Brandenburgisches OLG, Urteil vom 06.10.2015 - 6 U 7/14
Fundstelle
openJur 2016, 1614
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das am 28. November 2013 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) - 12 O 22/12 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.814,93 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 812,77 € seit dem 04.02.2011, 04.03.2011, 06.04.2011, 05.05. 2011, 07.06.2011, 06.07.2011, 04.08.2011, 06.09.2011, 07.10.2011, 07.11.2011 und aus 550,59 € seit dem 06.12.2011 und aus 136,64 € seit dem 16.06.2011

sowie weitere 164,53 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.06.2012

sowie an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten 40,65 € und weitere 39,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 40,65 € seit dem 07.03.2012 und aus 39,00 € seit dem 04.07.2012 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar

Gründe

I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das Urteil nicht gegeben ist, §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

II.

Die gemäß §§ 511, 517, 519 und 520 ZPO zulässige Berufung der Beklagten ist ganz überwiegend unbegründet. Erfolg hat das Rechtsmittel nur wegen Teilbeträgen von 262,18 € und weiteren zweimal 7,41 € jeweils nebst anteiliger Zinsen sowie im Punkt des Zinssatzes.

Die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Nutzungsentschädigung für die Zeit vom 01.02.2011 bis einschließlich 21.12.2011 ist in Höhe von 8.678,29 € gerechtfertigt, nicht aber wegen des weitergehenden Betrages von 262,18 €. Im übrigen hat das Landgericht die Beklagte zu Recht zur Betriebskostennachzahlung in Höhe von 136,64 € für den Abrechnungszeitraum 10/2009 bis einschließlich 09/2010 und in Höhe von 164,53 € für den Abrechnungszeitraum 10/2010 bis einschließlich 09/2011 verurteilt. Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten kann die Klägerin nur abzüglich der Umsatzsteuerbeträge von jeweils 7,41 € in Höhe von 40,65 € und weiteren 39,00 € beanspruchen. Verzugszinsen schuldet die Beklagte auf die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nur nach dem Satz von fünf Prozentpunkten über Basiszinssatz.

1) Ohne Erfolg wendet sich die Beklagte gegen die landgerichtliche Beurteilung, dass die Klägerin für die geltend gemachten Ansprüche aktiv legitimiert ist.

Zwischen den Parteien hat ein Mietvertrag über die Gewerberäume in dem Geschäfts- und Freizeitzentrum in der …straße 1 in S… bestanden. Die Klägerin ist in den im Jahr 2004 zwischen der Beklagten und der P... GmbH geschlossenen Vertrag auf Vermieterseite gemäß §§ 566, 578 Abs. 2 BGB dadurch eingetreten, dass sie das Grundstück von der P… GmbH gekauft hat und am 08.07.2007 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen worden ist (Bl. 107 d. Beiakten, Amtsgericht Schwedt/Oder, 3 C 231/10). Soweit die Beklagte geltend macht, der Grundstücksverkauf an die Klägerin als kommunale Eigengesellschaft sei mangels Beteiligung der Öffentlichkeit unwirksam, ist dem Vorbringen kein Sachverhalt zu entnehmen, der einen wirksamen Eigentumserwerb der Klägerin in Frage stellen könnte. Abgesehen davon ist von einem Mietverhältnis zwischen den Prozessparteien auch deshalb auszugehen, weil sie nach Eigentumsübergang mehrere Nachtragsvereinbarungen zum ursprünglichen Mietvertrag getroffen haben.

2) Die Beklagte schuldet der Klägerin für die Zeit vom 01.02.2011 bis einschließlich 21.12.2011 gemäß § 546a Abs. 1 BGB Nutzungsentschädigung von insgesamt 8.678,29 €, weil sie die Mietsache trotz Beendigung des Mietvertrages im März 2010 der Klägerin bis zum 21.12.2011 vorenthalten hat.

2.1) Nach Beendigung des Mietverhältnisses, gleich auf welchem Rechtsgrund die Beendigung beruht, ist der Mieter verpflichtet, die Mietsache zurückzugeben, § 546 Abs. 1 BGB. Kommt der Mieter dieser Pflicht nicht nach und hält die Mietsache gegen den Willen des Vermieters zurück, so kann der Vermieter gemäß § 546a Abs. 1 BGB für die Dauer der Vorenthaltung als Entschädigung den vereinbarten Mietzins verlangen. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

2.2) Das Mietverhältnis der Parteien hat aufgrund der auf Zahlungsverzug gestützten außerordentlichen fristlosen Kündigung der Klägerin vom 16.03.2010 geendet. Die Beklagte ist durch rechtskräftiges Urteil der Amtsgerichts Schwedt/Oder vom 14.11.2011, 3 C 231/10, zur Räumung und Herausgabe der Mietsache an die Klägerin verurteilt worden.

2.2) Die Beklagte hat die Mietsache am 21.12.2011 durch Übergabe sämtlicher Schlüssel zurückgegeben, bis zur Rückgabe hat sie die Mieträume vorenthalten.

a) Der Umstand, dass die Klägerin erst seit dem 21.12.2011 über sämtliche Schlüssel verfügt, nachdem die Beklagte zuvor am 22.11.2011 lediglich einen Schlüssel für Eingang und Müllplatz „unter Vorbehalt“ ausgehändigt hatte, ist zwischen den Parteien unstreitig. Eine frühere Rückgabe der Mietsache lässt sich auch sonst nicht feststellen. Aufgrund des genannten amtsgerichtlichen Urteils steht zwischen den Parteien mit Rechtskraftwirkung fest, dass die Beklagte bis zum Schluss der dortigen mündlichen Verhandlung am 24.10.2011 die Mieträume nicht an die Klägerin herausgegeben hatte. Eine Rückgabe oder eine Weigerung der Rücknahme seitens der Klägerin hat die Beklagte für die Zeit danach auch nicht substantiiert vorgetragen. Ihre Darstellung, sie habe ihr Gewerbe in den Mieträumen bereits im Jahr 2010 abgemeldet und sei seit Oktober 2010 in anderen Mieträumen tätig, ergibt nicht, dass sie der Klägerin den unmittelbaren Besitz an den Mieträumen eingeräumt hat.

b) Dass die Klägerin den Willen zur Rückerlangung der Mieträume hatte, ist im Hinblick auf die gerichtliche Geltendmachung des Herausgabeanspruchs und die mit Anwaltsschreiben vom 30.11.2011 erfolgte Ankündigung der Zwangsvollstreckung nicht in Zweifel zu ziehen.

2.3) Der Anspruch beträgt der Höhe nach 8.678,29 €. Zugrunde zu legen sind 8.127,70 € für die Zeit vom 01.02.2011 bis einschließlich 30.11.2011 (monatlich 812,77 € x 10 Monate) sowie weitere 550,59 € für die Zeit vom 01.12.2011 bis einschließlich 21.12.2012 (21/31 von 812,77 €). Der landgerichtliche Ansatz von 812,77 € für den Monat Dezember 2012 ist nicht gerechtfertigt, weil die Vorenthaltung nur bis zum 21.12.2012 angedauert hat.

13a) Der Anspruch auf Nutzungsentschädigung gemäß § 546a Abs. 1 BGB erfasst die bei Beendigung des Mietverhältnisses zu zahlende Miete einschließlich Betriebskostenvorauszahlung. Das waren im Streitfall monatlich insgesamt 812,77 € (589,05 € brutto Kaltmiete zuzüglich 223,72 € Betriebskostenvorauszahlung).

b) Nach Eintritt der Abrechnungsreife kann der Vermieter Nutzungsentschädigung wegen der Betriebskosten allerdings nur noch aufgrund einer Betriebskostenabrechnung verlangen. Die Klägerin hat über die Betriebskosten für den gesamten Zeitraum der Vorenthaltung abgerechnet, und zwar mit Abrechnung vom 30.04.2012 für die Zeit vom 01.10.2010 bis einschließlich 30.09.2011 und mit Abrechnung vom 30.04.2013 für die Zeit vom 01.10.2011 bis 21.12.2011.

15Die Abrechnungen begegnen keinen Bedenken gegen ihre formelle Wirksamkeit. Der Umstand, dass die vorgenannten Abrechnungen auf der Basis der Soll-Vorschüsse erstellt sind, mithin die vereinbarten Vorauszahlungen zugrunde legen, obwohl die Beklagte Vorauszahlungen nicht geleistet hat, beeinträchtigt deren formelle Wirksamkeit nicht (vgl. BGH NJW 2009, 3575).

Eine beachtliche Einwendung gegen die inhaltliche Richtigkeit der Abrechnungen hat die Beklagte nicht erhoben. Ihr pauschales Bestreiten mit dem Einwand, die Klägerin habe Belege für die angesetzten Kosten nicht vorgelegt, greift nicht durch. Den Vermieter trifft regelmäßig keine sekundäre Darlegungslast für die tatsächlichen Grundlagen seines Betriebskostenansatzes, denn der Mieter hat das Recht, die für die Betriebskostenabrechnung maßgebenden Belege einzusehen (vgl. BGH NJW 2011, 3028). Folglich obliegt es zunächst dem Mieter, den Betriebskostenansatz des Vermieters und die zugehörigen Einzelkosten aufgrund einer Einsichtnahme in die Belege in konkreter Weise substantiiert zu bestreiten (vgl. OLG Düsseldorf, ZMR 2012, 542). Dem ist die Beklagte nicht nachgekommen; ebensowenig ist ihrem Vorbringen zu entnehmen, dass und aus welchen Gründen eine Einsichtnahme in die Belege in den Geschäftsräumen der Klägerin nicht möglich gewesen sei.

c) Die Abrechnungen der Klägerin weisen unter Ansatz der Soll-Vorschüsse jeweils Nachzahlungsbeträge aus. Dass die Klägerin, soweit es den Zeitraum vom 01.10.2011 bis 21.12.2011 betrifft, dennoch Zahlung ausschließlich bis zur Höhe der vorauszuzahlenden Beträge beansprucht, benachteiligt die Beklagte nicht.

3) Ferner schuldet die Beklagte nach § 535 Abs. 2 BGB Nachzahlung auf die Betriebskosten in Höhe von 136,64 € für den Abrechnungszeitraum 01.10.2009 bis einschließlich 30.09.2010 aufgrund der Abrechnung vom 30.04.2011 sowie in Höhe von 164,53 € für den Abrechnungszeitraum 01.10.2010 bis einschließlich 30.09.2011 aufgrund der Abrechnung vom 30.04.2012. Die inhaltliche Richtigkeit der Abrechnungen ist mit dem Einwand fehlender Belegvorlage nicht tauglich angegriffen.

4) Der Anspruch der Klägerin auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtanwaltskosten wegen erfolgloser anwaltlicher Zahlungsaufforderungen hinsichtlich der Nachzahlungsbeträge der Betriebskostenabrechnungen stützt sich auf den Gesichtspunkt des Verzuges gemäß § 280 Abs. 2, § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Beklagte hat sich zum Zeitpunkt der anwaltlichen Zahlungsaufforderungen im Verzug befunden, § 286 Abs. 3 BGB.

Die jeweils in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr nach dem Wert der Zahlungsaufforderungen geltend gemachten Gebühren zuzüglich Auslagen sind nicht zu beanstanden. Die hinzugesetzten Umsatzsteuerbeträge von jeweils 7,41 € stehen der Klägerin aber aufgrund ihrer Berechtigung zum Vorsteuerabzug nicht zu.

5) Auf die zuerkannten Beträge gebühren der Klägerin gemäß §§ 286, 288 BGB Verzugszinsen. Einer Abänderung unterliegt das angefochtene Urteil im Punkt des Zinssatzes, soweit das Landgericht der Klägerin auf die vorgerichtlichen Anwaltskosten Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zuerkannt hat. Insoweit beträgt der gesetzliche Zinssatz gemäß § 288 Abs. 1 BGB lediglich fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz, denn der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten stellt nicht eine Entgeltforderung aus einen Rechtsgeschäft im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB dar. Eine über den gesetzlichen Zinssatz hinausgehenden Zinsschaden hat die Klägerin nicht dargelegt.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die dafür in § 543 Abs. 2 ZPO aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2, § 97 ZPO. Die geringfügige Zuvielforderung der Klägerin hat weder erst- noch zweitinstanzlich Mehrkosten verursacht. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Der Streitwert im Berufungsrechtszug wird auf 9.241,64 € festgesetzt.