LG Hamburg, Urteil vom 01.12.2006 - 324 O 452/06
Fundstelle
openJur 2011, 14556
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,00 Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre), zu unterlassen,

den Dokumentarfilm "Mord in der Karibik", dessen Ausstrahlung im Fernsehen für den 5. Mai 2006, 20:15 Uhr angekündigt wurde, zu verbreiten oder verbreiten zu lassen, insbesondere ihn als Fernsehsendung auszustrahlen, sofern im Rahmen dieses Beitrages der Vorname des Klägers über die Namensnennung in dem im Film eingeblendeten Zeitungsartikel hinaus genannt wird.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich des Ausspruchs unter Ziffer I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 5.000,00, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss: Der Streitwert wird festgesetzt für die bis zum 23. August 2006 entstandenen Gebühren auf EUR 25.000,00, für die danach entstandenen Gebühren auf EUR 5.000,00.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten, es zu unterlassen, durch Ausstrahlung des Dokumentarfilms mit dem Titel "Mord in der Karibik" in identifizierbarer Form über ein von ihm im Jahre 1981 begangenes Verbrechen zu berichten.

Der Kläger hat auf einer Reise mit einer Segelyacht im Jahre 1981 zwei Leute getötet und ist deswegen 1982 wegen Mordes zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Seine - damalige wie heute - Lebensgefährtin hatte ihm Beihilfe geleistet und war deswegen ebenfalls zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Über diese Tat hat die Beklagte einen Fernsehfilm mit dem Titel "Mord in der Karibik" angefertigt, der erstmals 2004 ausgestrahlt worden ist und am 5. Mai 2006 erneut ausgestrahlt werden sollte.

In diesem Beitrag (Anlage K1 zu Verfahren 324 O 307/06 = Antrag der Lebensgefährtin des Klägers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung) werden der Kläger und seine Lebensgefährtin mit geänderten Nachnamen bezeichnet. Es wird aber für einen kurzen Augenblick ein Zeitungsartikel eingeblendet, in dem der Kläger und seine Lebensgefährtin mit vollem Namen und Altersangabe genannt werden, es wird eine den Kläger abbildende Fotografie gezeigt, auf der die Augenpartie mit einem sog. "Augenbalken" verdeckt wird und es wird der Kläger mit seinem richtigen Vornamen "P." bezeichnet. Der Kläger wollte diese Berichterstattung nicht hinnehmen und ließ die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung auffordern. Hierfür entstanden ihm Kosten in Höhe von EUR 419,90.

Nachdem die Beklagte die verlangten Abmahnkosten nach Zustellung der Klage erstattet hat und eine Unterlassungsverpflichtungserklärung hinsichtlich des ursprünglichen Klageantrags zu 1.b. (kumulative Verknüpfung der streitigen Identifikationsmerkmale) abgegeben sowie klargestellt hat, dass diese sich auch auf die isolierte Verbreitung der streitigen Identifikationsmerkmale aus dem Klagantrag zu 1.a.1.

(Zeigen eines Zeitungsartikels, der den voll Namen des Klägers enthält) und 1.a.2. (Zeigen von Fotografien des Klägers, auf denen dieser außer durch einen Augenbalken nicht unkenntlich gemacht wurde) erstreckt, haben die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich der Ziffer 2. des Klagantrags (Erstattung von Abmahnkosten) und Ziffer 1.a.1 und 1.a.2 des Klagantrags übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt.

Die Parteien streiten nunmehr noch darüber, ob sich eine persönlichkeitsrechtliche Ansprüche auslösende Erkennbarkeit des Klägers - ausschließlich - daraus ergibt, dass er in dem Dokumentarfilm "Mord in der Karibik" mit seinem Vornamen ... bezeichnet wird.

Der Kläger beantragt nunmehr noch,

der Beklagten bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,--, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre),

zu verbieten

den Dokumentarfilm mit dem Titel "Mord in der Karibik", dessen Ausstrahlung im WDR-Fernsehen für den 5. Mai 2006, 20:15 Uhr, angekündigt wurde, zu verbreiten und / oder verbreiten zu lassen, insbesondere ihn als Fernsehsendung auszustrahlen, sofern im Rahmen dieses Beitrages der Vorname des Klägers über die Namensnennung in dem im Film eingeblendeten Zeitungsartikel hinaus genannt wird.

Die Beklagte beantragt insoweit,

die Klage abzuweisen.

Wegen der Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

I.

Die Klage ist unzulässig und im verbliebenen Umfang begründet. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch folgt aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG. Der nach seiner Entlassung aus der Straftat wieder in die Gesellschaft eingegliederte Kläger wird in seinem Persönlichkeitsrecht dadurch verletzt, dass über die von ihm tatsächlich begangenen, aber lange zurückliegenden Straftaten unter Nennung seines Namens berichtet wird (Fallgruppe "Lebach", BVerfG, Urt. v. 5.6.1973, BVerfGE 35, S. 202 ff., 233 ff.).

Der Anspruch steht dem Kläger zu, weil er einer hinreichend großer Zahl von potentiellen Zuschauern des Dokumentarfilms auch dann erkennbar wird, wenn in diesem auf die anderen, von dem Kläger im einzelnen angegriffenen Identifizierungsmerkmale verzichtet und nur sein Vorname genannt wird. Denn erkennbar, so die höchstrichterliche Rechtsprechung (BVerfG, Beschl. v. 14.7.2004, NJW 2004, S. 3619 f., 3620) ist eine Person, die zum Gegenstand einer Berichterstattung gemacht wird, schon dann, wenn sie zumindest für einen Teil der Adressatenschaft auf Grund der mitgeteilten Umstände hinreichend erkennbar wird. Hierfür kann die Übermittlung von Teilinformationen genügen, aus denen die Identität für den sachlich interessierten Kreis der Rezipienten sich ohne weiteres ergibt oder mühelos ermitteln lässt, wobei die Erkennbarkeit im Bekanntenkreis ausreicht; für eine Persönlichkeitsverletzung ist es daher nicht entscheidend, ob alle oder ein erheblicher Teil der Rezipienten die gemeinte Person identifizieren können. Dies zugrunde gelegt, kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Kläger einer hinreichend großen Zahl von Personen aus seinem Umfeld schon dann als die mit, ... bezeichneten Person erkennbar wird, wie dies in dem Film geschieht. Denn der Beitrag liefert eine Vielzahl von Daten über die Person des Täters, die es jedenfalls den Personen aus seinem näheren Umfeld ermöglichen, ihn zu erkennen, wenn sie wissen, dass er, ... heißt, damals wie heute in ... bei Hamburg wohnt, von Beruf Hubschrauberpilot und Lokführer war und nach Rückkehr von seiner Segelreise 17 Jahre außerhalb W. gelebt hat. Die Rückkehr des Klägers in sein soziales Umfeld führt dazu, dass auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des BVerfG vom 25. November 1999 (NJW 2000, S. 1859 ff., 1860 - "Lebach II") die Teilanonymisierung nicht ausreicht.

Die Erkennbarkeit des Klägers aufgrund der Nennung seines Vornamens wird auch nicht dadurch aufgehoben, dass es in dem Dokumentarfilm heißt, dass die Namen der beteiligten Personen geändert worden seien. Daraus wird der Zuschauer schon deswegen nicht folgern, dass der in dem Beitrag, ... genannte Täter tatsächlich nicht ... heiße, weil der Hinweis auf die Namensänderung in dem Beitrag erst erfolgt, nachdem der Täter bereits als ... bezeichnet worden ist und zu Wort kommende Zeitzeugen ihn als, ... bezeichnen, so dass der Zuschauer davon ausgeht, dass die angekündigte Anonymisierung nur die Nachnamen der beteiligten Personen betreffe.

Die nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB den Unterlassungsanspruch auslösende Wiederholungsgefahr ist aufgrund der erfolgten Rechtsverletzung indiziert.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 91 a Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1, 93 ZPO analog. Soweit die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich eines Teils der Unterlassungsbegehren übereinstimmend für erledigt erklärt haben, waren die Kosten der Beklagten aufzuerlegen, denn dem Kläger standen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung der Verbreitung des Beitrags unter isolierter Verwendung der angegriffenen Identifikationsmerkmale zu. Hinsichtlich des im Bild gezeigten Zeitungsartikels ergibt sich das schon daraus, dass darin der volle Name des Klägers genannt war und daher, mag der Artikel auch nur kurz gezeigt worden sein, der volle Name des Klägers von den Zuschauern hat gelesen werden können, hinsichtlich des Bildnisses daraus, dass der bloße "Augenbalken" zur hinreichenden Unkenntlichmachung des Klägers nicht ausreichte (vgl. dazu die aktuellen Fotografien des Klägers in Anlage K8). Hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Anspruchs auf Erstattung der Abmahnkosten träfe die Kostenlast zwar prinzipiell den Kläger, da eine vorgerichtliche Mahnung nicht dargelegt ist und daher aufgrund der Zahlung der Beklagten der Grundgedanke des § 93 ZPO eingreift; insoweit greift aber die Regelung in § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

III.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 3 ZPO. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Klage auf Erstattung anteiliger Abmahnkosten den Streitwert nach § 4 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO ebenso wenig erhöht wie die Hilfsanträge nach § 45 Abs. 1 Satz 2 ZPO, weil diese aufgrund der Erledigung bzw. des Durchgreifens des vorrangigen Hauptantrags nicht zu bescheiden waren.

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