OLG Hamm, Urteil vom 13.09.2001 - 17 U 164/00
Fundstelle
openJur 2011, 15438
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 2 O 363/99
Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 31. August 2000 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Es beschwert die Klägerin in Höhe von 11.388,49 DM.

Gründe

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten nicht Zahlung restlichen Werklohnes in Höhe von 11.388,49 DM verlangen. Gemäß § 4 f des notariellen Vertrages vom 13.10.1995 ist die hier von der Klägerin verlangte Schlußrate nach vollständiger Fertigstellung fällig. Diese Voraussetzung liegt nicht vor.

"Vollständige Fertigstellung" ist gleichbedeutend mit Abnahmereife im Sinne des § 640 BGB. Da die Parteien einen BGB-Werkvertrag geschlossen haben, sind die Beklagten zur Abnahmeverweigerung auch dann berechtigt, wenn lediglich noch geringfügige Mängel vorliegen (vgl. BGH NJW 1973, 1792, 1793; Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 9. Aufl., Rdn. 1343). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Verweigerung der Abnahme den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) widerspricht. Dies ist dann der Fall, wenn ein Mangel nach seiner Art, seinem Umfang und vor allem nach seinen Auswirkungen derart unbedeutend ist, daß das Interesse des Bestellers an einer Beseitigung vor Abnahme nicht schützenswert ist (BGH NJW 1996, 1280, 1281).

Nach diesem Maßstab ist die Abnahmeverweigerung durch die Beklagten berechtigt:

Aufgrund der Gutachten der Sachverständigen F und W steht fest, daß das Verblendmauerwerk nicht ausreichend gegen Feuchtigkeit geschützt ist. Die Probeöffnung des Verblendmauerwerks durch den Sachverständigen F hat ergeben, daß an dieser Stelle nicht die erforderliche Kerndämmung eingebaut worden ist, sondern einfache Mineralwolle. Diese Ausführungen des Sachverständigen überzeugen. Er hat erklärt, daß er die Dämmung mit den Fingern habe herauszupfen können, was bei einem Kerndämmstoff nicht möglich sei. Die Sachverständigen F und W haben des weiteren plausibel dargelegt, daß bei Verwendung von Mineralwolle, die nicht wasserabweisend sei, die Gefahr bestehe, daß der Dämmstoff naß werde und in der Folge schlechtere Wärmeschutzwerte aufweise. Aufgrund der ebenfalls von beiden Sachverständigen festgestellten zu weit nach innen gezogenen Repanolfolie könne es jedenfalls an Stellen, an denen die Folie mit der Dämmung in Berührung komme, zur Durchfeuchtung des Dämmaterials kommen. Auch diese Ausführungen der Sachverständigen leuchten unmittelbar ein. Aufgrund der bei der Probeöffnung durch den Sachverständigen F vorgefundenen Mineralwolle ist bewiesen, daß jedenfalls nicht durchgängig die unstreitig erforderliche Kerndämmung eingebaut ist.

Die Kosten für die Mängelbeseitigung in Form der Neuverlegung der Folie (ordnungsgemäßer Einbau) beträgt nach den unstreitig gebliebenen Angaben des Sachverständigen F ca. 4.000,00 DM.

Der festgestellte Mangel ist nicht als unbedeutend anzusehen. Soweit der Sachverständige W in seinem schriftlichen Gutachten den Mangel als geringfügig bezeichnet und den Parteien beim Ortstermin vorgeschlaggen hatte, lediglich die Gewährleistungsfrist um zwei Jahre zu verlängern, hat er diese Einschätzung im Senatstermin nicht mehr aufrechterhalten. Dem lag zugrunde, daß der Sachverständige F bei seiner Probeöffnung Mineralwolle als Dämmstoff vorgefunden hatte. In Anbetracht dieses Umstandes äußerte auch der Sachverständige W im Senatstermin die Auffassung, daß Mängelbeseitigungsmaßnahmen durchgeführt werden müßten, wenn nicht überall eine Kerndämmung eingebaut sei.

Ein weiterer Mangel liegt im Moosbefall des Verblendmauerwerks im Bereich der nordöstlichen Ecke. Nach den Feststellungen des Sachverständigen W zieht die Verblendschale kapillar Erdfeuchte auf, welche zu einem Moosbefall der Verblendschale geführt habe. Die gegen diese überzeugende Feststellung des Sachverständigen vorgebrachten Einwendungen der Klägerin führen zu keiner abweichenden Beurteilung. Selbst wenn das Verblendmauerwerk nicht, wie der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten formuliert, "durch ein Hochbeet überschüttet" ist, sondern, wie die Klägerin vorträgt, das Gebäude tiefer als ursprünglich geplant gegründet worden ist, ändert dies nichts an den vom Sachverständigen vor Ort vorgefundenen Gegebenheiten. Der Sachverständige hat festgestellt, daß trotz des 1999 von der Klägerin nachträglich angelegten Kiesbettes Moosbefall an der Verblendschale festzustellen war. Der von der Klägerin erhobene Vorwurf, ein Moosbefall sei durch Lagerung einer Holzbohle am Verblendmauerwerk gezielt herbeigeführt worden, führt nicht zur Verneinung des festgestellten Baumangels. Denn die Holzbohle soll nach dem Vortrag der Klägerin in der Zeit um den 13.10.2000 am Verblendmauerwerk gelehnt haben. Der Sachverständige W hat jedoch seine Feststellungen bereits am 26. Mai 2000 getroffen. Diese Feststellungen werden auch nicht durch die von der Klägerin im Berufungsrechtszug vorgelegte Fotodokumentation vom 02.07.2001 widerlegt. Einige der Fotos zeigen die nordöstliche Gebäudeecke ohne Moosbefall am Verblendmauerwerk. Hierzu hat die Klägerin vortragen lassen, die Feuchtigkeit sei seit der Anlage des Kiesbettes im Jahre 1999 beseitigt. Diesem Vorbringen stehen die bereits dargelegten Feststellungen des Sachverständigen W im Jahr 2000 entgegen. Im übrigen haben die Beklagten vorgetragen, daß unmittelbar vor Aufnahme der Fotos am 02.07.2001 der Geschäftsführer der Klägerin und dessen Ehefrau das Verblendmauerwerk gereinigt hätten. Auf diesen Vortrag der Beklagten hat die Klägerin nicht erwidert und ihm auch im Senatstermin vom 13.09.2001 nicht widersprochen. Auch der Umstand, daß die Klägerin 1999 nachträglich ein Kiesbett angelegt und sich ausweislich des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen W beim Ortstermin am 26.05.2000 bereit erklärt hat den betroffenen Bereich freizulegen und die Verblendschale mit einer Dickbeschichtung zu schützen, belegt, daß die Klägerin, auch wenn sie das Vorliegen eines Mangels bestreitet, noch zu diesem Zeitpunkt einen Handlungsbedarf gesehen hat. Die Kosten für die genannte Mängelbeseitigungsmaßnahme hat der Sachverständige mit ca. 1.500,00 DM angegeben. Dem ist die Klägerin auch nicht entgegengetreten.

Die beiden vorstehend dargelegten Mängel, für deren Beseitigung zusammen ca. 5.500,00 DM aufgewendet werden müssen, berechtigen die Beklagten zur Verweigerung der Abnahme. Dabei verstoßen sie nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Die Mängel sind weder nach ihrer Art noch nach ihrem Umfang und ihren Auswirkungen derart unbedeutend, daß sich die Abnahmeverweigerung als rechtsmißbräuchlich darstellt.

Nach alledem kann dahinstehen, ob die von den Beklagten vorgetragenen weiteren Mängel vorliegen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.