahme von Herztabletten als gefahrerhöhender Umstand nicht auf der Hand. Die Einholung eines von der Beklagten beantragten Sachverständigengutachtens zu der Frage, dass sich die bestehende Erkrankung durch die Nichteinnahme der Medikamente verschlechtert habe, kommt nicht in Betracht. Maßgeblich für die Annahme einer arglistigen Täuschung ist, ob die Gefahrerheblichkeit für den Versicherten bei Antragstellung auf der Hand lag. Hiervon kann in Anbetracht der gesamten Umstände nicht ausgegangen werden. Dass ein medizinischer Sachverständiger die Gefahrerheblichkeit anders beurteilen könnte, ist bei der Frage der Arglist nicht von Bedeutung. Anders wäre der Fall nur dann zu beurteilen, wenn es sich um das Verschweigen schwerer oder chronischer Erkrankungen handeln würde, die grundsätzlich die Annahme einer Täuschung rechtfertigen. Der Versicherungsnehmer hatte zudem die Blutwerte angegeben und auch mitgeteilt, dass er sich wegen einer leichten Hypertonie in ärztlicher Behandlung befand. Hinzu kommt, dass nach allgemein bekannter Einschätzung der Sachlage eine gänzlich unbehandelter Bluthochdruck gefährlicher ist als ein behandelter. Der Versicherungsnehmer befand sich wegen seines Bluthochdrucks in ärztlicher Behandlung bei seinem Hausarzt. Auch unter Berücksichtigung dieses Umstandes kann in der Nichtangabe von einer unterlassenen Medikamenteneinnahme ohne erkennbare Beschwerden kein arglistiges Handeln gesehen werden.

b. Die Beklagte ist auch nicht aus einem weiteren Grund zur Anfechtung berechtigt. Der Versicherungsnehmer hat zwar darüber hinaus eine von Dr. Bo. durchgeführte Ultraschalluntersuchung vom 22.10.2007 nicht angegeben, sondern im Fragebogen bei der ausdrücklichen Frage in Ziffer 8, ob Untersuchungen des Herzens durchgeführt wurden - z.B. 24-Stunden-Blutdruckmessung, EKG, Ultraschall, die einen von der Norm abweichenden Befund ergaben? - EKG und auch Ultraschall durchgestrichen und nur 24h Blutdruckmessung im Fragebogen ausgefüllt. Auch im Antragsformular hat der Versicherungsnehmer zu Frage 2. die von Dr. Bo. durchgeführte Untersuchung nicht angegeben.

Damit liegt insoweit objektiv eine falsche Angabe zu Art und Umfang der am Herzen durchgeführten Untersuchungen vor. Die von Dr. Bo. durchgeführte Untersuchung führte zu der Feststellung einer beginnenden konzentrischen linksventrikulären Hypertrophie bei erweiterter Aortenwurzel und damit zu der Annahme einer beginnenden hypertensiven Herzerkrankung. Dieser Befund stellt einen gefahrerhöhenden Umstand dar, der der Beklagten mithin hätte angezeigt werden müssen. Mit dieser Diagnose war auch der zweite Teil der Frage 8. im Fragebogen vom 09.10.2010, ob sich ein von der Norm abweichender Befund ergeben hat, nicht richtig bzw. unvollständig beantwortet worden.

Den Beweis, dass der Versicherungsnehmer arglistig gehandelt hat, weil er die Unrichtigkeit seiner Angaben kannte und es zumindest für möglich hielt, dass die Beklagte bei Kenntnis seines tatsächlichen Gesundheitszustandes den Vertrag über eine Risikolebensversicherung nicht oder nicht zu den erfolgten Bedingungen abgeschlossen hätte, hat die Beklagte jedoch nicht erbracht. Dass der Versicherungsnehmer den Befund von Dr. Bo. kannte, ergibt sich nicht schon daraus, dass Dr. B. in seinem Schreiben vom 15.04.2011 ausdrücklich anführt, dass der Befund von Dr. Bo. von Ende 2007 mit dem Patienten besprochen worden sei. Letzteres hat die Klägerin bestritten. Eine Privaturkunde begründet nach § 416 ZPO allein vollen Beweis dafür, dass die in der Urkunde enthaltenen Erklärungen von dem Aussteller abgegeben worden sind (BGH NJW-RR 2015, 819 - juris Rn. 14; BGH NJW-RR 1993, 1379; BGH NJW-RR 1989, 1323). Die Beweisregel erstreckt sich dagegen nicht auf die inhaltliche Richtigkeit des Erklärten. Ob die in der Privaturkunde enthaltenen Angaben zutreffen, ob die darin bestätigten tatsächlichen Vorgänge wirklich so geschehen sind oder nicht, ob beispielsweise ein Rechtsgeschäft zustande gekommen ist und welchen Inhalt es hat, unterliegt der freien tatrichterlichen Beweiswürdigung nach § 286 ZPO (BGH a.a.O.).

Die Arztbriefe sind danach für die streitige Frage der Kenntniserlangung des Versicherungsnehmer keine tauglichen, insbesondere keine hinreichenden Beweismittel dafür, dass der Versicherungsnehmer tatsächlich wahrgenommen und auch verstanden hat, dass bei ihm anlässlich der Untersuchung durch Dr. Bo. eine Echokardiografie bzw. ein Ultraschall am Herz vorgenommen worden ist. Zu der speziell beim Verstorbenen durchgeführten Untersuchung verhält sich der Brief von Dr. B. nicht, so dass sich schon nach dem Inhalt des Arztbriefes vom 15.04.2011 nicht feststellen lässt, ob auch die Vornahme der einzelnen Untersuchungen durch Dr. Bo. überhaupt oder nur die angestrebte Behandlung durch die Einnahme von Medikamenten mit dem Verstorbenen besprochen worden ist. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage der Kenntniserlangung des Versicherungsnehmers zu den durchgeführten Untersuchungen stellt ebenfalls kein geeignetes Beweismittel dar.

b. Die Vernehmung der Zeugen Dr. B. und Dr. Bo. zur Frage der Kenntnis des Versicherungsnehmers zu den Untersuchungen und Befunden anlässlich der Untersuchung durch Dr. Bo. kommt nicht in Betracht. Gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO steht beiden Zeugen ein Zeugnisverweigerungsrecht zu. Eine Vernehmung der beiden Zeugen ist damit gemäß § 383 Abs. 3 ZPO auf Fragen zu beschränken, die die Schweigepflicht nicht betreffen. Im vorliegenden Fall interessieren aber nur solche Fragen, die die Schweigepflicht betreffen. Hierzu fehlt es jedoch an einer wirksamen Schweigepflichtentbindungserklärung des Verstorbenen, weshalb von einer Ladung beider Zeugen abzusehen war.

Von einer mutmaßlichen Entbindung von der Schweigepflicht kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Hierauf kommt es an, wenn der Versicherungsnehmer als Geschützter seinen Willen nicht mehr äußern kann, was nach seinem Tod der Fall ist. Dabei ist der Wille des Verstorbenen zu ermitteln. Auf Seiten des Verstorbenen ist im vorliegenden Fall kein Interesse an einer Aussage der benannten Ärzte auszumachen. Die Beweislast für den Anfechtungsgrund liegt bei der Beklagten. Treffen die Angaben zu den Gesundheitsfragen im Antragsformular und dem Fragebogen Blutdruck/Kreislauf zu, so bedarf es aus Sicht des Versicherten hierzu keiner Bestätigung der behandelnden Ärzte. Sind die Angaben unvollständig oder gar falsch, so geht das Interesse des Verstorbenen dahin, dass dies nicht in einer Beweisaufnahme geklärt wird (Senat, Beschluss vom 03.09.2014 - 12 W 37/14 - juris). Es ist damit hier nicht von einer mutmaßlichen Entbindung des Arztes von seiner Schweigepflicht auszugehen, weshalb der Arzt zur Zeugnisverweigerung gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO berechtigt ist. Der vom Oberlandesgericht Naumburg (VersR 2005, 817) angesprochene Zweifelsfall liegt hier nicht vor. Der Senat kann es daher auch im vorliegenden Fall offen lassen, ob und inwieweit bei derartigen Sachverhalten dem die Aussage verweigernden Zeugen eine nachvollziehbare Darlegung seiner Gründe abverlangt werden kann.

Auf eine tatsächlich erklärte Schweigepflichtentbindung beruft sich die Beklagte nicht. Eine solche lässt sich auch nicht auf das Antragsformular vom 18.09.2010 stützen, soweit dort vom Versicherungsnehmer unter der Rubrik „Schweigepflichtentbindung“ angekreuzt worden ist - „Ich habe mich für eine Einzelermächtigung entschieden (Variante 2)“. Nach dem Inhalt dieses Teils der Erklärung ist eine einzelne Entbindung des Versicherungsnehmers gefordert, die dieser in Anbetracht seines Todes nicht mehr abgegeben kann.

Die Entbindung von der Schweigepflicht kann auch nicht auf die im Falle des Todes und damit im Versicherungsfall wiederum in Bezug genommene Variante 1 der Schlusserklärung gestützt werden. Die Regelung zur Entbindung von der Schweigepflicht im Falle des Todes mit Bezug auf die Regelung nach Variante 1 im formularmäßigen Schlusserklärungstext ist gemäß § 305 Abs. 2 BGB unklar gefasst und ihr Inhalt daher durch Auslegung zu ermitteln.

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an (BGHZ 123, 83, 85). Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen sind aus sich heraus zu interpretieren. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGH WM 2014, 851).

Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird die Klausel - Variante 1 der Schlusserklärung - dahin verstehen, dass trotz einer bei Antragsausfüllung nach Variante 1 der Schlusserklärung seitens des Versicherten erteilten Befreiung von der Schweigepflicht diese wiederum unter dem Vorbehalt eines Widerspruchs des Versicherungsnehmers steht und nach dem Wortlaut der Variante 1 die in Variante 1 vorgesehene Regelung zum Widerspruch nach Vertragsschluss „entsprechend“ gelten soll. Damit ist nach Wortlaut und Sinn der Regelung zu prüfen, ob im Todesfall von einer Befreiung von der Schweigepflicht ausgegangen werden kann oder hier ein Widerspruch des Versicherten anzunehmen sein könnte. Letzteres dürfte nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmer dann wiederum der Fall sein, wenn eine Befreiung von der Schweigepflicht zu einem Nachteil für den Versicherten führen könnte. Die Klausel ist mit dem so verstandenen Inhalt wirksam und benachteiligt insbesondere auch den Versicherungsnehmer, der sich bei Ausfüllung des Antragsformulars - wie hier - für eine Einzelermächtigung (Variante 2) der formularmäßigen Schlusserklärung entschieden hat, nicht. Andernfalls könnte sich die Frage stellen, ob die Regelung in Variante 1 der Schlusserklärung überraschend ist, wenn sich der Versicherungsnehmer in dem Antragsformular für die Einzelermächtigung (Variante 2) entschieden hat und erst in der formularmäßigen Schlusserklärung für den Todesfall auf die Variante 1 verwiesen wird, ohne dass sich hierzu bereits ein Bezug aus dem Antragsformular entnehmen lässt. Ausgehend von dem durch Auslegung gewonnenen Verständnis der Regelung der Variante 1 in der Schlusserklärung ist hier von einem Widerspruch des Versicherten zur Einvernahme der Zeugen Dr. B. und Dr. Bo. aus den oben zu §§ 383 Abs. 1 Nr. 6, 385 ZPO ausgeführten Gründen auszugehen.

c. Bezüglich der nicht angegebenen Ultraschalluntersuchung lässt sich die Arglist auch nicht daraus schließen, dass der Versicherungsnehmer die vergleichsweise harmlose „leichte Hypertonie“ und die „24h-Blutdruckmessung“ angegeben hat, die Frage nach der Ultraschalluntersuchung, die in Ziffer 8. des Fragebogens ausdrücklich gestellt worden ist, durchgestrichen hat. Eine plausible und nachvollziehbare Erklärung für die Handlungsweise des Verstorbenen vermochte die Klägerin nicht zu gegeben. Steht allerdings fest, dass der Versicherungsnehmer objektiv falsche Angaben gemacht hat, trifft diesen nach ständiger Rechtsprechung eine sekundäre Darlegungslast. Er muss plausibel darlegen, wie und weshalb es zu den Falschangaben gekommen ist (vgl. u.a. BGH, VersR 2008, 242). Die sekundäre Darlegungslast kann sich dabei auch auf Dritte wie den Begünstigten einer Lebensversicherung nach Eintritt des Versicherungsfalls erstrecken (BGH, a.a.O.). Eine abstrakt-generelle Beantwortung der Frage, wann sich die sekundäre Darlegungslast auch auf Dritte erstreckt, ist dabei nicht möglich. Dies hängt vielmehr von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, namentlich ob diese es rechtfertigen, den Dritten der Sphäre des Versicherungsnehmers zuzurechnen (BGH, a.a.O.).

Trotz der feststehenden objektiv unrichtigen Beantwortung der Gesundheitsfragen trifft die Klägerin hier keine sekundäre Darlegungslast. Dieser liegt der Rechtsgedanke zugrunde, dass substantiierter Vortrag von einer Partei nicht gefordert werden kann, wenn nur der Gegner die wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, dazu nähere Angaben zu machen (BGH, a.a.O., Rn. 3). Dies ist hier aber nicht der Fall. Die Klägerin führt aus, dass sie keine Kenntnis von der Vorstellung ihres Ehemannes bei Ausfüllung der Fragen zum Gesundheitszustand gehabt hat und bestreitet auch eine Kenntniserlangung der Befunde und des Untersuchungsumfangs und damit eine Kenntnis vom Befundergebnis der Echokardiografie durch den Verstorbenen. Es ist daher schon nicht naheliegend, geschweige denn zwingend, dass sie hinsichtlich des damaligen Gesundheitszustands ihres Ehemannes, insbesondere über den Anlass durchgeführter ärztlicher Behandlungen und den Inhalt der gestellten und mitgeteilten Diagnosen, eine nähere Kenntnis hat. Das gleiche gilt für die Frage, welche Kenntnis der Versicherungsnehmer hinsichtlich dieser Umstände hatte. Die Klägerin kann daher nicht der Sphäre des Verstorbenen als weitere versicherte Person zugerechnet werden.

2. Ein Rücktritt gem. § 19 Abs. 1 VVG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Die Beklagte hat den Versicherungsnehmer nicht in der erforderlichen Form auf die Rechtsfolgen einer Anzeigenpflichtverletzung hingewiesen hatte (§ 19 Abs. 5 S. 1 VVG).

Der Senat hat mit Verfügung vom 27.07.2015 auf § 19 Abs. 5 VVG hingewiesen. Die Beklagte hat daraufhin die Mitteilung nach § 19 Abs. 5 VVG vorgelegt und ausgeführt, dass der Versicherungsnehmer die beigefügte Mitteilung erhalten habe und zwar mit samt den Versicherungsbedingungen. Das genügt für eine anlassbezogene Hinweispflicht nicht. Die Mitteilung muss im Rahmen der Antragsfragen und deren Beantwortung erkennbar sein. Sie kann sich auf einem Extrablatt befinden (BGH VersR 2013, 297 - juris Rn. 19), aber sie muss dem Versicherungsnehmer in einem unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit den an ihn gerichteten Fragen zur Kenntnis gebracht werden. Eine erst mehrere Seiten nach dem Fragenkatalog angebrachte Belehrung genügt damit nicht (OLG Stuttgart VersR 2014, 691).

Im Antrag auf Risikoversicherung wird zu Beginn der Seite 2 auf den möglichen Rücktritt hingewiesen, aber zum ausführlichen Hinweis in der Schlusserklärung verwiesen. Welches die Schlusserklärung sein soll, erschließt sich nicht. In dem Fragebogen „Blutdruck/Kreislauf“ wird auf die zusammen mit den Versicherungsbedingungen übersandte Mitteilung über die Folgen einer Verletzung der gesetzlichen Anzeigepflicht verwiesen. Hieraus ergibt sich nicht, ob die mit Schriftsatz 12.08.2015 als Anlage B 18 vorgelegte Mitteilung, die inhaltlich die Voraussetzung der in Textform geforderten Belehrung erfüllt, dem Versicherungsnehmer in hinreichend getrennter Form, das heißt zeitlich wie räumlich in Zusammenhang mit den an ihn gerichteten Fragen zur Kenntnis gebracht worden ist. Die Überlassung mit den Versicherungsbedingungen, deren Erhalt der Versicherungsnehmer bestätigt hat, reicht als solches nicht aus. Denn es ist nicht dargelegt, an welcher Stelle und in welchem Teil der Versicherungsbedingungen sich die Mitteilung befunden haben soll. Es lässt sich mithin nicht beurteilen, ob die Mitteilung in Bezug auf ihre Anbringung bzw. Platzierung den Anforderungen gemäß § 19 Abs. 5 VVG entspricht. Eine nähere Aufklärung, wie der Formularsatz des Versicherungsantrags im Original aussah und ob und wie die „Mitteilungen nach § 19 Abs. 5 VVG“ in den Formularsatz integriert oder nur auf einem Extrablatt abgedruckt und beigefügt gewesen war, ist seitens der Beklagten trotz Hinweises des Senats nicht erfolgt.

Die Rechtsbelehrung dient dem Schutz des Versicherungsnehmers; sie muss deshalb so rechtzeitig vor Vertragsabschluss erfolgen, dass der Versicherungsnehmers seine Anzeigepflicht auch noch erfüllen kann. Zudem besteht die Gefahr, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer sie übersieht, wenn die Belehrung erst mehrere Seiten nach dem Fragenkatalog angefügt ist, oder einen Text, der nach seiner Unterschrift auf dem Fragenkatalog angefügt ist, für unwichtig und typisch „Kleingedrucktes“ hält, das seine Bedeutung erst bei Eintritt des Versicherungsfalles gewinnt, also erst dann gelesen zu werden braucht (OLG Stuttgart VersR 2014, 691).

Ein Rücktritt der Beklagten scheitert mithin vorliegend daran, dass die Beklagte den Ehemann der Klägerin nicht in der erforderlichen Form auf die Rechtsfolgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen hatte (§ 19 Abs. 5 S. 1 VVG).

3. Zinsen in der beantragten Höhe kann die Klägerin aus Verzugsgesichtspunkten ab 28.04.2011 beanspruchen, nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 27.04.2011 den Versicherungsvertrag angefochten und ihre Leistung endgültig abgelehnt hat.

4. Ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten besteht dem Grunde nach gem. § 286 Abs. 1 BGB. Der Höhe nach kann die Klägerin nur Zahlung von 3.137,91 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit 23.04.2014 - wie mit Schriftsatz vom 28.04.2014 zuletzt beantragt - verlangen.

Auf die Erstattung vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten hat die Klägerin unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Verzuges Anspruch (§ 286 Absatz 1 BGB). Der Erstattungsanspruch aus den §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB setzt voraus, dass der eingetretene Schuldnerverzug ursächlich für den geltend gemachten Schaden geworden ist. Das ist nicht der Fall, wenn die dem Schaden zugrunde liegende Vermögenseinbuße bereits vor Beginn des Verzuges eingetreten ist (BGH NJW-RR 2013, 487 Rn. 25). Zum Zeitpunkt der Mandatierung - hier mit Vollmacht vom 04.08.2011 - befand sich die Beklagte auf Grund ihrer an die Klägerin mit Schreiben vom 27.04.2011 gerichteten Leistungsverweigerung in Verzug. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin war mithin im Zeitpunkt des den Verzug begründenden Schreibens der Beklagten vom 27.04.2011 noch nicht mandatiert (BGH IV ZR 292/13 - Urteil vom 27.05.2015 - juris Rn. 51). Die Bevollmächtigung des Prozessbevollmächtigten ist nach Eintritt des Verzugs erfolgt und damit schadensursächlich.

Der Ansatz von einer höheren als 1,3 Geschäftsgebühr und damit einer solchen von 1,8 kommt nicht in Betracht. Es fehlt an den Voraussetzungen für eine Überschreitung der Regelgebühr. Es handelt sich nicht um einen überdurchschnittlichen Fall. Schwierig ist eine Tätigkeit nicht schon wegen des Umfangs der aufgewandten Stunden für die Bearbeitung. Schwierig ist die Tätigkeit, wenn nach objektivem Maßstab erhebliche, im Normalfall nicht auftretende Probleme auftauchen (OLG Stuttgart RuS 2011, 218 - juris Rn. 89; Gerold/Schmidt, RVG, Mayer, § 14, RN. 16). Nach objektivem Maßstab war die Sache nicht schwierig. Einer der Hauptstreitpunkte war die Frage des Vorliegens der Voraussetzung für die Annahme eines arglistigen Handelns des Versicherungsnehmers. Dies stellt im Rahmen einer Lebensversicherung nach Versterben des Versicherungsnehmers ein durchaus gängiges Problem dar.

Der Einholung eines Gutachtens der Rechtsanwaltskammer bedurfte es im vorliegenden Rechtsstreit nicht. Das Gericht muss ein solches nicht obligatorisch einholen. Dies gilt nur im Honorarprozess, an dem auf der einen Seite der Anwalt und auf der anderen Seite der Auftraggeber beteiligt sind (Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Aufl., § 14 Rn. 61).

Der Höhe nach berechnet sich die Gebühr nach der zugesprochenen Forderungen, soweit diese vorprozessual bereits verfolgt und sodann im Rechtsstreit zuerkannt worden ist. Die mit der Klage geltend gemachten Positionen waren auch schon vorprozessual im Streit. Gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 RVG richtet sich der Gegenstandswert auch für die anwaltliche Tätigkeit nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften. Die Gebühr ist hier aus einem Streitwert von 200.000,00 EUR zu berechnen. In dieser Höhe hat die Klägerin mit ihren Klageantrag obsiegt. Die Gebühr berechnet sich somit hieraus und beträgt nach der Gebührentabelle nach dem RVG 2.616,00 EUR. Zuzüglich Auslagenpauschale mit 20,00 EUR und 19% MWSt kann die Klägerin somit insgesamt 3.137,91 EUR beanspruchen.III.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.