LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 02.12.2015 - 3 Sa 218/15
Fundstelle
openJur 2016, 1467
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 16.06.2015 – Az. 52 Ca 1798 a/14 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Urlaubsabgeltung für das Jahr 2013 aus einem beendeten Arbeitsverhältnis nach langanhaltender Erkrankung.

Der am ….1953 geborene Kläger war bei der Beklagten den weit überwiegenden Teil seines Berufslebens als Berufskraftfahrer beschäftigt. Er hatte einen jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen. Seine Vergütung belief sich zuletzt auf ca. 2.400,00 Euro brutto monatlich. Das Arbeitsverhältnis endete mit Ablauf des 05.04.2015.

Der Kläger war seit dem 13.08.2013 durchgehend bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig erkrankt. Wie viele Resturlaubstage für 2013 noch offen sind, ist streitig.

Als feststand, dass der Kläger nicht mehr arbeitsfähig werden würde, bot die Beklagte ihm auf seine Initiative den Abschluss eines Aufhebungsvertrages an. Diese enthielt in § 2 unter anderem folgende Regelung:

„§ 2  Freistellung/Resturlaub

„Die dem Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch zustehenden Resturlaubansprüche aus dem Kalenderjahr 2013 (10 Tage) und die Urlaubsansprüche aus dem Jahr 2014 (30 Tage) werden mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Arbeitgeberin abgegolten“.

Anlage 2, Bl. 3 d. A.)

Die 10 Tage für das Jahr 2013 waren handschriftlich in vier Tage abgeändert. Zum Abschluss dieses Aufhebungsvertrages kam es nicht.

Am 26.11.2014 erhob der Kläger die vorliegende Klage, die zunächst unter anderem gerichtet war auf Urlaubsabgeltung für 2013 und 2014. Nachdem die Beklagte im Laufe des Rechtsstreits und nach Ausscheiden des Klägers zum 05.04.2015 den Urlaub für 2014 und 2015 abgegolten hat, begehrt der Kläger jetzt letztendlich nur noch Urlaubsabgeltung für das Jahr 2013.

Der Kläger hat stets die Auffassung vertreten, ihm stehe für 2013 Urlaubsabgeltung im Umfang von 21,5 Urlaubstagen zu, der mit einem Betrag von 3.000,00 € abzugelten sei. Die Urlaubsansprüche seien nicht automatisch nach Ablauf von 15 Monaten nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres verfallen. Der diesbezüglichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei nicht zu folgen. Außerdem habe die Beklagte im Rahmen des Angebots zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages anerkannt, dass Urlaubsansprüche noch bestehen und abzugelten seien.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 16.06.2015 die Klage abgewiesen. Das ist im Wesentlichen mit der Begründung geschehen, die Ansprüche seien nach der Rechtsprechung des EuGH vom 22.11.2011 – C 214/10 und der sich anschließenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verfallen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand, Anträge und Entscheidungsgründe des Urteils verwiesen.

Gegen diese dem Kläger am 16.07.2015 zugestellte Entscheidung hat er am 16.07.2015 Berufung eingelegt, die nach Fristverlängerung bis zum 16.10.2015 am 16.10.2015 begründet wurde.

Der Kläger ergänzt und vertieft im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen. Er meint, die Urlaubsabgeltungsansprüche seien rechtzeitig durch die Klage geltend gemacht, was sowohl den Verfall der Urlaubsansprüche als auch ein Eingreifen etwaiger Ausschlussfristen als auch den Eintritt von Verjährung verhindere. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Erlöschen von Urlaubsansprüchen nach Ablauf eines Übertragungszeitraums von 15 Monaten sei verfehlt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 16.06.2015 – Az. 52 Ca 1798 a/14 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger die Urlaubsabgeltung für das Jahr 2013 i. H. v. 3.000,00 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz auf den Nettobetrag seit dem 01.01.2014 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung abzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht für zutreffend.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle verwiesen.

Gründe

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der Berufungsbegründungsfrist auch begründet worden (§§ 64, 66 Abs. 1 ArbGG).

II. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Mit überzeugender Begründung hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Dabei ist es davon ausgegangen, dass alle etwaigen Urlaubsansprüche des Klägers aus 2013 untergegangen sind. Dem folgt das Berufungsgericht. Zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Lediglich ergänzend und auf den neuen Vortrag der Parteien eingehend, wird Folgendes ausgeführt:

1. Der Urlaub ist auf das laufende Kalenderjahr befristet. Er muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden (§ 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG). Mit dem Ende des Kalenderjahres erlischt grundsätzlich der Urlaubsanspruch, sofern nicht von dem Willen des Arbeitnehmers unabhängige Hinderungsgründe vorliegen. Dies gilt auch im Falle einer langandauernden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Allerdings geht dann gem. § 7 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 BurlG der Urlaub auf den in § 7 Abs. 3 Satz 3 BurlG geregelten Übertragungszeitraum des Folgejahres über, soweit er wegen der Arbeitsunfähigkeit nicht vollständig gewährt werden kann.

2. Der Wortlaut des § 7 Abs. 3 Satz 3 BurlG schreibt fest, dass bei einer Übertragung des Urlaubs dieser in den ersten drei Monaten des Übertragungsjahres gewährt und in natura genommen werden muss. Ist das nicht möglich, geht er unter.

3. Diese gesetzliche Regelung ist mit der Rechtsprechung des EuGH vom 22.11.2011 – C 214/10 - nach den Vorgaben des Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG unionsrechtskonform auszulegen. Bei langandauernder Krankheit ist der in § 7 Abs. 3 Satz 3 BurlG genannte dreimonatige Übertragungszeitraum für gesetzliche Urlaubsansprüche auf einen Zeitraum von 15 Monaten, beginnend mit dem Ende des Urlaubsjahres, auszudehnen. Besteht jedoch am 31.03. des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres die Arbeitsunfähigkeit fort, geht der Urlaubsanspruch nach Ablauf eines Übertragungszeitraumes von 15 Monaten, gerechnet ab Ende des Urlaubsjahres, unter (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts: BAG vom 07.08.2012 – 9 AZR 353/10; BAG vom 22.05.2012 – 9 AZR 618/10 und 9 AZR 575/10; BAG vom 05.08.2014 – 9 AZR 77/13; BAG vom 20.01.2015 – 9 AZR 585/13). Die Kammer sieht weder Veranlassung zu einer erneuten Vorlage an den EuGH noch zur Nichtanwendung dieser Rechtsprechung.

4. Im laufenden Arbeitsverhältnis besteht ein Abgeltungsverbot für Urlaubsansprüche. Urlaub ist gem. § 7 Abs. 4 BUrlG vom Arbeitgeber erst abzugelten, wenn dieser wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Voraussetzung für einen Abgeltungsanspruch ist daher, dass das Arbeitsverhältnis beendet ist.

5. Vor diesem rechtlichen Hintergrund sind die streitbefangenen Urlaubsansprüche des Klägers für das Jahr 2013 untergegangen. Sie sind schon untergegangen, bevor eine Abgeltung überhaupt in Betracht kommen konnte.

Das Urlaubsjahr 2013 endete am 31.12.2013. Da der Kläger langanhaltend arbeitsunfähig krank war, greift der maximale Übertragungszeitraum von 15 Monaten. Dieser Übertragungszeitraum endete am 31.03.2015. Bis zu diesem Zeitpunkt hätte der Kläger genesen sein müssen, um die Urlaubsansprüche in natura nehmen zu können. Da das nicht der Fall war, sind etwaige Urlaubsansprüche für 2013 mit Ablauf des 31.03.2015 untergegangen. Abgeltung konnte vor diesem Zeitpunkt noch nicht verlangt werden, da hierfür die Voraussetzungen des § 7 Abs. 4 BUrlG noch nicht vorlagen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete erst am 05.04.2015. Zu diesem Zeitpunkt waren die Urlaubsansprüche des Klägers bereits erloschen.

6. Der Untergang etwaiger Urlaubsansprüche des Klägers für 2013 konnte nicht durch die Klagerhebung vom 26.11.2014 verhindert werden, da zu diesem Zeitpunkt – wie bereits dargelegt – noch kein Abgeltungsanspruch bestand. Eine Zahlungsklage konnte gar nicht wirksam erhoben werden.

7. Entgegen der Ansicht des Klägers hat die Beklagte das Bestehen von Urlaubsansprüchen und eine Abgeltungspflicht auch nicht anerkannt. Das Angebot der Beklagten zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages stellt kein irgendwie geartetes Schuldanerkenntnis oder Schuldversprechen im Sinne der §§ 780, 781 BGB dar. Schon der allgemeine Zweck eines Schuldanerkenntnisses, streitig gewordene Ansprüche endgültig festzulegen und auf Einwendungen jedweder Art verzichten zu wollen, ist von dem Angebot der Beklagten nicht erfasst. Das schriftlich unterbreitete Angebot der Beklagten ist rechtlich ein „Nichts“. Es ist noch nicht einmal mit der Erteilung einer Abrechnung vergleichbar, die den Arbeitgeber auch nicht hindert, sie später zu widerrufen oder aus anderen Gründen die Zahlung zu verweigern (vgl. hierzu BAG vom 27.02.2014 – 6 AZR 931/12 - Rz. 39 ff). Das Angebot hat keinerlei bindende Aussagekraft.

8. Das Vorbringen des Klägers zu Verjährung und Ausschlussfristen ist hier nicht einschlägig, kann also dahingestellt bleiben.

9. Aus den genannten Gründen ist das angefochtene Urteil zu bestätigen. Die Klage ist zu Recht abgewiesen worden, so dass die Berufung zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor, so dass die Revision nicht zuzulassen war. Vorliegend handelt es sich ausschließlich um eine Einzelfall-entscheidung.

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