LG Aachen, Beschluss vom 11.03.2015 - 5 T 154/14
Fundstelle
openJur 2015, 16366
  • Rkr:
Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers vom 14.10.2014 wird der Beschluss des Amtsgerichts Aachen vom 06.10.2014 - Az. 905 M 986/14 - aufgehoben.

Der am Verfahren beteiligte Gerichtsvollzieher wird angewiesen, den Antrag des Gläubigers vom 30.04.2014 auf Einholung von Drittauskünften gemäß § 802l ZPO nicht mit der Begründung abzulehnen, dass die Angaben der Schuldnerin im Vermögensverzeichnis schlüssig sind.

Eine Gebühr für das Beschwerdeverfahren wird nicht erhoben.

Gründe

I.

Der Gläubiger betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung wegen einer Hauptforderung in Höhe von 525,61 € nebst Zinsen und Kosten, zum Zeitpunkt 19.05.2014 insgesamt 1.095,34 €. Mit Antrag vom 30.04.2014 beantragte der Gläubiger bei dem zuständigen Gerichtsvollzieher die Abnahme der Vermögensauskunft gemäß § 802c ZPO, gemäß § 802g ZPO den Erlass eines Haftbefehls, erteilte den Auftrag, etwaige vorläufige Zahlungsverbote nach §§ 845, 802a Abs. 2 Ziffer 5 ZPO zuzustellen und beantragte die Einholung von Auskünften Dritter gemäß § 802l ZPO, falls die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände seine vollständige Befriedigung nicht erwarten ließen.

Die Schuldnerin gab am 12.06.2014 die Vermögensauskunft ab. Die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis erfolgte nach § 882c Abs. 1 Ziffer 2 ZPO.

Mit an den Gläubiger gerichtetem Schreiben vom 23.06.2014 lehnte der Gerichtsvollzieher die Einholung von Drittauskünften gemäß § 802l ZPO ab, weil die Angaben der Schuldnerin im Vermögensverzeichnis schlüssig seien. Dagegen richtet sich die Erinnerung des Gläubigers vom 25.06.2014. Zur Begründung führte dieser aus, der Gerichtsvollzieher habe keine Berechtigung, seinen Auftrag auf Einholung von Drittauskünften zurückzuweisen, die Frage der Erforderlichkeit sei vielmehr vom Gläubiger zu prüfen. Auf die Schlüssigkeit der Angaben in einer Vermögensauskunft komme es im Übrigen nicht an. Der zuständige Gerichtsvollzieher hat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten und Bezug genommen auf eine Entscheidung des Landgerichts Nürnberg-Fürth, nach der für die Zulässigkeit des Antrags auf Einholung von Drittauskünften bei Abgabe einer Vermögensauskunft Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit und Unvollständigkeit der Vermögensauskunft bestehen müssen.

Mit Beschluss vom 06.10.2014 hat das Amtsgericht Aachen die Erinnerung des Gläubigers zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, § 802l Abs. 1 Ziffer 2 ZPO sei einschränkend dahingehend auszulegen, dass Anhaltspunkte bestehen, die auf weitere Vermögenswerte des Schuldners hindeuten bzw. Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Selbstauskunft aufkommen lassen. Das alleinige Abstellen darauf, ob die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände zur vollständigen Befriedigung des Gläubigers ausreichten ohne Prüfung, ob die Selbstauskunft richtig ist, stelle einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung des Schuldners dar.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde des Gläubigers vom 14.10.2014, mit der dieser sich auf die Gesetzesbegründung zur Zwangsvollstreckungs-Novelle stützt und weiter ausführt, dem Gerichtsvollzieher stehe bei der Beurteilung, ob er die begehrte Auskunft einhole, kein Ermessen zu. Auch komme es nicht dem Gläubiger zu, Zweifel an der vom Schuldner abgegebenen Vermögensauskunft zu ermitteln und darzulegen. Das Amtsgericht Aachen hat der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 14.10.2014 nicht abgeholfen und die Akten dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die gemäß §§ 793, 567 ff., 569 ZPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Gläubigers hat in der Sache Erfolg und führt zur aus dem Tenor ersichtlichen Anweisung an den am Verfahren beteiligten Gerichtsvollzieher.

Dieser durfte den Antrag des Gläubigers, Drittauskünfte gemäß § 802l Abs. 1 ZPO einzuholen, nicht mit der Begründung ablehnen, die Schuldnerin habe eine Vermögensauskunft abgegeben und diese sei schlüssig.

Nach der gesetzlichen Regelung des § 802l Abs. 1 Satz 1 ZPO darf der Gerichtsvollzieher die in Ziffern 1 bis 3 vorgesehenen Auskünfte bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung, dem Bundeszentralamt für Steuern, und dem Kraftfahrt-Bundesamt einholen, wenn der Schuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nachkommt oder wenn bei der Vollstreckung in die dort aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung des Gläubigers voraussichtlich nicht zu erwarten ist. Dem Wortlaut der Regelung lässt sich eine Einschränkung dahingehend, dass bei Vorliegen einer Vermögensauskunft des Schuldners Anhaltspunkte dafür vorliegen müssen, dass die vom Schuldner abgegebene Vermögensauskunft unrichtig oder unvollständig ist, nicht entnehmen. Auch die Gesetzesbegründung zur Einführung des § 802l ZPO mit dem Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung vom 29.07.2009 (BGBl. I, S. 2258) sieht eine solche restriktive Anwendung der Vorschrift des § 802l Abs. 1 ZPO nicht vor. Vielmehr geht aus dieser hervor, dass der Gesetzgeber unter Abwägung des Rechts des Schuldners auf informationelle Selbstbestimmung und des Vollstreckungsinteresses des Gläubigers wie auch der Allgemeinheit im Falle der Abgabe einer Fremdauskunft die Einholung von Drittauskünften bereits dann für zulässig erachtet hat, wenn die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände im Falle der Vollstreckung eine vollständige Befriedigung des Gläubigers nicht erwarten lassen. Eine Einschränkung sieht Satz 2 der Vorschrift vor, der eine Mindesthöhe der zu vollstreckenden Forderung normiert, ab der von einem die Schuldnerinteressen überwiegenden Gläubigerinteresse an der Vollstreckung seiner Forderung auszugehen ist (vgl. BT-Drucks. 16/10069, S. 32, 33). Auch die nach dem Gesetzesentwurf hinzugefügte Formulierung "soweit dies zur Vollstreckung erforderlich ist" führt im konkreten Fall zu keiner abweichenden Entscheidung. Denn aus der Gesetzbegründung folgt, dass damit ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Recht des Schuldners auf informationelle Selbstbestimmung für diejenigen Fälle vermieden werden sollte, in denen sich aus der Vermögensauskunft selbst ergibt, dass - beispielsweise aus zeitlichen Gesichtspunkten - durch die zusätzlichen Informationen verwertbare Erkenntnisse nicht zu erwarten sind (vgl. BT-Drucks. 16/13432, S. 45). Diese Einschränkung für unnötige Datenerhebungen kann allerdings nur einen eng begrenzten Anwendungsbereich haben; denn die Vorbemerkung zur Gesetzesbegründung nennt als Ziel der Neuregelung die effektivere Informationsbeschaffung des Gläubigers. Diesem soll durch die Möglichkeit, Fremdauskünfte durch den Gerichtsvollzieher einholen zu lassen, Rechnung getragen und dem Gläubiger im Interesse der Effizienz und Leistungsfähigkeit der Zwangsvollstreckung der Zugang zu besseren Informationen über mögliche Vollstreckungsobjekte des Schuldners (Sachaufklärung) gewährleistet werden (vgl. BT-Drucks. 16/13432, S. 1, 2, S. 40, 41). Diesem Zweck widerspräche es, wenn bei Vorliegen einer Vermögensauskunft der Gläubiger Anhaltspunkte dafür vortragen und glaubhaft machen müsste, dass die vom Schuldner abgegebene Vermögensauskunft unrichtig oder unvollständig ist (so auch Musielak, ZPO, 11. Aufl., 2014, § 802l, Rn. 7; LG Magdeburg, Beschluss vom 30. Juni 2014 - 3 T 360/14, AG Bremen, Beschluss vom 28. Juli 2014 - 244 M 440738/14, AG Hamburg, Beschluss vom 12. August 2014 - 29a M 855/14; a.A. LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 29.08.2013 - 19 T 6835/13 - alle zitiert nach juris; Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl., 2012, § 802l, Rn. 14). Liegen daher die allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen vor und hat der Gläubiger einen Antrag gemäß § 802l ZPO gestellt, so hat der Gerichtsvollzieher, ohne dass ihm insoweit ein Ermessen zusteht, die beantragten Drittauskünfte einzuholen (vgl. BT-Drucks. 16/1069, S. 32; Zöller, Kommentar zur ZPO, 30. Aufl., 2014, §802l, Rn. 5).

Demzufolge war der Gerichtsvollzieher wie aus dem Tenor ersichtlich anzuweisen, den Antrag des Gläubigers nicht mit der Begründung abzulehnen, dass die Angaben der Schuldnerin im Vermögensverzeichnis schlüssig sind.