SG Marburg, Urteil vom 01.07.2015 - S 12 KA 430/14
Fundstelle
openJur 2015, 14233
  • Rkr:

1. § 44 Abs. 2 SGB X kann neben § 44 Satz 2 und 3 BedarfsplRL angewandt werden. Die Sonderregelungen in der BedarfsplRL betreffen lediglich Veränderungen in der Zukunft, nicht aber anfänglich rechtswidrige Festsetzungen.

2. Nach § 42 Abs. 1 Satz 7 BedarfsplRL ist ein deutlich verändertes und angezeigtes und nachgewiesenes Leistungsverhalten innerhalb der Partner einer Berufsausübungsgemeinschaft zwischen den Aufsatzquartalen und dem Beginn des Job-Sharings bei der Festsetzung der Obergrenzen zu berücksichtigen (z.T. entgegen SG Düsseldorf v. 18.03.2015 - S 2 KA 132/13 - juris Rdnr. 23).

Tenor

1. Unter Aufhebung des Beschlusses des Beklagten vom 16.07.2014 wird der Beklagte verpflichtet, den Kläger über seinen Widerspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

2. Der Beklagte und die Beigeladene zu 1) haben jeweils zu ½ die Gerichtskosten zu tragen und dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Neufestsetzung des Gesamtpunktzahlvolumens im Rahmen eines sog. Job-Sharing-Verhältnisses mit der seit dem 23.02.2010 angestellten Ärztin Frau Dr. med. F.

Der Kläger ist als Kardiologe zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er ist mit den Kardiologen Dr. C., Prof. Dr. D. und Frau Dr. med. E. in einer Berufsausübungsgemeinschaft (im Folgenden: BAG) mit Praxissitz in A-Stadt tätig. Die BAG gab gegenüber der zu 1) beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung Hessen mit Datum vom 14.03.2007 an, bzgl. der Erweiterten Honorarverteilung (EHV) sollten ab 01.04.2007 folgende Aufteilungsprozentsätze gelten: der Kläger 25 %, Herr Dr. C. 25 %, Herr Prof. Dr. D. 50 %. Für die Zeit ab 01.03.2009 gab die BAG mit Datum vom 26.02.2009 an, es sollten folgende Aufteilungsprozentsätze gelten: der Kläger 40 %, Herr Dr. C. 40 %, Herr Prof. Dr. D. 10 % und Frau Dr. med. E. 10 %. Für die Zeit ab 01.01.2011 gab die BAG unter Datum vom 20.01.2011 folgende Aufteilungsprozentsätze an: der Kläger 40 %, Herr Dr. C. 40 %, Herr Prof. Dr. D. 10 % und Frau Dr. med. E. 10 %. Diese Angaben wiederholte die BAG unter Datum vom 13.07.2011.

Der Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen gab mit Beschluss vom 23.02.2010 dem Antrag des Klägers mit Datum vom 21.12.2009 auf Beschäftigung der Kardiologin Frau Dr. med. F. als angestellte Ärztin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden gem. § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V in Verbindung mit § 32b Ärzte-ZV mit Wirkung zum 23.02.2010 statt. Das quartalsbezogene Gesamtpunktzahlvolumen legte er auf der Grundlage der Honorarbescheide der vier vorausgegangenen Quartale (III/08 bis II/09), wobei er jeweils zuzüglich 3 % des Fachgruppendurchschnitts des entsprechenden Quartals hinzurechnete, wie folgt fest:

JahresquartalPunktzahlder Klägerin3 % der Punktzahlder FachgruppeGesamtpunktzahlvolumenfür das 1. Leistungsjahr1       2.426.877,669.516,52.496.394,12       3.360.256,164.166,03.424.422,13       1.564.718,362.802,21.627.520,54       1.643.069,164.093,81.707.162,9Ausweislich des von den Mitgliedern der BAG unterschriebenen Berechnungsbogens mit Datum vom 15.02.2010 ging der Zulassungsausschuss von einem EHV-Anteil des Klägers von 40 % aus, setzte diesen Prozentsatz aber bei der Berechnung der Quartalsvolumina nur für das Ausgangsquartal II/09 fest, für die Quartale III/08 bis I/09 ging er von 25 % aus.

Der Zulassungsausschuss korrigierte mit Beschluss vom 24.08.2010 die Gesamtpunktzahlvolumina für die Quartale 3 und 4 geringfügig, da für diese Quartale zunächst keine aktuellen Zahlen für die Berechnung vorgelegen hätten. Er setzte das quartalsbezogene Gesamtpunktzahlvolumen wie folgt fest:

JahresquartalPunktzahlder Klägerin3 % der Punktzahlder FachgruppeGesamtpunktzahlvolumenfür das 1. Leistungsjahr1       2.426.877,669.516,52.496.394,12       3.360.256,164.166,03.424.422,13       1.564.718,363.116,01.627.834,34       1.643.069,164.275,81.707.344,9Die Beigeladene zu 1) setzte mit Bescheid vom 20.06.2012 eine Honorarrückforderung wegen der Überschreitung der Obergrenze im Rahmen des Job-Sharings für die Quartale I bis IV/10 (1. Leistungsjahr) in Höhe von 140.909,91 EUR brutto fest. Mit Bescheid vom 09.09.2013 setzte sie eine weitere Honorarrückforderung für die Quartale I/11 bis IV/12 (2. und 3. Leistungsjahr) in Höhe von 154.211,54 EUR fest. Sie ging jeweils von einem Vergütungsanteil des Klägers von 40 % aus. Gegen beide Bescheide legte die BAG Widerspruch ein.

Die BAG beantragte bei dem Zulassungsausschuss unter Datum vom 22.05.2013 die Berichtigung der Punktzahlobergrenzen, da für den Kläger ein Anteil von 40 % am Gesamtpunktzahlvolumen bei Antragstellung geltend gemacht worden sei, was auch der EHV-Aufteilung entspreche, was aber nicht berücksichtigt worden sei.

Die Beigeladene zu 1) wies in ihrer Stellungnahme vom 10.07.2013 darauf hin, Grundlage der Festsetzung sei die Erklärung der BAG vom 10.05.2010 gewesen, dass sie die vom Zulassungsausschuss festzulegende Leistungsbeschränkung anerkenne. Es handele sich bei den vorgebrachten Gründen um keine Änderung des EBM oder vertraglicher Vereinbarungen, weshalb die Voraussetzungen nach § 44 BedarfsplRL nicht vorlägen.

Der Kläger trug mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 17.10.2013 weiter vor, mit Beginn der Job-Sharing-Partnerschaft sei auf ihn ein EHV-Anteil in Höhe von 40% entfallen. Die Festsetzung durch den Zulassungsausschuss auf der Grundlage einer EHV-Quote von 25% sei fehlerhaft, da die auf ihn entfallene Quote ab dem Quartal II/09 40% betrage. Er habe den Fehler bei Abzeichnung der Berechnungsbögen nicht bemerkt, da auf diesen der EHV-Anteil immer mit 40% korrekt vermerkt gewesen sei. Die Praxis habe dann keine weiteren Informationen von der Beigeladenen zu 1) erhalten, sondern sei erstmals durch die Rückforderungsbescheide über die angeblichen Überschreitungen informiert worden. In einer Gemeinschaftspraxis sei die Verteilung des Honorars zur Verbeitragung zur EHV des einzelnen Arztes vor Einführung der lebenslangen Arztnummer durch die Gemeinschaftspraxis gegenüber der Beigeladenen zu 1) zu erklären gewesen. Dies stoße auf keine Bedenken, solange diese EHV-Aufteilung den tatsächlichen Gegebenheiten entspreche. Vor der Anstellung der Ärzte hätten er und Dr. C. den überwiegenden Teil des Honorars für die Gemeinschaftspraxis erarbeitet. Der Gewinn der Praxis sollte im Verhältnis 40:40:10:10 aufgeteilt werden, unter der Bedingung, dass die beiden "Hauptverdiener" jeweils einen weiteren Arzt als Rucksack beschäftigten. Geplant gewesen sei, dass nach dem vollständigen Rückzug der 10%-Gesellschafter die "Rucksackärzte" die dann frei werdenden Arztsitze übernähmen. Unter diesen Prämissen sei das jeweilige Job-Sharing beantragt worden. Dabei sei ausdrücklich ein EHV-Anteil in Höhe von 40% beantragt worden. Auch das Gesamtpunktzahlvolumen der Gesamtpraxis habe sich in der Zeit des Job-Sharings nicht ausgeweitet. Es handele sich um eine offenbare Unrichtigkeit, die vom Zulassungsausschuss zu berichtigen sei.

Der Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen lehnte mit Beschluss vom 24.04.2014 den Antrag ab, weil es an einem hinreichenden Grund für eine Neufestsetzung fehle.

Hiergegen legte die BAG am 04.06.2014 Widerspruch ein. Zur Begründung wies der Kläger mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 08.07.2014 nochmals auf die Gründe für die verschiedenen EHV-Anteile hin. Er habe sich im Rahmen der Job-Sharing-Anstellung von der Beigeladenen zu 1) beraten lassen. Eine Mitarbeiterin habe darauf hingewiesen, dass die Aufteilung der Honorarumsätze zur EHV für die BAG verbindlich sei und dass sie sämtliche Änderungen der Aufteilungsprozentsätze in den jeweils dafür geltenden Leistungsquartalen berücksichtigen werde. Entsprechend informiere die Beklagte auch in ihrem Merkblatt. Für das Quartal IV/08 sei für den Kläger nur ein EHV-Anteil in Höhe von 25% angesetzt worden, für das Quartal I/09 von 30%, weil der neue EHV-Anteil von 40% erst während des laufenden Quartals zum 01.03.2009 angemeldet worden sei. Ab dem Quartal II/09 seien die korrekten 40-% EHV-Anteile eingestellt worden. Die Leistungsbegrenzung im Beschluss des Zulassungsausschusses entspreche nicht den rechtlichen Vorgaben nach § 23c S. 1 Bedarfsplanungs-Richtlinie. Danach werde die Beschränkung des Praxisumfangs bei einer Gemeinschaftspraxis grundsätzlich auf Grundlage der gemeinschaftlichen Gesamtpunktzahlanforderungen festgesetzt. Die schriftliche Ausfertigung richte sich nur an den Kläger persönlich, nicht an die BAG. Nach der Rechtsprechung des BSG komme der Punktzahlfestsetzung keine Statusrelevanz mehr zu. Ein Anspruch auf rückwirkende Neufestsetzung bestehe nach § 44 Abs. 2 und 3 SGB X, hilfsweise auf der Grundlage von § 44 S. 2 Bedarfsplanungs-Richtlinie. Die BAG habe ihren Leistungsumfang insgesamt nicht gesteigert. Es treffe daher nicht zu, dass der Kläger persönlich seinen Anteil von 25% auf 40% gesteigert habe. Soweit die Beigeladene zu 1) die Job-Sharing-Berechnung auf einen Arzt-Bezug (LANR) umgestellt habe, erscheine es unstimmig, dass den Leistungen des Klägers im zweiten Leistungsjahr eine Punktzahlobergrenze gegenüber gestellt werde, die in einzelnen Quartalen noch auf Grundlage des viel zu geringen EHV-Anteils von 25% ermittelt worden seien.

Der beklagte Berufungsausschuss wies mit Beschluss vom 16.07.2014, ausgefertigt am 20.08.2014, den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, maßgeblicher anstellender Arzt eines Job-Sharing-Verhältnisses sei stets ein einzelner Vertragsarzt, nicht aber eine BAG. Aus diesem Grunde habe der Zulassungsausschuss in völlig zutreffender Weise den Genehmigungsbeschluss vom 23.02.2010 ausschließlich an den Kläger adressiert und ihn auch lediglich diesem zugestellt. Der Berechnungsbogen sei am 15.02.2010 von sämtlichen damaligen Mitgliedern unterzeichnet worden. Es sei festzustellen, dass mit der antragstellenden und nunmehr widerspruchsführenden BAG ein Antragsteller und Widerspruchsführer agiere, welcher nicht aktiv legitimiert sei, da er nicht Beteiligter des zu Grunde liegenden ursprünglichen Job-Sharing-Genehmigungsverfahrens gewesen sei. Er habe daher Antrag und Widerspruch dahingehend gedeutet, dass der Kläger Beteiligter des Ausgangsverfahrens sei. Der Genehmigungsbeschluss vom 23.02.2010 sei bestandskräftig geworden. Die Berechnungsgrundlagen der Leistungsbeschränkung seien dem Kläger bekannt gewesen. Es könne daher nicht dahingehend argumentiert werden, dass hier fehlerhafte Zahlen verwandt worden seien. Der Verweis auf die Beigeladene zu 1), sie werde Änderungen bei der EHV-Aufteilung berücksichtigen, verkenne, dass diese keine Kompetenz für die Festsetzung der Gesamtpunktzahlvolumina besitze. Eine offensichtliche Unrichtigkeit bestehe nicht, da die Festsetzung auf dem Berechnungsbogen beruhe, der vom Kläger unterzeichnet worden sei. Eine Änderung nach § 44 Bedarfsplanungs-Richtlinie komme nicht in Betracht, da es nicht um eine Änderung des EBM oder vertraglicher Vereinbarungen gehe. Eine analoge Anwendung scheide aus. Eine nachträgliche Änderung satzungsrechtlicher Vorgaben habe nicht stattgefunden. Es hätte sich vielmehr der EHV-Anteil des Klägers am Gesamtumsatz der BAG verändert. Hierin könne keine Änderung der rechtlichen Grundlagen des Verfahrens gesehen werden. Die Rechtsgrundlagen des gesamten Verfahrens seien in der Folgezeit nicht verändert worden.

Hiergegen hat der Kläger am 19.09.2014 die Klage erhoben. Er trägt vor, der Zulassungsausschuss habe mit Beschluss vom 24.08.2010 erneut einen Bescheid erlassen, vorgeblich auf Grund des Umstandes, dass beim ersten Bescheid vom 26.05.2010 noch nicht alle Berechnungsgrundlagen vollständig vorgelegen hätten. Grundlage sei der von der Beigeladenen zu 1) erstellte Berechnungsbogen vom 06.05.2010 gewesen, in dem auf den 40-%igen EHV-Anteil des Klägers Bezug genommen werde. Es müsse auch eine Transkodierung hinsichtlich des geänderten EBM vorgenommen werden. Für die Festsetzung der Obergrenze sei eine Division des abgerechneten Punktzahlvolumens der Gemeinschaftspraxis durch die Zahl der vollen Versorgungsaufträge gefordert. Zu dem so errechneten Volumen seien dann 3 % des durchschnittlichen Umsatzes der Arztgruppe zu addieren. Dann stehe der maximale Abrechnungsumfang fest. Die Berechnung des maßgeblichen aktuellen Punktzahlvolumens habe in gleicher Weise zu erfolgen. § 23d S. 3 Bedarfsplanungs-Richtlinie gehe insofern von einer gleichmäßigen Leistungserbringung in einer fachidentischen Gemeinschaftspraxis aus. Die EHV-Aufteilung widerspiegele das tatsächliche Leistungsgeschehen. Seinerzeit sei aber für den Kläger ein EHV-Anteil von 40% bekannt gewesen. Das sei auch auf dem Berechnungsbogen ausdrücklich handschriftlich vermerkt worden. Die EHV-Quote am Anteil der Gemeinschaftspraxis sei zum Beginn des Job-Sharings zu bestimmen. Diese Quote entspreche der Quote im letzten Quartal vor Beginn des Job-Sharings. Es gebe keine Rechtsgrundlage dafür, dass die EHV-Quote der Altquartale zugrunde zu legen sei.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Beschlusses vom 16.07.2014 zu verurteilen, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu bescheiden.

Der Beklagte und die Beigeladene zu 1) beantragen,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist auf seine Ausführungen im angefochtenen Beschluss und trägt ergänzend vor, die Berechnung des Anpassungsfaktors falle in die alleinige Kompetenz der Beigeladenen zu 1). Dass der Kläger bei seiner Bestätigung der Richtigkeit der Grundlagen der Berechnung der Leistungsbeschränkung möglicherweise von falschen Voraussetzungen ausgegangen sei, ändere nichts daran, dass er wirksam die Erklärung abgegeben habe, dass der Inhalt der Berechnungsbögen zutreffend sei. Auch die Annahme, die Beigeladene zu 1) werde künftig die Änderungen der EHV-Quote des Klägers berücksichtigen, ergebe keine Anspruchsgrundlage auf Änderung der durch die Zulassungsgremien vorgenommenen Festlegungen. Die Voraussetzungen zur Änderung der Obergrenze nach § 44 Bedarfsplanungs-Richtlinie lägen nicht vor. Der Kläger habe ausdrücklich die Punktzahlobergrenzen bestätigt. Der Berechnungsbogen sei integraler Bestandteil der Antragstellung zum Job-Sharing. Den Beschluss des Zulassungsausschusses habe er rechtswidrig werden lassen.

Die Beigeladene zu 1) ist der Auffassung, der Kläger habe ab dem Quartal II/09 seine Leistungserbringung in der Praxis ausgeweitet. Ihre Rückforderung sei daher korrekt. Hier habe der Kläger die Aufteilung der EHV-Quote, mit der er seine Leistungsausweitung dokumentiert habe, geändert, nicht sie. Es komme nicht auf die Gesamtpunktzahlvolumina der BAG, sondern auf die vom Kläger in den Aufsatzquartalen erbrachten Punktzahlvolumina an. Dies seien 25 %, ab II/09 dann 40 % gewesen. Dem Normgeber sei bewusst gewesen, dass die vier Aufsatzquartale nicht die vier zeitlich direkt und unmittelbar vor Beginn des Job-Sharings liegenden Quartale darstellten, sondern aufgrund der Abrechnungsbedingungen einige Quartale dazwischen lägen. Eine Leistungsausweitung in diesem "Zwischenraum" sei daher ohne Auswirkung auf die Punktzahlobergrenze.

Die übrigen Beigeladenen haben sich schriftsätzlich zum Verfahren nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 22.09.2014 die Beiladung ausgesprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Gründe

Die Kammer hat in der Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten sowie der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Die Klage ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Beschluss des Beklagten vom 16.07.2014 ist rechtswidrig. Er war daher aufzuheben. Der Kläger hat einen Anspruch auf Neubescheidung seines Widerspruchs unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.

Der Beklagte hat sein Ermessen nach § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X nicht ausgeübt.

Anspruchsgrundlage ist § 44 Abs. 2 SGB X. Danach ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

Der Kläger hat einen entsprechenden Antrag gestellt. Bereits bei Antragstellung hat der Kläger auf die Rechtswidrigkeit der Entscheidung des Zulassungsausschusses hingewiesen, auch wenn eine Berichtigung beantragt wurde. Die Kammer sieht hierin auch einen Antrag nach § 44 Abs. 2 SGB X.

31§ 44 Abs. 2 SGB X kann neben § 44 Satz 2 und 3 der Richtlinie über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung (Bedarfsplanungs-Richtlinie) i. d. F. der Neufassung v. 20.12.2012, BAnz AT 31.12.2012 B7, zuletzt geändert durch Beschl. v. 18.12.2014, BAnz AT 06.03.2015 B3 (abgedruckt z.B. bei Engelmann, Gesetzliche Krankenversicherung/Soziale Pflegeversicherung Nr. 430 oder www.g-ba.de) (im Folgenden: BedarfsplRL 2012) angewandt werden. Die Sonderregelungen in der BedarfsplRL 2012 betreffen lediglich Veränderungen in der Zukunft, nicht aber anfänglich rechtswidrige Festsetzungen. Insofern dürfte allenfalls § 48 SGB X ausgeschlossen sein.

Der Beschluss des Zulassungsausschusses vom 23.02.2010, abgeändert durch Beschluss vom 24.08.2010, ist insofern ein nicht begünstigender Verwaltungsakt, als er keine höheren Obergrenzen festgesetzt hat.

Der Beschluss war von Anfang an rechtswidrig. Der Zulassungsausschuss hatte nicht die veränderte Leistungserbringung innerhalb der BAG des Klägers berücksichtigt.

Nach § 23a Nr. 4 BedarfsplRL 2007 (Bedarfsplanungs-Richtlinie in der Neufassung v. 15.12.2007, BAnz 2007, Nr. 64, 3491), wortgleich mit § 40 Nr. 4 BedarfsplRL 2012, beinhaltet die Erklärung der Job-Sharing-Partner, "den zum Zeitpunkt der Antragstellung bestehenden Praxisumfang" nicht wesentlich zu überschreiten. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck des Job-Sharings, die Zulassung nur unter der Bedingung zu ermöglichen, dass eine Leistungsausweitung nicht stattfindet. Nur dann ist die weitere Zulassung bedarfsplanungsrechtlich neutral. Zur Berechnung der Punktzahlobergrenze stellt § 23c Satz 1 BedarfsplRL 2007 (§ 42 Abs. 1 BedarfsplRL 2012) auf die Aufsatzquartale, das sind mind. vier vorausgegangene Quartale, die bereits abgerechnet sind, ab. Der Zulassungsausschuss hat seinerzeit die Aufsatzquartale III/08 bis II/09 herangezogen, aber die diesen Aufsatzquartalen entsprechende EHV-Quote zu Grunde gelegt. Damit wurde die annähernd ein Jahr zuvor vollzogene Ausweitung der vertragsärztlichen Tätigkeit des Klägers nicht vollständig berücksichtigt. Der Kläger hatte mit Wirkung zum 01.03.2009 die 40 %-Quote erklärt, das Job-Sharing-Verhältnis begann zum 23.02.2010.

35Entgegen § 23c Satz 7 BedarfsplRL 2007 bzw. jetzt § 42 Abs. 1 Satz 7 BedarfsplRL 2012 hat der Zulassungsausschuss nicht das veränderte Leistungsverhalten des Klägers berücksichtigt. Der Zulassungsausschuss trifft seine Festlegungen auf der Grundlage der ihm durch die Kassenärztliche Vereinigung übermittelten Angaben (§ 23c Satz 8 BedarfsplRL 2007 bzw. § 42 Abs. 1 Satz 8 BedarfsplRL 2012). § 23c Satz 7 BedarfsplRL 2007 bestimmt ausdrücklich, dass außergewöhnliche Entwicklungen im Vorjahr, wie z. B. Krankheit eines Arztes, außer Betracht bleiben. Die Kammer versteht dies dahingehend, dass abweichend von Satz 2, wonach die Gesamtpunktzahlvolumina auf der Grundlage des entsprechenden Vorjahresquartals festzusetzen sind, außergewöhnliche Entwicklungen wie Krankheiten in diesen entsprechenden Vorjahresquartalen nicht zu berücksichtigen sind. Damit sind grundsätzlich Ausnahmen bzgl. der Aufsatzquartale möglich. Der zweite Halbsatz des Satzes 7 betrifft eine weitere Bestimmung zum Gesamtpunktzahlvolumen, so dass auch die systematische Auslegung die Wortlautauslegung bestätigt. Sinn der Regelungen über die Gesamtpunktzahlvolumina ist, den Versorgungsauftrag, den ein Vertragsarzt wahrnimmt, durch diesen auch mit seinem Job-Sharing-Partner weiterhin wahrnehmen zu lassen. Er soll dabei, abgesehen von der 3 %-Steigerung, nicht einen größeren Umfang abrechnen können, aber auch nicht einen geringeren. Extreme Verzerrungen sind daher herauszurechnen. Dies soll es gerade auch Ärzten, die sich krankheitsbedingt zu einem Job-Sharing bereitfinden, ermöglichen, den Versorgungsauftrag im üblichen, d. h. bisherigen Umfang zu erfüllen, da erfahrungsgemäß ein Job-Sharing nicht bereits bei Krankheitsbeginn realisiert wird (vgl. bereits SG Marburg, Urt. vom 06.06.2007 - S 12 KA 1020/06 - juris Rdnr. 38).

Soweit nach SG Düsseldorf der Hinweis auf das Beispiel einer Krankheit des Arztes deutlich mache, dass außergewöhnliche Umstände in der Person oder jedenfalls in der beruflichen Sphäre des Arztes liegen müssten (vgl. SG Düsseldorf v. 18.03.2015 S 2 KA 132/13 - juris Rdnr. 23), kann dem nicht vollständig gefolgt werden. § 23c Satz 7 BedarfsplRL 2007 bzw. jetzt § 42 Abs. 1 Satz 7 BedarfsplRL 2012 muss gesetzeskonform ausgelegt werden. Die Ermächtigung des Gemeinsamen Bundesausschusses gilt nach § 101 Abs. 1 Satz 1 SGB V u. a. für Regelungen für die Anstellung von Ärzten bei einem Vertragsarzt desselben Fachgebiets, sofern sich der Vertragsarzt gegenüber dem Zulassungsausschuss zu einer Leitungsbegrenzung verpflichtet, die "den bisherigen Praxisumfang nicht wesentlich überschreitet". Entscheidend kommt es auf eine Verhinderung einer Leistungsausweitung an. Insofern kann der Gemeinsame Bundesausschuss pauschalierend auf die letzten vier Abrechnungsquartale abstellen. Liegt aber wie vorliegend ein deutlich verändertes und angezeigtes Leistungsverhalten innerhalb der Partner einer BAG vor Beginn des Job-Sharing-Verhältnisses vor, das auch aufgrund der Vorgabe der EHV-Quote als nachgewiesen gilt, so ist dies bei der Festsetzung der Obergrenzen zu berücksichtigen, da dann eine Leistungsausweitung nicht während des Job-Sharing-Verhältnisses vorliegt. Insofern wäre der Zulassungsausschuss verpflichtet gewesen, bei allen Aufsatzquartalen die aktuelle EHV-Quote von 40 % anzuwenden. Die Kammer unterstellt hierbei, dass für die Frage des Umfangs der Tätigkeit allein die EHV-Quote maßgeblich ist, da dies von den Beteiligten nicht bestritten wird und eine Quote, die nicht an der Zahl der Behandler ausgerichtet ist, wegen des Fehlens der lebenslangen Arztnummer seinerzeit nicht berechnet werden kann. Dies entspricht auch der Verwaltungspraxis der Beteiligten und der bisherigen Kammerrechtsprechung (vgl. SG Marburg, Urt. v. 05.10.2011 - S 12 KA 288/10 - juris Rdnr. 33).

Die seinerzeitige Zustimmung des Klägers steht einer Aufhebung nicht entgegen, da sie nur deklaratorische Wirkung hat.

Bei einer Neubescheidung wird der Beklagte daher für die Bemessung der Obergrenze die 40 % Quote zu berücksichtigen haben. Diese ist allen seinerzeitigen Aufsatzquartalen zugrunde zu legen.

Im Ergebnis war der Klage daher stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.