VG Stuttgart, Urteil vom 10.12.2015 - 1 K 5043/13
Fundstelle
openJur 2016, 2657
  • Rkr:

Die computergesteuerte Kondylenpositionsanalyse und die Neupositionierung der Kondylen unter Bildschirmkontrolle sind in der GOZ (2012) nicht beschriebene Leistungen, die jeweils analog GOZ-Nummer 8065 abgerechnet werden können. Ein Analogansatz nach den GOZ-Nummern 6040 und 6070 kommt demgegenüber nicht in Betracht.

Tenor

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger und die Beklagte jeweils zur Hälfte.

Tatbestand

Der Kläger ist B1-Mitglied bei der Beklagten mit einem Bemessungssatz von 50 % und begehrt die Erstattung weiterer Leistungen, die im Rahmen einer ambulanten zahnärztlichen Behandlung angefallen sind.

Mit Formular vom 02.04.2013 beantragte der Kläger die Erstattung von Aufwendungen für die zahnärztliche Behandlung im Zeitraum 05.03.2013 bis 28.03.2013 und legte eine Rechnung seines Zahnarztes Dr. K. vom 28.03.2013 in Höhe von 1.332,81 EUR vor.

Mit Bescheid vom 18.04.2013 setzte die Beklagte von den beantragten Aufwendungen den auszuzahlenden Betrag auf 123,12 EUR fest. Zur Begründung führte sie aus:

„08.03.13

Die GOZ 8010 bis 8100 GOZ können nur bei folgenden Indikationen berücksichtigt werden: Kiefergelenk- und Muskelerkrankungen; Zahnfleischerkrankungen im Rahmen einer systematischen Parodontalbehandlung; Behandlungen mit Aufbissbehelfen mit adjustierten Oberflächen nach GOZ 7010 und 7020 GOZ; umfangreiche kieferorthopädische Maßnahmen einschließlich kieferorthopädisch-kieferchirurgischer Operationen; umfangreiche Gebisssanierungen, das heißt, wenn in einem Kiefer mindestens 8 Seitenzähne mit Zahnersatz, Kronen oder Inlays versorgt werden müssen, wobei fehlende Zähne sanierungsbedürftigen gleichgestellt werden und die richtige Schlussbissstellung nicht mehr auf andere Weise feststellbar ist.

05.03.13

Zu den Aufwendungen für die CAR-Schiene bitten wir um nähere Erläuterungen.

08.03.13.

Die Aufwendungen für Ziffer GOZ 6010 sind nur im Rahmen einer genehmigten kieferorthopädischen Behandlung beihilfe- und erstattungsfähig.

28.03.13

Die nachfolgend genannte Analogziffer konnten wir nicht anerkennen: 8090a, 6040a, 6070a und 7010A. Wir haben die Rechnungsposition an den nach der GOÄ verbindlichen Betrag angepasst.

[…]

Soweit Kassenleistungen abgelehnt wurden, erhob der Kläger am 30.04.2013 Widerspruch gegen den Bescheid vom 18.04.2013 und führte zur Begründung aus, er trage ungefähr seit 1980 Ober- und Unterkieferprothesen und habe seit ungefähr zwölf Jahren einen Tinnitus. Die vorgenommene Behandlung sei erforderlich, um die veränderte Kieferstellung zu korrigieren. Dem Widerspruch fügte er das unter dem 08.03.2013 vom behandelnden Zahnarzt angefertigte Beiblatt zum Klinischen Funktionsstatus bei.

Das im Auftrag der Beklagten vom Gutachterbüro Zahnärztliche Beratung Dres. ... am 06.06.2013 erstellte Gutachten kam zum Ergebnis, dass die Abrechnung der GOZ-Nummern 8090a, 6040a, 6070a, 7010a nicht anerkannt werden könne. Der Versicherte leide zwar an einer Craniomandibulären Dysfunktion (im Folgenden: CMD); dies sei anhand des beigefügten Funktionsstatus erkennbar. Die Einzelpositionen der Rechnung in Höhe von 1332,81 € seien regelgerecht mit folgenden Einschränkungen: Die Leistung nach der GOZ-Nummer 6040a sei nicht erstattungsfähig. Gleiches gelte für die Leistungen nach den GOZ-Nummern 6070a und 8090a. In der GOZ 2012 seien die funktionsanalytischen Maßnahmen, welche durch elektronische Aufzeichnungen erfolgen, neu beschrieben worden. Hierfür seien die Leistungen nach den GOZ-Nummern 8035 und 8065 neu eingeführt worden. Diese Maßnahmen seien bereits am 08.03.2013 berechnet worden. Der Ansatz der Analogpositionen sei fachlich nicht nachvollziehbar und es bestehe hierfür keine medizinische Notwendigkeit. Alle medizinisch notwendigen funktionsanalytischen und funktionstherapeutischen Maßnahmen seien integraler Bestandteil der Leistungen nach den GOZ-Nummern 8000 ff. und nicht gesondert berechnungsfähig. Die Leistung nach der GOZ-Nummer 7010a sei fachlich ebenfalls nicht nachvollziehbar. Es sei kein Aufbissbehelf eingegliedert worden, der die Abrechnung dieser Gebührenziffer rechtfertigen würde.

Mit Bescheid vom 13.06.2013 half die Beklagte dem Widerspruch des Klägers teilweise ab, indem sie eine Nacherstattung von 171,38 EUR bewilligte, sodass sich der insgesamt gewährte Erstattungsbetrag auf (123,12 EUR + 171,38 EUR = ) 294,50 EUR (50 % von insgesamt erstattungsfähigen 589,00 EUR) erhöhte.

Mit Schriftsatz vom 11.07.2013 legitimierte sich die Prozessbevollmächtigte des Klägers für diesen und legte Widerspruch gegen den Abhilfebescheid ein. Zur Widerspruchsbegründung führte sie aus: Die zur Erstattung eingereichten Leistungen seien gerade nicht bereits über die GOZ-Ziffern 8035 und 8065 abgerechnet worden. Vielmehr sei unter 8035 lediglich die Scharnierachsenbestimmung mittels elektronischer Auszeichnung und unter 8065 die Registrierung von Unterkieferbewegungen mittels elektronischer Aufzeichnung berechnet worden, während nach den vorbezeichneten Analogziffern eine computergesteuerte Kondylenpositionsanalyse, eine Neupositionierung sowie eine CAR-Schiene abgerechnet worden sei. Die GOZ-Nummern 8035 und 8065 beträfen lediglich die Befundung und Registrierung der Unterkieferbewegung in digitaler Form, während die Analog-Ziffern die Korrektur der Fehlstellung am Computer sowie die erforderliche Vermessung der Gelenkposition beträfen. Es handle sich dabei um eine völlig neue Technik; von 156 Zahnärzten in ... verfügten erst zwei über ein solches Gerät. Den Freecorder gäbe es erst seit 2008 auf dem Markt; mit ihm würden völlig eigenständige Leistungen ausgeführt, welche im Ziffernkatalog der GOZ nicht aufgelistet sein könnten. Aus diesem Grund würden vergleichbare Gebührenpositionen gemäß § 6 GOZ analog zur Darstellung der Berechnungsfaktoren herangezogen. Dem Zahnarzt des Klägers seien - im Rahmen einer Schulungsteilnahme - durch einen Fachreferenten der KZV diese Ziffern als korrekter Weise anzuwendende analoge GOZ-Nummern genannt worden. Die Behandlung sei aufgrund der Diagnose „CMD mit Kompressionsgelenken bei Stützzonenverlust in allen vier Quadranten“ medizinisch erforderlich. Auch die Leistung nach der GOZ-Nummer 7010a sei zutreffend berechnet worden. Ein Aufbissbehelf herkömmlicher Art, wie z.B. eine sogenannte Michigan-Schiene, sei nicht verwendet worden. Bei der verwendeten CAR-Schiene handle es sich um eine Schiene, welche erst nach Änderung der Gelenkpositionen individuell berechnet und eingegliedert werde. Bereits die Änderung der Gelenkposition sei nicht als Leistung in der GOZ enthalten; infolgedessen könne es die CAR-Schiene als solche, welche erst nach der Positionsänderung erstellt und verwendet werde, auch nicht sein.

Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid des Widerspruchsausschusses II vom 12.11.2013 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte schließe sich der sachkundigen Beurteilung des beauftragten Gutachters an. In das Gutachten seien Kiefermodelle des Ober- und Unterkiefers, die Stellungnahme des Klägers und der Klinische Funktionsstatus eingeflossen. Der Gutachter sei zertifizierter Implantologe der Deutschen Gesellschaft für Implantologie (DGI) und damit auch in der Lage, den vorliegenden Sachverhalt zu beurteilen. Seine Ausführungen seien nachvollziehbar begründet und in sich schlüssig. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit dem Gutachter existierten keinerlei Zweifel an der Sachkunde und der Objektivität der gutachtlichen Stellungnahme. Die aktuelle GOZ sei ab 01.01.2012 gültig und erfasse auch aktuelle Techniken. Dass der Freecorder erst seit 2008 am Markt erhältlich sei, stehe daher seiner Auflistung im Ziffernkatalog der GOZ nicht entgegen. Der Vortrag, dem behandelnden Zahnarzt seien im Rahmen einer Schulung durch einen Fachreferenten der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) diese Ziffern als korrekt anzuwendende GOZ-Nummern genannt worden, sei rechtlich irrelevant, da es sich dabei nur um Empfehlungen für die Praxis handle, denen keine bindende Wirkung für die Auslegung der als Rechtsverordnung erlassenen Gebührenordnung für Zahnärzte zukomme. Der Widerspruchsbescheid wurde am 18.11.2013 zugestellt.

Der Kläger hat am 16.12.2013 Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben, mit der er im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft.

Unter dem 05.08.2015 hat die Beklagte weitere Leistungen in Höhe von 355,73 EUR als erstattungsfähig anerkannt, wovon 177,87 € auf Kassenleistungen entfallen, und den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt. Der verbliebene Selbstbehalt an Kassenleistungen reduziert sich dadurch auf (666,41 EUR - 123,12 EUR - 171,38 EUR - 177,87 EUR = ) 194,04 EUR. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die für den diagnostischen Aufbau eines Führungstellers angesetzte GOZ-Nummer 8090a könne als zahnärztliches Honorar für das Arbeiten am Artikulator zwecks Einstellung der Frontzahnführung mittels Führungstellers als erstattungsfähig anerkannt werden. Auch die für die Eingliederung einer CAR-Schiene angesetzte GOZ-Nummer 7010a könne aufgrund der inzwischen geänderten Auffassungen in der medizinischen Fachwelt zur Wirkung der CAR-Schiene als erstattungsfähig anerkannt werden. Hinsichtlich der beiden verbleibenden GOZ-Nummern 6040a, angesetzt für eine computergesteuerte Kondylenpositionsanalyse, und 6070a, angesetzt für eine Neupositionierung der Kondylen unter Bildschirmkontrolle, könne eine Erstattung lediglich im Umfang der korrekter Weise doppelt abzurechnenden GOZ-Nummer 8065a erfolgen. Die Kondylenpositionsanalyse sei als Leistungsziffer zwar nicht in der GOZ enthalten. Es handle sich bei den GOZ-Nummern 6040 und 6070 jedoch nicht um gleichwertige Leistungen im Sinn des § 6 Abs. 1 Satz 1 GOZ, da diese GOZ-Nummern im Abschnitt G der GOZ über Kieferorthopädische Leistungen stünden. Dabei handle es sich ausweislich der Leistungslegende zur GOZ-Nummer 6080 um Langzeitziffern, die Leistungen zur Kieferumformung und Retention bzw. zur Einstellung des Unterkiefers in den Regelbiss innerhalb eines Zeitraumes von bis zu vier Jahren umfassten. Die Berechnung solcher Langzeitziffern für eine punktuell durchgeführte zahnärztliche Leistung - hier: die computergesteuerte Kondylenpositionsanalyse und die Neupositionierung der Kondylen unter Bildschirmkontrolle - stelle keinen Ansatz von nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistungen dar und stehe daher nicht mit § 6 Abs. 1 Satz 1 GOZ im Einklang, so dass ein analoger Ansatz der GOZ-Nummern 6040 und 6070 hier nicht in Betracht komme. Stattdessen könne die computergesteuerte Kondylenpositionsanalyse mit der GOZ-Nummer 8065a (Registrieren von Unterkieferbewegungen mittels elektronischer Aufzeichnung zur Einstellung voll adjustierbarer Artikulatoren und Einstellung nach den gemessenen Werten, je Sitzung) (mit dem 2,3fachen Faktor) honoriert werden. Die Neupositionierung der Kondylen unter Bildschirmkontrolle könne mit einem weiteren Ansatz der GOZ-Nummer 8065a mit dem 2,3fachen Faktor berechnet werden.

Der Kläger hat den Rechtsstreit im Hinblick auf die Nacherstattung in Höhe von 177,87 EUR ebenfalls für erledigt erklärt. In seiner Replik hat er ausgeführt, die Feststellung, ob es sich um „gleichwertige Leistungen“ im Sinn des § 6 Abs. 1 Satz 1 GOZ handle, obliege dem behandelnden Zahnarzt. Dieser müsse beurteilen, welche GOZ- oder GOÄ-Nummer der zu berechnenden Leistung nach Art, Zeit- und Kostenaufwand am nächsten komme. Dabei spiele die Leistungsbeschreibung der vom Zahnarzt als gleichwertig eingestuften GOÄ- bzw. GOZ-Nummer keine Rolle. Die GOZ-Nummer 8065 sei entgegen der Auffassung der Beklagten auf die beiden streitigen Fälle nicht anwendbar.

Der Kläger beantragt zuletzt - sachdienlich gefasst -,

die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger weitere Kassenleistungen in Höhe von 194,04 EUR zu gewähren und den Bescheid vom 13.06.2013 sowie den Widerspruchsbescheid vom 12.11.2013 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nimmt sie im Wesentlichen Bezug auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Ergänzend führt sie aus, bei einem Analogansatz werde eine Gebührenziffer entsprechend angewandt. Um die Gleichwertigkeit beurteilen zu können, sei zunächst der Inhalt dieser Leistung zu ermitteln. Dies erfolge im ersten Schritt über den Wortlaut der Gebührenziffer, mithin über die Leistungsbeschreibung.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Dem Gericht liegen die Akten der Beklagten vor. Auf diese sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

Gründe

Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet die Kammer ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren analog § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

Im Übrigen ist die zulässige Klage unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung von weiteren Kassenleistungen. Der Bescheid der Beklagten vom 13.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.11.2013 ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Ob Mitglieder der Beklagten von dieser Kassenleistungen zum Ersatz ihrer medizinischen Aufwendungen erhalten, richtet sich nach der Satzung der Beklagten; maßgeblich ist dabei die zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen geltende Fassung (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.09.2011 - 2 S 1972/11 -, juris). Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a der Satzung der Beklagten in der hier maßgeblichen Fassung vom 01.01.2013 (84. Änderung) haben Mitglieder Anspruch auf Leistungen in Krankheitsfällen gemäß den §§ 31 bis 42. § 32 Abs. 1 der Satzung sieht vor, dass ambulante zahnärztliche Untersuchungen und Behandlungen nach Maßgabe der Absätze 2 bis 4 erstattungsfähig sind. Nach § 30 Abs. 1 Satz 2 der Satzung sind Aufwendungen erstattungsfähig, wenn sie beihilfefähig und Leistungen dafür in der Satzung vorgesehen sind. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 der Bundesbeihilfeverordnung sind beihilfefähig grundsätzlich nur - medizinisch - notwendige und wirtschaftlich angemessene Aufwendungen (s. auch § 30 Abs. 2 Satz 1 der Satzung).

Bei zahnärztlichen Leistungen beurteilt sich die Angemessenheit der Aufwendungen nach dem Gebührenrahmen der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ; § 30 Abs. 2 Satz 6 Buchst. a der Satzung). Sowohl die Frage, ob eine bestimmte Gebührennummer abgerechnet werden darf, als auch die Frage, mit welchem konkreten Gebührensatz, richten sich mithin - sofern die Satzung keine Sonderregelungen enthält - nur nach dieser Gebührenordnung. Zu beachten sind dabei insbesondere der Wortlaut der jeweiligen Gebührenbestimmung sowie das sogenannte Zielleistungsprinzip im Sinn des § 4 Abs. 2 Satz 2 GOZ. Nach dieser Bestimmung kann ein Arzt für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr bereits berechnet hat.

Bestehen Zweifel über die Angemessenheit einer Aufwendung, ist die Beklagte berechtigt, ein amts- oder vertrauensärztliches Gutachten einzuholen (§ 30 Abs. 2 Satz 3 der Satzung). Das hat sie hier durch Einholung des Gutachtens der Zahnärztlichen Beratung Dres. ... vom 06.06.2013 getan. Das Gericht darf sich für sein Urteil ohne Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht - im Wege des Urkundenbeweises - auf gutachterliche Stellungnahmen stützen, die die beteiligte Behörde im vorangegangen Verwaltungsverfahren eingeholt hat (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29.07.2008 - 10 S 2327/07 -,VBlBW 2009, 230). Etwas anderes gilt nur, wenn das Gericht bereits vorliegende Gutachten für ungenügend erachtet, was hier nicht der Fall ist. Es bestand daher auch kein Anlass, den Sachverhalt entsprechend der Anregung der Klägerin durch Einholung eines Sachverständigengutachtens oder durch Einholung einer Auskunft bei der Zahnärztekammer Nordrhein weiter aufzuklären.

Die Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass die beiden nicht unter eigenen GOZ-Nummern beschriebenen Maßnahmen - computergesteuerte Kondylenpositionsanalyse und Neupositionierung der Kondylen unter Bildschirmkontrolle - jeweils analog GOZ-Nummer 8065 abzurechnen sind. Ein Analogansatz nach den GOZ-Nummern 6040 und 6070 kommt demgegenüber nicht in Betracht.

Die Voraussetzungen des Analogansatzes nach § 6 Abs. 1 Satz 1 GOZ liegen im Hinblick auf die GOZ-Nummer 8065 vor. Danach können selbstständige zahnärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses dieser Verordnung berechnet werden.

Die Negativvoraussetzung der Analogberechnung, die Nichtaufnahme der jeweiligen Leistung in das Gebührenverzeichnis, liegt vor. Bei der computergesteuerten Kondylenpositionsanalyse und der Neupositionierung der Kondylen unter Bildschirmkontrolle handelt es sich um zahnärztliche Leistungen, welche die anderen zahnärztlich-funktionsdiagnostischen Leistungen ergänzen und in der GOZ 2012 nicht beschrieben sind (vgl. Liebold/Raff/Wissing, GOZ, 107. Lieferung, Stand: Juli 2014, Abschnitt J. Funktionsanalytische und funktionstherapeutische Leistungen - Analogleistungen, Kondylenpositionsanalyse, S. 4 f.).

Auch das Tatbestandsmerkmal der Selbstständigkeit der Leistung (hierzu: Haber-stroh, VersR 2001, S. 1064 f. m.w.N. sowie Liebold/Raff/Wissing, GOZ, 109. Lieferung, Stand: März 2015; § 6 Rn. 4.) ist erfüllt, da es sich jeweils um neue und eigenständige Leistungen und nicht nur um eine neuartige Methodik bzw. eine Variation bereits beschriebener Leistungsinhalte handelt. Selbständige Leistungen sind nur solche, die nicht Bestandteil einer im Gebührenverzeichnis genannten umfassenderen Leistung sind. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für die Anwendbarkeit der Analogberechnung darauf an, dass die in Rede stehende Leistung eine andere als die im Leistungsverzeichnis beschriebene ist und nicht nur eine besondere Ausführung der Letzteren. Wo die Grenze zwischen beidem liegt, lässt sich letztlich nicht ohne Einbeziehung wertender Gesichtspunkte bestimmen (vgl. BGH, Urteil vom 13.05.2004 - III ZR 344/03 -, MDR 2004, 928 ff.).

Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei der computergesteuerten Kondylenpositionsanalyse und der Neupositionierung der Kondylen unter Bildschirmkontrolle um selbstständige Leistungen, die - bedingt durch die neuartigen technischen Möglichkeiten des Freecorders - keine bloße Variation der bereits vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten darstellen (vgl. Liebold/Raff/Wissing, GOZ, 107. Lieferung, Stand: Juli 2014, Abschnitt J. Funktionsanalytische und funktionstherapeutische Leistungen - Analogleistungen, Kondylenpositionsanalyse, S. 4 f.). Davon sind - unabhängig vom Dissens über die passende Analogziffer - auch beide Parteien ausgegangen, indem sie für die verfahrensgegenständlichen Leistungen jeweils einen eigenständigen Analogansatz vorgenommen haben.

Die Gleichwertigkeit von Analogleistung und Vergleichsleistung liegt vor. Bei der computergesteuerten Kondylenpositionsanalyse und bei der Neupositionierung der Kondylen unter Bildschirmkontrolle handelt es sich jeweils um Leistungen, die der im Rahmen der GOZ-Nummer 8065 geregelten Leistung (Registrieren von Unterkieferbewegungen mittels elektronischer Aufzeichnung zur Einstellung voll adjustierbarer Artikulatoren und Einstellung nach den gemessenen Werten, je Sitzung) gleichwertig sind. Ob Gleichwertigkeit vorliegt, bemisst sich nach den ausdrücklich in § 6 Abs. 1 GOZ normierten Kriterien der Gleichwertigkeit von Analogleistung und Vergleichsleistung nach Art, Kosten- und Zeitaufwand. Während die Gleichwertigkeit nach Kosten- und Zeitaufwand primär eine wirtschaftliche Betrachtung dahingehend erfordert, ob die Vergleichsleistung und die Analogleistung durch vergleichbaren Aufwand an Geräte- und Materialkosten gekennzeichnet und vom durchschnittlichen Arzt in annähernd gleicher Zeit zu erbringen sind, fällt der Vergleich nach der Art der Leistungen schwieriger aus. Im Idealfall handelt es sich um Leistungen an demselben Organ, die derselben Leistungsgruppe zuzuordnen und auch ihren medizinischen Anforderungen nach vergleichbar sind. Da im Ergebnis jede medizinisch notwendige ärztliche Leistung nach der GOZ oder GOÄ abrechenbar sein muss, muss eine analoge Bewertung aber auch dort eröffnet sein, wo eine inhaltlich nahe liegende Vergleichsleistung nicht zur Verfügung steht. Das Kriterium der Art der Leistung muss dann gegebenenfalls hintangestellt werden (vgl. Haberstroh, VersR 2001, 1064 ff.). Die Analogberechnung nach § 6 GOZ hat ihrer Natur nach wertenden Charakter; ebenfalls in der Natur der Sache liegt, dass sie an erster Stelle vom Arzt selbst vollzogen werden muss, denn er muss gemäß § 10 Abs. 1 GOZ eine Gebührenrechnung stellen, um einen Gebührenanspruch fällig werden zu lassen. Das bedeutet aber nicht, dass ihm ein irgendwie gearteter Beurteilungs- oder Ermessensspielraum in der Wahl der "geeigneten" Vergleichsposition zustünde (vgl. Haberstroh, VersR 2001, 1064 ff.). Die GOZ räumt dem Zahnarzt gemäß § 5 Abs. 2 GOZ billiges Ermessen nur in der Bemessung des Steigerungssatzes feststehender Leistungspositionen ein; die Wahl der "richtigen" Leistungsposition hingegen basiert auf objektiv bestimmbaren und insoweit auch objektiv überprüfbaren Faktoren.

Nach diesen Maßgaben handelt es sich bei der computergesteuerten Kondylenpositionsanalyse und bei der nach GOZ-Nummer 8065 abrechenbaren Leistung um gleichwertige Leistungen. Bei beiden Leistungen handelt es sich um punktuell vorzunehmende Leistungen, die im Rahmen der instrumentellen Funktionsanalyse und -therapie erbracht werden. Die nach der GOZ-Nummer 8065 originär abzurechnende Leistung, das Registrieren von Unterkieferbewegungen zur Einstellung voll adjustierbarer Artikulatoren, bringt einen außerordentlich großen apparativen Aufwand mit sich, da mit der Registrierung nach den GOZ-Nummern 8060, 8065 nicht nur zwischen Anfangs- und Endpunkt einer Unterkieferbewegungsbahn gemittelte Werte festgehalten werden, sondern jeder beliebigen Position im Verlauf der Bewegungsbahn ein entsprechender Wert zugeordnet werden kann (vgl. Liebold/Raff/Wissing, GOZ, 107. Lieferung, Stand: Juli 2014, Nrn. 8060, 8065, 2.1.1.). Ein ähnlich großer apparativer bzw. technischer Aufwand ist für die Leistung der computergesteuerten Kondylenpositionsanalyse beschrieben, bei welcher es sich ebenfalls um ein reines Dokumentationsinstrument handelt, welches der Erfassung und Darstellung der räumlichen Lageveränderung des Unterkiefers und der Kondylen dient (vgl. Stelzenmüller/Wiesner, Therapie von Kiefergelenkschmerzen, 2. Aufl. 2010, Kap. 9.5.3).

Demgegenüber ist die computergesteuerte Kondylenpositionsanalyse entgegen der Rechtsauffassung des Klägers nicht gleichwertig mit der nach GOZ-Nummer 6040 abzurechnenden Leistung (Maßnahmen zur Umformung eines Kiefers einschließlich Retention, mittlerer Umfang). Denn die Maßnahme nach der GOZ-Nummer 6040 setzt für die direkte Anwendung bereits voraus, dass mindestens drei der folgenden Kriterien nach den Buchstaben a) bis e) erfüllt sind:

a) Zahl der bewegten Zahngruppen: zwei und mehr Zahngruppen,b) Ausmaß der Zahnbewegung: mehr als zwei Millimeter,c) Art der Zahnbewegung: körperlich mehr als zwei Millimeter, kontrollierte Wurzelbewegung, direkte Veränderung der Bisshöhe, Zahndrehung mehr als 30 Grad,d) Richtung der Zahnbewegung: entgegen Wanderungstendenz,e) Verankerung: mit zusätzlichen intra- oder extraoralen Maßnahmen

(vgl. Liebold/Raff/Wissing, GOZ, 107. Ergänzungslieferung, Stand: Juli 2014, Nrn. 6030-6050). Eine analoge Anwendung kommt vorliegend mit Blick auf die genannten Kriterien nicht in Betracht, da die computergesteuerte Kondylenpositionsanalyse keine Behandlung mit objektiv vergleichbarem Aufwand darstellt. Insbesondere die fehlende Vergleichbarkeit im Hinblick auf den zeitlichen Aufwand spricht gegen eine Analogie, da die computergesteuerte Kondylenpositionsanalyse regelmäßig - wie vorliegend - im Rahmen einer Sitzung stattfindet, während der Abrechnung nach der GOZ-Nummer 6040 im Regelfall eine mehrjährige Behandlung zugrunde liegt und dementsprechend alle Leistungen innerhalb eines Zeitraumes von bis zu vier Jahren umfasst sind (vgl. Liebold/Raff/Wissing, GOZ, 107. Ergänzungslieferung, Stand: Juli 2014, Nrn. 6030-6050).

Die von der Beklagten wiederum analog der GOZ-Nummer 8065a vorgenommene Abrechnung der Maßnahme der Neupositionierung der Kondylen unter Bildschirmkontrolle begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Die Annahme der Gleichwertigkeit der nach der GOZ-Nummer 8065 originär abzurechnenden Leistung (Registrieren von Unterkieferbewegungen zur Einstellung voll adjustierbarer Artikulatoren) und der Maßnahme der Neupositionierung der Kondylen unter Bildschirmkontrolle nach Art, Zeit- und Kostenaufwand ist ohne Weiteres vertretbar. Bei beiden Maßnahmen handelt es sich wiederum um punktuell vorzunehmende Leistungen, die lediglich die (einmalige) Registrierung der Bewegung des Unterkiefers respektive die digitale Vermessung der Gelenkposition betreffen.

Demgegenüber kann die vom Kläger geltend gemachte Gleichwertigkeit der Maßnahme der Neupositionierung der Kondylen unter Bildschirmkontrolle mit der Leistung nach der GOZ-Nummer 6070 (Maßnahmen zur Einstellung der Kiefer in den Regelbiss während der Wachstumsphase einschließlich Retention, mittlerer Umfang) nicht festgestellt werden. Denn die Maßnahme nach der GOZ-Nummer 6070 setzt für die direkte Anwendung bereits voraus, dass mindestens eines der folgenden Kriterien nach den Buchstaben a) bis c) erfüllt ist:

a) Ausmaß der Bissverschiebung: mehr als vier Millimeter,b) Richtung der durchzuführenden Bissverschiebung, Unterkiefer relativ zum Oberkiefer: dorsal,c) skelettale Bedingungen: ungünstige Wachstumsvoraussetzungen.

(vgl. Liebold/Raff/Wissing, GOZ, 107. Ergänzungslieferung, Stand: Juli 2014, Nrn. 6060-6080). Eine analoge Anwendung kommt vorliegend mit Blick auf die genannten Kriterien nicht in Betracht, da die Neupositionierung der Kondylen unter Bildschirmkontrolle keine Behandlung mit objektiv vergleichbarem Aufwand darstellt. Insbesondere die fehlende Vergleichbarkeit im Hinblick auf den zeitlichen Aufwand spricht wiederum gegen eine Analogie, da die Neupositionierung der Kondylen unter Bildschirmkontrolle im Rahmen einer Sitzung stattfindet, während der Abrechnung nach der GOZ-Nummer 6070 im Regelfall eine mehrjährige Behandlung zugrunde liegt, bei der dementsprechend alle Leistungen innerhalb eines Zeitraumes von bis zu vier Jahren umfasst sind (vgl. Liebold/Raff/Wissing, GOZ, 107. Ergänzungslieferung, Stand: Juli 2014, Nrn. 6060-6080).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO sowie analog § 161 Abs. 2 VwGO. Im Umfang der teilweisen Erledigung entspricht es billigem Ermessen, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, da diese durch die Nachgewährung von Kassenleistungen den Kläger klaglos gestellt hat.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht gemäß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO liegen nicht vor.

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