Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 09.12.2015 - 4 K 133/10
Fundstelle
openJur 2016, 1556
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob von der Klägerin im Jahre 2003 vorgenommene Lieferungen von Mobilfunktelefonen als innergemeinschaftliche Lieferungen gemäß § 4 Nr. 1 Buchstabe b i. V. m. § 6a UStG steuerfrei sind.

Im Oktober 2002 gründete die A GmbH die „… Vermögens-Verwaltungs GmbH“ (die Klägerin), zu deren Geschäftsführerin zunächst Frau X bestellt wurde. Mit Vertrag vom 12. Februar 2003 erwarb die Firma … Holding ApS (im Folgenden auch „die Holding“), vertreten durch ihren Gesellschafter-Geschäftsführer Herrn Y, sämtliche Anteile an der Klägerin für 25.000,00 €. Der Firmenname der Gesellschaft wurde in „D GmbH“ geändert, der Sitz nach … verlegt und der Gegenstand des Unternehmens in den „Groß- und Einzelhandel mit Waren aller Art, insbesondere mit technischen Artikeln (…)“ geändert. Als neuer Geschäftsführer wurde Herr Y bestellt.

Herr Y war nicht nur Inhaber der Holding, sondern auch der E ApS. Die Holding wiederum war Alleingesellschafterin nicht nur der Klägerin, sondern diverser weiterer Gesellschaften. Hierzu gehörten u. a. die F GmbH, die G ApS und die H ApS. Zur Darstellung des Firmenverbunds des Herrn Y wird auf die Übersicht mit der Überschrift „According to Y 07/10-03“ verwiesen. Die unternehmerische Aktivität der benannten Gesellschaften des Firmenverbunds stellt sich mit einigen Ausnahmen/Überschneidungen in zeitlicher Hinsicht so dar, dass diese – beginnend mit der F GmbH im Jahre 2001 – ihre Aktivitäten nacheinander und jeweils für einen begrenzten Zeitraum von einigen Monaten bis zu gut eineinhalb Jahren entwickelten. Insoweit wird auf die Übersicht „Zeitschiene Y – Firmen (Aktiver Handel)“ verwiesen. Die Gesellschaften betrieben jeweils den Im- und Export mit – mit wenigen Ausnahmen – Mobiltelefonen. Neben diesen Gesellschaften gründete die Holding zum 1. September 2003 vier weitere Gesellschaften, welche jedoch vor Aufnahme einer Aktivität von Amts wegen gelöscht wurden.

Die Klägerin, welche in ihrer Bilanz auf den 31. Dezember 2002 – und auch beim Erwerb durch die Holding im Februar 2003 – außer einem Kassenbestand von rund 23.000,00 € kein nennenswertes Vermögen auswies, nahm im Oktober 2003 den aktiven Handel mit Mobiltelefonen auf. Sie tätigte im Streitjahr – im Zeitraum von Oktober bis Dezember – Ausgangsumsätze in Höhe von 25.854.419,00 €, deren steuerrechtliche Beurteilung in vollem Umfang streitig ist. Der Ablauf der von der Klägerin ab Oktober 2003 durchgeführten Transaktionen ist von ihr in einer tabellarischen Aufstellung über die Warenbewegungen unter Angabe der Lieferanten und der Mengen dargestellt worden; ergänzend wird auf Auflistung der Geschäfte unter Angabe des Aufschlags verwiesen. Ausweislich dieser Aufstellung erwarb die Klägerin im Streitjahr von folgenden Firmen Mobiltelefone:                -        … Ltd., United Kingdom – UK – (im Folgenden: K; zu einer exemplarischen Rechnung dieser Firma wird auf Bl. 102 Arbeitsbogen verwiesen),-       … Ltd., UK (im Folgenden: L; zu einer exemplarischen Rechnung wird auf Bl. 129 Arbeitsbogen verwiesen),-       … Trading Limited, UK, (im Folgenden: M Trading; zu einer exemplarischen Rechnung wird auf Bl. 137 Arbeitsbogen verwiesen),-       … 2003 Ltd., UK, (im Folgenden: N; zu einer exemplarischen Rechnung wird auf Bl. 141 Arbeitsbogen verwiesen),-       … International PLC, UK, (im Folgenden: O; zu einer exemplarischen Rechnung wird auf Bl. 249 Aktenordner 1 verwiesen),-       … = P,-       … = Q,-       … = R,-       … = S,-       … Ltd. = TRechnungsempfängerin der Klägerin war bei allen Transaktionen im Streitzeitraum die Firma … S. L. (im Folgenden: U). Die U hatte die Umsatzsteuer- Identifikationsnummer ESB…, welche vom 19. August 2003 bis zum 29. März 2004 gültig war. Die Gesellschaft war registriert in Santa Cruz de Tenerife und zwar mit dem Firmensitz („Domicilio“) im… . Die Rechnungsadresse lautete … in Malaga (zu einer exemplarischen Rechnung an die U wird auf Bl. 104 Arbeitsbogen verwiesen). Bezahlt wurde die Ware in keinem Fall von der U, sondern stets von der Firma … UK Ltd. (im Folgenden V).

Soweit die Klägerin für die streitgegenständlichen Transaktionen Waren bei den Firmen K, L, M Trading, N und O bezogen hat, sind die Eingangsrechnungen von den Zulieferfirmen, die Ausgangsrechnungen an die U, sowie Belege über die Zahlungsströme aktenkundig (Geldein- und -ausgang bei der Klägerin). Aus den Unterlagen ist u.a. ersichtlich, dass die Rechnungslegungen und Zahlungsströme hinsichtlich der Ein- und Verkäufe zeitlich in einem engem Zusammenhang standen (vgl. etwa Bl. 102 ff.: Eingangsrechnung von der K am 7. Oktober 2003, Zahlung an die K am 8. Oktober 2003, Ausgangsrechnung an die U am 7. Oktober 2003, Zahlungseingang 8. Oktober 2003). Dabei sind die Ausgangsrechnungen an die U ausweislich der Rechnungsdaten zum Teil früher erstellt worden, als die Eingangsrechnungen (vgl. etwa Bl. 113 ff. Arbeitsbogen: Eingangsrechnung der K am 8. Dezember 2003, Ausgangsrechnung an die U am 6. Dezember 2003; Bl. 125 ff.: Eingangsrechnung der K am 4. November 2003, Ausgangsrechnung an die U am 28. Oktober 2003; Bl. 149 ff. Arbeitsbogen: Eingangsrechnung der N am 30. Oktober 2010, Ausgangsrechnung an die U am 27. Oktober 2003).

Nach den Angaben auf der tabellarischen Aufstellung der Klägerin ist der Einkauf dergestalt abgewickelt worden, dass die Ware aus UK durch die Speditionsfirma W Ltd. (Sitz in … , UK) von einem Speditionslager in UK nach … (Inland) in ein Speditionslager der Firma AA GmbH geliefert wurde. Dabei geht aus einigen Transportdokumenten für die Eingangsleistungen der Klägerin (vgl. etwa Bl. 118 ff. Aktenordner 1; Bl. 270 ff. Aktenordner 1: Transportdokumente über Lieferungen der O an die Klägerin) hervor, dass bei Einkäufen von den Firmen N, K und O die Waren aus einem Speditionslager der Firma W in … (UK) abgeholt wurden. Von … (Inland) aus soll die Ware mit der Firma AA weiter in ein Speditionslager in Belgien verbracht worden sein. Ab dem 18. November 2003 soll anstelle der AA GmbH jeweils die Firma BB GmbH agiert haben.

Am 25. November 2015 reichte die Klägerin weitere Unterlagen zu allen Transaktionen ein und zwar jeweils ein Doppel der Ausgangsrechnung der Klägerin, Zahlungsbelege über den Zahlungseingang von der V, sog. „Prealerts“ – Dokumente, mit welchem die Klägerin ihren Lagerhalter (zunächst die AA GmbH, später die Transporte BB GmbH) auf die Ankunft ihrer erworbenen Waren hinwies und die Anweisung erteilte, dass ein weiterer Transport bzw. die Herausgabe nur nach Freigabe durch die Klägerin erfolgen darf („SHIP ON HOLD“) – sowie CMR Frachtbriefe. Auf den Inhalt der Unterlagen (vgl. Gerichtsakte; Sonderband „mit Schriftsatz vom 25. Nov. 2015 eingereichte Unterlagen“) wird verwiesen.

In ihrer Steuererklärung für das Jahr 2003 erklärte die Klägerin keine Umsätze zum allgemeinen oder ermäßigten Steuersatz, Vorsteuerbeträge aus Rechnungen von anderen Unternehmen in Höhe von 1.117,08 € sowie Vorsteuerbeträge aus innergemeinschaftlichen Erwerben in Höhe von 4.079.196,81 €. Letzteren Vorsteuerbeträgen standen Umsatzsteuern auf innergemeinschaftliche Erwerbe in selber Höhe gegenüber, so dass die Erklärung einen Vorsteuerüberhang in Höhe von 1.117,08 € auswies. Auf der Anlage UR zur Umsatzsteuererklärung erklärte die Klägerin zudem innergemeinschaftliche Lieferungen gemäß § 4 Nr. 1 Buchstabe b in Höhe von 25.854.419,00 €. Der Beklagte stimmte der Erklärung zunächst zu und gewährte den Vorsteuerüberhang in Höhe von 1.117,09 €.

Im Zeitraum ab April 2002 fanden verschiedene Steuerprüfungen bei verschiedenen zum Firmenverbund des Herrn Y gehörenden Gesellschaften sowie bei Herrn Y selbst statt, auf deren Ergebnisse der Beklagte seine Auffassung stützt, dass die Umsätze der Klägerin nicht unter die Befreiungsvorschriften der §§ 4 Nr. 1 Buchstabe b i. V. m. § 6a UStG fallen. Es handelte sich dabei namentlich um Umsatzsteuer-Sonderprüfungen bei                -       der F GmbH (2002),-       der E ApS (2003),-       der G ApS (2003),-       der H ApS (2003),-       um eine bei der Klägerin durchgeführte Umsatzsteuer-Nachschau (2004),-       um ein gegen Herrn Y im Jahre 2004 eröffnetes und im Oktober 2006 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestelltes Steuerstrafverfahren-       und um eine bei der Klägerin durchgeführte Steuerfahndungsprüfung (2005).Die aktenkundigen Feststellungen der jeweiligen Prüfungen lassen sich im Wesentlichen wie folgt zusammenfassen; ergänzend wird auf die jeweils benannten Prüfungsberichte sowie die dazu vorliegenden Anlagen in der BP-Akte, im Arbeitsbogen, sowie im Aktenordner 1 verwiesen:

Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der F GmbH (2002):

Im Rahmen der am 23. April 2002 begonnenen Umsatzsteuer-Sonderprüfung der F GmbH wurde festgestellt, dass das Unternehmen mit Sitz am … den Großhandel mit Mobiltelefonen zum Gegenstand hatte. Dabei seien die Waren nach den Feststellungen nahezu ausschließlich in Großbritannien erworben und umgehend wieder in das europäische Ausland geliefert worden. Soweit bezüglich der 29 Rechnungsadressaten der F GmbH seitens der Finanzbehörde im Ausland gestellte Auskunftsersuchen beantwortet worden seien, sei darin ausnahmslos mitgeteilt worden, dass es sich bei den Rechnungsadressaten um Scheinunternehmen handele, oder um existente Unternehmen, deren Umsatzsteuer-Identifikationsnummer missbraucht worden sei. Dies habe nach damaligen Erkenntnissen auf 19 der insgesamt 29 Rechnungsadressaten zugetroffen; weitere Auskunftsersuchen seien bis dato nicht beantwortet worden. Die Rechnungen, welche an diese 19 Rechnungsadressaten gerichtet waren, seien nahezu ausnahmslos nicht von den Adressaten, sondern von Dritten bezahlt worden; die Warenbewegungen beim Ein- und Verkauf erfolgten nach den Feststellungen von einem Speditionslager in ein anderes oder zum Teil wieder zurück in das ursprüngliche Speditionslager. Als Empfänger seien grundsätzlich die im EU-Ausland befindlichen Warenlager eingetragen; Empfangsbestätigungen der Rechnungsempfänger oder der tatsächlichen Abnehmer seien nicht vorgefunden worden. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass die Umsatzsteuer-Identifikationsnummern der Rechnungsadressaten meist nur kurze Zeit gültig waren. Die Ausgangsrechnungen hätten regelmäßig lediglich den Gerätetyp und die Anzahl, z. B. „2000 Nokia 8310“, enthalten. Zum Teil sei das Transportgut auch nur ganz allgemein bezeichnet worden, z. B. „4 Palets Electricals“. Auf Grundlage dieser Feststellungen wurde im Bericht vertreten, dass die Voraussetzungen des § 6a UStG nicht erfüllt seien; es sei insbesondere davon auszugehen, dass die Rechnungsadressaten nicht die tatsächlichen Abnehmer der Ware gewesen seien.

Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der E ApS (2003):

Bei der am 5. Mai 2003 begonnenen Umsatzsteuer-Sonderprüfung wurde festgestellt, dass das Unternehmen mit Sitz in … (Dänemark) den Im- und Export mit Mobiltelefonen zum Gegenstand hatte. Nach den Feststellungen seien die Waren ausnahmslos in Großbritannien erworben und umgehend wieder nach Großbritannien geliefert worden. Auch hier hätten die Ausgangsrechnungen jeweils nur den Gerätetyp sowie die Anzahl oder lediglich die allgemeine Bezeichnung „Palets Electricals“ beinhaltet. Die IMEI-Nummern seien nicht benannt worden. Soweit Auskunftsersuchen hinsichtlich der Rechnungsadressaten aus dem Ausland beantwortet worden seien, sei auch hier mitgeteilt worden, dass es sich bei den Rechnungsadressaten um Scheinunternehmer oder um existente Unternehmen gehandelt habe, deren Umsatzsteuer-Identifikationsnummer missbraucht worden sei. Keiner der Rechnungsadressaten habe seine Rechnungen selbst bezahlt; die Bezahlung sei stets durch Dritte erfolgt. Die Warenbewegungen seien auch hier stets von einem Speditionslager in ein anderes bzw. zurück in das ursprüngliche Speditionslager erfolgt. In den Frachtpapieren seien die im EU-Ausland befindlichen Warenlager eingetragen; Empfangsbestätigungen der Rechnungsempfänger oder tatsächlichen Abnehmer seien nicht vorgefunden worden. Auch hier wurde festgestellt, dass die Umsatzsteuer-Identifikationsnummern der Rechnungsadressaten meist nur kurze Zeit gültig waren. Auf Grundlage dieser Feststellungen wurde im Bericht die Ansicht vertreten, dass die Voraussetzungen des § 6a UStG nicht erfüllt seien.

Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der G ApS (2003):

Bei der am 5. Mai 2003 begonnenen Prüfung wurde festgestellt, dass das Unternehmen mit Sitz in … (Dänemark) den Im- und Export von Mobiltelefonen zum Gegenstand hatte. Die Waren seien dabei in dem geprüften Zeitraum ausnahmslos in Großbritannien erworben und umgehend wieder nach Großbritannien geliefert worden. Regelmäßig seien auch hier in den Rechnungen lediglich Gerätetyp und Anzahl genannt worden, und auch hier hätten im EU-Ausland eingeholte Auskünfte zu den Rechnungsempfängern ausnahmslos ergeben, dass es sich bei den Rechnungsadressaten um Scheinunternehmer oder um existente Unternehmen gehandelt habe, deren Identifikationsnummer missbraucht worden sei. Dies habe zum damaligen Zeitpunkt auf 9 der insgesamt 14 Rechnungsadressaten zugetroffen; weitere Ersuchen seien bis dato nicht beantwortet worden. Auch die Inhalte der Frachtpapiere hätten ergeben, dass lediglich die im EU-Ausland befindlichen Warenlager als Empfänger eingetragen waren und den Empfang bestätigt haben. Empfangsbestätigungen der Rechnungsempfänger oder der tatsächlichen Abnehmer hätten auch hier gefehlt. Es wurde wie bei den anderen Gesellschaften die Auffassung vertreten, dass die Voraussetzungen des § 6a UStG nicht erfüllt seien.

Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der H ApS (2003):

Bei der am 23. Oktober 2003 begonnenen Prüfung wurde festgestellt, dass das Unternehmen mit Sitz in … (Dänemark) den Im- und Export von Mobiltelefonen und Digitalkameras zum Gegenstand hatte. Im Prüfungszeitraum seien die Waren ausnahmslos in Großbritannien erworben und umgehend in das europäische Ausland geliefert worden. Hinsichtlich der handelsüblichen Bezeichnung der Ware wurde auch hier festgestellt, dass regelmäßig lediglich Gerätetypen und Anzahl oder eine allgemeine Bezeichnung gewählt worden sei. Auch hier habe es sich nach den eingeholten Auskünften der ausländischen Behörden bei den Rechnungsadressaten um Scheinunternehmen beziehungsweise um Unternehmen gehandelt, deren Umsatzsteuer-Identifikations-nummer missbraucht worden sei. Mit Ausnahme von drei Ausgangsrechnungen seien sämtliche Beträge nicht vom Rechnungsadressaten bezahlt worden. Die Bezahlung sei insoweit durch das britische Unternehmen V erfolgt. Die Frachtpapiere erlaubten keine Zuordnung zu den Ausgangsrechnungen und auch hier hätten Empfangsbestätigungen der Rechnungsempfänger oder tatsächlichen Abnehmer gefehlt. Es wurde abermals die Auffassung vertreten, dass die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nicht erfüllt seien.

Weitergehende Erkenntnisse des Prüfers zu den vorbenannten Gesellschaften sind in einem Aktenvermerk vom 26. Januar 2005 über die vier Sonderprüfungen zusammengefasst. Darin wird u. a. dargestellt, dass im Rahmen der Beantwortung eines Auskunftsersuchens der britischen Behörden Mitte November 2004 zu einer Vielzahl von Lieferungen an die H ApS der Lieferweg festgestellt worden sei. Das Ersuchen habe detaillierte Angaben zu den Vorlieferanten und den hierbei erfolgten Zahlungen in Form von entsprechenden Excel-Tabellen enthalten. Durch die Auswertung und Aufbereitung dieser Daten sei in zehn Fällen die gesamte Lieferkette aufgedeckt worden. Nach den vom Umsatzsteuer-Sonderprüfer auf Grundlage der von den britischen Behörden übermittelten Daten erstellten Übersichten seien die Mobiltelefone in diesen Fällen zunächst über eine Händlerkette innerhalb Großbritanniens gehandelt worden. Dabei habe sich auf der zweiten Stufe die V befunden, welche die Waren von einem „Missing Trader“ bzw. „Hijacker“ bezogen habe. Der letzte Händler innerhalb dieser Kette habe die Waren dann umsatzsteuerfrei an die H ApS nach Deutschland veräußert. Diese Gesellschaft wiederum habe die Waren von Deutschland an die U weiter fakturiert. Nach den Ermittlungen der Steuerbehörden unter Hinzuziehung der eingeholten Auskunftsersuchen habe der Erstlieferant seine Steuerschuld aus seiner der V erteilten Rechnung nicht beglichen, der Vorlieferer der H ApS die Vorsteuer gezogen, und seine Ausgangsumsätze als umsatzsteuerfrei erklärt. Die U als Rechnungsempfängerin der H ApS sei auch ein „Missing Trader“ und habe die ihr gestellten Rechnungen nicht bezahlt. Die Bezahlung der H ApS sei vielmehr durch die V – den zweiten Händler in der Lieferkette – erfolgt. Ihren Vorlieferern habe die V dafür lediglich geringe Beträge überwiesen; ein weiterer geringer Betrag sei an die U gezahlt worden. Insgesamt habe die Auswertung der übermittelten Daten ergeben, dass die Beteiligten acht Firmen aus den Warentransaktionen einen Überschuss erzielten, der dem Vorsteuerüberhang des Zulieferers der in Deutschland ansässigen Firma entsprach, und der durch die diversen Zahlungen – insbesondere der V – unter den verschiedenen Firmen aufgeteilt worden sei. Ein solches Bild zeichne sich in allen zehn Fällen ab.

Umsatzsteuer-Nachschau bei der Klägerin (2004):

Aufgrund von Ermittlungen für die britischen Steuerbehörden wurde zur Aufklärung von zwei Lieferungen der Firma O an die Klägerin am 29. Januar 2004 bei der Klägerin eine Umsatzsteuer-Nachschau vorgenommen. Dabei wurde festgestellt, dass sich die erste Rechnung der Firma O vom 28. Oktober 2003 an die Klägerin auf 1.081.795,00 £ belief, und dass die Ware bereits mit Rechnung vom 26. Oktober 2003 an die U weiter fakturiert war. Die Rechnung wurde auch hier nicht von der U, sondern von der V am 30. Oktober 2003 bezahlt. Die zweite Rechnung der Firma O datierte auf den 29. Oktober 2003 und belief sich auf 1.076.950,00 £. Die Ware wurde bereits mit Rechnung vom 27. Oktober 2003 an die U weiter fakturiert. Auch hier wurde die Rechnung von der V am 31. Oktober 2003 bezahlt.

Steuerstrafverfahren gegen Herrn Y (ab 2004):

Am 7. April 2004 wurde gegen Herrn Y ein Steuerstrafverfahren u.a. wegen des Verdachts der (Umsatz-)Steuerhinterziehung eröffnet. Das Verfahren ist im Oktober 2006 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Im Rahmen der Ermittlungen sind Daten aus einem britischen Auskunftsersuchen ausgewertet worden. Die Daten betrafen die Lieferkette hinsichtlich der durch die Klägerin von der O bezogenen Mobiltelefone (zwei Transaktionen [„Deals“]). Nach den Feststellungen zeigt sich im Ergebnis ein ähnliches Bild, wie bei den Auswertungen hinsichtlich der H ApS. So seien die Waren von der DD Ltd. (nach britischem Auskunftsersuchen ein „Missing Trader“) über zwei Zwischengesellschaften (davon ein Hijacker) an die V weiter fakturiert und sodann über einen weiteren Zwischenhändler in UK an die O (UK) fakturiert worden. Die der V in Rechnung gestellte Umsatzsteuer sei nicht abgeführt worden; die O habe Vorsteuern in Höhe von 184.055,38 € geltend gemacht und die Ware als steuerfreie Lieferung an die Klägerin nach Deutschland veräußert, welche diese weiter an die U (ebenfalls ein „Missing Trader“) fakturiert habe. Die Rechnung der Klägerin an die U sei wiederum von der V bezahlt worden. Dafür habe die V ihre unmittelbaren Zulieferer nicht vollständig befriedigt, sondern lediglich anteilig. In Summe hätten die finanziellen Vorteile sämtlicher beteiligter Gesellschaften einen Betrag in Höhe von 184.055,38 € ergeben, der damit dem bei der O angefallenen Vorsteuerüberhang entsprochen habe. Die Abrechnungen der ersten Transaktion (Deal 1) seien in kurzer Zeit erfolgt. Die Rechnungen des ersten Gliedes in der Lieferkette (DD Ltd.) sowie der fünf Folgegesellschaften datieren auf den 28. Oktober 2003. Die Rechnung für den letzten – siebten – Lieferschritt, namentlich die Rechnung der Klägerin an die U, datiert auf den 26. Oktober 2003. Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Deal 2.

In einer im Rahmen der Prüfung vom Bundesamt für Finanzen zur U eingeholten Auskunft der spanischen Behörden heißt es u.a.: „The company is a missing trader. The company started the comunitaries operations in 19. August 2003, and before this time don`t were made any supplies. In the legal address of the company there`s nobody and I cant send you anything else because the company can not be founded (…)“. Dazu wurde auf den Bericht der EE vom 12. Februar 2004 verwiesen, in welchem zwei Personen der EE in spanischer Sprache über ihre Ermittlungen hinsichtlich der U in … berichten. Ausweislich einer „Purchase Order“ an die … – gemeint war offenbar die H – vom 6. August 2003 hat die U (über der Bestellung geschrieben mit „LL“) unter einer Adresse in Malaga über einen Nokia Communicator Waren bestellt, wobei unter der Bestellung ein Firmenstempel der U (dort geschrieben mit nur einem „L“) und einer Adresse in Teneriffa aufgedruckt war. Die Klägerin hat die der U zugeordnete Umsatzsteuer-Identifikationsnummer im Bestätigungsverfahren nach § 18e UStG abgefragt. Die Abfrage erfolgte am 27. April 2004 und ergab, dass die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer vom 19. August 2003 bis zum 29. März 2004 gültig war.

Steuerfahndungsprüfung bei der Klägerin (2005):

Auf Anweisung der Staatsanwaltschaft erfolgte in der Zeit vom 29. September 2005 bis zum 21. November 2005 eine Steuerfahndungsprüfung bei der Klägerin. Im Bericht vom 23. November 2005 wurde festgestellt, dass die im Rahmen der oben genannten Umsatzsteuer-Sonderprüfungen geprüften Umsätze der vier Firmen zwar als steuerfrei behandelt, tatsächlich jedoch steuerpflichtig gewesen seien. Begründet worden sei diese Feststellung u. a. damit, dass die in den zusammenfassenden Meldungen erklärte Hauptabnehmerin der vier Firmen – die U – als Scheinunternehmen einzustufen sei. Abnehmerin der Klägerin im Kalenderjahr sei ebenfalls ausschließlich die Firma U gewesen; lediglich im ersten Quartal 2004 sei neben die U die Firma FF getreten. Im Steuerfahndungsbericht wurden auf dieser Grundlage die erklärten innergemeinschaftlichen Lieferungen der Klägerin (25.854.419,00 €) als steuerpflichtig behandelt, so dass sich ein Nettobetrag von 22.288.293,00 € sowie Umsatzsteuern (16 %) in Höhe von 3.566.126,00 € ergaben. In einem ergänzenden Bericht vom 6. November 2006 wurde für den hier nicht streitigen Zeitraum 2004 darüber hinaus festgestellt, dass hinsichtlich der Firma FF zwischenzeitlich auch eine Antwort der spanischen Finanzbehörden eingegangen sei, und dass es sich nach den dortigen Feststellungen ebenso wie bei der U um einen Missing Trader handele.

Mit dem angegriffenen Umsatzsteuerbescheid 2003 vom 2. Januar 2006 änderte der Beklagte die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Steuerfestsetzung und erhöhte den festgesetzten Betrag von -1.117,09 € um 3.566.126,00 € auf 3.565.009,79 €. Zur Erläuterung verwies er auf die Ergebnisse im Bericht über die bei der Klägerin durchgeführte Steuerfahndungsprüfung.

Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrem am 6. Januar 2006 beim Beklagten eingegangenen Einspruch. Zur Begründung trug sie im Wesentlichen vor, der Vortrag des Finanzamts erschöpfe sich in der widerlegbaren Behauptung, dass weder der Buch-, noch der Belegnachweis erfüllt worden sei. Der Buchnachweis (§ 17c UStDV) sei indes erbracht. Die erfolgte Aufzeichnung der Ware sei nicht mangelhaft; insbesondere sei die Erfassung der Geräteidentifikationsnummern („IMEI“) nicht erforderlich gewesen. Soweit das Finanzamt die Aufzeichnung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer rüge, werde auf das Urteil des BFH vom 15. Juli 2004 (V R 1/04) verwiesen. Danach handele es sich bei der Identifikationsnummer eines Missing Traders um die richtige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Auch sei der Belegnachweis (§ 17a UStDV) erbracht. Es sei von der Rechtsprechung entschieden, dass der CMR-Frachtbrief den Anforderungen an einen Versendungsbeleg im Sinne von § 17a Abs. 4 i. V. m. § 10 UStDV genüge und eine Empfängerbestätigung in Feld 24 des Briefs obsolet sei. Da der Belegnachweis insoweit erfüllt sei, komme im Streitfall auch die Gewährung von Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 UStG in Betracht (Verweis auf BFH-Urteil vom 12. Mai 2009, V R 65/06). Und schließlich werde darauf hingewiesen, dass aufgrund des fehlenden materiell-rechtlichen Charakters der Nachweispflichten auch im Falle von deren Nichterfüllung von steuerfreien Lieferungen auszugehen sei, da im Streitfall aufgrund der objektiven Beweislage feststehe, dass die Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung vorliegen. Denn die Ware sei physisch in einen anderen Mitgliedsstaat verbracht worden; dies sei auch unstreitig. Schließlich könne auch ein Verweis auf den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts in der Sache 4 V 40/05 (E ApS) – dem das Finanzamt offensichtlich einen präjudiziellen Charakter zur Frage der Einbindung in ein Umsatzsteuer-Karussell entnehme – die Auffassung des Finanzamts nicht stützen.

Mit Einspruchsentscheidung vom 9. Juli 2010 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Nach den Prüfungsfeststellungen zu den vier geprüften und zum Firmenverbund des Herrn Y gehörenden Firmen liege eine Vielzahl von Anhaltspunkten dafür vor, dass diese Firmen – und die Klägerin – an einem oder mehreren Umsatzsteuer-Karussellen beteiligt gewesen seien. Durch die Auswertung und Aufbereitung der Daten aus dem britischen Auskunftsersuchen sei insoweit eine gesamte Lieferkette aufgedeckt und bewiesen worden, dass und in welcher Weise der vorsätzliche Umsatzsteuerbetrug im Einzelnen vollzogen worden sei. Diesbezüglich sei auch das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht in der Sache 4 V 40/05 davon ausgegangen, dass die dortige Antragstellerin als In-Out-Buffer an einem Umsatzsteuer-Karussell beteiligt gewesen sei. Die Aussetzung der Vollziehung sei damals nur deswegen gewährt worden, weil aufgrund des BFH-Beschlusses vom 29. November 2004 zweifelhaft gewesen sei, ob die Warenbewegungen innerhalb eines Umsatzsteuer-Karussells überhaupt der Umsatzbesteuerung unterlägen. Dieser Beschluss des BFH sei jedoch mittlerweile durch die EuGH-Urteile vom 12. Januar 2006, 11. Mai 2006 und 6. Juli 2006 überholt. Der Belegnachweis sei nicht erfüllt. Ein Frachtbrief solle stets die Unterschrift desjenigen tragen, der dem Frachtführer den Auftrag zur Beförderung des Frachtgutes erteilt habe. Die Angaben in einem Frachtbrief, der nicht vom Absender unterschrieben sei, seien nicht leicht und eindeutig nachprüfbar. Auch müsse ein CMR-Frachtbrief u. a. den Namen und die Anschrift des Empfängers enthalten. Nach den Prüfungsfeststellungen seien die Waren jedoch stets von Speditionslagern abgeholt, auf das europäische Festland transportiert und umgehend wieder in Speditionslager nach Großbritannien beziehungsweise Holland verbracht worden. Die Transportdokumente (CMR-Frachtbriefe) seien dabei den einzelnen Transaktionen weitestgehend nicht zuordenbar gewesen. Dies habe nicht zuletzt daran gelegen, dass als Empfänger der Waren nicht der Kunde laut Rechnung, sondern stets nur ein Speditionslager bezeichnet gewesen sei. Zudem fehlten der Name und die Anschrift des Empfängers. Zweifel bestünden ferner hinsichtlich der üblichen Bezeichnung des Gutes, bezüglich der Anzahl, Zeichen und Nummern der Frachtstücke. Die grenzüberschreitende Warenbewegung sei nicht belegmäßig nachgewiesen, weil in Feld 24 der – ohnehin nur in Kopie vorliegenden – Frachtbriefe der Empfang der Waren mit allen dort erforderlichen Angaben nicht bestätigt worden sei. Auch der Buchnachweis sei nicht erfüllt. Hierzu müsse der liefernde Unternehmer die Unternehmereigenschaft des Abnehmers nachweisen; die bloße Aufzeichnung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer allein reiche nicht aus. Die Identität des Abnehmers sei zum Beispiel durch Vorlage eines Kaufvertrages nachzuweisen. Auch seien nach den Prüfungsfeststellungen lediglich einfache Bestätigungsabfragen zur Gültigkeit der Umsatzsteuer-Identifikationsnummern durchgeführt worden. Für den Umstand, dass die U ein Missing Trader sei, spreche über das Auskunftsersuchen hinaus der Umstand, dass die in den Handelsregisterauszügen angegebene Branche nicht zum Großhandel mit Mobiltelefonen passe. Die Nichtaufzeichnung der IMEI-Nummern könne nicht nur daran zweifeln lassen, dass tatsächlich eine Lieferung an den Rechnungsempfänger ausgeführt worden sei; sie könne weiterhin Indiz dafür sein, dass der Unternehmer wusste oder wissen konnte oder hätte wissen müssen, dass er mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt gewesen sei, der in einen Umsatzsteuerbetrug einbezogen war. Ferner stehe fest, dass die Rechnungen nicht von der U, sondern von der V bezahlt worden seien. Eine derartige Vorgehensweise – Zahlung durch Dritte – sei im normalen Wirtschaftsleben undenkbar. Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass die Ausgangsrechnungen auf Britische Pfund fakturiert worden seien, der daneben ausgewiesene Eurobetrag aber nie dem tatsächlichen Umrechnungskurs entsprochen habe. Ein Vertrauensschutz sei in Ansehung all dessen nicht zu gewähren.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 11. August 2010 bei Gericht eingegangenen Klage. Zur Begründung hat sie zunächst auf ihr im Rechtsbehelfsverfahren eingereichtes Schreiben vom 4. November 2009 verwiesen. Mit am 28. Februar 2014 bei Gericht eingegangenem Schreiben trug die Klägerin unter Verweis auf ihren Vortrag im Verwaltungsverfahren weiter vor. Dem Steuerfahndungsbericht vom 23. November 2005 liege keine Ermittlung des hier zu beurteilenden Sachverhalts zugrunde. Vielmehr seien ausweislich des Berichts „auf Anweisung der Staatsanwaltschaft, die im Rahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung getroffenen steuerlichen Feststellungen bei (anderen Firmen) zu übernehmen“ gewesen. Für den konkreten Streitfall seien dagegen keine Feststellungen getroffen worden. Ausgangspunkt für die Auffassung des Beklagten sei damit die durch „nichts“ belegte Unterstellung, dass der festgestellte Sachverhalt bei anderen Firmen auf den hiesigen Streitfall übertragbar sei. Die Voraussetzungen für einige steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen seien im Streitfall indes objektiv erfüllt. Die Mobiltelefone seien durch eine Spedition in das übrige Gemeinschaftsgebiet (Belgien) versendet worden. Dazu lägen dem Beklagten die entsprechenden CMR-Frachtbriefe vor, wonach die Mobiltelefone von Speditionslagern im Inland (der AA GmbH in …, bzw. der BB in …) in ein anderes Speditionslager in Belgien versandt worden seien. Zum Beweis werde hierzu auf die von der Klägerin eingereichte tabellarische Aufstellung verwiesen. Abnehmer sei die U und folglich ein Unternehmen i. S. d. § 2 UStG gewesen. Der Erwerb habe somit in einem anderen Mitgliedsstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterlegen, da in Belgien – oder bis zum Nachweis über die Besteuerung in Belgien: in Spanien, § 3d Satz 2 UStG – ein innergemeinschaftlicher Erwerb zu versteuern gewesen sei. Bei der Auslegung von § 6a UStG sei zu berücksichtigen, dass es sich bei den Nachweispflichten der Klägerin entgegen der Auffassung des Beklagten nach der Rechtsprechung des EuGH weder um einen objektiven, noch um einen „schlüssigen“ Nachweis des Grenzübertritts selbst handeln müsse (Bl. 82 Gerichtsakte mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Der Belegnachweis sei erfüllt. Die Klägerin habe diesen durch- das Doppel der Rechnung,- durch einen Beleg entsprechend § 10 Abs. 1 UStDV (hier: CMR-Frachtbrief)erfüllt. Zum Beweis für die Erfüllung des Belegnachweises verweist die Klägerin auf Kopien der Ausgangsrechnungen und CMR-Briefe in einem Beweismittelordner des Beklagten. Auch sei der Buchnachweis erfüllt. Die Klägerin habe die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer gegenüber dem Abnehmer abgefragt, erfasst und diese zeitnah durch einfache Bestätigungsabfragen auf deren Gültigkeit überprüft. Zum Beweis hierfür werde ebenfalls auf einen Beweismittelordner des Beklagten verwiesen. Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass die Nachweise keine materielle Voraussetzung für die Gewährung der Steuerbefreiung seien (Bl. 83, 84 Gerichtsakte mit Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH). Vorliegend habe die Klägerin von dem Abnehmer bei Geschäftsanbahnung eine Bescheinigung über die Gewerbeanmeldung, eine Eintragung im für den Abnehmer zuständigen Register sowie die Bescheinigung über die Identifikationsnummer erhalten. Zum Beweis werde erneut auf den Beweismittelordner des Beklagten verwiesen. Das Fehlen der IMEI-Nummern sei für die Rechnungslegung nicht erforderlich und biete auch keinen Hinweis darauf, dass der Unternehmer wusste oder wissen konnte oder hätte wissen müssen, dass er mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt sei, der in einen Umsatzsteuerbetrug einbezogen sei. Unabhängig davon, dass eine solche Sichtweise alle Unternehmer kriminalisieren würde, seien vorliegend keine Feststellungen getroffen, dass die Klägerin eine solche Kenntnis hatte oder hätte haben müssen. Dass die Ausgangsrechnungen von der V bezahlt worden seien, biete ebenfalls keinen Hinweis darauf, wenn dies durch den Abnehmer im Vorwege bereits angekündigt worden sei. Das gegen den Vertreter der Klägerin eingeleitete Steuerstrafverfahren wegen Umsatzsteuerhinterziehung sowie der gewerbs- und bandenmäßigen Steuerhinterziehung sei zwischenzeitlich wohl nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Danach ergäben sich keine „zahlreichen“ Anhaltspunkte für die Einbeziehung in ein Umsatzsteuer-Karussell. Der Beklagte lege lediglich dar, dass aufgrund der späteren Erkenntnisse der britischen und deutschen Steuerbehörden eine Lieferkette darzustellen sei, die Anhaltspunkte für einen Mehrwertsteuerbetrug böten. Indes ergebe sich aus der späteren Erkenntnis nicht, dass der Vertreter der Klägerin bei Ausführung der Umsätze über den gleichen Kenntnisstand verfügt habe. Mit Schreiben vom 25. November 2015 ergänzt die Klägerin ihren Vortrag unter Bezugnahme auf die am selben Tag eingereichten Unterlagen, dahingehend dass der Belegnachweis erbracht sei. Die Geschäftsbeziehungen der Klägerin zu Lieferanten nach Großbritannien habe ihre Ursache darin gehabt, dass sich dort seinerzeit der größte Handelsplatz für Mobiltelefone befunden habe; daher seien auch die Geschäfte in britischen Pfund abgewickelt, um Währungsrisiken zu vermeiden. Die Klägerin sei dem jeweiligen Angebot / der jeweiligen Nachfrage nachgegangen und habe die Lieferungen vertraglich vereinbart. Dabei habe sie keine Warenbestände aufgebaut, sondern die Ware erst erworben, nachdem sie einen konkreten Abnehmer gehabt habe. Die Waren seien nach Eingang im Warenlager durch einen von der U beauftragten Frachtführer bei dem Lageristen der Klägerin abgeholt und an den Bestimmungsort in Belgien verbracht worden. Um Forderungsausfälle zu vermeiden, habe der Zahlungsverkehr in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Freigabe der Kunden gestanden. Die U habe bei Geschäftsanbahnung eine Zahlung durch die V angekündigt, weil sie – die U – Forderungen gegenüber der V gehabt habe. Durch die direkte Überweisung der V habe der Zahlungsweg verkürzt werden können; die Klägerin selbst habe keine direkten Kontakte zu dieser Firma gehabt. Die Koordination der Transaktionen sei vorwiegend telefonisch oder per Fax / Email erfolgt. Soweit der Beklagte der Klägerin eine Kenntnis bzw. ein Kennenmüssen von einer Einbindung in eine Steuerhinterziehung vorwerfe, sei dies zurück zu weisen. Hierzu werde zunächst auf das Urteil des EuGH vom 22. Oktober 2015 (C-277/14) verwiesen. Es sei bis heute und nach über zehn Jahren Ermittlungsarbeit weder bzgl. des „Deal 1“ und „Deal 2“, noch bzgl. der anderen Transaktionen klar, ob überhaupt eine Steuerhinterziehung vorgelegen habe. Konkrete Ergebnisse der ausländischen Steuerbehörden seien nicht bekannt; die bloße Bezeichnung als sog. „missing trader“ reiche für eine Feststellung der Hinterziehung nicht aus. Zudem gäben die Schaubilder keinerlei Rückschlüsse auf eine Kenntnis bzw. ein Kennenmüssen der Klägerin. Insbesondere habe die Klägerin über die Höhe der Verkaufspreise – namentlich die Höhe der Gewinnaufschläge (Verweis auf die Anlage K1, Bl. 183 Gerichtsakte) – frei entscheiden können, soweit der Kunde gewillt gewesen sei, den Preis zu zahlen. Wenn die Preisakzeptanz der U durch Dritte fremdbestimmt gewesen sein sollte, sei nicht ersichtlich, wie die Klägerin dies hätte wahrnehmen können. Dies gelte umso mehr, als der behauptete Mehrwertsteuerbetrug angeblich auf der Ebene des fünften Vorlieferanten eingetreten sein soll. Schließlich sei Vertrauensschutz zu gewähren (Verweis auf Rechtsprechung des EuGH / BFH). Auf das Schreiben der Klägerin vom 25. November 2015 wird im Übrigen Bezug genommen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 9. Dezember 2015 hat die Klägerin ergänzend vorgetragen, dass es auf eine Datumsangabe im Feld 4 der CMR-Frachtbriefe nicht ankommen könne, weil jeweils zumindest das Ausstelldatum der Briefe angegeben worden sei. Da es sich im Streitfall um Abholfälle gehandelt habe, entspreche das Ausstelldatum dem in Feld 4 einzutragenden Datum, sodass die Eintragung in Feld 4 entbehrlich gewesen sei. Hinsichtlich zeitlicher Differenzen zwischen der Rechnungsausstellung und der (Weiter-)Lieferung von Waren durch die Klägerin erläutert diese, dass es durchaus gelegentlich Lieferschwierigkeiten gegeben, die Klägerin daher weiterfakturierte Waren verspätet erhalten und sich der Weitertransport folglich verzögert habe. Andererseits sei es auch vorgekommen, dass bereits angelieferte Waren nicht unverzüglich weiter geliefert, sondern vorübergehend gelagert worden seien. Zweifel am Vorliegen der Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung folgten aus der bloßen zeitlichen Differenz zwischen der Rechnungslegung und der Warenlieferung damit nicht.

Die Klägerin beantragt,den Bescheid für 2003 über Umsatzsteuer vom 2. Januar 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Juli 2010 dahingehend zu ändern, dass statt Lieferungen und sonstigen Leistungen zu 16 % in Höhe von 22.288.293,00 € nach § 4 Nr. 1 Buchstabe b i. V. m. § 6a UStG steuerbefreite Lieferungen in Höhe von 25.854.419,00 € zugrunde gelegt werden und die Umsatzsteuer um 3.566.126,00 € niedriger festgesetzt wird,hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,die Klage abzuweisen.

Er verweist zunächst auf die Einspruchsentscheidung sowie auf das BFH-Urteil vom 17. Februar 2011 (V R 30/10) wonach innergemeinschaftliche Lieferungen umsatzsteuerpflichtig seien, wenn der Unternehmer die Identität seines Abnehmers verschleiere, um diesem die Hinterziehung der geschuldeten Umsatzsteuern zu ermöglichen. Der Beleg- und Buchnachweis sei nicht geführt. Aufgrund der personenbezogenen Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG setze die Steuerfreiheit insbesondere voraus, dass der Unternehmer nachweise, wer Abnehmer der Lieferung sei. Aufgrund der zutreffenden Angaben des Leistenden müsse die Person des Abnehmers (Erwerbers) der Lieferung bekannt sein, da sonst das Ziel, Steuereinnahmen dadurch auf den Bestimmungsmitgliedstaat zu verlagern, nicht erreicht werden könne (Verweis auf BFH-Rechtsprechung). Bei der U habe es sich aber um einen Missing Trader gehandelt, was auch ohne Weiteres erkennbar gewesen sei. Aufgrund sehr hohen Umsatzvolumens und der Stammkundeneigenschaft der U seien diesbezüglich erhöhte Anforderungen an die Klägerin bezüglich der Prüfungspflicht zu stellen gewesen. Dies folge auch aus der Handy-Bestellung vom 6. August 2003, in welcher der Name der U unterschiedlich geschrieben worden sei. Die CMR-Frachtbriefe seien als Versendungsbelege nicht anzuerkennen. Nach den Prüfungsfeststellungen seien die Waren stets auf eigene Kosten von Speditionslagern in Großbritannien abgeholt, auf das europäische Festland transportiert und umgehend wieder in Speditionslager nach Großbritannien verbracht worden. Die Klägerin habe die Mobiltelefone durch eine Spedition nach … (Inland) bringen lassen; dies folge aus den CMR-Frachtbriefen auf Blatt 269 bis 275 des Aktenordners. Die hinsichtlich der Versendungswege eingereichten CMR-Frachtbriefe lägen ausschließlich in Kopie vor und könnten bereits deswegen nicht anerkannt werden. Der Geschäftsführer habe seinerzeit die Transportdokumente per Fax erhalten und im Rahmen der Prüfung auch ausschließlich Fax-Unterlagen vorgelegt. In diesem Zusammenhang werde darauf hingewiesen, dass ein von der Klägerin mehrfach angeführter Beweismittelordner nicht existiere. Da als Empfänger der Ware nicht der Kunde, sondern stets nur ein ausländisches Speditionslager bezeichnet gewesen sei, seien die CMR-Frachtbriefe den einzelnen Transaktionen nicht zuordenbar. Die Identität von Absender und Empfänger der Waren gingen aus den Frachtpapieren nicht hervor. Bestünden ernstliche Zweifel an der tatsächlichen grenzüberschreitenden Warenbewegung und fehle in Feld 24 die Empfangsbestätigung des Abnehmers, sei der liefernde Unternehmer verpflichtet, den erforderlichen Nachweis der grenzüberschreitenden Warenbewegung durch andere geeignete Unterlagen nachzuweisen. Dies sei hier nicht geschehen; vielmehr sei die Ware ungeprüft übernommen (Content unchecked). Von einer Verschaffung der Verfügungsmacht könne diesbezüglich aufgrund der ungenügenden Transportdokumente nicht ausgegangen werden. Ob die Ware also tatsächlich den Rechnungslegungen entsprechend über die EU-Grenzen nach Belgien transportiert worden sei, könne nicht festgestellt bzw. nachgewiesen werden. Auch sei nicht plausibel, warum die Bezahlung durch die V erfolgt sei. Zudem habe der auf der Rechnung ausgewiesene Euro-Betrag nie dem tatsächlichen Umrechnungskurs entsprochen. Eine Bezahlung durch den Kunden in Euro hätte zu einem Verlust geführt. Die vom Prüfer lückenlos ermittelten Geldströme innerhalb der Lieferkette machten deutlich, dass die Abwicklung nur bei einer Einweihung aller Beteiligten habe funktionieren können. Jeder Beteiligte in der Lieferkette habe wissen müssen, an wen und in welcher Höhe er weiter zu fakturieren gehabt habe. Dies sei folglich auch der Klägerin bewusst gewesen. Ein Gutglaubensschutz komme nicht in Betracht. Dieser scheitere schon am mangelnden Belegnachweis. Im Übrigen habe das Verhalten der Klägerin nicht dem eines ordentlichen Geschäftsmanns entsprochen. Aufgrund des hohen Absatzvolumens, der kurzen Gültigkeit der Umsatzsteuernummer sowie der Bezahlung durch die V hätten sich Zweifel am Vorliegen der Voraussetzung für eine Steuerbefreiung aufdrängen müssen.

Der Berichterstatter hat der Klägerin mit Verfügung vom 15. Januar 2014 eine Frist mit ausschließender Wirkung bis zum 14. März 2014 gemäß § 79b Abs. 1 Satz 1 FGO gesetzt. Auf den Inhalt dieser mit vollem Namenszug unterschriebenen Verfügung, welche der Klägerin am 17. Januar 2014 zugestellt wurde, wird Bezug genommen. Er hat am 5. Oktober 2015 mit den Beteiligten einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage durchgeführt; auf das Protokoll zu diesem Termin wird verwiesen. Der Vorsitzende hat der Klägerin gemeinsam mit der Terminsladung vom 2. November 2015 eine Frist mit ausschließender Wirkung zum 25. November 2015 gem. § 79b Abs. 2 Nr. 2 FGO gesetzt. Auf den Inhalt dieser mit vollem Namenszug unterschriebenen und am 5. November 2015 zugestellten Verfügung wird verwiesen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Denn das Finanzamt ging zu Recht davon aus, dass die streitgegenständlichen steuerbaren (dazu I.)) Umsätze nicht als innergemeinschaftliche Lieferungen gem. § 4 Nr. 1 Buchstabe b i. V. m. § 6a UStG steuerfrei waren (dazu II.)).

I.)

Die Klägerin hat als Unternehmerin i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG mit den streitgegenständlichen Lieferungen steuerbare Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausgeführt. Dem stünde auch eine Beteiligung der Klägerin (als sog. „In Out Buffer“) an einem Umsatzsteuer-Karussell nicht entgegen. Zwar hatte der erkennende Senat in seiner zum Aktenzeichen 4 V 40/05 ergangenen Entscheidung unter Berufung auf den BFH-Beschluss vom 29. November 2004 (V B 78/04, BStBl II 2005, 535) noch ernstliche Zweifel daran, ob ein sog. „In Out Buffer“ eine „wirtschaftliche Tätigkeit“ – und damit eine steuerbare Tätigkeit – im Sinne der 6. Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG – Richtlinie 77/388/EWG – ausübe. Jedoch lag dem BFH-Beschluss vom 29. November 2004 der Umstand zugrunde, dass dem Gerichtshof der Europäischen Union –EuGH– seinerzeit Vorabentscheidungsersuchen vorlagen (C-354/03 und C-355/03), bei deren Beantwortung es der BFH für möglich hielt, dass der EuGH im Falle von Umsatzsteuer-Karussellen das Vorliegen einer „wirtschaftlichen Tätigkeit“ ablehnen könnte. Der EuGH hat diese Aussage indes nicht getroffen, sondern in den dort entschiedenen Fällen unter Hinweis auf den weiten Anwendungsbereich der Richtlinie das Vorliegen einer „wirtschaftlichen Tätigkeit“ bejaht (vgl. EuGH-Urteil vom 12. Januar 2006, C-354/03, C-355/03, HFR 2006, 318). Denn bei einer Analyse der Definition des Begriffs der „wirtschaftlichen Tätigkeiten“ werde deutlich, dass sich der Begriff auf einen weiten Bereich erstrecke, und dass es sich dabei um einen objektiv festgelegten Begriff handle, da die Tätigkeit an sich – unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis – betrachtet werde. Auch in späteren Entscheidungen hat der EuGH die Steuerbarkeit von Lieferungen im Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehungen angenommen und – bei vorausgesetzter Steuerbarkeit – die Steuerfreiheit der Lieferungen in diesen Fällen negiert (EuGH-Urteile vom 7. Dezember 2010, C-285/09, HFR 2011, 231; vom 18. Dezember 2014, C-131/13, C-163/13 und C-164/13, HFR 2015, 203). Eine Beteiligung der Klägerin an einem Umsatzsteuer-Karussell stünde damit der Steuerbarkeit der Lieferungen nicht entgegen.

II.)

Die Lieferungen sind nicht als innergemeinschaftliche Lieferungen gem. § 4 Nr. 1 Buchstabe b i. V. m. § 6a UStG steuerfrei.

1.)

Gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei der Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,        2. der Abnehmer ist        a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oderc) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber        und             3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedsstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung.Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchstabe a unter Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG (jetzt Art. 131 und 138 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem - Mehrwertsteuersystemrichtlinie -). Steuerfrei sind danach unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der Befreiung sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen, „die Lieferungen von Gegenständen, die durch den Verkäufer, den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Art. 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nicht steuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedsstaat als dem des Beginns der Versendung oder Beförderung der Gegenstände handelt“.

Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i. V. m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung – UStDV – unter Berücksichtigung der von den Mitgliedsstaaten nach dem Einleitungssatz der Befreiungsvorschrift festgelegten Bedingungen nachzuweisen (vgl. BFH-Beschluss vom 22. Juli 2015, V R 23/14, DStR 2015, 2073).

Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des EuGH. Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einem gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn sich die Beweise als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, und er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos u. a., Slg. 2007, I-7797; vgl. auch BFH-Urteil vom 25. April 2013, V R 28/11, BFHE 242, 77, BStBl. II 2013, 656).

Soweit die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung nach § 6a Abs. 1 UStG vorliegen, kommt eine Steuerfreiheit ungeachtet des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen nach der Rechtsprechung des EuGH indes nicht in Betracht, wenn der Lieferer bei der Lieferung die Identität des Warenerwerbers verschleiert hat, um diesem zu ermöglichen, die Mehrwertsteuer zu hinterziehen (EuGH-Urteil vom 7. Dezember 2010, C-285/09, HFR 2011, 231). In Erweiterung dieser Rechtsprechung hat der EuGH darüber hinaus entschieden, dass eine Steuerbefreiung versagt werden muss, sofern anhand objektiver Umstände nachgewiesen ist, dass der Lieferer wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich durch den Umsatz, auf den er sich zur Begründung der betreffenden Steuerfreiheit beruft, an einer im Rahmen einer Lieferkette begangenen Mehrwertsteuerhinterziehung beteiligt hat (EuGH-Urteil vom 18. Dezember 2014, C-131/13, C-163/13 und C-164/13, HFR 2015, 203).

2.)

Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen den objektiven Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG, den gemäß § 6a Abs. 3 UStG bestehenden Nachweispflichten, der Steuerfreiheit aufgrund der Gewährung von Vertrauensschutz im Hinblick auf unrichtige Abgaben des Abnehmers, sowie der Verwehrung einer Steuerbefreiung aufgrund der Beteiligung an einer der Mehrwertsteuerhinterziehung dienenden Lieferkette gilt nach der Rechtsprechung des BFH folgendes (vgl. BFH-Urteil vom 25. April 2013, V R 28/11, BStBl. II 2013, 656 m.w.N.):

Sofern der Unternehmer die Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i. V. m. §§ 17a ff. UStDV erfüllt, kann er grundsätzlich die Steuerfreiheit für eine innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009, V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl. II 2010, 511).

Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i. V. m. §§ 17a ff. UStDV nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist zunächst von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen (BFH-Urteil vom 25. April 2013, V R 28/11, BFHE 242, 77, BStBl. II 2013, 656 m. w. N.).

Trotz derartiger Mängel bei der Erfüllung der Nachweispflichten ist die Lieferung aber dennoch steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil vom 25. April 2013, V R 28/11, BFHE 242, 77, BStBl. II 2013, 656 m. w. N.).

Selbst wenn die formalen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung erfüllt sind (Beleg- und Buchnachweis) oder wenn objektiv zweifelsfrei bewiesen wird oder feststeht, dass die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung vorliegen, ist die Steuerbefreiung dennoch ausgeschlossen bei einer Täuschung über den wahren Abnehmer bzw. einer Verschleierung seiner Identität, wodurch die Besteuerung des Erwerbs im Bestimmungsland verhindert wird (EuGH-Urteil vom 7. Dezember 2010, C-285/09, HFR 2011, 231), oder, wenn der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich durch den Umsatz, auf den er sich zur Begründung des betreffenden Rechts beruft, an einer im Rahmen einer Lieferkette begangenen Mehrwertsteuerhinterziehung beteiligt hat (vgl. BFH-Beschluss vom 24. Juni 2014, XI B 45/13, BFH/NV 2014 1584, EuGH-Urteil vom 18. Dezember 2014, C-131/13, C-163/13 und C-164/13, HFR 2015, 203).

Hat der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG i. V. m. §§ 17a ff. UStDV bestehende Nachweispflichten ihrer Art nach erfüllt (formelle Vollständigkeit, vgl. dazu BFH-Urteil vom 26. November 2014, XI R 37/12, BFH/NV 2015, 358), kommt auch bei Nichtvorliegen der objektiven Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 UStG eine Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG in Betracht. Voraussetzung hierfür ist, dass kein Ausschluss aufgrund des Zusammenhangs mit einer Mehrwertsteuerhinterziehung vorliegt und zudem die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteil vom 25. April 2013, V R 28/11, BFHE 242, 77, BStBl. II 2013, 656 m. w. N.).

3.)

Im Streitfall scheidet eine Steuerfreiheit aus, da                  -    der Beleg- und Buchnachweis nicht vollständig erbracht ist (dazu a.)),-    es somit dahinstehen kann, ob die inhaltliche Richtigkeit der Nachweisangaben (zudem) mit berechtigten Zweifel belegt sind (dazu b.)),-    der objektive Nachweis einer Steuerbefreiung nicht geführt ist (dazu c.)) und-    eine Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG nicht in Betracht kommt (dazu d.));-    damit kann auch das Vorliegen eines schädlichen Zusammenhangs mit einer Mehrwertsteuerhinterziehung dahinstehen (dazu e.)).a.) Beleg- und Buchnachweis  

Die Klägerin kann eine Steuerfreiheit nicht aufgrund eines Beleg- und Buchnachweises nach § 6a Abs. 3 UStG i. V. m. §§ 17a ff. UStDV in der im Streitjahr der geltenden Fassung (a.F.) in Anspruch nehmen. Die unionsrechtliche Befugnis zur gesetzlichen Anordnung eines Beleg- und Buchnachweises ergibt sich aus dem Einleitungssatz von Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG wonach die innergemeinschaftliche Lieferung nur "unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen", steuerfrei ist (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 2015, V R 14/14, DStR 2015, 1917). Im Streitfall mangelt es an einer formellen Vollständigkeit der insoweit erforderlichen Nachweise.

aa.) Belegnachweis

§ 17a Abs. 4 UStDV a.F. hat folgenden Wortlaut:

(1) Bei innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 6a Abs. 1 des Gesetzes) muss der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung durch Belege nachweisen, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat. Dies muss sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben.        (2) In den Fällen, in denen der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, soll der Unternehmer den Nachweis hierüber wie folgt führen:        1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),        2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,        3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie        4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstandes durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern.(3) Wird der Gegenstand der Lieferung vom Unternehmer oder Abnehmer im gemeinschaftlichen Versandverfahren in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, kann der Unternehmer den Nachweis hierüber abweichend von Absatz 2 auch wie folgt führen:        1. durch eine Bestätigung der Abgangsstelle über die innergemeinschaftliche Lieferung, die nach Eingang des Rückscheins erteilt wird, sofern sich daraus die Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet ergibt, oder        2. durch eine Abfertigungsbestätigung der Abgangsstelle in Verbindung mit einer Eingangsbescheinigung der Bestimmungsstelle im übrigen Gemeinschaftsgebiet.        (4) In den Fällen, in denen der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet versendet, soll der Unternehmer den Nachweis hierüber wie folgt führen:        1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes) und        2. durch einen Beleg entsprechend § 10 Abs. 1.        Ist es dem Unternehmer nicht möglich oder nicht zumutbar, den Versendungsnachweis nach Satz 1 zu führen, kann er den Nachweis auch nach Absatz 2 oder 3 führen.Nach diesen Vorschriften ist für den Belegnachweis zwischen der Beförderung durch den Unternehmer oder den Abnehmer (Abs. 2) und der Versendung durch den Unternehmer oder den Abnehmer (Abs. 4) zu unterscheiden. Befördern ist dabei gemäß § 3 Abs. 6 Satz 2 UStG jede Fortbewegung eines Gegenstandes. Eine Versendung liegt nach § 3 Abs. 6 Satz 3 UStG vor, wenn jemand – wie im Streitfall – die Beförderung durch einen selbstständigen Beauftragten ausführen oder besorgen lässt (vgl. BFH-Urteil vom 12. Mai 2009, V R 65/06, BStBl. II 2010, 511). § 10 Abs. 1 Satz 1 UStDV a.F., auf den der hier einschlägige § 17a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStDV a.F. verweist, hat folgenden Wortlaut:

(1) In den Fällen, in denen der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet versendet hat (Versendungsfälle), soll der Unternehmer den Ausfuhrnachweis regelmäßig wie folgt führen:        1. durch einen Versendungsbeleg, insbesondere durch Frachtbrief, Konnossement, Posteinlieferungsschein oder deren Doppelstücke, oder        2. durch einen sonstigen handelsüblichen Beleg, insbesondere durch eine Bescheinigung des beauftragten Spediteurs oder durch eine Versandbestätigung des Lieferers. Der sonstige Beleg soll enthalten:        a) den Namen und die Anschrift des Ausstellers sowie den Tag der Ausstellung,b) den Namen und die Anschrift des Unternehmers sowie des Auftraggebers, wenn dieser nicht der Unternehmer ist,c) die handelsübliche Bezeichnung und die Menge des ausgeführten Gegenstandes,d) den Ort und den Tag der Ausfuhr oder den Ort und den Tag der Versendung in das Drittlandsgebiet,e) den Empfänger und den Bestimmungsort im Drittlandsgebiet,f) eine Versicherung des Ausstellers, dass die Angaben in dem Beleg auf Grund von Geschäftsunterlagen gemacht wurden, die im Gemeinschaftsgebiet nachprüfbar sind,g) die Unterschrift des Ausstellers.        (2) Ist es dem Unternehmer in den Versendungsfällen nicht möglich oder nicht zumutbar, den Ausfuhrnachweis nach Absatz 1 zu führen, so kann er die Ausfuhr wie bei den Beförderungsfällen (§ 9) nachweisen.Im Streitfall mangelt es für einen vollständigen Belegnachweis daran, dass die hierfür erforderlichen Rechnungsdoppel nicht die Voraussetzungen der §§ 1414a UStG a.F. (dazu (1.)) und die vorgelegten CMR-Frachtbriefe nicht die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV erfüllen (dazu (2.)).

(1.) Gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 6 UStG a.F. muss die Rechnung den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag enthalten. Führt der Unternehmer steuerfreie Lieferungen i. S. d. § 6a UStG aus, so ist er gemäß § 14a Satz 1 UStG a.F. zudem zur Aufstellung von Rechnungen verpflichtet, in denen er auf die Steuerfreiheit als innergemeinschaftliche Lieferung hinweist. Bereits vor der Neuregelung der §§ 14, 14a UStG 1999 durch das Steueränderungsgesetz 2003 vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645) war der Unternehmer, der steuerfreie Lieferungen i.S. des § 6a UStG ausführte, seit 1993 gemäß § 14a Abs. 1 UStG zur Ausstellung von Rechnungen verpflichtet, in denen er auf die Steuerfreiheit hinweist (vgl. BFH-Urteil vom 14. November 2012, XI R 8/11, BFH/NV 2013, 596 mit Verweis auf BFH-Urteil vom 12. Mai 2011, V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957 und vom 12. Februar 2012, XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188). Mit einer Rechnung, die keinen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung enthält, kann der Unternehmer den gemäß § 17a UStDV a.F. erforderlichen Belegnachweis für eine innergemeinschaftliche Lieferung nicht führen. Zu den Maßnahmen, die danach zulässigerweise vom Unternehmer gefordert werden können, gehört auch die Erteilung einer Rechnung, die auf das Vorliegen der innergemeinschaftlichen Lieferung und deren Steuerfreiheit hinweist. Ohne derartige Rechnung ergibt sich für den Abnehmer der Lieferung kein Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und der hiermit verbundenen Verpflichtung zur Vornahme der Erwerbsbesteuerung. Das Rechnungsdoppel dient dabei dadurch dem Nachweis der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG, weil sich aus ihm ergeben soll, dass es sich bei der Lieferung um eine innergemeinschaftliche Lieferung handelt, die zusammen mit dem innergemeinschaftlichen Erwerb zu einem innergemeinschaftlichen Umsatz gehört, weil es bezweckt, die Steuereinnahmen auf den Mitgliedsstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt (vgl. BFH-Urteil vom 14. November 2012, XI R 8/11, BFH/NV 2013, 596 m.w.N.). Der Hinweis auf eine innergemeinschaftliche Lieferung muss dabei mit hinreichender Deutlichkeit erfolgen; ein auf der Rechnung befindlicher Vermerk „VAT@zero for export“ genügt diesen Anforderungen beispielsweise nicht (BFH-Urteil vom 14. November 2012, XI R 8/11, BFH/NV 2013, 596, HFR 2013, 336). Ein diesen Anforderungen entsprechender Hinweis findet sich auf den von der Klägerin eingereichten Rechnungen nicht. Denn dort ist unter der Gesamtsumme lediglich die Frachtkost (0,00) sowie die Mehrwertsteuer („VAT“ mit 0,00) ausgewiesen. Dies reicht für einen Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nach den o.g. Grundsätzen nicht aus.

Der Senat kann dahinstehen lassen, ob es zudem schädlich ist, dass die Rechnung keinen gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG a.F. erforderlichen Hinweis auf den Zeitpunkt der Lieferung enthält. Nach dieser Vorschrift war der Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung stets anzugeben und zwar auch dann, wenn dieser Zeitpunkt mit dem Rechnungsdatum übereinstimmte (vgl. Korn in: Bunjes, UStG, 11. Aufl., § 14 Rdnr. 87). Soweit der Unternehmer wie im Streitfall das Entgelt oder einen Teil des Entgelts für eine noch nicht ausgeführte Leistung vereinnahmte, galt § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG a.F. sinngemäß (§ 14 Abs. 1 Satz 4 UStG a. F.). In solchen Fällen war der voraussichtliche Zeitpunkt, jedenfalls aber der voraussichtliche Kalendermonat der Leistung (§ 31 Abs. 4 UStDV a.F.) anzugeben (Zeuner in Bunjes, UStG, 7. Auflage 2003, § 14 Rn. 60). Etwaige Angaben zum beabsichtigten Leistungszeitpunkt sind der Rechnung nicht zu entnehmen; auch finden sich keine hinreichenden Angaben auf anderen – in der Rechnung in Bezug genommenen – Unterlagen (vgl. § 31 Abs. 1 UStDV a.F.).

(2.) Die aktenkundigen CMR-Frachtbriefe erfüllen – wobei es darauf für die Frage der formellen Vollständigkeit des Belegnachweises aus den unter (1.) Gründen nicht mehr ankommt – nicht die Belegvoraussetzungen des § 17a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStDV a.F. i.V.m. § 10 Abs. 1 UStDV a.F.. Danach soll der Unternehmer im Versendungsfalle den Ausfuhrnachweis durch einen Versendungsbeleg, insbesondere durch Frachtbrief, Konnossement, Posteinlieferungsschein oder deren Doppelstücke beweisen, oder durch einen sonstigen handelsüblichen Beleg, welcher die Angaben des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchstabe a) bis g) a.F. enthalten soll. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen dabei eindeutig und leicht nachprüfbar zu ersehen sein (§ 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV a.F.). Bei einer Versendung durch einen selbstständigen Beauftragten kann der Belegnachweis nach § 17a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. § 10 Abs. 1 UStDV a.F. auch durch einen CMR-Frachtbrief geführt werden. Das ist ein Frachtbrief, der nach den Regeln des Übereinkommens vom 19. Mai 1956 über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR von französisch: Convention relative au contrat de transport international de marchandises par route) ausgestellt wurde. Er wird grundsätzlich anerkannt, da die Regelungen des CMR-Übereinkommens weitgehend denen zum Frachtgeschäft nach § 407 ff. des Handelsgesetzbuches – HGB – entsprechen (Frye in: Rau-Dürrwächter-Flick-Geist, UStG, § 6a (April 2014) Rdnr. 649 m. w. N.). CMR-Frachtbriefe sind jedoch nur als Versendungsbeleg anzuerkennen, wenn sie die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV bezeichneten Angaben enthalten (vgl. BFH-Urteile vom 22. Juli 2015, V R 38/14; DStR 2015, 2069 m.w.N.; vom 17. Februar 2011, V R 28/10, BFH/NV 2011, 1448).

Unschädlich ist insoweit die nicht unterschriebene Empfangsbestätigung des Empfängers in Feld 24 (teilweise auch Feld 16) der Frachtbriefe, in denen sich jeweils lediglich der gedruckte Name des Speditionslagers befindet. Denn diese Bestätigung ist – da nicht in § 10 Abs. 1 Nr. 2 a) bis g) UStDV a.F. genannt – für einen Belegnachweis nicht erforderlich (BFH-Urteil vom 17. Februar 2011, V R 28/10, BFHE 233, 331 m.w.N.). Auch die Unterschrift des Auftraggebers des Frachtführers ist nach der Rechtsprechung des BFH nicht vonnöten (BFH-Urteil vom 17. Februar 2011, V R 28/10, BFHE 233, 331 m.w.N.). Denn auch auf eine derartige Unterzeichnung verzichtet § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV a.F., sodass kein Grund ersichtlich ist, die steuerrechtliche Anerkennung als Versendungsbeleg hiervon abhängig zu machen. Im Gegensatz dazu wird indes die Angabe des Ortes und Tages der Ausfuhr / Versendung in § 10 Abs. 1 Nr. 2 d) UStDV a.F. ausdrücklich benannt, sodass diese Angabe für den vollständigen Belegnachweis vonnöten ist (vgl. auch BFH-Urteil vom 14. November 2012, XI R 8/11, BFH/NV 2013, 596). Das Feld 4 ist in den eingereichten CMR-Frachtbriefen nicht mit einem solchen Datum versehen, sondern weist nur den Ort und die Bezeichnung des Speditionslagers in Belgien aus. Entgegen der klägerischen Ansicht genügen insoweit auch nicht die Angaben in Feld 21 (teilweise Feld 12), wo das jeweilige Ausstelldatum der CMR-Frachtbriefe benannt wird. Denn zunächst handelt es sich dabei ausdrücklich gerade nicht um das Versendungsdatum, sondern um das Ausstelldatum, und es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass dieses Datum notwendig dem Versendungsdatum entsprechen muss. Insbesondere spricht der Umstand, dass die Waren von einer durch die U beauftragten Firma transportiert wurden, nicht dafür, dass sich die Daten entsprechen müssen; denn es ist kein Grund ersichtlich, warum die Spedition notwendig und immer die Frachtbriefe am Tage der Versendung ausgestellt haben sollte. Im Gegenteil sprechen die Umstände, dass die Frachtbriefe in …. (und nicht in …) ausgestellt wurden, und dass die Ausstelldaten teilweise vor dem Datum lagen, an welchem die Waren im deutschen Frachtlager angekommen sind, vielmehr dafür, dass die Ausstelldaten gerade nicht den Versendungsdaten entsprachen (vgl. etwa Rechnung vom 26. Oktober 2003: Ankunft der Ware in …(Inland) laut „Prealert“ vom 29. Oktober am selben Tag, also dem 29. Oktober / Ausstelldatum CMR für den Weitertranssport nach Belgien bereits am 28. Oktober; Rechnung vom 25. Oktober: „Prealert“ vom 27. Oktober kündigt Waren zum 25. Oktober an / Ausstelldatum CMR ist der 24. Oktober; ähnlich auch Rechnungen vom 24. Oktober, 23. Oktober). Hinzu tritt, dass das Feld 4 teilweise (außer bei den zwischen dem 23. Und 29. Oktober verwendeten CMR-Vordrucken) auch insoweit fehlerhaft ausgefüllt war, als darin der Ort und Tag der Übernahme des Gutes zu bezeichnen und somit das Speditionslager in Deutschland – und nicht, wie geschehen, das Lager in Belgien – anzugeben war.

bb.) BuchnachweisZum buchmäßigen Nachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen bestimmt § 17c Abs. 1 Satz 1 UStDV a. F., dass der Unternehmer bei innergemeinschaftlichen Lieferungen die Voraussetzungen der Steuerbefreiung einschließlich der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers buchmäßig nachweisen muss. Die Voraussetzungen müssen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDVa.F.). Nach Abs. 2 dieser Regelung soll der Unternehmer u. a. regelmäßig folgendes aufzeichnen:    - den Namen und die Anschrift des Abnehmers,    - den Gewerbezweig oder Beruf des Abnehmers,    - die handelsübliche Bezeichnung und die Menge des Gegenstands der Lieferung,    - den Tag der Lieferung,    - das vereinbarte Entgelt,    - die Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet,    - den Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet.

Nach der Rechtsprechung des BFH ist unter einem Buchnachweis ein Nachweis durch Bücher oder Aufzeichnungen in Verbindung mit Belegen zu verstehen (vgl. EuGH-Vorlage des BFH vom 10. Februar 2005, V R 59/03, BStBl. II 2005, 537). Der Buchnachweis verlangt deshalb stets mehr als den bloßen Nachweis durch Aufzeichnungen oder Belege. Belege werden durch die entsprechenden – und erforderlichen – Hinweise und Bezugnahmen in den stets notwendigen Aufzeichnungen Bestandteil der Buchführung oder der gesonderten Aufzeichnungen und damit des Buchnachweises, so dass beide eine Einheit bilden (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Oktober 1979, V B 5/79, BFHE 129, 226; vgl. auch Robisch in: Bunjes, UStG, § 6a, Rdnr. 66). Die für den buchmäßigen Nachweis erforderlichen Aufzeichnungen müssen dabei laufend und unmittelbar nach Ausführung der jeweiligen Umsätze vorgenommen werden (vgl. EuGH-Vorlage des BFH vom 10. Februar 2005, V R 59/03, BStBl. II 2005, 537). Dieses Erfordernis ergibt sich daraus, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiungsvorschrift „eindeutig und leicht nachprüfbar“ aus der Buchführung ersehen sein müssen (vgl. EuGH-Vorlage des BFH vom 10. Februar 2005, V R 59/03, BStBl. II 2005, 537; vgl. auch Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 6a, Rdnr. 86).

Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, der Buchnachweis sei erfüllt, weil sie die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer gegenüber dem Abnehmer abgefragt, erfasst und diese zeitnah durch eine Bestätigungsabfrage auf deren Gültigkeit überprüft habe. Zum Beweis wurde die Kopie der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer Abfragebestätigung im Beweismittelordner des Beklagten verwiesen. Die Klägerin habe von dem Abnehmer bei der Geschäftsanbahnung zudem eine Bescheinigung über die Gewerbeanmeldung, eine Eintragung im für den Abnehmer zuständigen Register sowie die Bescheinigung über die Identifikationsnummer erhalten. Auch insoweit werde auf den Beweismittelordner verwiesen. Eine weitere Substantiierung des Vortrags erfolgte nach Hinweis im Erörterungstermin vom 5. Oktober 2015 darauf, dass hinsichtlich des Buchnachweises lediglich die erst im April 2004 – also nach den streitigen Transaktionen – erfolgte (einfache) Abfrage der Identifikationsnummer aktenkundig ist und die konkrete (zeitgerechte) buchmäßige Behandlung der einzelnen Geschäfte im Übrigen unklar ist, nicht. Die konkreten buchmäßigen Aufzeichnungen einschließlich der Bezugnahmen auf die konkreten Unterlagen sind dem Gericht damit nicht abschließend bekannt. Insofern mangelt es an einem vollständigen Buchnachweis im Sinne des § 17c UStDV a.F..

b.) Inhaltliche Zweifel am Beleg- und Buchnachweis

Die Frage, ob an der inhaltlichen Richtigkeit eines Buch- und Belegnachweis berechtigte Zweifel bestehen, die der Unternehmer nicht ausräumt, erlangt lediglich im Falle eines formell vollständigen Buch- und Belegnachweises Relevanz (vgl. BFH-Urteil vom 15. Februar 2012, XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188). Der Senat kann diese Frage angesichts der formellen Unvollständigkeit des Nachweises dahinstehen lassen.

c.) Kein zweifelsfreies Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung

Ausnahmsweise ist trotz Nichterfüllung der formellen Beleg- und Buchnachweispflichten gem. §§ 17a17c UStDV oder bei Vorliegen berechtigter Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Nachweise die Steuerbefreiung dennoch zu gewähren, wenn letztlich objektiv zweifelsfrei bewiesen wird oder feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen (BFH-Urteil vom 22. Juli 2015, V R 23/14, BStBl II 2015, 914; FG Hamburg, Urteil vom 5. Februar 2015, 3 K 46/14, EFG 2015, 1872 m. w. N.). Die Frage, ob die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 1 UStG objektiv zweifelsfrei gegeben sind, obliegt im finanzgerichtlichen Verfahren der tatrichterlichen Überzeugungsbildung (BFH-Urteil vom 26. November 2014, XI R 37/12, BFH/NV 2015, 358). Dabei hat der Verkäufer den objektiven und zweifelsfreien Beweis mit vorhandenen Beweismitteln – mit Belegen und Aufzeichnungen – zu führen (BFH-Urteil vom 19. März 2015, V R 14/14, BStBl II 2015, 912; FG Hamburg, Urteil vom 5. Februar 2015, 3 K 46/14, EFG 2015, 1872 m. w. N.; vgl. auch FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. Februar 2014, 3 K 1283/12, EFG 2014, 1166). Er hat gegensätzliche Erkenntnisse oder Indizien zu widerlegen, und er kann grundsätzlich behördliche oder gerichtliche Ermittlungen weder auf Antrag, noch von Amts wegen verlangen (BFH-Urteil vom 19. März 2015, V R 14/14, BStBl II 2015, 912; FG Hamburg, Urteil vom 5. Februar 2015, 3 K 46/14, EFG 2015, 1872 m. w. N.; vgl. auch FG Düsseldorf, Urteil vom 31. Januar 2014, 1 K 3117/12 U - Juris). Zum Vorliegen einer zweifelsfrei steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung gehört insbesondere der Beweis, wer an welchem Bestimmungsort wahrer Empfänger der jeweiligen Lieferung ist, bzw. wo und bei welchem vertraglichen Abnehmer die Lieferung tatsächlich bewirkt wurde. Auf diesen Beweis kommt es deshalb entscheidend an, weil ansonsten das Ziel nicht erreicht werden kann, Steuereinnahmen dadurch auf den Bestimmungsmitgliedstaat zu verlagern, dass der Erwerber der innergemeinschaftlichen Lieferung in diesem Mitgliedstaat Schuldner der Umsatzsteuer auf den Erwerb bzw. der Einfuhrumsatzsteuer ist (FG Hamburg, Urteil vom 5. Februar 2015, 3 K 46/14, EFG 2015, 1872 m. w. N.).Die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung setzt also voraus, dass aufgrund der zutreffenden Angaben des leistenden Unternehmers zweifelsfrei die Person des Abnehmers („Erwerbers“) dieser Lieferung bekannt ist (vgl. BFH-Urteil vom 26. November 2014, XI R 37/12, BFH/NV 2015, 358 m. w. N.). Dabei muss – neben der physischen Verbringung in einen anderen Mitgliedsstaat – die Befugnis, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, auch tatsächlich auf den (vom Lieferanten angegebenen) „Erwerber“ übergegangen sein (FG Hamburg, Urteil vom 5. Februar 2015, 3 K 46/14, EFG 2015, 1872 m. w. N.; vgl. auch BFH-Urteil vom 17. Februar 2011, V R 28/10, BFHE 233, 331, BFH/NV 2011, 1448 m. w. N.). Abnehmer (Leistungsempfänger) bei Lieferungen und damit „Erwerber“ bei innergemeinschaftlichen Lieferungen ist derjenige, dem der liefernde Unternehmer die Verfügungsmacht über den Gegenstand verschafft. Maßgeblich ist dabei, wer nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis berechtigt und verpflichtet ist. Ob diese Person – die nach dem der Lieferung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis die Verfügungsmacht erhalten soll – auch auf eigene Rechnung tätig ist, ist dabei unerheblich. Handelt zum Beispiel ein Strohmann oder Treuhänder im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung, ist daher er, nicht aber sein Auftraggeber Abnehmer. Ohne Bedeutung für die Bestimmung des Leistungsempfängers sind indes Scheingeschäfte. Solche liegen vor, wenn die Parteien eines Rechtsgeschäfts einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts nicht zwischen ihnen, sondern zwischen nur einer Vertragspartei und einem Dritten eintreten sollen. Verdeckt das Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft, ist das verdeckte Rechtsgeschäft für die Besteuerung maßgeblich (BFH-Urteil vom 17. Februar 2011, V R 28/10, BFHE 233, 331 m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen ist mit den präsenten Beweismitteln nicht zweifelsfrei belegt, ob tatsächlich die U – und nicht eine andere Gesellschaft (z.B. die V) – aus den Verkaufsverträgen wirksam berechtigt und verpflichtet wurde, und darüber hinaus, ob – selbst wenn die U schuldrechtlich berechtigt und verpflichtet gewesen sein sollte – ihr auch tatsächlich die Verfügungsmacht an den Liefergegenständen verschafft wurde.

Zwar sind die Waren ausweislich der aktenkundigen Rechnungen gegenüber der U fakturiert worden. Weitere Belege dafür, dass die U tatsächlicher Vertragspartner war und ihr die Verfügungsmacht verschafft wurde, finden sich indes nicht. Insbesondere reichen die CMR-Frachtbriefe insoweit nicht aus. Denn es ist den Frachtbriefen nicht zu entnehmen, dass der in den Frachtbriefen angegebene Empfänger – der Betreiber des Warenlagers in Belgien – von einer vertretungsberechtigten Person der U ermächtigt wurde, die Waren für diese in Empfang zu nehmen, dass er also als wirksam bevollmächtigter Empfangsvertreter der U agieren konnte und auch tatsächlich agierte. Es ist den Belegen ferner nicht zu entnehmen, was mit den Waren nach der Lieferung in das Warenlager in Belgien weiter passierte, ob diese also tatsächlich an die U – oder auf wirksame Weisung derselben an jemand anderes – herausgegeben wurden. Letztlich ist der weitere Verbleib der Waren anhand der objektiven Beleglage nicht nachvollziehbar und damit nicht zweifelsfrei belegt.

Zweifel an der Eigenschaft der U als Erwerber und Empfänger der Verfügungsmacht begründet der Umstand, dass – trotz des nicht unerheblichen Umfangs der Transaktionen – keine schriftlich fixierten Verträge mit der U vorliegen (zum ggf. erforderlichen Nachweis der Empfängeridentität durch die Vorlage von Kaufverträgen vgl. Langer in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 6a, Rz. 85.1). Dabei nutzte die Klägerin Rechnungen welche  ein Feld vorsahen, in welchem es hieß: „Please sign invoice and return ASAP“. Weiter hieß es dann: „Deal is first valid and legal closed after reception of commercial invoice from D GmbH and returned and signed PO from the customer.“ Erkennbar sollte der Kunde also zur verbindlichen Vereinbarung über die Kaufgegenstände die Rechnung in von einer vertretungsberechtigten Person unterzeichneten Form rückübersenden. Eine solche Unterzeichnung ist indessen offenbar nicht erfolgt; auch sind weder die in tatsächlicher Hinsicht für die U aufgetretenen Personen, noch deren Vertretungsmacht bekannt und durch Belege dargetan (vgl. bspw. zum Beweis der Handlungsbefugnis eines Akteures durch Vorlage einer Passkopie Langer, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 6a Rdnr. 85.1). Es ist damit unklar, wer wann und mit welcher Form der Handlungsberechtigung für die U agierte.

Hinzu kommt, dass die U ausweislich der Auskünfte der spanischen Behörden als „Missing Trader“ einzustufen ist. Zwar folgt aus der Bezeichnung als Missing Trader nicht notwendig, dass es sich bei dem Unternehmen um ein Scheinunternehmen handelt. Gleichwohl ergeben sich aus der Mitteilung der spanischen Behörden im Zusammenhang mit dem Fehlen einer klaren Vertragslage, der Unklarheit über die handelnden Personen sowie im Zusammenhang mit den weiteren Ermittlungsergebnissen der Finanzbehörde Zweifel an der tatsächlichen Abnehmerschaft der U, sowie daran, dass ihr die Verfügungsmacht übertragen wurde. So enthält die Mitteilung der spanischen Behörden u. a. die Aussage, dass hinsichtlich der U keine weiteren Informationen übersandt werden konnten, da die Firma nicht gefunden („not founded“) werden konnte. Hierzu wurde auf den im Februar 2004 angefertigten Bericht der Mitarbeiter der EE verwiesen. Es ist also zweifelhaft, ob die Gesellschaft an ihrer in der Rechnung angegebenen Adresse überhaupt ansässig oder wirtschaftlich aktiv war. Zwar ist einzuräumen, dass der Bericht der beiden Mitarbeiter vom Februar 2004 stammt, einem Zeitpunkt, der nach dem Streitzeitraum liegt. Andererseits ist festzustellen, dass die U ausweislich der Feststellungen im Steuerfahndungsbericht vom 6. November 2006 auch noch im Februar 2004 Rechnungsadressatin von Lieferungen mit einem Wert von knapp 10.000.000,00 € war. Insofern ist unklar, wer in tatsächlicher Hinsicht die Abwicklung der Transaktionen vornahm, wer nach dem Willen der Parteien tatsächlicher Vertragspartner wurde und wer die Verfügungsmacht über die Waren in tatsächlicher Hinsicht erhalten hat. Dabei kommt hinzu, dass die U die ihr gestellten Rechnungen zu keinem Zeitpunkt selber bezahlt hat. Eine derartige Regelmäßigkeit von Drittzahlungen stellt einen atypischen Sachverhalt dar, der im Rahmen einer Gesamtwürdigung die Zweifel daran bestärkt, ob tatsächlich die U – und nicht etwa die V oder eine andere Gesellschaft – Abnehmer und Empfänger der Verfügungsmacht war. Gestützt werden diese Zweifel durch die – wenngleich nur zwei Lieferungen betreffende und damit lediglich indiziell wirkende – Feststellung, dass die V bei Transaktionen der Waren nicht nur die gegenüber der U gestellten Rechnungen bezahlt hat, sondern in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang als Glied einer dieselben Waren handelnden Händlerkette fungierte. Beachtet man dabei, dass die Waren in keinem Fall zum angegebenen Geschäftsort der U – oder auch nur in die Nähe – geliefert wurden, gründen sich auch hierauf Zweifel, ob die Waren tatsächlich der U – und nicht etwa der V oder einer anderen Firma – geschuldet und übereignet wurden.

d.) Kein Schutz des guten Glaubens

Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i. V. m. §§ 17a ff. UStDV ihrer Art nach nachkommt. Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt. Die damit vorausgesetzte formelle Vollständigkeit der nach § 6a Abs. 3 UStG vorgeschriebenen Nachweise bezieht sich auf die Beleg- und Buchnachweispflichten gemäß §§ 17a, 17c UStDV (s.o.; s. auch FG Hamburg, Urteil vom 5. Februar 2015, 3 K 46/14, EFG 2015, 1872 m. w. N.).

Im Streitfall kommt eine Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 UStG nicht in Betracht, weil es – wie unter a.) dargelegt – an der formellen Vollständigkeit des Beleg- und Buchnachweises mangelt.

e.) Einbindung in einen Umsatzsteuerbetrug

Der Senat kann aus vorstehenden Gründen offenlassen, ob eine Steuerbefreiung auch deswegen ausscheidet, weil anhand objektiver Umstände nachgewiesen ist, dass die Klägerin wusste oder hätte wissen müssen, dass sie sich durch den Umsatz auf den sie sich zur Begründung des betreffenden Rechts beruft, an einer im Rahmen einer Lieferkette begangenen Mehrwertsteuerhinterziehung beteiligt hat (EuGH-Urteil vom 18. Dezember 2014, C-131/13, C-163/13 und C-164/13, HFR 2015, 200).

III.)

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.

Gründe, die Revision zuzulassen, § 115 Abs. 2 FGO, liegen nicht vor.