OLG Nürnberg, Beschluss vom 03.03.2011 - 9 UF 1390/10
Fundstelle
openJur 2011, 14679
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 203 F 385/10

Art. 15 Abs. 1 EGBGB verweist für die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe unwandelbar auf die zum Zeitpunkt der Eheschließung für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgebende Rechtsordnung, auch wenn das danach berufene

Güterrrechtsstatut wandelbar ist.

Tenor

I.

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Teil-Endbeschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Fürth vom 31.08.2010 abgeändert.

II.

Der Antrag der Antragstellerin vom 01.03.2010 wird zurückgewiesen.

III.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

IV.

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 30.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin macht mit Stufenantrag vom 01.03.2010 Auskunft und Zugewinn in Anwendung deutschen Rechts geltend. Sie verlangt vom Antragsgegner Auskunft über den Bestand von dessen Vermögen zum Trennungszeitpunkt. Die Beteiligten sind seit 17.11.2009 rechtskräftig geschiedene Ehegatten. Sie hatten am 30.06.1966 in Wörth a. Rhein die Ehe geschlossen. Zu diesem Zeitpunkt besaßen beide die jugoslawische Staatsangehörigkeit. Mit Aufspaltung des ehemaligen Bundesstaates Jugoslawien in selbständige Teilrepubliken wurde der Antragsgegner kroatischer Staatsangehöriger und die Antragstellerin slowenische Staatsangehörige. Inzwischen sind beide Beteiligte deutsche Staatsangehörige.

Mit Teil-Endbeschluss vom 31.08.2010 hat das Familiengericht den Antragsgegner antragsgemäß zur Auskunftserteilung verpflichtet.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Antragsgegner sei gemäß § 1379 Abs. 1 Nr. 1 BGB zur Erteilung der begehrten Auskunft verpflichtet. Diese Vorschrift sei anzuwenden, da auf die güterrechtlichen Beziehungen der Parteien deutsches Recht anzuwenden sei. Zwar sei zunächst das jugoslawische Recht Güterrechtsstatut gewesen. Inzwischen werde jedoch nach dem Recht Kroatiens und auch Sloweniens auf deutsches Recht zurückverwiesen. Danach finde das gemeinsame Heimatrecht der Beteiligten Anwendung. Dies sei, da beide geschiedene Ehegatten inzwischen deutsche Staatsangehörige sind, das deutsche Recht.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragsgegners. Er erstrebt die Abweisung des Stufenantrags, da das Güterrechtsstatut unwandelbar sei und deshalb deutsches Recht nicht zur Anwendung komme.

Der Antragsgegner beantragt,

den Teil-Endbeschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Fürth vom 31.08.2010 aufzuheben und die Anträge aus dem Schriftsatz vom 01.03.2010 zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass deutsches Recht anzuwenden sei, da sowohl nach kroatischem als auch nach slowenischem internationalem Privatrecht das Güterrechtsstatut wandelbar sei. Dies führe zu einer Rückverweisung auf deutsches Recht.

Der Senat hat darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Einwendungen dagegen wurden nicht erhoben. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 14.02.2011 ihren Rechtsstandpunkt aufrecht erhalten und weiter begründet.

Der Senat sieht von der Durchführung der mündlichen Verhandlung ab, da das Familiengericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat und von einer erneuten Durchführung der mündlichen Verhandlung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG). Der Sachverhalt ist aufgeklärt. Zu der zu entscheidenden Rechtsfrage haben die Beteiligten umfassend Stellung genommen.?

II.

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet und führt zur Abweisung des Stufenantrags vom 01.03.2010.

Der Antragstellerin steht kein Anspruch auf Zugewinnausgleich und damit kein Auskunftsanspruch gemäß § 1379 BGB zu, da das eheliche Güterrecht der Beteiligten nicht nach deutschem Recht zu beurteilen ist.

Beide Beteiligte besaßen bei Eheschließung die jugoslawische Staatsangehörigkeit. Es ist deshalb zu prüfen, welche Rechtsordnung auf das eheliche Güterrecht Anwendung findet. Da die Ehe nach dem 31.03.1953 und vor dem 09.04.1983 geschlossen wurde, ist zunächst von der Übergangsvorschrift des Art. 220 Abs. 3 EGBGB auszugehen. Nach Art. 220 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EGBGB war das Recht des Staates anzuwenden, dem beide Ehegatten bei der Eheschließung angehörten. Für die Zeit ab 08.04.1983 gilt der neu gefasste Art. 15 EGBGB. Da Art. 15 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB das eheliche Güterrecht dem gemeinsamen Heimatrecht der Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung unterstellt, ergeben sich durch Art. 220 EGBGB keine Besonderheiten. Güterrechtsstatut ist das gemeinsame Heimatrecht der Beteiligten zum Zeitpunkt der Eheschließung, also das jugoslawische Recht.

Welche Teilrechtsordnung des ehemaligen Jugoslawien zur Anwendung kam, war nach innerjugoslawischem Recht zu bestimmen (Art. 4 Abs. 3 EGBGB), und zwar nach dem jugoslawischen "Gesetz vom 15.07.1982 zur Lösung von Gesetzeskollisionen mit den Vorschriften anderer Staaten". Dieses Gesetz gilt auch nach dem Zerfall des ehemaligen jugoslawischen Bundesstaates in den selbständigen Nachfolgestaaten fort. Lediglich Slowenien hat ein eigenes IPR-Gesetz erlassen (Rainer Hausmann in Staudinger, BGB-Neubearbeitung 2003, Anhang zu Art. 4 EGBGB, Rdnr. 366).

Art. 36 des genannten jugoslawischen Gesetzes vom 15.07.1982 nimmt die Verweisung auf das jugoslawische Recht an. Denn diese Vorschrift verweist für die persönlichen und vermögensrechtlichen Beziehungen auf das gemeinsame Heimatrecht der Ehegatten. Auch nach slowenischem internationalen Privatrecht findet das gemeinsame Heimatrecht der Ehegatten Anwendung. Dies ergibt sich aus dem slowenischen "Gesetz über das internationale Privat- und Verfahrensrecht vom 30.06.1999". Art. 38 dieses Gesetzes verweist für die persönlichen und die gesetzlichen Vermögensbeziehungen auf das gemeinsame Heimatrecht der Ehegatten. Daraus folgt, dass deutsches Recht hier keine Anwendung findet. Für die vermögensrechtlichen Beziehungen der Ehegatten gilt der Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft, der in allen in Betracht kommenden jugoslawischen Teilrechtsordnungen der gesetzliche Güterstand ist. Dies folgt für Restjugoslawien aus Art. 270 des Gesetzes des serbischen Gesetzes über die Ehe und Familienbeziehungen von 1980 in der Fassung von 2001 (Jessel-Holst, FamRZ 2004, 849 ff.), für Kroatien aus §§ 248 ff. des kroatischen Familiengesetzes vom 14.07.2003 und für Slowenien aus Art. 51 des slowenischen Gesetzes über die Ehe- und Familienbeziehungen vom 26.05.1976.

Allerdings ist nach den genannten Vorschriften des internationalen Privatrechts Restjugoslawiens, Kroatiens und Sloweniens das Güterrechtsstatut der Ehegatten wandelbar (Rainer Hausmann, a.a.O., Rdnr. 369). In der Literatur wird deshalb die Meinung vertreten, dass sich hieraus eine Rückverweisung ergeben könne (Rainer Hausmann, a.a.O., Rdnr. 380; Siehr in MüKo, 5. Aufl., Rdnr. 61 zu Art. 15 EGBGB; Mörsdorf-Schulte, Beck Online-Kommentar, Rdnr. 82 zu Art. 15 EGBGB, sowie die im Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin vom 14.02.2011 zitierte Literatur). Würde man bei der Anknüpfung von der Wandelbarkeit des Güterrechtsstatuts ausgehen und auf den jeweiligen Entscheidungszeitpunkt abstellen, wäre im vorliegenden Fall deutsches Recht anzuwenden, da beide Beteiligte nunmehr die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.

Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte (KG, FamRZ 2007, 1564; OLG Frankfurt, Urteil vom 25.02.2000, Az.: 5 UF 11/99; OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.12.1994, Az.: 1 UF 76/94) geht jedoch von dem in Art. 15 Abs. 1 EGBGB normierten Grundsatz der Unwandelbarkeit des Güterrechtsstatuts aus. Diese Auffassung wird in der Literatur geteilt von Thorn in Palandt-Thorn, 70. Aufl., Rdnr. 3 zu Art. 15 EGBGB und Henrich in Johannsen/Henrich, Familienrecht, 5. Aufl., Rdnr. 16 zu Art. 15 EGBGB). Der Senat schließt sich dem an.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 63, 181) die alte Fassung des Art. 15 EGBGB, der an die Staatsangehörigkeit nur des Mannes anknüpfte, für verfassungswidrig erklärt hatte, hat sich der Gesetzgeber bei der Neuregelung bewusst gegen anderslautende Meinungen für den Grundsatz der Unwandelbarkeit entschieden (s. hierzu: Peter Mankowski in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2004, Rdn. 8-13 zu Art. 15 EGBGB). Spätere Änderungen der objektiven Anknüpfungspunkte sollten keine Auswirkungen haben. Soweit diese Folgen von den Ehegatten nicht gewünscht sind, haben sie die Möglichkeit, unter den Art. 15 Abs. 2 EGBGB näher bezeichneten Voraussetzungen die güterrechtlichen Wirkungen ihrer Ehe durch Rechtswahl zu gestalten.

Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts (Deutscher Bundestag, 10. Wahlperiode, Drucksache 10/504 S. 57/58) begründet das Festhalten am Grundsatz der Unwandelbarkeit der gesetzlichen Anknüpfung wie folgt: "... Dem Interesse an Beständigkeit einer einmal begründeten güterrechtlichen Lage steht das Interesse an der Anpassung an die jeweilige kollisionsrechtliche Schwerpunktverlagerung gegenüber. Haben Ehegatten den Mittelpunkt ihrer Lebensverhältnisse gewechselt, so kann ihren Erwartungen hinsichtlich der Beurteilung ihrer güterrechtlichen Verhältnisse die Anwendung des jetzt für die sonstigen Wirkungen ihrer Ehe maßgeblichen Rechts entsprechen. Umgekehrt werden bei einer noch nicht völlig gefestigten Verlagerung der Lebensverhältnisse etwa in einen anderen Kulturkreis hinein die Ehegatten regelmäßig zu einem Fortbestand der alten Anknüpfung neigen. Der Entwurf gleicht diese Interessen aus, indem er prinzipiell die Unwandelbarkeit der gesetzlichen Anknüpfung vorsieht und den Ehegatten die Möglichkeit einer Anpassung durch Rechtswahl einräumt. Für diese Lösung sprechen überwiegend praktische Gründe. Die Unwandelbarkeit vermeidet automatische Statutenwechsel mit gesetzlich kaum lösbaren Übergangsproblemen. Würde Wandelbarkeit zugrunde gelegt, so könnten sich häufig Schwierigkeiten bei der Abwicklung des Güterstandes nach der Scheidung oder nach dem Tod eines Ehegatten ergeben, weil etwa die Aufenthaltsverhältnisse und Erwerbszeitpunkte während der gesamten Ehezeit aufgerollt werden müssten. Demgegenüber sind durch die Unwandelbarkeit des Güterrechtsstatuts bedingte Qualifikationskonflikte im Verhältnis zu den allgemeinen Ehewirkungen von untergeordneter Bedeutung. Die Rechtswahl eignet sich als Instrument für die kollisionsrechtliche Anpassung des Güterrechts an gewandelte Lebensverhältnisse insgesamt besser als eine wandelbare gesetzliche Anknüpfung. Die Lösung des Entwurfs vermeidet insbesondere automatische Übergänge etwa vom gesetzlichen Güterstand der Gütertrennung zu einem Güterstand der Gütergemeinschaft gegen den Willen eines Ehegatten."

Die Verweisung auf die anzuwendende Rechtsordnung gemäß Art. 15 Abs. 1 EGBGB ist deshalb nicht auf die Wandelbarkeit des ausländischen Güterrechtsstatuts zu beziehen, wie sie im Recht Restjugoslawiens, Kroatiens und Sloweniens normiert ist. Es bleibt dabei, dass deutsches Güterrecht keine Anwendung findet. Der Erholung eines Gutachtens des Max-Planck-Instituts, Internationales Privatrecht, bedarf es nicht, da die Anwendung und Auslegung des Art. 15 EGBGB Aufgabe des erkennenden Senates ist.

Die Anwendung deutschen Güterrechts ergibt sich auch nicht aus anderen Gründen. Die Beteiligten haben keine Rechtswahl nach Art. 15 Abs. 2 EGBGB getroffen. Diese Rechtswahl bedarf der notariellen Beurkundung, Art. 15 Abs. 3, 14 Abs. 4 i.V.m. § 1410 BGB (Thorn, a.a.O., Rdnr. 23 zu Art. 15 EGBGB). Ein notariell beurkundeter Ehevertrag liegt jedoch nicht vor.

Die Voraussetzungen für eine formlose Unterstellung unter eine Rechtsordnung durch schlüssiges Verhalten nach Art. 220 Abs. 3 Nr. 2 EGBGB liegen ebenfalls nicht vor. Dies wäre nur möglich gewesen, wenn die Beteiligten zum Zeitpunkt der Eheschließung verschiedene Staatsangehörigkeiten besessen hätten (Siehr, a.a.O., Rdnr. 159 zu Art. 15 EGBGB). Dies ist jedoch, wie ausgeführt, nicht der Fall. Dagegen spricht auch, dass beide Beteiligte im notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 22.12.1978 (Notar R., F., UR-Nr. …) erklärt hatten, nach dem gesetzlichem Güterstand der Volksrepublik Jugoslawien verheiratet zu sein. Es bleibt deshalb das bei Eheschließung der Beteiligten gemeinsame Heimatrecht maßgeblich (Siehr, a.a.O., Rdnr. 177 zu Art. 15 EGBGB).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, der für die vorliegende Familienstreitsache anzuwenden ist, §§ 112 Nr. 2, 261 Abs. 1, 113 Abs. 1 FamFG.

Der Verfahrenswert wurde gemäß § 38 FamGKG festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, da die hier entschiedene Streitfrage höchstrichterlich noch nicht geklärt ist.