OLG Schleswig, Beschluss vom 31.07.2015 - 14 UF 42/15
Fundstelle
openJur 2015, 14489
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 12. Mai 2015 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Lübeck vom 8. April 2015 geändert und wie folgt neu gefasst:

Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners bei der VBL (Vers.-Nr. ….) zugunsten der Antragstellerin auf Grundlage von § 32 a VBL-Satzung in der Fassung der 19. Satzungsänderung im Abrechnungsverband West ein Anrecht in Höhe von 7,36 Versorgungspunkten, bezogen auf den 31. Juli 2009 übertragen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

4. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Mit Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Lübeck vom 3. Mai 2010 wurde die Ehe der beteiligten Ehegatten rechtskräftig geschieden und der Versorgungsausgleich bei der Deutschen Rentenversicherung Nord durchgeführt. Hinsichtlich der Anwartschaften bei der VBL war der Versorgungsausgleich ausgesetzt worden. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 8. April 2015 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Lübeck im Wege der internen Teilung zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der VBL zugunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 7,36 Versorgungspunkten bezogen auf den 31. Juli 2009 übertragen.

Gegen diesen, der Antragstellerin am 15. April 2015 zugestellten Beschluss wendet sich diese mit ihrer am 12. Mai 2015 eingegangenen Beschwerde.

Die Antragstellerin macht geltend, dass es sich bei dem Anrecht der VBL zur Versicherungsnummer … unstreitig um ein Anrecht des Antragsgegners handele und demzufolge dieses Anrecht im Wege der internen Teilung zugunsten der Antragstellerin zu übertragen sei. Außerdem müsse bei der Übertragung die genaue Bezeichnung und Rechtsgrundlage des übertragenen Anrechts angegeben werden. Zudem läge ein Verstoß gegen den Halbteilungsgrundsatz gemäß § 1 Abs. 1 VersAusglG oder gegen die Regelung des § 5 Abs. 1 VersAusglG vor, weil der von der VBL vorgeschlagene Ausgleichswert nicht der numerischen Hälfte des von der Antragstellerin erworbenen Ehezeitanteils entspreche. Nach den vorliegenden Auskünften der VBL hat der Antragsgegner während der Ehezeit (1. November 2001 bis 31. Juli 2009) ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 34,83 Versorgungspunkten erlangt. Der Versorgungsträger hat gemäß § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgetragen, den Ausgleichswert mit 7,36 Versorgungspunkten zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert nach § 47 Abs. 5 VersAusglG beträgt 5.238,72 €.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss, die diesem vorausgegangenen Auskünften der VBL und die Beschwerdeschrift vom 12. Mai 2015 Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 58 ff., 63 ff. FamFG zulässige Beschwerde ist nur teilweise begründet.

1. Zu Recht hat die Beschwerdeführerin bereits mit Schriftsatz vom 21. April 2015 (Bl. 75 GA) darauf hingewiesen, dass das Familiengericht in dem angefochtenen Beschluss fälschlicherweise im Tenor und in den Beschlussgründen von VBL- Anrechten der Antragstellerin ausgegangen ist. Tatsächlich handelt es sich um ein Anrecht des Antragsgegners aus einer Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, wie sich aus dem Schreiben der VBL vom 19. Februar 2015 ergibt. Gemäß § 10 Abs. 3 VersAusglG sind die Regelungen über das auszugleichende und das zu übertragende Anrecht maßgebend. Im Rahmen des Ausspruchs zum Versorgungsausgleich sind deshalb die genaue Bezeichnung und Rechtsgrundlage des zu übertragenden Anrechts anzugeben. Der Senat hat im Tenor den angewendeten Satzungsstand anzugeben, damit deutlich wird, welche Satzungsänderungen des öffentlichen-rechtlichen Versorgungsträger berücksichtigt sind (BGH FamRZ 2011, 547). Der angefochtene Beschluss war insoweit entsprechend zu ergänzen bzw. zu korrigieren.

2. Ein Verstoß gegen den Halbteilungsgrundsatz gemäß § 1 Abs. 1 VersAusglG oder gegen die Regelung des § 5 Abs. 1 VersAusglG liegt nicht vor.

Nach §§ 32 a, 35 Abs. 1 der VBL- Satzung in der Fassung der 19. Satzungsänderung im Abrechnungsverband West wird der Ausgleichswert nach § 5 Abs. 1 VersAusglG in Form von Versorgungspunkten ausgewiesen. Die Höhe des Ausgleichswert wird ermittelt, indem der hälftige Ehezeitanteil der ausgleichspflichtigen Person anhand ihrer versicherungsmathematischen Barwertfaktoren in einen Kapitalwert umgerechnet und nach Abzug der hälftigen Teilungskosten anhand der versicherungsmathematischen Barwertfaktoren der ausgleichsberechtigten Person (hier 14,8230 Barwertfaktor der Antragstellerin) umgerechnet wird. Hälftig geteilt werden also nicht die Versorgungspunkte oder der Barwert der zu erwartenden Rente. Soweit das Oberlandesgericht Frankfurt (Beschluss vom 15. November 2013, Az.: 6 UF 55/13, FamRZ 2014, 755-757) hierin einen Verstoß gegen § 5 Abs. 1 VersAusglG sieht, folgt der Senat dieser Rechtsauffassung nicht (wie hier OLG Celle, FamRZ 2014, 305; OLG Düsseldorf, FamRZ 2011, 719; OLG Köln Beschluss vom 6. Januar 2015 - 12 UF 91/14, juris RdNr. 9; OLG Nürnberg, Beschluss vom 9. Februar 2015, NJW 2015, 1695-1696 bzw. juris RdNr. 12).

Bei der Berechnung des nach § 10 Abs. 1 VersAusglG maßgeblichen Ausgleichswerts sind die Versorgungsträger nicht darauf beschränkt, die Bezugsgröße nominal zu teilen. Vielmehr stehen ihnen Ermessensspielräume bei der Berechnung des Ausgleichswerts zu, so lange diese insbesondere eine gleichwertige Teilhabe der Ehegatten an dem betroffenen Anrecht sicherstellen. Da die nominale Halbteilung von Rentenbeträgen/Versorgungspunkten, insbesondere bei hohen Altersunterschieden zur Bildung von unterschiedlich hohen Deckungskapitalbeiträgen führen kann, kann der Versorgungsträger auch das auf die Versorgungspunkte entfallende Deckungskapital hälftig aufteilen und sodann nach Abzug der hälftigen Teilungskosten anhand der versicherungsmathematischen Barwertfaktoren der ausgleichsberechtigten Person, die alters- und systemabhängig sind, eine Umrechnung in Versorgungspunkte anordnen, wobei es durch divergierende Barwertfaktoren auch zu unterschiedlich hohen Versorgungspunkten kommen kann. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass der Berechtigte einen Anteil des Anrechts erhält, der unter Berücksichtigung seines Alters dem Wert des Anteils des Verpflichteten entspricht. Dem Versorgungsträger steht es frei, das dem Ehezeitanteil zugrunde liegende Vorsorgekapital zu teilen und die auf den Ausgleichsberechtigten entfallende Hälfte sodann in die für den Ausgleich maßgebende Bezugsgröße umzurechnen (BT-Drucksache 16/10144 S. 56; OLG Köln, a. a. O., RdNr. 9 m. w. N.). Es ist nicht vorgeschrieben, dass die ausgleichsberechtigte Person aus dem Ehezeitanteil eine ebenso hohe Rente erhält wie die ausgleichspflichtige Person, sondern es geht um die Sicherstellung der gleichwertigen Teilhabe der Ehegatten an den während der Ehezeit erworbenen Anrechten gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 VersAusglG. Die Auffassung des BGH (NZ-Fam 2015, 59, juris RdNr. 21), wonach § 5 VersAusglG es dem Versorgungsträger nicht freistellt, eine andere Ausgleichsbezugsgröße als die nach seiner Versorgungsordnung maßgebliche zu wählen, sagt nichts über die der Teilung zugrunde liegende Berechnung.

Im Übrigen werden bei der versicherungsmathematischen Kalkulation künftige Rentenleistungen seit jeher (auch) nach Geschlechtern differenzierende Sterbetafeln und daraus abgeleitete Barwertfaktoren verwendet. Diese Vorgehensweise ist aus Sicht des Senats mit dem in Art. 3 GG verankerten Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar, da dieser verbietet, vergleichbare Sachverhalte ohne sachlichen Grund ungleich und ungleiche Sachverhalte gleich zu behandeln. Die sachliche Rechtfertigung der Berücksichtigung eines nach Geschlecht differenzierenden Barwertfaktors liegt in der tatsächlich statistisch unterschiedlichen Lebenserwartung von Mann und Frau (vgl. auch OLG Köln, a. a. O., juris RdNr. 12 m. w. N.).

Im Ergebnis ist deshalb das Anrecht des Antragsgegners bei der VBL Karlsruhe nach § 32 a VBL-Satzung in der Fassung der 19. Satzungsänderung im Abrechnungsverband West durch interne Teilung mit einem Ausgleichswert von 7,36 Versorgungspunkten zugunsten der Antragstellerin auszugleichen. Insoweit bleibt es mithin bei dem Inhalt der angefochtenen Entscheidung.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 150, 81 Abs. 1 FamFG.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf den §§ 40, 50 Abs. 1 S. 2 FamGKG. In Versorgungsausgleissachen beträgt der Verfahrenswert mindestens 1.000,00 €.

Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, da die der Entscheidung zugrunde liegende Rechtsfrage der Zulässigkeit der Anwendung geschlechtsspezifischer Barwertfaktoren bei der Berechnung der Ausgleichswerte grundsätzliche Bedeutung hat. Es geht auch um die Klärung der Frage, wie der Ausgleichswert von Anrechten aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes (VBL) zu bestimmen ist. Die Sache hat grundsätzliche Bedeutung und erfordert zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 70 Abs. 2 FamFG).