ArbG Stuttgart, Urteil vom 27.08.2015 - 30 Ca 1611/15
Fundstelle
openJur 2015, 19251
  • Rkr:

1. Eine Alleinentscheidung nach § 55 Abs. 3 ArbGG kann bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen auch noch im Anschluss an einen zweiten Gütetermin ergehen.

2. Bei zwei mit derselben Anstellungsbehörde und gleich bleibender Eingruppierung abgeschlossenen Lehrerarbeitsverhältnissen, die um einen Tag weniger als die Dauer der Sommerferien voneinander getrennt sind, kann ein enger sachlicher Zusammenhang bestehen, wenn die Beschäftigung nach den Ferien in derselben Schulform erfolgt und während der Dauer des vorangegangenen befristeten Arbeitsvertrages bereits ein Härtefallantrag auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gestellt wurde und dieser einen Tag nach Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses positiv beschieden wird.

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 03.03.2015 nicht beendet wird.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Lehrerin weiter zu beschäftigen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Der Streitwert wird auf 9.568,84 EUR festgesetzt.

5. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Frage der Wirksamkeit der ordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung vom 03.03.2015.

Die am 00.00.1964 geborene, geschiedene und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Klägerin ist zuletzt aufgrund des als Anlage B1 (Seite 23 der Akte) vorgelegten Arbeitsvertrages seit 12.09.2014 bei dem beklagten Land im S.-Gymnasium W. (im Folgenden: Beklagte) in einem Teilunterrichtsauftrag mit 16 Unterrichtsstunden wöchentlich als Lehrerin für Deutsch und Geschichte beschäftigt. Die in Entgeltgruppe E 13 eingruppierte Klägerin erzielt dabei ein durchschnittliches monatliches Bruttoeinkommen von 2.392,21 EUR.

Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten. Bei der Beklagten ist ein Bezirkspersonalrat gebildet. Im Jahr 2014 fanden in Baden-Württemberg in dem Zeitraum vom 31.07.2014 bis einschließlich 13.09.2014 die schulischen Sommerferien statt.

Bereits zuvor hat in dem Zeitraum vom 09.12.2013 bis einschließlich 30.07.2014 zwischen den Parteien ein befristetes Arbeitsverhältnis bestanden, in welchem die Klägerin einen Teilunterrichtsauftrag von acht Unterrichtsstunden wöchentlich bei Eingruppierung in Entgeltgruppe E 13 als Lehrerin für die Fächer Latein und Geschichte in B. in dem Gymnasium in d. T. beschäftigt war (Arbeitsvertrag vorgelegt als Anlage B4, Seite 29 der Akte). In jener Zeit unterrichtete die Klägerin ausschließlich Latein in zwei Klassen.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien sind aufgrund der Bezugnahme in § 2 des Arbeitsvertrages vom 12.09.2014 der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L), der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Länder) und die Tarifverträge, die den TV-L und den TVÜ-Länder ergänzen, ändern oder ersetzen, in der Fassung, die für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder und für das Land Baden-Württemberg jeweils gilt und sonstige einschlägige Tarifverträge für das Land Baden-Württemberg anwendbar.

Mit Schreiben vom 03.03.2015, am 04.03.2015 der Klägerin zugegangen, erklärte die Beklagte die ordentliche Probezeitkündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2015 (Anlage zur Klage, Seiten 4 - 6 der Akte). Mit ihrer am 13.03.2015 beim Arbeitsgericht Stuttgart eingegangenen Klage wendet die Klägerin sich gegen die Wirksamkeit jener Kündigungserklärung.

Die Klägerin trägt im wesentlichen vor,

die Zeiten ihres bereits seit Dezember 2013 bestehenden Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten seien aufgrund des engen sachlichen Zusammenhangs auf das nunmehr gekündigte Arbeitsverhältnis anzurechnen, womit Letzteres dem Kündigungsschutzgesetz unterfalle. Zwar handele es sich bei der erfolgten Unterbrechung zwischen den beiden Arbeitsverhältnissen von ca. sechs Wochen an sich um einen erheblichen Unterbrechungszeitraum. Im vorliegenden Fall sei jedoch zu berücksichtigen, dass die Unterbrechung ausschließlich wegen der in diesem Zeitraum im Baden-Württemberg stattfindenden Schulferien erfolgt sei. Eine vorübergehende Unterbrechung auch befristeter Arbeitsverhältnisse für diesen Zeitraum sei beim öffentlichen Dienst des Landes Baden-Württemberg eine weit verbreitete Praxis. Hinzu komme, dass die Klägerin jeweils in Gymnasien tätig gewesen und sogar eine Aufstockung ihres Stundendeputats erfolgt sei. Zwar habe zunächst ein befristetes Arbeitsverhältnis vorgelegen und sodann eine Einstellung aufgrund einer Härtefallregelung. Dies sei jedoch kein zulässiges Kriterium, aufgrund dessen der enge sachliche Zusammenhang zwischen beiden Arbeitsverhältnissen verloren ginge.

Ergänzend sei zu berücksichtigen, dass der Klägerin bereits mit E-Mail vom 31.07.2014 (Seite 60 der Akte) mitgeteilt worden sei: „(…) im Rahmen des Einstellungsverfahrens „Härtefall“ können wir Ihnen ein Einstellungsangebot für das S.-Gymnasium, W. (…) unterbreiten.“ Dies zeige nicht nur, dass die Beklagte offensichtlich von der Eignung der Klägerin für eine Tätigkeit als Lehrerin ausgegangen war, sondern auch ein enger zeitlicher und damit sachlicher Zusammenhang zwischen beiden Arbeitsverhältnissen bestehe. Die ausgesprochene Kündigung sei daher am Maßstab des § 1 Abs. 2 KSchG zu messen und sozial ungerechtfertigt.

Die Klägerin beantragt nach Rücknahme des allgemeinen Feststellungsantrags:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 03.03.2015 nicht beendet wird.

2. Im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. wird die Beklagte verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Lehrerin weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt:

Klageabweisung.

Die Beklagte trägt im wesentlichen vor,

die Zeiten des seit Dezember 2013 bestehenden befristeten Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien seien auf das nunmehr gekündigte Arbeitsverhältnis nicht anzurechnen. So liege angesichts der während der Sommerferien im Jahr 2014 erfolgten Unterbrechung kein enger sachlicher Zusammenhang der beiden Arbeitsverhältnisse mehr vor. Neben der langen zeitlichen Unterbrechung sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin jeweils an verschiedenen Gymnasien der Beklagten tätig gewesen sei und auch ein unterschiedliches Stundendeputat wahrgenommen habe. Hinzu komme, dass die Klägerin zunächst ausschließlich Latein unterrichtet habe, wofür sie angesichts ihres Studiums ausschließlich des Mittellatein noch nicht einmal eine Lehrbefähigung zur Unterrichtung an Gymnasien habe. Erst im Rahmen ihres zuletzt erfolgten Einsatzes bei der Beklagten habe die Klägerin sodann die Fächer Deutsch und Geschichte unterrichtet, für welche sie eine volle Lehrbefähigung besitze.

Darüber hinaus spreche gegen den engen sachlichen Zusammenhang auch, dass es sich ursprünglich um ein befristetes Arbeitsverhältnis zur Vertretung einer ausgefallenen Lehrkraft gehandelt habe, wohingegen das zweite Arbeitsverhältnis aufgrund einer so genannten Härtefalleinstellung begründet worden sei, nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 02.06.2014 einen entsprechenden Antrag gestellt hatte. Es sei auch nicht bereits vor den Sommerferien im Jahr 2014 vereinbart worden, dass eine Beschäftigungsoption der Klägerin auch im kommenden Schuljahr bestehen solle. Die Beklagte habe das Arbeitsverhältnis sodann zu Recht aufgrund der am 17.02.2015 erfolgten Gesamtbeurteilung der Klägerin mit der Note 4,5 während der Probezeit gekündigt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 28.04.2015 und 27.08.2015 gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 313 Abs. 2 S. 2 ZPO Bezug genommen.

In dem Termin am 27.08.2015 konnte keine mündliche Verhandlung vor der Kammer stattfinden, da insoweit ein geladener ehrenamtlicher Richter zum Termin nicht erschienen war. Die Parteien erklärten insoweit jedoch zu Protokoll, dass sie mit der Durchführung eines zweiten Gütetermins und einer anschließenden Alleinentscheidung der Vorsitzenden gemäß § 55 Abs. 3 ArbGG einverstanden sind. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auch insoweit auf das Protokoll vom 27.08.2015 Bezug genommen.

Gründe

I.

Die zulässige Klage ist begründet. So liegen die Voraussetzungen für die Alleinentscheidung der Vorsitzenden vor (1.). Die Klage ist im Übrigen zulässig (2.) und begründet (3.).

1. Die Entscheidung konnte gemäß § 55 Abs. 3 ArbGG durch die Vorsitzende allein ergehen.

a) So entscheidet nach § 55 Abs. 3 ArbGG der Vorsitzende allein auf übereinstimmenden Antrag der Parteien. Das Einverständnis zu dieser Alleinentscheidung muss dabei noch vor dem Scheitern der Güteverhandlung erklärt werden, wobei die Erklärungen auch noch in einem weiteren Gütetermin erfolgen können. Sie sind in das Protokoll aufzunehmen und unwiderruflich. Darüber hinaus ist Voraussetzung für die Alleinentscheidungsbefugnis stets, dass eine das Verfahren vor dem Arbeitsgericht abschließende Entscheidung ergehen kann (ErfKomm/Koch, 15. Aufl. 2015, § 55 ArbGG, Rn. 6 m.w.N.).

b) Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, da beide Parteien während des durchgeführten zweiten Gütetermins im Zusammenhang mit dem Scheitern der Güteverhandlung zu Protokoll erklärten, dass sie eine Alleinentscheidung gemäß § 55 Abs. 3 ArbGG wünschen. Dem steht auch nicht entgegen, dass ursprünglich beabsichtigt war, zum Zeitpunkt des zweiten Gütetermins eine mündliche Verhandlung vor der Kammer durchzuführen. Diese konnte, was den Parteien vor Eröffnung der Verhandlung mitgeteilt wurde, deshalb nicht stattfinden, da ein ehrenamtlicher Richter zum Termin trotz Ladung nicht erschienen war. Hierauf hatten die Parteien übereinstimmend erklärt, dass sie mit der Durchführung eines zweiten Gütetermins allein vor der Vorsitzenden einverstanden sind und dies auch nochmals zu Beginn jenes Termins zu Protokoll erklärt. Schließlich konnte auch eine das Verfahren abschließende Entscheidung ergehen.

2. Die ordentliche Kündigung vom 03.03.2015 ist sozial ungerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst (a). Die Beklagte war daher auch zu verurteilen, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Lehrerin weiter zu beschäftigen (b).

a) Klageantrag Ziffer 1 war stattzugeben, da die ordentliche Kündigung vom 03.03.2015 unwirksam ist.

aa) Mit ihrer am 13.08.2015 beim Arbeitsgericht Stuttgart eingegangenen Klage hat die Klägerin gegen die ihr am 04.03.2015 zugegangene Kündigungserklärung innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage erhoben, §§ 4, 7 KSchG.

bb) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist das Kündigungsschutzgesetz im Übrigen anwendbar.

(1) So beschäftigt die Beklagte unstreitig regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer im Sinne von § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG.

(2) Darüber hinaus besteht aber auch das Arbeitsverhältnis der Parteien unter Einbeziehung des bereits im Dezember 2013 begründeten befristeten Arbeitsverhältnisses länger als sechs Monate im Sinne von § 1 Abs. 1 KSchG.

Nach § 1 Abs. 1 KSchG hängt das Eingreifen des allgemeinen gesetzlichen Kündigungsschutzes davon ab, dass das Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat. Auf die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG sind Zeiten eines früheren Arbeitsverhältnisses mit demselben Arbeitgeber anzurechnen, wenn das neue Arbeitsverhältnis in einem engen sachlichen Zusammenhang mit dem früheren Arbeitsverhältnis steht. Dabei kommt es insbesondere auf den Anlass und die Dauer der Unterbrechung sowie auf die Art der Weiterbeschäftigung an (vgl. BAG vom 28.08.2008, 2 AZR 101/07, AE 2009, 57; 20.08.1998, 2 AZR 83/98, BAGE 89, 307). Bei der Prüfung, wann von einem ununterbrochenen Arbeitsverhältnis i. S. v. § 1 Abs. 1 KSchG ausgegangen werden kann, können keine festen zeitlichen Grenzen zugrunde gelegt werden, wie sie beispielsweise in anderen Gesetzen (vgl. etwa § 1 Abs. 1 S. 3 BeschFG 1985 oder § 14 Abs. 3 TzBfG) geregelt sind (vgl. BAG vom 19.06.2007, 2 AZR 94/06, AP KSchG 1969 § 1 Wartezeit Nr. 23). Der danach erforderliche enge sachliche Zusammenhang zwischen zwei Arbeitsverhältnissen kann jedoch daran scheitern, dass ein Lehrer vor und nach den Sommerferien in unterschiedlichen Schultypen (Gymnasium und Berufskolleg) und Klassenstufen eingesetzt worden ist (BAG vom 28.08.2008, 2 AZR 101/07, a.a.O.).

Während das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 28.08.2008 (2 AZR 101/07, a.a.O.) bei einem Einsatz an unterschiedlichen Schultypen insbesondere auch aufgrund des bestehenden differenzierten und anderen Lernangebots einen engen sachlichen Zusammenhang der an einem Gymnasium und an einem Berufskolleg erfolgten Einsätze eines Lehrers verneint hat, ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Klägerin jeweils an einem Gymnasium eingesetzt wurde. Es liegt damit eine Tätigkeit der Klägerin jeweils an Schulen desselben Schultyps vor.

Hinzu kommt, dass die vorliegende Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses vom 31.07.2014 bis einschließlich 12.09.2014 andauerte, während die Schulferien des Landes Baden-Württemberg vom 31.07.2014 bis einschließlich 13.09.2014 währten. Damit dauerte die Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses um einen Tag weniger an als in Baden-Württemberg in jenem Jahr aufgrund der Sommerferien kein Schulunterricht stattfand. Dadurch ist es gerade nicht so, dass die Unterbrechung der Arbeitsverhältnisse länger als die Sommerferien andauerte und allein deshalb ein enger sachlicher Zusammenhang zu verneinen wäre (vgl. hierzu LAG Niedersachsen vom 21.06.2010, 12 Sa 1580/09 E, zit. nach juris, zum Unterbrechungszeitraum im Geltungsbereich des TVÜ-Länder).

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin während beider Arbeitsverhältnisse in Entgeltgruppe E 13 eingruppiert und bei der identischen Anstellungsbehörde beschäftigt war. Dies allein vermag den erforderlichen engen sachlichen Zusammenhang beider Arbeitsverhältnisse zwar nicht zu begründen (LAG Hamm vom 30.11.2006, 11 Sa 1039/06, zit. nach juris), spricht jedoch auch nicht gegen den nötigen Zusammenhang.

Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass die arbeitsvertragliche Anstellung der Klägerin jeweils auch für das Schulfach Geschichte erfolgte. Zwar unterrichtete die Klägerin jenes Fach nur während ihres zuletzt erfolgten Einsatzes für die Beklagte. Dies ist jedoch insoweit unschädlich, als es allein der schulischen Stundenplanung unterliegt, welche Lehrkraft in welchem konkreten Umfang bestimmte Fächer unterrichtet. Daher ist vielmehr entscheidend, dass die Klägerin jeweils verpflichtet war, im Rahmen ihres Stundendeputats das Schulfach Geschichte zu unterrichten, sofern sie eine entsprechende Schulklasse zugeteilt erhalten hätte.

Der erforderliche enge sachliche Zusammenhang kann jedoch nicht zusätzlich dadurch vermittelt werden, dass sich das durch die Klägerin zu erbringende Stundendeputat veränderte. So war die Klägerin während des zunächst bis einschließlich 30.07.2014 befristeten Arbeitsverhältnisses mit acht Unterrichtsstunden wöchentlich für die Beklagte tätig. In dem ab 12.09.2015 bestehenden Arbeitsverhältnis belief sich ihr wöchentliches Stundendeputat sodann auf 16 Stunden wöchentlich. Dass es sich insoweit um eine bewusste Aufstockung des Stundedeputats aufgrund der bisherigen Erfahrungen der Beklagten mit der Klägerin handelte, wurde durch die Parteien nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich. Damit kann diese Aufstockung nicht dazu beitragen, einen sachlichen Zusammenhang beider Arbeitsverhältnisse zu begründen.

Anders verhält es sich jedoch hinsichtlich der Umstände, die zur Neubegründung des Arbeitsverhältnisses ab 12.09.2014 führten. So hatte die Klägerin bereits mittels Schreiben vom 02.06.2014 eine Härtefallprüfung der Beklagten hinsichtlich ihrer Weiterbeschäftigung beantragt. Dies veranlasste die Beklagte dazu, der Klägerin mit E-Mail vom 31.07.2014, also einen Tag nach Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses, ein konkretes Einstellungsangebot zu unterbreiten, welches die Klägerin auch annahm, worauf ab 12.09.2014 das Folgearbeitsverhältnis zustande kam. Insoweit weist die Beklagte zwar zu Recht darauf hin, dass der Klägerin nicht bereits vor Abschluss des befristeten Arbeitsverhältnisses eine Weiterbeschäftigung konkret in Aussicht gestellt worden war. Dies erfolgte jedoch einen Tag nach Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses aufgrund eines Antrages, den die Klägerin noch während ihrer befristeten Beschäftigung gestellt hatte. Unter zusätzlicher Berücksichtigung der vorgenannten Umstände - insbesondere in Form der Identität von Eingruppierung, Schulform und Anstellungsbehörde sowie Teilidentität der Unterrichtsfachverpflichtung - vermag dies den erforderlichen engen sachlichen Zusammenhang beider Arbeitsverhältnisse zu vermitteln. Dies gilt umso mehr, als die fragliche Unterbrechung ausschließlich in dem Zeitraum der zwischen beiden Arbeitsverhältnissen liegenden Sommerferien fiel, jedoch um einen Tag kürzer als diese andauerte. Damit lag zwischen beiden Arbeitsverhältnissen also kein einziger Tag, an welchem die Klägerin keine entsprechende Anschlussbeschäftigung bei einer bestimmten Schule konkret in Aussicht gestellt bekommen hatte. Ein völlig von einander losgelöstes Betrachten der beiden Arbeitsverhältnisse scheidet danach aus. Vielmehr wurde die ab 12.09.2014 erfolgte Beschäftigung der Klägerin durch Umstände vermittelt, welche durch den Antrag der Klägerin vom 02.06.2014 maßgeblich beeinflusst waren. Angesichts dieser zeitlichen Abfolge und der übrigen vorgenannten Umstände kann damit ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen beiden Arbeitsverhältnissen nach § 1 Abs. 1 KSchG bejaht werden.

Dem widerspricht auch nicht - wie die Beklagte meint - dass die Klägerin während ihrer befristeten Tätigkeit für die Beklagte ausschließlich das Fach Latein unterrichtete, für welches sie aufgrund ihres Abschlusses „nur“ in Mittellatein keine gymnasiale Lehrbefähigung habe. Insoweit ist zunächst festzustellen, dass diese beklagtenseits geschilderten Umstände die Beklagte nicht hinderten, die Klägerin dennoch ab 09.12.2013 tatsächlichen Unterricht in dem Schulfach Latein abhalten zu lassen. Darüber hinaus stand es der Beklagten frei, einen Einsatz der Klägerin innerhalb des vereinbarten Stundendeputats auch in dem Schulfach Geschichte zu veranlassen. Dass dies trotz Vorliegens einer entsprechenden vertraglichen Verpflichtung der Klägerin dennoch nicht erfolgt ist, vermag den engen sachlichen Zusammenhang beider Beschäftigungsverhältnisse nicht auszuschließen. Dieser wurde insbesondere durch die Umstände, die zum Abschluss des Folgearbeitsverhältnisses führten, entscheidend vermittelt und vermag nicht allein aufgrund des Umstandes, dass die Beklagte das ihr zustehende Weisungsrecht während des früheren Arbeitsverhältnisses nicht erschöpfend ausübte, ausgeschlossen zu werden.

Nach alledem ist der erforderliche enge sachliche Zusammenhang beider Arbeitsverhältnisse gegeben und das Kündigungsschutzgesetz auf das insgesamt sei 09.12.2013 und damit im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 04.03.2015 mehr als sechs Monate bestehende Arbeitsverhältnis anwendbar, § 1 Abs. 1 KSchG.

cc) Die Kündigungserklärung der Beklagten vom 03.03.2015 ist danach unwirksam, da es ihr mangels entsprechender Darlegungen der Beklagten an der sozialen Rechtfertigung im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG fehlt.

So ist eine Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe in der Person bzw. dem Verhalten des Arbeitnehmer oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegen stehen, bedingt ist. Für das Vorliegen derartiger Gründe ist die Beklagte als diejenige Partei, die sich auf die Kündigung beruft, darlegungs- und beweispflichtig.

Die Beklagte stützt die ausgesprochene Kündigung jedoch ausschließlich auf die Begründung, es handele sich um eine wirksame Probezeitkündigung im Sinne von § 2 Abs. 4 S. 1 TV-L infolge der am 17.02.2015 durchgeführten Gesamtbeurteilung der Klägerin. Diese vermag jedoch einen Kündigungsgrund im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG nicht zu begründen. So setzt jede am Maßstab des Kündigungsschutzgesetzes zu messende Kündigung für ihre soziale Rechtfertigung voraus, dass dem Arbeitgeber ein milderes Mittel nicht zur Verfügung steht. Die Beklagte hat keinerlei Umstände vorgetragen, aus denen sich ergeben könnte, dass die ausgesprochene Kündigung sozial gerechtfertigt wäre. So weisen beide Berichte über die vor der Gesamtbeurteilung erfolgten Unterrichtsbesuche (Anlagen B10 und B11, Seiten 46 - 47 und 48 der Akte) am Ende darauf hin, dass die Klägerin sich der erfolgten Kritik gegenüber aufgeschlossen zeigte. Ein Verweigerungshaltung oder sonstige kategorische Ablehnung des Versuchs der Veränderung oder Verbesserung ihrer Unterrichtsmethoden behauptet insoweit auch die Beklagte nicht. Damit fehlt es jedoch an jeglicher Darlegung der Beklagten, weshalb es ihr nicht zumutbar sein soll, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin - gegebenenfalls nach Ausspruch einer Ermahnung oder wenigstens Anordnung der Anwendung anderer Unterrichtskonzepte - zunächst fortzusetzen. Die ausgesprochene Kündigung ist daher sozial ungerechtfertigt und unwirksam.

b) Aufgrund der Unwirksamkeit der Kündigung vom 03.03.2015 ist die Beklagte auch verpflichtet, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Lehrerin weiter zu beschäftigen.

Außerhalb der Regelung der § 102 Abs. 5 BetrVG, § 79 Abs. 2 BPersVG hat der gekündigte Arbeitnehmer einen arbeitsvertragsrechtlichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist oder bei einer fristlosen Kündigung über deren Zugang hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsprozesses, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen, §§ 611, 242 BGB (BAG vom 27.02.1985, GS 1/84, BAGE 48, 122-129).

Derartige überwiegende schutzwerte Interessen wurden seitens der Beklagten nicht dargelegt. Angesichts der Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung war dem Weiterbeschäftigungsantrag der Klägerin daher ebenfalls statt zu geben.

II.

1. Die Kosten des Rechtsstreits hat nach Maßgabe von § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 Abs.1 ZPO die Beklagte als unterlegene Partei zu tragen. Eine Kostenfolge auch nach § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO war gegenüber der Klägerin angesichts der im zweiten Gütetermin erfolgten Rücknahme des allgemeinen Feststellungsantrages unter Heranziehung des Rechtsgedankens von § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht auszusprechen, da es sich insoweit aus gebührenrechtlicher Sicht um einen wirtschaftlich mit dem punktuellen Kündigungsschutzantrag teilidentischen Antrag handelt, der auch bei der Bemessung des für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wertes nicht werterhöhend zu berücksichtigen ist.

2. Der Wert des Streitgegenstandes, der gemäß § 61 Abs.1 ArbGG festzusetzen war, bestimmt sich nach §§ 3 ff. ZPO. Für die vorliegende Kündigungsschutzklage war es angemessen, entsprechend auch dem Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit in seiner neuesten Fassung (hier Ziff. 19), die Vergütung der Klägerin für ein Vierteljahr in Ansatz zu bringen. Der Weiterbeschäftigungsantrag ist mit einem Bruttomonatsgehalt in Ansatz gebracht. Der im Rahmen des zweiten Gütetermins zurück genommene allgemeine Feststellungsantrag ist dagegen nicht mehr werterhöhend zu berücksichtigen.

3. In den Tenor ist die nach § 64 Abs. 3a ArbGG vorgesehene Entscheidung über die Berufungszulassung aufgenommen. Gründe für eine Berufungszulassung nach § 64 Abs. 3 ArbGG liegen nicht vor. Dies steht einer Berufungseinlegung nach § 64 Abs. 2 c) ArbGG jedoch nicht entgegen und richtet sich im Übrigen nach der folgenden Rechtsmittelbelehrung.

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