FG Nürnberg, Urteil vom 03.09.2015 - 4 K 317/14
Fundstelle
openJur 2015, 19036
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

Streitig ist, ob im Erlasszeitpunkt des Erbschaftsteuerbescheides bereits Festsetzungsverjährung gegenüber dem Kläger eingetreten war.

Am 14.04.2006 verstarb D., der Vater des Klägers.

I.

Die Sterbefallmitteilung des Standesamtes A-Stadt wurde dem Finanzamt übermittelt. Sie wies Namen und Anschriften der Ehegattin des Erblassers sowie seiner Kinder – u.a. des Klägers – aus und enthielt unter der Rubrik Nachlass als Grundvermögen „1/2 Haus in A-Stadt, Weg 1“. Die Sterbefallmitteilung wurde mit den Stempeln „Freibeleg“ und „Vorprüffall“ versehen, der Stempel „Freibeleg“ ist mehrfach durchgestrichen.

Beim beklagten Finanzamt gingen Anzeigen nach § 33 ErbStG ein wie folgt:

20.04.2006        Bank 1                   4.154 € zzgl. Zinsen20.04.2006        Bank A-Stadt        54.568,09 € zzgl. Zinsen,(davon 50.747,81 € zzgl. Zinsenauf Gemeinschaftskonten)16.05.2006        E                 4.037,19 € (bezugsberechtigt imTodesfall: Ehefrau.)Am 23.01.2007 verfügte das Finanzamt C die Steuerfreiheit des Erbfalls gemäß § 16 Abs. 1 Ziff. 1+2 ErbStG sowie die Ablage der Anzeigen zu den Freibelegen.

In der Folgezeit ging noch folgende Meldung beim Finanzamt C ein:

15.02.2008        Bausparkasse                   98.395,99 € zzgl. ZinsenII.

Mit Schreiben vom 20.09.2010, eingegangen beim Finanzamt C am 30.09.2010, übermittelte das A-Stadt einen notariellen Erbscheinsantrag mit eidesstattlicher Versicherung vom 23.08.2006 (URNr. ….2006, Notar F, A-Stadt), einen Erbschein vom 30.10.2006 sowie das Nachlassverzeichnis vom 04.09.2006. Ausweislich des Erbscheinsantrags sowie des Erbscheins wurde der Erblasser aufgrund gesetzlicher Erbfolge von seiner Ehefrau zu ½ und seinen beiden Söhnen – dem Kläger und dessen Bruder I – zu jeweils ¼ beerbt. Das Nachlassverzeichnis weist ein Nachlassvermögen aus wie folgt:

Bargeld        2.500 €In- und ausländische Guthaben bei Sparkassen etc.131.856 €Bank A-Stadt21.464,80 €        Mietkautionskonto3.909,11 €        Bank A-Stadt3.820,28 €        Bank 1           4.154,46 €        Bausparkasse           98.323,90 €        Darlehen an Firma G        10.000 €Grundstücke                2                         3                         Immobilien                Weg 1 (1/2-Anteil)                Str. 9                    Str. 11                     Str. 2.                       Beerdigungskosten/Grabsteinkosten7.500 €Als Wert der Grundstücke setzte das Nachlassgericht einen Betrag von insgesamt 1.162.766,80 € an und ermittelte hinsichtlich der Grundstücke u.a. wie folgt:

2 (Bauplatz zu 905 m²)3 (Bauplatz zu 970 m²)A-Stadt, Weg 1 (1/2-Anteil, EFH, Grund 896 m², BJ 1970)A-Stadt, Str. 9 (EFH, BJ 1980, Grund 522 m²)A-Stadt, Str. 11 (Drei-Familien-Haus mit 3 MEA, Grund 574 m², BJ 1992)A-Stadt, Str. 2. (Wohnung Nr. 104 + 105, Tiefgarage Nr. 7,insg. 124/10.000tel MEA, BJ 1970)III.

Das Finanzamt forderte die Miterbin Ehefrau mit Schreiben vom 06.10.2010 zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung für den Erwerb aufgrund des Ablebens von D auf und verlängerte auf Antrag die Abgabefrist bis 30.11.2010. Außerdem bat es zur Ermittlung der Werte der Vorschenkungen des Erblassers u.a. an den Kläger vom 16.12.2004 (S-A. ) die Ehefrau um Einreichung einer Feststellungserklärung mit Anlage Grundstück:

Mit notariellem Vertrag vom 16.12.2004 (URNr. F …./2004, Notar H, A-Stadt) hatte der Erblasser dem Kläger das vermietete Grundstück Str. 10b (Gebäude- und Freifläche zu 396 m²) unentgeltlich überlassen und sich auf Lebensdauer sowie zugunsten von Ehefrau aufschiebend bedingt den Nießbrauch vorbehalten. Der Kläger hatte sich den Wert dieser Überlassung auf seine Pflichtteilsansprüche nach dem Erblasser anrechnen zu lassen, jedoch ausdrücklich nicht zur Ausgleichung zu bringen. Der damaligen Kostenberechnung des Notars hatte ein Wert von 211.700 € zugrunde gelegen. Das Finanzamt hatte am 30.12.2004 die Steuerfreiheit dieses (Vor-)Erwerbs nach § 16 Abs. 1 Ziff. 2 ErbStG und dessen Ablage zu den Freibelegen verfügt. Mit Bescheid vom 20.01.2011 stellte das Finanzamt A-Stadt nach Aufforderung vom 02.12.2010 für dieses Grundstück einen Grundbesitzwert auf den 31.12.2004 „für Zwecke der Schenkungsteuer, Steuernummer: S. xxx, Anfrage vom 02.12.2010“ in Höhe von 176.000 € fest und minderte diesen Wert im dortigen Einspruchsverfahren mit Bescheid vom 10.04.2012 auf 141.000 €; der Änderungsbescheid enthielt den Hinweis nach § 181 Abs. 5 AO.

Beim beklagten Finanzamt gingen in dem Verfahren wegen Erbschaftsteuer Anschreiben und Erklärungen ein wie folgt:

EingangbeimFinanzamtSchreibenvomUnterzeichnetvonAnlagenUnterzeichnet vonTelefax29.11.2010(16.14 Uhr)29.11.10Ehefrau                           Telefax29.11.2010(16.39 Uhr)29.11.10Ehefrau           2 Seiten Erklärung zur Feststellung des BedarfswertesEhefrau           Telefax29.11.2010(16.56 Uhr)                3 Rückseiten Erklärung zur Feststellung des Bedarfswertes        Telefax30.11.2010(14.00 Uhr)30.11.2010EhefrauIKläger1 Seite ErbschaftsteuererklärungEhefrauKlägerTelefax30.11.2010(14.15 Uhr)                2 Seiten Erbschaftsteuererklärung        Telefax30.11.2010(14.27 Uhr)30.11.2010EhefrauIKlägerBelege zur Erklärung        Brief30.11.201030.11.2010EhefrauI.KlägerErbschaftsteuererklärung,3 Blatt Anlage Erwerber,3 Blatt betr. Bedarfswert,11 Doppelblatt betr. GrundstückeErbschaftsteuererklärung(Original):EhefrauKlägerI.Mit Schreiben an die Bewertungsstellen der Finanzämter C und A-Stadt jeweils vom 02.12.2010 forderte die Erbschaftsteuerstelle die Feststellung von Grundbesitzwerten für Zwecke der Erbschaftsteuer an; die Feststellungsbescheide ergingen im Januar 2011.

Durch Erbschaftsteuerbescheid vom 10.03.2011 setzte das Finanzamt gegenüber dem Kläger aus einem steuerpflichtigen Erwerb von 168.300 € Erbschaftsteuer in Höhe von 18.513 € fest. Der Kläger legte Einspruch ein u.a. mit den Begründungen, Festsetzungsverjährung sei eingetreten gewesen sowie der Nießbrauch auf dem Grundstück Str. 10b (Vorerwerb) sei erwerbsmindernd zu berücksichtigen. Wegen geänderter Grundbesitzwerte setzte das Finanzamt mit Erbschaftsteuerbescheid vom 25.01.2012 aus einem steuerpflichtigen Erwerb von 167.700 € die Erbschaftsteuer auf 18.447 € und mit Änderungsbescheid vom 13.03.2012 aus einem steuerpflichtigen Erwerb von 131.500 € die Erbschaftsteuer auf 14.465 € herab. Das Einspruchsverfahren verlief erfolglos.

Der Kläger hat Klage erhoben und beantragt,

•den Erbschaftsteuerbescheid vom 10.03.2011 sowie die Änderungsbescheide vom 25.01.2012 und 13.03.2012 und die Einspruchsentscheidung vom 07.02.2014 aufzuheben.•für den Fall des Unterliegens die Zulassung der Revision.Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus:

Eine Steuerfestsetzung sei gemäß § 169 Abs. 1 S. 1 AO nicht mehr zulässig gewesen, da etwaige erbschaftsteuerliche Ansprüche bei Erlass des Bescheides bereits verjährt gewesen seien. Die Festsetzungsfrist habe mit Ablauf des Jahres 2006 begonnen und mit Ablauf des Jahres 2010 geendet. Die Anzeigepflicht des Klägers nach § 30 Abs. 1 ErbStG sei entfallen, da das Finanzamt durch die Sterbefallmitteilung des Standesamtes A-Stadt über das Vorliegen eines Erwerbsvorgangs gemäß § 4 ErbStDV unterrichtet und in die Lage versetzt worden sei zu prüfen, ob ein erbschaftsteuerbarer Vorgang vorliege (BFH-Urteil vom 16.10.1996 II R 43/96, juris-Rn. 20). Eine entsprechende Prüfung sei vom Finanzamt auch durchgeführt worden. Das Finanzamt habe erkannt, dass ein steuerbarer Vorgang vorliege, und habe ein Besteuerungsverfahren einleiten und den Kläger zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung auffordern können. Es sei jedoch irrtümlich von einem geringen Nachlass und hohen persönlichen Freibeträgen des Klägers ausgegangen und habe nach eigenem Ermessen von der Einleitung eines Besteuerungsverfahrens abgesehen. Dieser Irrtum habe jedoch keinen Einfluss auf den Anlauf der Festsetzungsfrist. Auch sei es dem Finanzamt unbenommen gewesen, durch Nachfragen, eigene Ermittlungen oder Aufforderung des Klägers zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung zu ermitteln, ob die Vermutung, es falle keine Erbschaftsteuer an, zutreffe. Auf die Urteile des BFH vom 30.10.1996 II R 70/94 und vom 09.06.1999 II B 101/98 werde verwiesen. Der Gesetzgeber habe die Regelung über die Anzeigepflicht in § 30 Abs. 4 ErbStG als „Sollvorschrift“ ausgestaltet und damit hinreichend klar zum Ausdruck gebracht, dass eine Anzeige nicht unbedingt alle in der Vorschrift aufgeführten Angaben enthalten müsse.

Auch habe die Anzeige des Standesamtes den Anlauf der Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO ausgelöst. Ausreichend hierfür seien die namentliche Bezeichnung des Erblassers und des betroffenen Erwerbers sowie die Mitteilung des Rechtsgrundes für dessen Erwerb. Im Streitfall sei aus der Sterbefallmitteilung der Kläger als Erwerber und der Rechtsgrund des Erwerbs erkennbar. Der Kläger sei als Sohn des Erblassers gesetzlicher Erbe erster Ordnung; gesetzliche Erben, welche ihn von der Erbfolge ausschließen würden, könne es demnach nicht geben und eine Verfügung von Todes wegen sei nicht bekannt gewesen. Das Finanzamt habe auch zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt, dass der Kläger nicht gesetzlicher Erbe seines Vaters geworden sei. Für § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO sei nicht danach zu unterscheiden, woher das zuständige Finanzamt die Kenntnisse erlangt habe, sondern es sei lediglich auf den Schutzzweck der Norm abzustellen. Auch in der Entscheidung des BFH vom 26.10.2006 II R16/05 (BFH/NV 2007, 852) sei die Schenkung letztendlich festsetzungsverjährt gewesen.

Es habe keine Verkürzung des dem Finanzamt zur Verfügung stehenden Handlungszeitraums und der Bearbeitungszeit vorgelegen. Es wäre dem Finanzamt schon in Jahr 2007 unbenommen gewesen, den Kläger zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung aufzufordern, wovon das Finanzamt jedoch auf Grund fälschlicher Einschätzung der Umstände abgesehen habe. Durch die Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung hätte das Finanzamt auch wieder erneut eine Hemmung des Laufs der Festsetzungsverjährungsfrist bewirken können.

Die Revision sei für den Fall des Unterliegens zuzulassen wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage, ob die Anzeigepflicht nach § 30 Abs. 1 ErbStG entfalle bzw. § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO einschränkend auszulegen sei, wenn dem Finanzamt aus anderen Anzeigen der Erblasser und der Erwerber in einer Weise bekannt seien, dass es in der Lage sei zu prüfen, ob ein steuerbarer Erwerb vorliege und Anlass zu weiteren Ermittlungen zum Erwerb bestehen würden. Die Rechtssache bzw. deren Entscheidung erschöpfe sich nicht im konkreten Einzelfall. Stets werde es in den Fällen, in denen das Finanzamt verspätet bzw. erst nach Ablauf von vier Jahren die Steuer festsetze, zu vergleichbaren Fragestellungen kommen. Auch sei die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Es existierten zahlreiche Entscheidungen, die die Anzeigepflicht nach § 30 ErbStG entfallen ließen, wenn und soweit das Finanzamt prüfen könne, ob ein steuerbarer Vorgang vorliege (BFH vom 30.10.1996 II R 70/94; BFH vom 09.06.1999 II B 101/98). Auch habe das FG Hamburg mit Urteil vom 19.06.1990 II 141/88 (EFG 1991, 131) entschieden, dass die Anzeigepflicht auch dann entfalle, wenn das Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser sich zwar nicht aus der von einem deutschen Gericht eröffneten Verfügung von Todes wegen selbst ergibt, sondern aus anderen Umständen, z.B. einer erfolgten Anzeige des Standesamtes nach § 9 ErbStDV.

Das Finanzamt beantragt,

•die Klage abzuweisen,und trägt zur Begründung im Wesentlichen vor:

Nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO beginne die Festsetzungsfrist dann, wenn eine Steuererklärung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Erklärung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten auf die Steuerentstehung folgenden Kalenderjahres. Da im Streitfall keine Verfügung von Todes wegen existiert habe, sei die Anzeigepflicht für den Kläger nicht nach § 30 Abs. 1 und 3 ErbStG entfallen. Er sei sich dieser Anzeigepflicht auch bewusst gewesen, da er gemeinsam mit den Miterben Ehefrau und I. die gemeinsame Erbschaftsteuererklärung am 30.11.2010 beim Finanzamt eingereicht habe. Damit habe der Kläger die ihn nach § 30 Abs. 1 ErbStG treffende Anzeigepflicht erfüllt. Entsprechend § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO sei aufgrund der Anzeige- und Erklärungspflicht des Klägers der Beginn der Festsetzungsfrist bis zum Ablauf des 31.12.2009 gehemmt gewesen und die vierjährige Festsetzungsfrist damit am 31.12.2013 abgelaufen. Allein wegen der Anlaufhemmung der Festsetzungsfrist bis 31.12.2009 und der Erbschaftsteuerfestsetzung am 10.03.2011 sei keine Festsetzungsverjährung eingetreten.

Das Nachlassgericht sei durch Übersendung des Erbscheins, des Nachlassverzeichnisses und des Erbscheinantrags am 20.09.2010 gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG seiner Anzeigepflicht gegenüber dem Finanzamt nachgekommen und habe es in die Lage versetzt, den Erbfall steuerlich zu beurteilen. So habe die Prüfung dieser Unterlagen - insbesondere wegen des angegebenen Gesamtwerts der Immobilien von 1.162.766,80 € - die Notwendigkeit weiterer steuerlicher Ermittlungen ergeben mit der Folge, dass am 06.10.2010 die Erbschaftsteuererklärung bei der Miterbin Ehefrau angefordert worden sei. Erst durch die Überlassung der Unterlagen des Nachlassgerichts an das Finanzamt habe sich herausgestellt, dass sich neben dem in der Sterbeurkunde aufgeführten Hälfteanteil am Haus als Nachlass noch erheblich mehr Immobilienvermögen im Nachlass befunden habe.

Dem Gericht liegt auch die Akte des Finanzamts C über die (Vor-)Schenkung des Erblassers an den Kläger vom 31.12.2004 (E-A. xx) sowie die Nachlassakte des Amtsgerichts A-Stadt betreffend den Erblasser () vor. Aus der Nachlassakte ergeben sich für den Zeitraum vom 21.12.2007 bis 11.07.2010 keine Verfahrenshandlungen. Der Kläger hat im Nachlassverfahren mit Schreiben vom 03.09.2006 die Erbschaft angenommen und sich dem Erbscheinsantrag von Ehefrau angeschlossen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Bescheid über Erbschaftsteuer ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Im Zeitpunkt der erstmaligen Festsetzung von Erbschaftsteuer am 10.03.2011 war die Festsetzungsfrist nicht abgelaufen gewesen. Die Anlaufhemmung der vierjährigen Festsetzungsfrist endete mit Ablauf des Kalenderjahres 2009.

1. Gemäß § 47 AO erlöschen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis u.a. durch Verjährung. Eine Steuerfestsetzung ist daher nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 S. 1 AO); diese beträgt gemäß § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO regelmäßig vier Jahre und beginnt grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO). Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG entsteht die Steuer bei Erwerben von Todes wegen mit dem Tode des Erblassers, im Streitfall also am 14.04.2006.

Ist eine Steuererklärung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten, beginnt die Festsetzungsfrist abweichend hiervon erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung oder die Anzeige eingereicht wurde, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO). Die Anlaufhemmung dient dem Sicherungszweck, eine Verkürzung der Bearbeitungszeit des Finanzamts – ggf. gezielt – durch Verzögerung beispielsweise einer Anzeige zu vermeiden (Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 30 Rn. 3; BFH-Urteil vom 27.08.2008 II R 36/06, BStBl. II 2009, 232).

2. Im Streitfall bestand eine Anzeigepflicht des Klägers gemäß § 30 Abs. 1 ErbStG, welche nicht nach § 30 Abs. 3 S. 1 ErbStG i.d.F. bis 31.12.2008 oder durch Anzeigen Dritter entfallen war.

2.1. Gemäß § 30 Abs. 1 ErbStG ist jeder der Erbschaftsteuer unterliegende Erwerb vom Erwerber binnen einer Frist von drei Monaten nach erlangter Kenntnis von dem Anfall dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt schriftlich anzuzeigen. Bei mehreren Erwerbern ist grundsätzlich jeder Erwerber anzeigepflichtig (Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 30 Rn. 6). Der Inhalt der Anzeige ergibt sich aus § 30 Abs. 4 ErbStG.

Im Streitfall oblag dem Kläger als Miterbe nach dem Erblasser die Pflicht, seinen Erwerb nach § 30 Abs. 1 ErbStG beim Finanzamt C schriftlich anzuzeigen. Dem Kläger war sein Erwerb mit Schreiben des Amtsgerichts A-Stadt – Nachlassgericht – im September 2006, spätestens jedoch mit Erteilung des Erbscheins vom 30.10.2006 bekannt geworden.

2.2. Die Anzeigepflicht des Klägers war nicht nach § 30 Abs. 3 ErbStG i.d.F. bis 31.12.2008 entfallen.

Einer Anzeige bedarf es nach § 30 Abs. 3 S. 1 ErbStG i.d.F. bis 31.12.2008 nicht, wenn der Erwerb auf einer von einem deutschen Gericht oder einem deutschen Notar eröffneten Verfügung von Todes wegen beruht und sich aus der Verfügung das Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser unzweifelhaft ergibt. Bei gesetzlicher Erbfolge obliegt dem Erwerber mangels Vorliegen einer Verfügung von Todes wegen stets eine Anzeigepflicht nach § 30 Abs. 1 ErbStG (Theml, DStR 1998, 1118).

Im Streitfall beruhte der Erwerb des Klägers auf gesetzlicher Erbfolge, eine Verfügung von Todes wegen hatte der Erblasser nicht errichtet. Ein Wegfall der Anzeigepflicht nach § 30 Abs. 3 S. 1 ErbStG kommt daher nicht in Betracht.

2.3. Die Anzeigen des Standesamtes, der Banken und Versicherung sowie des Nachlassgerichts berühren die Anzeigepflicht des Klägers als Erwerber nicht.

Im Erbschaftsteuerrecht existiert ein System von Anzeigepflichten, welches in seiner Gesamtheit dem Finanzamt eine vollständige Erfassung der Steuerfälle ermöglichen und die steuerrelevanten aus den angezeigten Fällen herausfiltern soll (Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, ErbStG, § 30 Rn. 1, § 33 Rn. 1, § 34 Rn. 1). Im Streitfall waren dies insbesondere:

Gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG haben die Standesämter die Sterbefälle und gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG die Gerichte und Notare u.a. die Erteilung von Erbscheinen dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt schriftlich anzuzeigen. Die Sterbefallmitteilung hat binnen zehn Tagen nach Ablauf des Kalendermonats zu erfolgen (§ 4 Abs. 1 S. 1 ErbStDV), das Gericht hat die Erteilung eines Erbscheins unverzüglich nach dem auslösenden Ereignis dem zuständigen Finanzamt anzuzeigen (§§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 3 ErbStDV).

Gemäß § 33 Abs. 1 ErbStG haben diejenigen, die sich geschäftsmäßig mit der Verwahrung oder Verwaltung fremden Vermögens befassen, die in ihrem Gewahrsam befindlichen Vermögensgegenstände und die gegen sie gerichteten Forderungen, die beim Tod eines Erblassers zu dessen Vermögen gehörten oder über die dem Erblasser zur Zeit seines Todes die Verfügungsmacht zustand, dem für die Verwaltung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt schriftlich anzuzeigen; die Anzeigefrist beträgt grundsätzlich einen Monat nach Bekanntwerden des Todesfalles (§ 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ErbStG). Versicherungsunternehmen haben, bevor sie Versicherungssummen oder Leibrenten einem anderen als dem Versicherungsnehmer auszahlen oder zur Verfügung stellen, hiervon dem Finanzamt schriftlich Anzeige zu erstatten (§ 33 Abs. 3 ErbStG).

Anzeigepflichten Dritter können im Hinblick auf die Pflicht zur Anzeige des Erwerbs lediglich dazu führen, dass die Anzeigepflicht des Erwerbers nach der Vorschrift des § 30 Abs. 3 S. 2 ErbStG entfällt (BFH-Urteil vom 26.10.2006 II R 16/05, BFH/NV 2007, 852). Das System der Anzeigepflichten soll eine möglichst vollständige Erfassung aller Erwerbe sicherstellen und dem Finanzamt die Prüfung erleichtern, ob und wen es im Einzelfall zur Abgabe einer Steuererklärung aufzufordern hat (BFH-Urteil vom 27.08.2008 II R 36/06, BStBl. II 2009, 232).

Im Streitfall war der Kläger trotz der Anzeigen durch das Standesamt A-Stadt, das Nachlassgericht, die Bank 1, die Bank A-Stadt, die Bausparkasse sowie E Lebensversicherung nicht von seiner Anzeigepflicht gemäß § 30 Abs. 1 ErbStG befreit worden.

3. Das Bestehen der Anzeigepflicht des Klägers nach § 30 Abs. 1 ErbStG führt im Streitfall dazu, dass der Lauf der Festsetzungsverjährungsfrist erst mit Ablauf des dritten Kalenderjahres nach dem Jahr der Steuerentstehung – also mit Ablauf des Jahres 2009 – beginnt.

3.1. Besteht eine Anzeigepflicht, wird die Anlaufhemmung des § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO zugunsten des Steuerpflichtigen grundsätzlich nur durch eine Anzeige des Steuerpflichtigen selbst, eines Vertreters oder einer für ihn handelnden Person beendet und die Festsetzungsfrist ausgelöst (BFH-Urteil vom 26.10.2006 II R 16/05, BFH/NV 2007, 852; BFH-Beschluss vom 07.12.1999 II B 79/99, BStBl. II 2000, 233). Anzeigen nach §§ 33, 34 ErbStG haben keinen Einfluss auf den Anlauf der Festsetzungsfrist (BFH-Urteil vom 26.10.2006 II R 16/05, BFH/NV 2007, 852; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 33 Rn. 2), denn der Wortlaut des § 170 Abs. 2 S. 1. Nr. 1 AO sieht mit der Abgabe einer Steuererklärung oder Steueranmeldung bzw. der Erstattung einer Anzeige eine Handlungspflicht des Steuerpflichtigen vor.

Im Streitfall hat der Kläger bis zum Ablauf des Kalenderjahres 2009 – dem dritten Kalenderjahr nach Entstehung des Steueranspruchs – seinen Erwerb nicht beim Finanzamt C gemäß § 30 Abs. 1 ErbStG angezeigt und dadurch die Anlaufhemmung des Beginns der Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf der 3-Jahres-Frist beendet.

3.2. Auch bei einer am Sicherungszweck ausgerichteten einschränkenden Auslegung des Wortlauts des § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO ergibt sich kein Anlauf der Festsetzungsfrist zu einem früheren Zeitpunkt.

Ist ein Rechtsvorgang durch einen von mehreren Anzeigepflichtigen ordnungsgemäß angezeigt worden, wird der Beginn der Festsetzungsfrist nicht dadurch weiter hinausgeschoben, dass für denselben Rechtsvorgang zur Anzeige Verpflichtete ihre Anzeigepflicht nicht erfüllt haben (BFH-Urteil vom 26.10.2006 II R 16/05, BFH/NV 2007, 852; BFH-Urteil vom 06.07.2005 II R 9/04, BStBl. II 2005, 780; BFH-Urteil vom 30.10.1996 II R 70/94, BStBl. II 1997, 11). Sind dem Finanzamt alle für die Prüfung eines steuerbaren Vorgangs und die Einleitung eines Besteuerungsverfahrens erforderlichen Umstände z.B. durch die Steuererklärung eines Alleinerben bekannt geworden, erfordert der Sicherungszweck des § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO kein weiteres Hinausschieben des Beginns der Festsetzungsfrist für andere Erwerber (BFH-Urteil vom 30.10.1996 II R 70/94, BStBl. II 1997, 11); ausreichend ist die namentliche Bezeichnung des Erblassers und des anderen Erwerbers sowie die Mitteilung des Rechtsgrundes für dessen Erwerb. Als Rechtsgrund eines Erwerbs sieht § 30 Abs. 4 Nr. 4 ErbStG beispielsweise gesetzliche Erbfolge, Vermächtnis oder Ausstattung vor. Nach Erstattung einer Anzeige nach § 30 Abs. 1 ErbStG ist eine (weitere) Anlaufhemmung gerechtfertigt, wenn das Finanzamt den Steuerpflichtigen zur Einreichung einer Steuererklärung aufgefordert hat; bei ordnungsgemäßer Erstattung der Anzeige führt erst die dem Finanzamt nachfolgend durch die Einreichung der angeforderten Steuererklärung vermittelte Kenntnis zur (endgültigen) Beendigung der Anlaufhemmung (BFH-Urteil vom 27.08.2008 II R 36/06, BStBl. II 2009, 232).

Liegt eine unvollständige Anzeige vor, ist entscheidendes Kriterium, ob die der Finanzbehörde zur Verfügung stehende Bearbeitungszeit dadurch verkürzt wird oder nicht (BFH-Beschluss vom 17.08.2009 II B 172/08, BFH/NV 2009, 1970 zur Grunderwerbsteuer). So erfordert eine Anzeige zur Beendigung der Anlaufhemmung im Bereich des Grunderwerbsteuergesetzes die Bezeichnung des Grundstücks nach Grundbuch, Kataster, Straße und Hausnummer (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG), eine Anzeige ohne diese Angaben verkürzt die dem Finanzamt zur Verfügung stehende Bearbeitungszeit (BFH-Beschluss vom 17.08.2009 II B 172/08, BFH/NV 2009, 1970).

Im Streitfall ist in den Jahren 2006 bis 2009 keine Anzeige bzw. Steuererklärung eines Miterben des Klägers nach dem Erblasser – also von Ehefrau oder I. – mit Angaben über den Erwerb des Klägers aus dem Erbfall beim Finanzamt eingegangen, welche dem Kläger im Hinblick auf den Beginn der Festsetzungsfrist zugute kommen könnte; die gemeinsame Steuererklärung wurde erst im Jahr 2010 eingereicht.

Bei Gesamtbetrachtung aller beim Finanzamt betreffend den Erbfall zunächst eingegangenen Anzeigen nach § 33, 34 ErbStG gingen aus diesen weder der Kläger als Erwerber noch ein Rechtsgrund für einen Erwerb hervor: Die Sterbefallmitteilung des Standesamts A-Stadt enthält lediglich Namen und Anschriften der Ehegattin und Kinder des Erblassers, wobei eine Bezeichnung als „Kinder/Abkömmlinge“ nur das persönliche Verhältnis des Klägers zum Erblasser wiedergibt und nicht den Rechtsgrund eines Erwerbs bildet (vgl. § 30 Abs. 4 Nr. 5 ErbStG; BFH-Urteil vom 16.10.1996 II R 43/96, BStBl. II 1997, 73). Die Mitteilung der zwischen einem Erwerber und dem Erblasser bestehenden persönlichen Verhältnisse lässt keinen zwingenden Schluss darauf zu, ob ein steuerbarer Erwerbsvorgang vorliegt oder nicht (BFH-Urteil vom 16.10.1996 II R 43/96, BStBl. II 1997, 73). Würde man darüber hinaus die insoweit allgemeinen Angaben in den Sterbefallmitteilungen, welche nach § 4 ErbStDV für jeden Todesfall an das Finanzamt zu übermitteln sind, als ausreichend in diesem Sinne erachten, hätte es einer Regelung weiterer Anzeigepflichten im ErbStG sowie der Anlaufhemmung in Bezug auf die Festsetzungsfrist der Erbschaftsteuer nicht bedurft. Auch aus den Mitteilungen der Bank 1, der Bank A-Stadt sowie der Bausparkasse geht kein Erwerber bzw. Rechtsgrund für einen Erwerb hervor, in der Anzeige der E Lebensversicherung a.G. ist auf die Bezugsberechtigung im Todesfall abgestellt.

Gehen aus der Gesamtheit der dem Finanzamt vorliegenden Anzeigen Erblasser, Erwerber und Rechtsgrund für den Erwerb nicht hervor, ist die dem Finanzamt zur Verfügung stehende Bearbeitungszeit verkürzt und die Anlaufhemmung nicht beendet. Im Streitfall waren dem Finanzamt keine erbrechtlichen Verhältnisse mitgeteilt worden, der der Erbschaft- und Schenkungssteuerstelle zunächst bekannt gewordene Umfang des Nachlassvermögens gab aufgrund der nach §§ 16, 17 ErbStG bestehenden Freibeträge keinen Anlass für weitere Ermittlungen.

Aufgrund der Begrenzung der Anlaufhemmung gemäß § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO auf den Ablauf des dritten Kalenderjahrs des auf die Steuerentstehung folgenden Kalenderjahres begann die vierjährige Festsetzungsfrist im Streitfall mit Ablauf des Kalenderjahres 2009. Die Anzeige durch das A-Stadt – Nachlassgericht –, die vom Kläger unterzeichnete Erbschaftsteuererklärung sowie die Aufforderung an Ehefrau zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung erfolgten erst nach diesem Zeitpunkt im Jahr 2010 und hatten damit keine Auswirkung mehr auf das Ende der Anlaufhemmung, ebenso wie eine an den Kläger gerichtete Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung in diesem Zeitpunkt nicht mehr in den Lauf der Festsetzungsfrist eingegriffen hätte.

4. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 FGO nicht zugelassen. Es ist in ständiger Rechtsprechung geklärt, dass der Beginn der Festsetzungsfrist für die Erbschaft-steuer dann nicht weiter hinausgeschoben wird, wenn dem Finanzamt der Name des Erblassers und des (anzeigepflichtigen) Erwerbs sowie der Rechtsgrund für den Erwerb bekannt werden (vgl. BFH-Urteil vom 30.10.1996 II R 70/94, BStBl. II 1997, 11). Soweit der Kläger auf das Urteil des FG Hamburg vom 19.06.1990 II 141/88 (EFG 1991, 131) verweist mit der Begründung, ausreichend für das Entfallen der Anzeigepflicht sei auch die Kenntnis des Finanzamts aus einer erfolgten Anzeige des Standesamtes nach § 9 ErbStDV, rechtfertigt dies nicht die Zulassung der Revision wegen Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Der BFH hat das Urteil des FG Hamburg mit Entscheidung vom 17.02.1993 II R 83/90 (BStBl. II 1993, 580) aufgehoben.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 FGO.