VG München, Urteil vom 09.12.2014 - M 2 K 14.1390
Fundstelle
openJur 2015, 18888
  • Rkr:

Räumliche Beschränkung des Erschlossenseins auf eine Grundstücksteilfläche (atypischer Einzelfall) Erschließungsbeitrag; Vorausleistung; Widerspruchsbescheid; Verteilung des Erschließungsaufwands; Bebauungszusammenhang; landwirtschaftliche Gebäude; Tiefenbegrenzung; lediglich wegemäßige Verbindung (verneint)

Tenor

I. Der Widerspruchsbescheid des Landratsamts ... vom ... März 2014 wird aufgehoben, soweit in Abänderung des Vorausleistungsbescheids der Klägerin vom ... Juni 2013 der zu zahlende Erschließungsbeitrag auf 16.376,11 € gekürzt wurde.

II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen einen Widerspruchsbescheid des Beklagten, mit dem auf Widerspruch der Beigeladenen zu 1) und 2) hin ein Bescheid der Klägerin über die Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag für die ...straße teilweise aufgehoben wurde.

Die Lage der ...straße und der sie umgebenden Grundstücke stellt sich wie auf folgendem Auszug aus dem amtlichen Lageplan wiedergegeben dar: GRAFIKAA

 

 

Mit Bescheid vom ... Juni 2013, per einfachem Brief zur Post gegeben am 28. Juni 2013, zog die Klägerin den Beigeladenen zu 2) als Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. ... Gemarkung ... zu einer Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag in Höhe von 19.428,19 € heran.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beigeladenden zu 1) und 2) am 1. August 2013 Widerspruch.

In Ziffer 1. des an die Beigeladenden zu 1) und 2) gerichteten Widerspruchsbescheids vom ... März 2014, der Klägerin bekanntgegeben am 11. März 2014, verfügte der Beklagte, dass in Abänderung des Vorausleistungsbescheids der Klägerin vom ... Juni 2013 der zu zahlende Erschkließungsbeitrag auf 16.376,11 € gekürzt werde. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, der Erschließungsaufwand sei nicht korrekt verteilt worden. Das Grundstück Fl.Nr. ... Gemarkung ... sei von der Klägerin zu Unrecht nicht einbezogen worden. Da es mit einer Transformatorenstation bebaut sei, müsse dieses Grundstück mit einem Nutzungsfaktor von 1,5 berücksichtigt werden. Die Grundstücke Fl.Nrn. ..., ..., ... und ... Gemarkung ... dürften nur mit einer Teilfläche einbezogen werden, weil die Erschließungsbeitragssatzung (EBS) der Klägerin eine Tiefenbegrenzung für übergroße Grundstücke vorsehe. Bei Fl.Nrn. ... und ... liege im vorderen Teil der Grundstücke nicht nur eine wegemäßige Verbindung vor, die bei der Bestimmung der Tiefenbegrenzung unberücksichtigt bleiben müsste.

Gegen diesen Widerspruchsbescheid erhob die Klägerin durch ihre Bevollmächtigten am 3. April 2014 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragte sinngemäß,

den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom ... März 2014 aufzuheben, soweit in Abänderung des Vorausleistungsbescheids der Klägerin vom ... Juni 2013 der zu zahlende Erschließungsbeitrag auf 16.376,11 € gekürzt wurde.

Zur Begründung wurde mit Schriftsätzen vom 2. April 2014 und 6. Juni 2014 u.a. vorgetragen, beim Grundstück Fl.Nr. ... sei keine Tiefenbegrenzung vorzunehmen. Nach § 6 Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 EBS blieben Grundstücksteile, die lediglich die wegemäßige Verbindung zur Erschließungsanlage herstellen, bei der Bestimmung der Grundstückstiefe unberücksichtigt. Der nördliche Teil dieses Grundstücks stelle lediglich die wegemäßige Verbindung zur Erschließungsanlage her. Zwar weise diese Teilfläche eine Breite von ca. 9 m auf. Im Hinblick auf den Zuschnitt des gesamten Grundstücks habe dieser Teil jedoch Zufahrtscharakter.

Mit Beschluss vom 3. April 2014 wurden die Beigeladenen zu 1) und 2) zum Verfahren beigeladen.

Am 9. April 2014 legte die Klägerin in einem Parallelverfahren (Az. M 2 K 14.855, Klage des Eigentümers des Grundstücks Fl.Nr. ... gegen seine Heranziehung zu einer Vorausleistung für dieses Grundstück) ihre Behördenakten vor, die zusätzlich zum vorliegenden Verfahren beigezogen wurden. Der Beklagte legte am 24. April 2014 seine Akten vor.

Mit Schreiben vom 7. Juli 2014 gaben die Beigeladenen zu 1) und 2) eine Stellungnahme ab, ohne einen Antrag zu stellen. Beim nördlichen Teil des Grundstücks Fl.Nr. ... handele es sich keineswegs nur um eine Zufahrt. Bei einer Breite von ca. 9 m könnten darauf z.B. mehrere Garagen errichtet werden. Auch seien Reihenhausgrundstücke meist nicht breiter.

Am 23. September 2014 erhob das Gericht Beweis über die örtlichen und insbesondere baulichen Verhältnisse im Bereich der ...straße durch Einvernahme des Augenscheins.

Mit Schreiben vom 23. Oktober 2014 forderte das Gericht bei der Klägerin eine Vergleichsberechnung nach näheren Vorgaben des Gerichts an.

Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 11. November 2014 legte die Klägerin die angeforderte Vergleichsberechnung vor. Aus dieser ergibt sich, dass auf das Grundstück Fl.Nr. ... eine Vorausleistung in Höhe von 19.814,67 € entfällt.

Am 9. Dezember 2014 fand die mündliche Verhandlung statt. Der Beklagte beantragte

Klageabweisung.

Der Beigeladene zu 2) stellte keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten der Klägerin und des Beklagten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Gegenstand der Klage der Klägerin ist der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom ... März 2014, soweit mit Ziffer 1. dieses Bescheids der Vorausleistungsbescheid der Klägerin vom ... Juni 2013 teilweise aufgehoben wurde (Kürzung der Vorausleistung für Fl.Nr. ... von 19.428,19 € auf 16.376,11 €). Der Widerspruchsbescheid ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, weshalb er insoweit aufzuheben war (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 115 VwGO, § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO).

Der Widerspruchsbescheid ist rechtswidrig, weil der Beklagte den Widerspruch der Beigeladenen zu 1) und 2) zurückweisen hätte müssen. Der Widerspruch der Beigeladenen zu 1) war schon unzulässig, da sie nicht Adressatin des Vorausleistungsbescheids vom ... Juni 2013 war. Unbeschadet dessen war der Widerspruch jedenfalls im Ergebnis unbegründet: Die von der Klägerin für das Grundstück Fl.Nr. ... festgesetzte Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag in Höhe von 19.428,19 € ist rechtmäßig, da der Beigeladene zu 2) diesen Betrag in jedem Fall schuldet. Wie sich aus der vom Gericht angeforderten Vergleichsberechnung ergibt, hätte die Klägerin sogar eine noch etwas höhere Vorausleistung von 19.814,67 € festsetzen können (dazu sogleich). Dies macht indes die Festsetzung des niedrigeren (Teil-)Betrags nicht rechtswidrig, erst recht ist der Beigeladene zu 2) durch eine zu niedrige Festsetzung nicht in seinen Rechten verletzt. Daran gemessen war die in Ziffer 1. des Widerspruchsbescheids verfügte Kürzung der Vorausleistung für Fl.Nr. ... auf 16.376,11 €, mithin die Teilaufhebung des Vorausleistungsbescheids der Klägerin im Umfang von 3.052,08 €, rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 11 Abs. 2 BV).

Im Einzelnen gilt vorliegend für die Erhebung der Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag für die erstmalige Herstellung der ...straße Folgendes:

Die Erhebung der Vorausleistungen beruht auf Art. 5 a Abs. 1 KAG i.V.m. §§ 127 ff. BauGB i.V.m. der Erschließungsbeitragssatzung (EBS) der Klägerin vom ... Mai 2000. Nach diesen Vorschriften erheben die Gemeinden zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für Erschließungsanlagen einen Erschließungsbeitrag. Für ein Grundstück, für das eine Beitragspflicht noch nicht oder nicht in vollem Umfang entstanden ist, können Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag bis zur Höhe des voraussichtlichen endgültigen Erschließungsbeitrags verlangt werden, u.a. wenn mit der Herstellung der Erschließungsanlage begonnen worden ist und die endgültige Herstellung der Erschließungsanlagen innerhalb von vier Jahren zu erwarten ist (§ 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB). Erschließungsanlagen sind u.a. die öffentlichen zum Anbau bestimmten Straßen (§ 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB). Der ermittelte beitragsfähige Erschließungsaufwand wird auf die durch die Anlage erschlossenen Grundstücke verteilt (§ 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Die Gemeinden regeln durch Satzung u.a. die Art der Verteilung des Aufwands (§ 132 Nr. 2 BauGB). Im Einzelnen:

1. Die ...straße stellt nach natürlicher Betrachtungsweise (zu diesem Maßstab statt vieler BayVGH, B. v. 24.7.2013 – 6 BV 11.1818 – juris Rn. 13 m.w.N.) beginnend an der ... Straße eine Erschließungsanlage in Gestalt einer Anbaustraße (§ 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB) dar. Die von der ...straße abzweigende Stichstraße „Am ...“ ist kein unselbstständiger Teil der ...straße, sondern eine eigenständige Erschließungsanlage, da sie über 100 m lang ist (vgl. dazu Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage 2012, § 12 Rn. 14 f. m.w.N.).

2. Die Voraussetzungen des § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB für die Erhebung der Vorausleistung lagen vor. Insbesondere war mit der Herstellung der Erschließungsanlage bereits begonnen worden, wie das Gericht beim Augenschein unschwer feststellen konnte. Nicht zweifelhaft ist auch, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des Vorausleistungsbescheids mit der endgültigen Herstellung der ...straße innerhalb von vier Jahren gerechnet werden konnte.

3. Vorausleistungen können gemäß § 133 Abs. 3 Satz 1 BauGB bis zur Höhe des voraussichtlichen endgültigen Erschließungsbeitrags verlangt werden. Daran gemessen hat das Gericht bei seiner Prüfung, ob die von der Klägerin festgesetzte Vorausleistung rechtmäßig war, auf den voraussichtlich endgültigen Erschließungsbeitrag ohne etwaige pauschale Abschläge abzustellen. Dies hat die Klägerin in der vorgelegten Vergleichsberechnung berücksichtigt. Entsprechend der Vorgabe des Gerichts hat sie in der Vergleichsberechnung bei der Ermittlung der Höhe der Vorausleistung auf den voraussichtlichen endgültigen Erschließungsbeitrag abgestellt (zuvor hatte sie lediglich 80 % des voraussichtlichen endgültigen Erschließungsbeitrags berücksichtigt).

4. Von der Anlage ...straße erschlossen im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB sind – wenn auch teilweise nur bezüglich Teilflächen, dazu sogleich unter 5. – neben den bereits von der Klägerin berücksichtigten Grundstücken (darunter insbesondere auch Fl.Nr. ...) zusätzlich auch die Grundstücke Fl.Nrn. ... (so zu Recht bereits der Beklagte im Widerspruchsverfahren) sowie ... und ... Gemarkung ... Hingegen hat die Klägerin das Grundstück Fl.Nr. ... Gemarkung ... richtigerweise nicht bei der Verteilung des Aufwands berücksichtigt. Im Einzelnen:

a) Das Grundstück Fl.Nr. ... ist – jedenfalls teilweise, dazu sogleich unter 5. b) – bei der Verteilung des Erschließungsaufwands zu berücksichtigten.

Der Eigentümer dieses Grundstücks hatte im Parallelverfahren M 2 K 14.855 u.a. vorgebracht, Fl.Nr. ... liege mit seiner gesamten Fläche im Außenbereich. Zwar trifft es zu, dass im bauplanungsrechtlichen Außenbereich nach § 35 BauGB liegende Grundstücke aus dem Kreis der im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB erschlossenen Grundstücke ausscheiden (dazu Driehaus, a.a.O., § 17 Rn. 22 m.w.N.). Allerdings ist gemessen an den Ergebnissen des gerichtlichen Augenscheins festzustellen, dass die südöstliche Teilfläche dieses Grundstücks bis zu einer gedachten Linie zwischen der südwestlichen Ecke des Gebäudes auf Fl.Nr. ... und der nordwestlichen Ecke des östlichen Gebäudes auf Fl.Nr. ... im bauplanungsrechtlichen Innenbereich nach § 34 BauGB liegt, der Außenbereich mithin erst westlich dieser Linie beginnt. Diese südöstliche Teilfläche der Fl.Nr. ... nimmt nach den gerichtlichen Feststellungen beim Augenschein am Bebauungszusammenhang im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB teil.

Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass die Gebäude auf Fl.Nr. ... landwirtschaftlichen Zwecken dienen, wobei es sich bei dem östlichen Gebäude um das Betriebsleiterwohnhaus handelt: Selbst Gebäude, die nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB im Außenbereich privilegiert sind, können zur Entwicklung eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils beitragen. Zur Bebauung im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB gehören bauliche Anlagen, die geeignet sind, dem Gebiet ein bestimmtes städtebauliches Gepräge zu verleihen. Hierzu zählen grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen. Dazu können u.a. auch landwirtschaftlichen Zwecken dienende Betriebsgebäude gehören (zum Ganzen: BVerwG, B. v. 2.4.2007 – 4 B 7/07 – juris Rn. 4 f., BVerwG, B. v. 2.8.2001 – 4 B 26/01 – juris Rn. 5). Daran gemessen ist vorliegend auch das dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienende Betriebsleiterwohnhaus auf Fl.Nr. ... geeignet, einen Bebauungszusammenhang zu begründen.

Die Heranziehung der Fl.Nr. ... scheitert auch nicht daran, dass zwischen der im Innenbereich gelegenen südöstlichen Teilfläche und der verfahrensgegenständlichen Erschließungsanlage eine Außenbereichsfläche liegt. Zum einen reicht es aus, dass das Buchgrundstück an der ...straße anliegt. Unschädlich ist, dass die interne Erschließung auf dem Grundstück durch den Außenbereich verläuft (vgl. dazu BayVGH, U. v. 20.10.2011 – 6 B 09.2043 – juris Rn. 21 am Ende). Zum anderen besteht zwischen Fl.Nr. ... und Fl.Nr. ... Eigentümeridentität. Selbst wenn es sich bei der südöstlichen Teilfläche der Fl.Nr. ... um ein gefangenes Hinterliegergrundstück handelte, wäre demnach eine Bebaubarkeit im Sinne des § 133 Abs. 1 BauGB und damit auch ein Erschlossensein im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu bejahen (vgl. dazu BayVGH, U. v. 20.10.2011 – 6 B 09.2043 – juris Rn. 21; Driehaus, a.a.O., § 17 Rn. 88 m.w.N.).

Schließlich stünde es einer Heranziehung der Fl.Nr. ... auch nicht entgegen, sollte – so die Behauptung des Eigentümers dieses Grundstücks im Parallelverfahren – die landwirtschaftliche Nutzung auf Fl.Nr. ... aufgrund Geruchsemmissionen die Bebaubarkeit der südöstlichen Teilfläche der Fl.Nr. ... einschränken. Ob dies zutrifft, kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn auf Fl.Nr. ... keinerlei Wohnbebauung zulässig wäre, so wäre zweifelsohne eine andere relevante Nutzung dieses Grundstück möglich, beispielsweise könnten eine Lagerhalle und zusätzlich Garagen oder Stellplätze errichtet werden. Damit handelt es sich nicht um ein lediglich unterwertig bebaubares Grundstück, dass der Beitragspflicht entzogen wäre (dazu Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Rn. 1028 m.w.N.).

b) Zu Recht ist schon der Beklagte als Widerspruchsbehörde davon ausgegangen, dass auch Fl.Nr. ... zu den von der ...straße im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB erschlossenen Grundstücken gehört. Dieses Grundstück liegt unmittelbar an der verfahrensgegenständlichen Erschließungsanlage an. Trotz der beim Augenschein festgestellten Hanglage handelt es sich um ein nicht lediglich unterwertig bebaubares Grundstück. Dies zeigt schon der Umstand, dass dieses Grundstück mit einem Transformatorenhäuschen bebaut ist, was keine lediglich unterwertige Bebauung darstellt (Matloch/Wiens, a.a.O., Rn. 1028).

c) Entsprechendes muss dann auch für das Grundstück Fl.Nr. ... gelten, das auf der gegenüberliegenden Straßenseite an der ...straße anliegt. Zwar ist auch bei diesem Grundstück eine Hanglage vorhanden. Genauso wie bei Fl.Nr. ... schließt diese allerdings keineswegs jegliche nicht nur unterwertige Bebauung aus.

d) Heranzuziehen ist auch das Grundstück Fl.Nr. ... Hierbei handelt es sich um eine private Erschließungsfläche, mithin nicht um einen unselbständigen Teil der Erschließungsanlage. Auch bei diesem Grundstück erscheint eine nicht lediglich unterwertige Bebauung möglich.

e) Schließlich ist noch festzuhalten, dass das Grundstück Fl.Nr. ... zu Recht bei der Aufwandsverteilung unberücksichtigt geblieben ist. Dieses Grundstück liegt mit seiner gesamten Fläche im bauplanungsrechtlichen Außenbereich und ist deshalb nicht heranzuziehen (siehe dazu schon oben). Wie das Gericht beim Augenschein feststellen konnte, befindet sich auf diesem Grundstück lediglich westlich des Wendehammers der ...straße eine landwirtschaftliche Maschinenhalle, ansonsten ist Fl.Nr. ... unbebaut. Eine solche, nicht dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienende Maschinenhalle kann keinen Bebauungszusammenhang im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB begründen (siehe auch dazu bereits oben). Der Bebauungszusammenhang endet deshalb – wie es der Regel entspricht – an den letzten Baukörpern der Wohngebäude auf Fl.Nrn. ..., ... und ... Besondere äußerlich erkennbare Umstände wie z.B. Geländehindernisse, Erhebungen, Einschnitte oder eine Straße, die im Einzelfall zu einer von dieser Regel abweichenden Beurteilung führen könnten, sind nach den Feststellungen der Kammer beim Augenschein nicht vorhanden (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U. v. 12.12.1990 – 4 C 40/87 – juris Rn. 22 m.w.N.)

5. Grundsätzlich sind die von der Erschließungsanlage erschlossenen (Buch-) Grundstücke mit ihrer gesamten Fläche heranzuziehen. Gleichwohl sind Fälle einer räumlichen Beschränkung des Erschlossenseins auf eine Grundstücksteilfläche anerkannt, etwa infolge der Anwendung der Regelungen zur sogenannten Tiefenbegrenzung, ausnahmsweise in den Fällen einer sogenannten begrenzten Erschließungswirkung sowie in Konstellationen, in denen ein Teil eines (Buch-) Grundstücks jeder erschließungsbeitragsrechtlich relevanten Ausnutzbarkeit entzogen ist (Driehaus, a.a.O., § 17 Rn. 29 m.w.N.). Vorliegend sind die Bestimmungen der Klägerin über die Tiefenbegrenzung in § 6 Abs. 3 Nr. 2 EBS hinsichtlich der Grundstücke Fl.Nrn. ..., ... und ... anzuwenden, wobei der Beklagte entgegen der Auffassung der Klägerin zu Recht davon ausgegangen ist, dass bei den Grundstücken Fl.Nrn. ... und ... keine lediglich wegemäßige Verbindung im Sinne des § 6 Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 EBS vorliegt (dazu sogleich a)). Ferner ist hinsichtlich des Grundstücks Fl.Nr. ... aufgrund der besonderen Umstände des atypischen Einzelfalls nur die zum Innenbereich gehörende südöstliche Teilfläche – siehe dazu schon oben unter 4. a) – heranzuziehen, das Erschlossensein ist auf diese Grundstücksteilfläche beschränkt (dazu sogleich b)).

a) Da vorliegend kein Bebauungsplan besteht, gilt gemäß § 6 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EBS bei den übergroßen Grundstücken Fl.Nrn. ..., ... und ... als Grundstücksfläche lediglich die tatsächliche Grundstücksfläche bis zu einer Tiefe von 50 m, gemessen von der der Erschließungsanlage zugewandten Grenze des beitragspflichtigen Grundstücks (sog. Tiefenbegrenzung).

Entgegen der Ansicht der Klägerin findet dabei die Regelung des § 6 Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 EBS, wonach Grundstücksteile, die lediglich die wegemäßige Verbindung zur Erschließungsanlage herstellen, bei der Bestimmung der Grundstückstiefe unberücksichtigt bleiben, sowohl hinsichtlich des Grundstücks des Beigeladenen zu 2), Fl.Nr. ..., als auch hinsichtlich des Grundstücks Fl.Nr. ... keine Anwendung. Nach den Feststellungen des Beklagten sind die der Erschließungsanlage zugewandten Grundstücksteile bei Fl.Nr. ... ca. 9 m und bei Fl.Nr. ... ca. 7 m breit. Diese Werte haben sich bei den Messungen des Gerichts beim Augenschein bestätigt (das Grundstück Fl.Nr. ... ist eher noch etwas breiter). Grundstücksteile dieser Breite stellen keine lediglich wegemäßigen Verbindungen zur Erschließungsanlage her. Es ist z.B. problemlos möglich, auf diesen Grundstücksteilen neben einem 3 m breiten Weg noch eine oder mehrere Garagen oder Stellplätze zu errichten. Es kann deshalb keine Rede davon sein, die betroffenen Grundstücksteile stellten „lediglich die wegemäßige Verbindung“ zur Erschließungsanlage her. Hieran ändert entgegen der Auffassung der Klägerin auch der Zuschnitt der betroffenen Grundstücke nichts: Auch wenn bei den betroffenen Grundstücken die der Erschließungsanlage zugewandten Grundstücksteile deutlich schmäler sind als die weiter hinten liegenden Grundstücksteile, so kann doch bei einer Breite der der Straße zugewandten Grundstücksteile von 7 m oder gar 9 m nicht davon gesprochen werden, es liege „lediglich“ eine Zufahrt vor.

b) In Bezug auf das Grundstück Fl.Nr. ... und dessen Erschließung durch die ...straße liegt eine derart atypische Situation vor, dass ausnahmsweise nur die tatsächlich zum Innenbereich gehörende südöstliche Grundstücksteilfläche heranzuziehen ist, um zu einem vorteilsgerechten Ergebnis zu gelangen:

Bei Fl.Nr. ... handelt es sich um ein übergroßes Grundstück im Bereich des Übergangs vom bauplanungsrechtlichen Innenbereich in den bauplanungsrechtlichen Außenbereich. Derartige Fallgestaltungen lassen sich in aller Regel dadurch sachgerecht lösen, dass die Vorschriften über die Tiefenbegrenzung (hier: § 6 Abs. 3 Nr. 2 EBS) zur Anwendung kommen, wodurch im Ergebnis nur eine Grundstücksteilfläche herangezogen wird. Vorliegend entsteht die atypische Situation hinsichtlich des Grundstücks Fl.Nr. ... vor allem dadurch, dass dieses übergroße Grundstück T-förmig zugeschnitten ist und sich der bauplanungsrechtliche Bebauungszusammenhang aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls auf eine vergleichsweise kleine Teilfläche beschränkt, die von der Straße aus gesehen im hinteren Bereich des Grundstücks liegt. Hingegen befindet sich eine erheblich größere Grundstücksteilfläche im Außenbereich, darunter vor allem auch die der Straße näher liegende Teilfläche. Wendete man auf das Grundstück Fl.Nr. ... die Regelung über die Tiefenbegrenzung an, so ergäbe sich ein sachwidriges Ergebnis: Herangezogen würde weit überwiegend eine im Außenbereich liegende Teilfläche, die von der verfahrensgegenständlichen Erschließungsanlage gar nicht im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB erschlossen wird, weil sie kein Bauland im Sinne des § 133 Abs. 1 Satz 2 BauGB ist. Hingegen bliebe die im Innenbereich liegende südöstliche Teilfläche, bezüglich der diese Erschließungsanlage Bebaubarkeit vermittelt, zumindest teilweise unberücksichtigt. Um ein derart sachwidriges Ergebnis zu vermeiden, kann daher vorliegend die Bestimmung der heranzuziehenden Teilfläche im Übergangsbereich vom beitragspflichtigen Innenbereich zum nicht beitragspflichtigen Außenbereich nicht schematisch an Hand der satzungsmäßigen Tiefenbegrenzungsregelung vorgenommen werden. In vorliegendem atypischem Einzelfall muss deshalb ausnahmsweise eine Anwendung der Regelung über die Tiefenbegrenzung auf das Grundstück Fl.Nr. ... ausscheiden.

Konsequenz hiervon kann aber nicht sein, dann nun das Grundstück Fl.Nr. ... mit seiner gesamten Fläche herangezogen wird. Dies wäre nicht mehr vorteilsgerecht, da die verfahrensgegenständliche Erschließungsanlage nur der verhältnismäßig kleinen, im bauplanungsrechtlichen Innenbereich gelegenen Grundstücksteilfläche Bebaubarkeit vermittelt. Richtig ist es deshalb, in vorliegender atypischen Fallkonstellation aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls nur die sich tatsächlich im Innenbereich befindliche Teilfläche heranzuziehen, da sich das Erschlossensein durch die ...straße auf die zum Innenbereich gehörende Grundstücksteilfläche beschränkt. Es musste daher in diesem besonderen Fall unter Berücksichtigung der konkreten örtlichen Verhältnisse festgestellt werden, welche Teilfläche des Grundstücks Fl.Nr. ... am Bebauungszusammenhang (§ 34 Abs. 1 BauGB) teilnimmt und deshalb der Beitragsbemessung zu Grunde zu legen ist. Nach den beim Augenschein getroffenen Feststellungen ist dies nur die bereits oben unter 4. a) näher beschriebene südöstliche Grundstücksteilfläche.

6. Im Übrigen war bei der Verteilung des Erschließungsaufwands noch Folgendes zu berücksichtigen:

a) Die Grundstücke Fl.Nrn. ..., ... und ... sind nur mit 0,5 der Grundstücksfläche (§ 6 Abs. 4 EBS) und einem Nutzungsfaktor von 1,0 (§ 6 Abs. 2 Nr. 1 EBS) in die Verteilung einzubeziehen, weil sie lediglich untergeordnet baulich nutzbar sind. Zwar ist auf diesen Grundstücken jeweils eine nicht lediglich unterwertige Bebauung möglich, so dass sie grundsätzlich der Beitragspflicht unterliegen (siehe dazu schon oben). Gleichwohl sind diese Grundstücke aufgrund ihrer Größe und ihres Zuschnitts sowie – bzgl. Fl.Nrn. ... und ... – wegen der Hanglage nur untergeordnet baulich nutzbar.

b) Entgegen der Auffassung des Beklagten ist bezüglich des mit einem Transformatorenhäuschen bebauten Grundstücks Fl.Nr. ... kein Artzuschlag nach § 6 Abs. 10 EBS zu berücksichtigen. Dahingestellt kann bleiben, ob es sich bei der Nutzung eines Grundstücks mit einem Transformatorenhäuschen überhaupt um eine gewerbliche Nutzung handelt (so wohl Matloch/Wiens, a.a.O., Rn. 1028 m.w.N.). Ein Artzuschlag nach § 6 Abs. 10 EBS setzt nämlich voraus, dass es sich um eine „überwiegende“ gewerbliche Nutzung handelt. Vorliegend ist das Grundstück Fl.Nr. ... lediglich ganz im Norden mit einem kleinen Transformatorenhäuschen – nach den Feststellungen beim Augenschein weist dieses eine Grundfläche von lediglich ca. 2 m x 2 m auf – bebaut. Es kann deshalb keine Rede davon sein, das Grundstück Fl.Nr. ... werde „überwiegend“ gewerblich genutzt.

c) Schließlich ist hinsichtlich der zusätzlich an der ... Straße anliegenden Grundstücke Fl.Nrn. ... und ... Gemarkung ... eine Ermäßigung wegen Mehrfacherschließung nach § 6 Abs. 11 EBS zu berücksichtigten. Gemäß den Angaben der Klägerin mit Schriftsatz vom 11. November 2014 ist diese Straße noch nicht endgültig erstmalig hergestellt, so dass auch für diese Straße noch Erschließungsbeiträge erhoben werden können.

Die Klägerin hat die vorstehende Rechtsauffassung des Gerichts bei ihrer Vergleichsberechnung vollumfänglich berücksichtigt. Nach dieser Vergleichsberechnung ergibt sich für das Grundstück Fl.Nr. ... eine Vorausleistung von 19.814,67 €. Demnach war der Vorausleistungsbescheid der Klägerin vom ... Juni 2013, mit dem eine Vorausleistung von lediglich 19.428,19 € festgesetzt worden war, im Ergebnis rechtmäßig und verletzte den Beigeladenen zu 2) nicht in seinen Rechten. Der Beklagte hätte den Widerspruch deshalb zurückweisen müssen. Die Teilaufhebung des Vorausleistungsbescheids vom ... Juni 2013 durch den Widerspruchsbescheid vom ... März 2014 war somit rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihrer Rechten. Dem Klageantrag der Klägerin war deshalb stattzugeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Beigeladenen haben ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen. Anlass, diese gemäß § 162 Abs. 3 VwGO aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse aufzuerlegen, besteht nicht, zumal die Beigeladenen mangels Sachantrag kein Kostenrisiko eingegangen sind (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO).  

Beschluss

Der Streitwert wird auf 3.052,00 € festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).

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