I. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom ... Februar 2014 (Az. ...) wird aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der am ... 1981 geborene Kläger ist russischer Staatsangehörigkeit. Er hat in Polen einen Asylantrag gestellt und ist eigenen Angaben zufolge am 9. Mai 2013 in das Bundesgebiet eingereist. Er stellte hier am 27. Mai 2013 einen Asylantrag.
Für den Kläger liegt ein EURODAC-Treffer für Polen vor (vgl. Bl. 32 der Behördenakte). Mit Schreiben vom 24. Oktober 2013 stimmte eine polnische Ausländerbehörde dessen Rückübernahme zu.
Mit Bescheid vom ... Februar 2014, dem Kläger per Postzustellungsurkunde am 17. Februar 2014 zugestellt, erklärte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Asylantrag des Klägers für unzulässig und ordnete seine Abschiebung nach Polen an. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, der Asylantrag des Klägers sei gemäß § 27 a AsylVfG unzulässig, da Polen aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrages gemäß Art. 16 Abs. 1 c Dublin-II-VO für die Behandlung des Asylantrages zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Die Anordnung der Abschiebung nach Polen beruhe auf § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.
Am 26. Februar 2014 erhob der Kläger Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom ... Februar 2014. Weiter stellte er einen Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO. Zur Begründung verwies er auf seine Angaben gegenüber dem Bundesamt und machte geltend, dass er mit einer deutschen Staatsangehörigen die Ehe schließen wolle und bereits ein Vorsprachetermin bei einem Standesamt anstehe. Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom ... Februar 2014, Az. ... aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen.
Das Bundesamt legte mit Schreiben vom 26. Februar 2014 die Behördenakte vor. Ein Antrag wurde nicht gestellt.
Der Antrag des Klägers nach § 80 Abs. 5 VwGO wurde mit Beschluss des Gerichts vom 17. März 2014 wegen Nichteinhaltung der einwöchigen Antragsfrist nach § 34 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG abgelehnt (Az. M 16 S 14.30405).
Mit Beschluss vom 10. April 2015 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen (§ 76 Abs. 1 AsylVfG).
Zu weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten im vorliegenden Verfahren sowie im Verfahren M 16 S 14.30405 und auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
Über die Klage konnte nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Klage ist zulässig, soweit der Kläger die Aufhebung der Entscheidung des Bundesamtes vom ... Februar 2014 beansprucht. Hinsichtlich des weitergehenden Verpflichtungsbegehrens ist die Klage dagegen unzulässig, weil das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Infolge der Aufhebung des Bescheides vom ... Februar 2014 ist zunächst das Bundesamt verpflichtet, den Asylantrag des Klägers in der Sache zu prüfen und darüber zu entscheiden (vgl. BayVGH, U.v. 28.2.2014 – 13a B 13.30295 – juris Rn. 22; B.v. 11.3.2015 – 13a ZB 14.50070 – juris; VGH BW, U.v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris Rn. 18). Dem Kläger entsteht dadurch kein Nachteil; falls und soweit das Bundesamt seinen Asylantrag ablehnen sollte, so könnte er auch diese Entscheidung gerichtlich überprüfen lassen.
Soweit die Klage zulässig ist erweist sie sich als begründet.
Der Bescheid des Bundesamtes vom ... Februar 2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Der Kläger sollte gemäß § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nach Polen abgeschoben werden, da dieser Staat hier zunächst für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig und der Asylantrag des Klägers deshalb gemäß § 27 a AsylVfG unzulässig war. Diese Zuständigkeit der Republik Polen ergab sich aus Art. 16 Abs. 1 c) i.V.m. Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 – sog. Dublin II-VO. Danach ist ein Mitgliedstaat, der nach dieser Verordnung zur Prüfung des Asylantrags zuständig ist, grundsätzlich gehalten, einen Kläger, der sich während der Prüfung seines Antrags unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates aufhält, wieder aufzunehmen. Die Republik Polen hatte der Wiederaufnahme des Klägers gemäß Art. 20 Abs. 1 b) Dublin II-VO zugestimmt.
2. Der Asylantrag des Klägers ist zum jetzigen Zeitpunkt (vgl. § 77 Abs. 1 AsylVfG) bereits deshalb nicht im Sinne von § 27 a AsylVfG unzulässig, weil die Überstellungsfrist nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO abgelaufen und die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags damit auf die Beklagte übergegangen ist.
Der Kläger hat zudem mittlerweile eine deutsche Staatsangehörige geheiratet, wie das Landratsamt Altötting auf Anfrage des Gerichts bestätigt hat. Unabhängig vom Ablauf der Überstellungsfrist hätte deshalb eine Verpflichtung der Beklagten zum Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO infolge einer Ermessensreduzierung auf Null bestanden. Gleichermaßen zum Schutz von Ehe und Familie kann ein Mitgliedstaat gemäß Art. 15 Abs. 1 Dublin II-VO Familienmitglieder zusammenführen, auch wenn er dafür nach den Kriterien dieser Verordnung nicht zuständig ist. Nach Art. 7 der Dublin II-VO ist ein Mitgliedstaat auch dann für die Prüfung eines Asylantrags zuständig, wenn ein Familienangehöriger des Asylbewerbers dort ein Aufenthaltsrecht wegen einer Flüchtlingsanerkennung besitzt. Vor diesem Hintergrund wäre es dem Kläger im Hinblick auf seine Ehe mit einer Deutschen nicht zumutbar, für die Durchführung eines Asylverfahrens für längere Zeit auszureisen.
3. Die Voraussetzungen für den Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 34 a i.V.m. § 27 a AsylVfG liegen infolge des Zuständigkeitsübergangs nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO auf die Beklagte nicht (mehr) vor. Zudem folgt die Rechtswidrigkeit der Abschiebungsanordnung auch aus einem mittlerweile eingetretenen inlandsbezogenen Abschiebungshindernis.
Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass bei der Anordnung der Abschiebung nach § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG das Bundesamt das Vorliegen nicht nur von zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG, sondern auch von inlandsbezogenen Abschiebungshindernissen nach § 60 a Abs. 2 AufenthG umfassend zu prüfen hat. Dies gilt auch für nach Erlass der Abschiebungsanordnung auftretende inlandsbezogene Abschiebungs-hindernisse wie zum Beispiel eine Reiseunfähigkeit im Krankheitsfall (BayVGH, B.v. 12.3.2014 - 10 CE 14.427 - juris). Aufgrund der Eheschließung des Klägers mit einer deutschen Staatsangehörigen liegt ein Abschiebungshindernis nach Art. 60 a Abs. 2 AufenthG i.V.m. Art. 6 GG vor (vgl. BayVGH, B.v. 3.9.2012 - 10 CE 12.293 – juris). Anhaltspunkte dafür, dass eine ehelichen Lebensgemeinschaft nicht bestehen würde, sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VwGO. Demnach haben der Kläger und die Beklagte ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst zu tragen.
Eine Streitwertfestsetzung ist nicht erforderlich; Gerichtskosten werden nicht erhoben (vgl. § 83 b AsylVfG).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V. §§ 708 ff. ZPO.