OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.02.2001 - 18 B 2025/99
Fundstelle
openJur 2011, 15480
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 24 L 3165/99
Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 4.000,- DM festgesetzt.

Gründe

Die zugelassene Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht seinen Beschluss vom 26. Juli 1999 - 24 L 1574/99 - abgeändert und den Antrag der Antragsgegnerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt.

Soweit die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis im Streit steht, ist der Aussetzungsantrag ungeachtet der insoweit beachtenswerten Ausführungen des Verwaltungsgerichts, die durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet worden sein dürften, bereits unzulässig. Als Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO kann er nur auf die Wiederherstellung der hier allein in Betracht kommenden Duldungsfiktion nach § 69 Abs. 2 Satz 1 AuslG gerichtet sein, die mit der sofort vollziehbaren Ablehnung eines Aufenthaltsgenehmigungsantrags (§ 72 Abs. 1 AuslG) vorläufig suspendiert ist. Eine derartige Wirkung hat jedoch der Aufenthaltsgenehmigungsantrag der Antragsgegnerin vom 22. März 1999 nicht ausgelöst.

Der Eintritt der Duldungsfiktion scheitert allerdings nicht schon daran, dass die Antragsgegnerin mit einem ohne Zustimmung der Ausländerbehörde erteilten Besuchsvisum ins Bundesgebiet eingereist ist und nunmehr die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung zu einem anderen Aufenthaltszweck beantragt hat. Zwar könnte bei einer derartigen Fallkonstellation dem Wortlaut nach der Anwendungsbereich des § 69 Abs. 2 Satz 1 AuslG auf die Verlängerung eines derartigen Visums beschränkt sein.

Vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 29. Januar 1997 - 12 TG 996/96 -.

Wie jedoch die Entstehungsgeschichte zeigt, betrifft die Vorschrift alle von § 69 Abs. 3 AuslG nicht erfassten Fälle, in denen erstmals nach der Einreise bei der Ausländerbehörde eine Aufenthaltsgenehmigung beantragt wird.

BT-Drucks. 11/6321 S. 80; Fraenkel, Einführende Hinweise zum neuen Ausländergesetz, S. 24; Hess. VGH, Beschluss vom 30. September 1992 - 12 TG 947/92 -, EZAR 622 Nr. 17 S. 4; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 18. Mai 1999 - 13 S 3241/98 -, InfAuslR 1999, 422.

Der Entstehung der Duldungsfiktion steht auch nicht entgegen, dass das Besuchsvisum bereits von der Ausländerbehörde der Stadt Bochum einmal verlängert worden war, bevor der nunmehr streitgegenständliche Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gestellt wurde. Zwar entspricht es ständiger Senatsrechtsprechung, dass § 69 Abs. 2 Satz 1 AuslG nur solche Fälle erfasst, in denen der Ausländer erstmalig die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung beantragt.

Vgl. Senatsbeschluss vom 1. Oktober 1999 - 18 B 1381/99 -, InfAuslR 2000, 115 = NVwZ 2000, 346 = AuAS 2000, 40.

Jedoch steht die Visumsverlängerung nicht der Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung gleich. Der Normzweck des § 69 Abs. 2 Satz 1 AuslG, einem Ausländer für sein erstes auf die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung gerichtetes Verfahren unter bestimmten Voraussetzungen eine Duldungsfiktion zukommen zu lassen, wird auch nach Verlängerung eines Visums noch erfüllt. Durch eine Visumsverlängerung wird nicht die formale Rechtsstellung eines Ausländers verändert. Ein Visum ist zwar seiner Rechtsnatur nach eine der in § 5 Nr. 1., 3. oder 4. AuslG aufgeführten Arten der Aufenthaltsgenehmigung (vgl. § 3 Abs. 3 Satz 1 AuslG). Es wird aber in der besonderen Form des Sichtvermerks erteilt (vgl. § 3 Abs 3 Satz 1 AuslG). Die formale Kennzeichnung der Rechtsnatur und damit die erstmalige Erteilung einer der in § 5 AuslG genannten Titel erfolgt erst nach der Einreise durch die Ausländerbehörde bei der Gewährung des weiteren Aufenthalts nach Ablauf des Visums.

Vgl. Fraenkel, a.a.O., S. 33.

Wenn sich aber durch die Visumsverlängerung - wie auch § 13 Abs. 2 AuslG verdeutlicht - die formale Rechtsstellung eines Ausländers nicht verändert, so ist auch nicht erkennbar, warum sich für die Dauer eines Aufenthaltsgenehmigungsverfahrens die Rechtsposition eines Ausländers, dessen Visum verlängert worden ist, gegenüber demjenigen verschlechtern soll, der beispielsweise bereits von Anfang an ein länger befristetes Visum erhalten hat.

Die Duldungsfiktion des § 69 Abs. 2 Satz 1 AuslG tritt aber für die Antragsgegnerin nicht ein, weil diese unerlaubt in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist (§ 69 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AuslG). Ihre Einreise war unerlaubt, weil sie nicht die erforderliche Aufenthaltsgenehmigung besaß (§ 58 Abs. 1 Nr. 1 AuslG). Eine erforderliche Aufenthaltsgenehmigung in diesem Sinne ist bei allen Ausländern, die sich länger als drei Monate in Deutschland aufhalten wollen, das vor der Einreise mit förmlicher Zustimmung der Ausländerbehörde zu dem beabsichtigten Aufenthaltszweck eingeholte Visum (§ 11 Abs. 1 DVAuslG), wobei eine fehlende Zustimmung unerheblich und auf den objektiven Erklärungswert des Visums abzustellen ist, wenn dieses aufgrund zutreffender Angaben des Ausländers im Visumsantrag erteilt wurde.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 1996 - 1 C 41.93 -, BVerwGE 100, 287 = NVwZ 1997, 189 = InfAuslR 1996, 294; Senatsbeschluss vom 9. Februar 2001 - 18 B 3/01 -.

An dieser vom Senat und dem ebenfalls mit dem Ausländerrecht befassten 17. Senats des Gerichts in ständiger Rechtsprechung vertretenen Rechtsauffassung,

- vgl. Beschlüsse vom 14. Dezember 1993 - 18 B 628/93 -, InfAuslR 1994, 138 = DVBl. 1994, 539 = EZAR 622 Nr. 21, vom 11. November 1996 - 18 B 567/96 - und vom 23. Oktober 2000 - 17 B 1038/00 -

die - soweit ersichtlich - einheitlich von der oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung geteilt wird,

- vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 4. Juni 1991 - BsV 93/91 -, EZAR 622 Nr. 12; Schleswig-Holsteinisches OVG, Beschluss vom 12. März 1992 - 4 M 25/92 -, InfAuslR 1992, 125; VGH Baden- Württemberg, Beschluss vom 6. Juli 1992 - 1 S 881/92 -, InfAuslR 1993, 14; Hess. VGH, Beschluss vom 29. Juni 1994 - 12 TH 1290/94 -, InfAuslR 1994, 349, und Beschluss vom 14. November 1995 - 12 TG 1358/95 -, InfAuslR 1996, 142 -

der aber das Verwaltungsgericht durch den mit dem angefochtenen Beschluss abgeänderten Beschluss vom 26. Juli 1999 - 24 L 157/99 - und der Bundesgerichtshof

- vgl. Urteil vom 11. Februar 2000 - 3 StR 308/99 -, InfAuslR 2000, 342; ebenso Hailbronner, Ausländerrecht § 58 Rn. 17 ff., und zuletzt Strieder, Neues zur Problematik der unerlaubten Einreise, InfAuslR 2001, 6 -

entgegen getreten sind, wird nach erneuter Überprüfung festgehalten.

Die hier vertretene Auffassung entspricht nach der Entstehungsgeschichte der Neuregelung des Ausländerrechts dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers. Nach der amtlichen Begründung betrifft § 58 Abs. 1 AuslG die "materiell unerlaubte Einreise".

Vgl. BT-Drucks. 11/6321, S. 76.

Dass damit nicht nur eine Abgrenzung zur lediglich formell unbefugten Einreise nach § 59 Abs. 1 AuslG gemeint ist,

- so aber BGH, Urteil vom 11. Februar 2000, a.a.O. -

ergibt sich aus der Verweisung in der Begründung des Gesetzentwurfs auf § 18 Abs. 2 AuslG 1965, für den schon nach damaligem Recht die materiell unerlaubte Einreise Tatbestandsvoraussetzung für die zwingende Zurückschiebung eines Ausländers war.

Vgl. Senatsbeschluss vom 12. März 1991 - 18 B 333/91 -, NVwZ 1991, 910; Kloesel/Christ, Deutsches Ausländerrecht, Stand Juli 1990 § 18 Anm. 7.

Bereits dem Ausländergesetz 1965 lag zugrunde, dass nicht nur die Anwesenheit eines ohne das erforderliche Visum eingereisten Ausländers, sondern ebenso die Anwesenheit eines mit Visum eingereisten Ausländers, der tatsächlich mit seiner Aufenthaltsnahme von vornherein einen anderen, weiter gehenden Zweck verfolgt, insbesondere einen Daueraufenthalt anstrebt, regelmäßig Belange der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt mit der Folge, dass die Einreise eines solchen Ausländers als unerlaubt galt und er auf das Visumsverfahren zu verweisen war.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. September 1986 - 1 C 19.86 -, BVerwGE 75, 20 = NJW 1987, 597 = InfAuslR 1987, 1.

Daran hat das Ausländergesetz 1990 festgehalten. Dessen Konzeption und Gesetzessystematik verdeutlichen, dass mit der in § 58 Abs. 1 Nr. 1 AuslG enthaltenen Legaldefinition auf die materiell unerlaubte Einreise abgestellt wird. Nach dieser Vorschrift reist ein Ausländer in das Bundesgebiet unerlaubt ein, wenn er eine erforderliche Aufenthaltsgenehmigung nicht besitzt. Anknüpfungspunkt für die "Erforderlichkeit" im Sinne des § 58 Abs. 1 Nr. 1 AuslG bildet die in § 3 Abs. 1 Satz 1 AuslG normierte Aufenthaltsgenehmigungspflicht. Danach bedürfen Ausländer grundsätzlich für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet einer Aufenthaltsgenehmigung, die nach § 3 Abs. 3 Satz 1 AuslG regelmäßig vor der Einreise in der Form des Visums einzuholen ist, wobei durch Rechtsverordnung jeweils Ausnahmen vorgesehen werden können. Wie sich bereits aus der Behandlung als Begriffspaar sowohl in § 3 Abs. 1 Satz 1 AuslG als insbesondere auch in der Überschrift von Art. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 (BGBl. I S. 1354) ergibt, hat der Gesetzgeber gerade keine strikte Unterscheidung zwischen Einreise und Aufenthalt vorgenommen. Daraus folgt, dass sich die Frage nach der Genehmigungsfreiheit oder Genehmigungspflicht der Einreise und des sich anschließenden Aufenthalts nur einheitlich beantworten lässt.

Vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 30. September 1992 - 12 TG 947/92 -, EZAR 622 Nr. 17; Funke/Kaiser in GK- AuslR § 58 Rn. 4.

Eine unterschiedliche Behandlung beider Tatbestände wäre auch nicht sachgerecht; denn es ist nicht ersichtlich, weshalb ein Negativstaater zwar trotz eines unzureichenden Visums für die Dauer eines Aufenthaltsgenehmigungsverfahrens eine Duldungsfiktion nach § 69 Abs. 2 Satz 1 AuslG erlangen soll, ihm aber die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung unbeschadet der Ausnahmeregelungen in § 9 Abs. 1 Nr. 2 AuslG und § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 DVAuslG nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 AuslG versagt bleibt.

Gegen unterschiedliche materiellrechtliche Anforderungen an die Visumspflicht einerseits und die Aufenthaltsgenehmigungspflicht andererseits ist weiter anzuführen, dass - wie bereits erwähnt - ein Visum keine qualitativ andere Art der Aufenthaltsgenehmigung darstellt. Es ist vielmehr die jeweils konkret zum Zeitpunkt der Einreise erforderliche Aufenthaltsgenehmigung, und zwar je nach Zweck und Dauer des Aufenthalts der Sache nach Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltsbewilligung oder Aufenthaltsbefugnis. Hieraus ergibt sich zugleich, dass die im Sinne von § 58 Abs. 1 Nr. 1 AuslG erforderliche Aufenthaltsgenehmigung diejenige ist, die der Ausländer für den von ihm (in Wahrheit) angestrebten Aufenthaltszweck und dessen Dauer benötigt und nicht nur ein für das Betreten des Bundesgebiets allein formell ausreichendes Visum.

Vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 29. Juni 1994, a.a.O.

Nur die hier aufgezeigte und vom gesetzgeberischen Willen getragene Kongruenz

- vgl. BT-Drucks. 11/6321, S. 54 -

stellt die Intention der Regelungen des Ausländergesetzes über die Einreise von Ausländern sicher, nach der die materielle Frage, ob der Ausländer sich im Bundesgebiet aufhalten darf oder nicht, geprüft und entschieden wird, bevor der Ausländer eingereist ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 1996 a.a.O.; BT-Drucks. 11/6321, S. 57, 81.

Dem entgegen wäre das öffentliche Interesse an der mit dem Visumszwang beabsichtigten vorherigen Steuerung und Kontrolle von Einreise und Aufenthalt nicht gewahrt, wenn Ausländer, deren Visum auf falschen Angaben über den Aufenthaltszweck beruht, die Ermöglichung eines weiteren Aufenthalts über die Duldungsfiktion des § 69 Abs. 2 AuslG erlangen könnten.

Die Sicherstellung der in der einheitlichen Betrachtungsweise von Einreise und Aufenthalt zum Ausdruck kommenden gesetzlichen Zielvorstellung verlangt, dass sie grundlegend sein muss für die Auslegung einzelner Normen des Ausländergesetzes. Schon deshalb lässt sich aus der Vorschrift des § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 AuslG, der die Zurückweisung eines Ausländers an der Grenze einerseits bei einer unerlaubten Einreise und andererseits bei einem Wechsel des Aufenthaltszwecks regelt, mit Blick auf diese Differenzierung bereits vom Ansatz her kein tragendes Argument gegen die hier vertretene Ansicht anführen.

So aber Hailbronner, a.a.O. § 58 Rn. 20.

Des Weiteren vermag der Hinweis nicht zu überzeugen, dass § 60 Abs. 1 AuslG wegen des vielfach umfangreichen Prüfungsaufwandes zur Feststellung einer materiell unerlaubten Einreise in Fällen der vorliegenden Art so gut wie nie anwendbar wäre, während mit § 60 Abs. 2 Nr. 2 AuslG eine diese Fälle abdeckende Sonderregelung existiere.

Vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2000, a.a.O.

Dem ist vor allem entgegen zu halten, dass die praktische Bedeutsamkeit der Regelung nach ihrem Normzweck keinen Rückschluss auf die Definition der unerlaubten Einreise zulässt. Die Bedeutung des § 60 AuslG liegt in der zügigen Abwicklung des grenzüberschreitenden Verkehrs.

Vgl. BT-Drucks. 11/6321, S. 77.

Dazu werden den Grenzschutzbehörden u.a. in § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 AuslG Möglichkeiten gegeben, dem Verdachtgrad entsprechend entweder zwingend oder im Rahmen einer Ermessensentscheidung tätig zu werden.

Es führt zu keinem anderen Ergebnis, dass in der zwischenzeitlich in Kraft getretenen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Ausländergesetz vom 28. Juni 2000 - AuslG-VwV - (GMBL 2000, 618 = Bundesanzeiger Nr. 188a/2000) eine andere Rechtsauffassung als hier vertreten wird. Darin wird unter Nr. 58.1.1.3.1 AuslG-VwV der Begriff "erforderlich" im Sinne von § 58 Abs. 1 Nr. 1 AuslG so verstanden, dass der Ausländer irgendeine Aufenthaltsgenehmigung besitzen muss, sofern er nicht Regelungen unterliegt, die dem Ausländergesetz vorgehen, oder von dem Erfordernis einer Aufenthaltsgenehmigung befreit ist. Davon ausgehend bestimmt Nr. 58.1.1.3.2 AuslG-VwV, dass eine unerlaubte Einreise nicht vorliegt, wenn der Ausländer mit einem Visum einreist, das aufgrund seiner Angaben ohne die erforderliche Zustimmung der Ausländerbehörde erteilt wurde, obwohl er bereits bei der Einreise einen Aufenthaltszweck beabsichtigt, für den er ein Visum benötigt, das nur mit Zustimmung der Ausländerbehörde erteilt werden darf. Indessen sind diese Regelungen für die Gerichte nicht bindend. Es handelt sich bei ihnen ausschließlich um norminterpretierende Verwaltungsvorschriften mit lediglich verwaltungsinterner Wirkung. Maßgeblich für die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "unerlaubten Einreise" bleibt allein das Gesetz.

Vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 5. Juli 2000 - 6 B 18.00 -, NVwZ-RR 2000, 799.

Deshalb ist es auch unerheblich, dass insoweit innerhalb der Verwaltung ein breiter Konsens besteht, der insbesondere in der (erforderlichen) Zustimmung des Bundesrates zum Erlass der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Ausdruck kommt.

Auf den Ausgang des vorliegenden Verfahrens bleibt ohne Einfluss, dass der hier in Betracht zu ziehende § 9 Abs. 2 DVAuslG es abweichend von § 3 Abs. 3 Satz 1 AuslG unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht, eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs nach der Einreise einzuholen, und dass § 9 Abs. 1 Nr. 2 AuslG in den Fällen der Einreise mit einem Visum, dass aufgrund der Angaben im Visumsantrag ohne erforderliche Zustimmung der Ausländerbehörde erteilt worden ist, abweichend vom besonderen Versagungsgrund des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AuslG die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung zulässt. Diese Regelungen verschaffen einem Ausländer kein vorläufiges Bleiberecht im Bundesgebiet für die Durchführung eines Aufenthaltsgenehmigungsverfahrens. Hierzu enthält § 69 AuslG eine prinzipiell abschließende Regelung.

Vgl. Senatsbeschluss vom 30. August 1995 - 18 B 660/94 -.

Ob und inwieweit hiervon aus Gründen des Verfassungsrechts zur Vermeidung grober Unbilligkeiten in Einzelfällen über die bisherige - hier nicht einschlägige - Rechtsprechung des Senats hinaus gehend

- vgl. Senatsbeschluss vom 20. April 1999 - 18 B 1338/97 -, InfAuslR 1999, 449 = NVwZ-Beil. I 1999, 99 -

weitere Ausnahmen zulässig sind, bedarf hier keiner Erörterung, weil ein in solchen Einzelfällen allenfalls in Betracht kommender Duldungsanspruch nicht in einem Aussetzungsverfahren geltend gemacht werden kann. Hierzu sei lediglich darauf hingewiesen, dass selbst die wohlbegründete Berufung auf Art. 6 GG einen Ausländer in aller Regel nicht von der Verpflichtung freistellt, die einfachgesetzlichen Vorschriften zur Verwirklichung seines Einreisewunsches zu beachten,

- vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Dezember 1994 - 1 B 123.94 -, Buchholz 402.240 § 9 AuslG 1990 Nr. 2 = InfAuslR 1995, 153 -

und im Streitfall die Erfordernisse des § 9 Abs. 2 DVAuslG jedenfalls deshalb nicht erfüllt sein könnten, weil sich die Antragsgegnerin nach Abschluss des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nicht mehr - was allein in Erwägung zu ziehen ist - geduldet im Bundesgebiet aufhalten wird; denn ihr Aufenthalt wird vom Antragsteller lediglich aus Anlass des vorliegenden Verfahrens und bis zu dessen Abschluss geduldet.

Von dem Vorstehenden ausgehend hätte die Antragsgegnerin als russische Staatsangehörige für ihre Einreise zum Zwecke des Familiennachzugs eines mit Zustimmung der zuständigen Ausländerbehörde erteilten Visums bedurft, das sie jedoch nicht besaß.

Anders verhielte es sich nur bei einem nach der Einreise eingetretenen Sinneswandel zum Aufenthaltszweck. Ein solcher Sinneswandel ist vom Ausländer unter Darlegung plausibler Umstände glaubhaft zu machen. Dabei kann offen bleiben, ob die gesetzlichen Vermutungen des § 71 Abs. 2 Satz 2 AuslG über die Visumspflicht und die Zustimmungsbedürftigkeit des Visums zwar für § 8 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 AuslG, nicht aber für die Frage der Unerlaubtheit der Einreise im Sinne von §§ 58 Abs. 1 Nr. 1, 69 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AuslG gelten. In jedem Fall obliegt die Darlegungslast hinsichtlich des Sinneswandels dem eingereisten Ausländer, d. h. der Antragsgegnerin.

Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 4. September 1986 - a.a.O.; Senatsbeschlüsse vom 14. Dezember 1993 - 18 B 628/93 - m.w.N., a.a.O., und vom 24. Februar 1998 - 18 B 177/97 -, AuAS 1998, 134.

Der Senat vermochte nicht die erforderliche Überzeugung davon zu gewinnen, dass sich die Antragsgegnerin erst nach ihrer Einreise in das Bundesgebiet zu einem Daueraufenthalt zum Zwecke des Familiennachzugs entschlossen hat. Grundlegende Zweifel an der Richtigkeit der Angaben zum Aufenthaltszweck im Visumsantrag ergeben sich daraus, dass die Antragsgegnerin zur Begründung ihres Visumsantrags ein Einladungsschreiben der Firma "Mighty Maz Film- und Fernsehproduktionsgesellschaft", Berlin, vom 10. November 1998, zu Verhandlungen über Film- und Fernsehprojekte vorlegte, diese Firma aber nach den Ermittlungen des Antragstellers seit einem Konkurs im Jahre 1997 nicht mehr gewerblich tätig war. Weitere Zweifel werden durch das Verhalten der Antragsgegnerin nach ihrer Einreise ins Bundesgebiet begründet. So begab sie sich - ohne einen erkennbaren Zwischenaufenthalt an ihrem eigentlichen Zielort Berlin - bereits eine Woche nach ihrer Einreise nach Bochum und beantragte dort bei der Ausländerbehörde die Verlängerung ihres Sichtvermerks, wobei sie als Aufenthaltszweck nunmehr ein unverbindliches "privat" angab, das einen Bezug zu ihrem im Visumsantrag gemachten Aufenthaltszweck nicht mehr erkennen lässt. Dementsprechend unbestimmt ist auch der wohl auf Nachfrage des zuständigen Sachbearbeiters bei der Ausländerbehörde angebrachte amtliche Zusatz "kultureller u. touristischer Reisezweck".

Die Antragsgegnerin hat die unschlüssigen Angaben zu den Beweggründen für ihre Einreise und ihren Aufenthalt in Deutschland nicht zu erklären vermocht. Sie behauptet lediglich unsubstantiiert, als Touristin in die Bundesrepublik eingereist zu sein und den Entschluss zur Eheschließung erst während ihres hiesigen Aufenthalts gefasst zu haben. Diese Einlassung ist nicht zuletzt auch deshalb unglaubhaft, weil die Antragsgegnerin bei ihrer Einreise nach Deutschland eine vom Standesamt der Stadt T. ausgestellte Ledigkeitsbescheinigung und eine beglaubigte Abschrift ihrer Geburtsurkunde bei sich führte, die beide erst kurz zuvor am 11. Dezember 1998 erstellt worden waren und für eine Eheschließung benötigt werden.

Hinsichtlich der in der Ordnungsverfügung zugleich enthaltenen Abschiebungsandrohung ist der Aussetzungsantrag zulässig, jedoch nicht begründet. Die Abschiebungsandrohung erweist sich als rechtmäßig. Sie entspricht den rechtlichen Anforderungen des § 50 AuslG. Die Antragsgegnerin ist vollziehbar ausreisepflichtig, da sie die erforderliche Aufenthaltsgenehmigung nicht besitzt und unerlaubt eingereist ist (§§ 42 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 58 Abs. 1 Nr. 1 AuslG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.