OLG Dresden, Urteil vom 26.08.2015 - 1 U 319/15
Fundstelle
openJur 2015, 12834
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 07 O 1455/14
Öffentliches Recht Zivilrecht
§ 839 Abs. 1 BGB; Art. 34 GG; § 24 Abs. 2 SGB VIII

Die erwerbstätigen sorgeberechtigten Eltern sind nicht geschützte Dritte der Amtspflicht auf Verschaffung eines Platzes in einer Kindertagesstätte. Im Übrigen wäre der Verdienstausfall der Eltern bei Verletzung der Amtspflicht auf Verschaffung eines Platzes in einer Kindertagesstätte auch nicht vom Schutzzweck der Norm umfasst.

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil das Landgerichts Leipzig vom 02.02.2015 - Az.: 7 O 1455/14 - abgeändert: Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 2.182,20 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz, weil ihr die Beklagte für ihren am ... 2013 geborenen Sohn T. M. am 16.01.2014 keinen Platz in einer Kindertageseinrichtung zur Verfügung stellte.

Die Klägerin ist der Meinung, die Beklagte hafte ihr wegen Amtspflichtverletzung nach § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG auf Schadensersatz für entgangenen Verdienst sowie Beiträge zum Versorgungswerk ... sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten.

Die Klägerin hat nach der Geburt ihres Sohnes T. am ... 2013 für 12 Monate Elternzeit in Anspruch genommen.

Sie behauptet, sie sei vor der Geburt ihres Sohnes und auch nach der Elternzeit beruflich als angestellte Architektin tätig gewesen. Sie habe beabsichtigt, ihren Sohn ab 16.01.2014 in einer Kinderkrippe unterzubringen und ihre Arbeit wieder aufzunehmen. Da ihr von der Beklagten erstmals mit Schreiben vom 16.01.2014, jedoch erst zum 01.04.2014, ein Platz in einer Kindertagesstätte zur Verfügung gestellt worden war, obwohl sie und der Vater des Kindes vom 28.04.2013 an fortlaufend ihren Bedarf für einen Kinderbetreuungsplatz bei der Beklagten geltend gemacht hatten, habe die Elternzeit für den Zeitraum vom 16.01.2014 bis 28.02.2014 verlängert werden müssen. Erst zum 01.03.2014 hätten sie und der Vater des Kindes aufgrund Eigeninitiative einen Betreuungsplatz in einer Kindertagesstätte finden können. Ihre Tätigkeit habe sie deshalb erst zum 17.03.2014 wieder aufnehmen können.

Wegen der Berechnung der Schadensersatzforderung (entgangener Verdienst, entgangene Beiträge zum Versorgungswerk und vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten) wird insbesondere auf die Klageschrift und die Replik verwiesen. Mit Schreiben der jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin wurde ihr Anspruch am 11.03.2014 gegenüber der Beklagten angemeldet.

Die Klägerin meint, ihr stehe ein Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalls einschließlich der entgangenen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile zum berufsständischen Versorgungswerk zu.

Verletze jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so habe er dem Dritten den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Beklagte sei örtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe, die Mitarbeiter des Jugendamtes handelten bei der Bearbeitung und Entscheidung über Betreuungsanträge in Ausübung eines öffentlichen Amtes. Gemäß § 24 Abs. 2 SGB VIII habe ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet habe, bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in einer Kindertagespflege. In die sich aus dem Rechtsanspruch ergebende Amtspflicht seien auch die sorgeberechtigten Eltern einbezogen. Im Rahmen eines Amtshaftungsanspruchs sei der Begriff des Dritten weit gefasst. Abzustellen sei insoweit auf den Schutzzweck der verletzten Norm. Bei einer Zusammenschau der Vorschriften des SGB VIII zeige sich, dass auch die Interessen der Eltern in die Förderungsgrundsätze mit einbezogen werden. Dies folge auch schon aus der Regelung von § 22 Abs. 2 Nr. 2, 3 SGB VIII. Zudem lasse auch § 80 Abs. 2 SGB VIII erkennen, dass auf die Interessen der Erziehungsberechtigten und Familien abgestellt werde. Aus dem Vorliegen einer Amtspflichtverletzung ergebe sich grundsätzlich unmittelbar das Verschulden. Der durch die Amtspflichtverletzung entstandene Schaden sei zu ersetzen, maßgebend sei, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Handeln genommen hätten. Danach ergebe sich, dass die Klägerin nach Ende ihrer einjährigen Elternzeit am 16.01.2014 ihre Tätigkeit als angestellte Architektin wieder aufgenommen hätte.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.588,70 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 08.07.2014 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, die Klägerin habe schon kein konkretes amtspflichtverletzendes Verhalten und keinen Amtswalter, gegen den sich der Anspruch aus § 839 Abs. 1 BGB richten müsse, aufgezeigt. Ein Amtswalter sei nicht verpflichtet, das Kind selbst zu betreuen. Es könne daher nur darum gehen, ob im Zusammenhang mit der Bedarfsplanung, der naturgemäß eine Prognose zugrunde liege, Amtspflichten verletzt worden seien, weil der Bedarf vorwerfbar grob falsch eingeschätzt worden sei und es deswegen trotz zur Verfügung stehender Haushaltsmittel unterblieben sei, eine ausreichende Anzahl an Plätzen zur frühkindlichen Förderung in einer Tageseinrichtung oder Kindertagespflege zu schaffen.

§ 24 Abs. 2 SGB VIII gewähre zudem alleine dem Kind einen Anspruch auf frühkindliche Förderung. Schutzzweck und Schutzgut der Norm sei alleine die frühkindliche Förderung des Kindes und nicht eine etwaige Gewinnerwartung des Sorgeberechtigen.

Das Landgericht Leipzig hat der Klage mit Urteil vom 02.02.2015 (veröffentlicht in juris, die Parallelentscheidung vom selben Tage im Verfahren LG Leipzig, Az. 7 O 1928/14, zugleich auch veröffentlicht in FamRZ 2015, 969) in vollem Umfang stattgegeben und zur Begründung ausgeführt:

Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung des für die Zeit vom Anfang Februar bis Mitte März 2014 entgangenen Verdienstes gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG, weil die Beklagte die dem Kind der Klägerin gegenüber bestehende, auch die Interessen der Klägerin schützende, Amtspflicht zur Bereitstellung eines Krippenplatzes in rechtswidriger Weise schuldhaft nicht erfüllt habe. Die Amtspflicht der Beklagten, für das Kind der Klägerin ab der Vollendung des ersten Lebensjahres einen Krippenplatz zur Verfügung zu stellen, folge aus § 24 Abs. 2 SGB VIII. Dass der Anspruch nach dem Gesetzeswortlaut primär dem Kinde zustehe und nicht seinen Eltern, sei hinsichtlich der Frage, ob die Norm diesen gegenüber drittschützende Wirkung entfalle, ohne Belang. Ob der durch die Amtspflichtverletzung Geschädigte selbst einen Anspruch auf die streitgegenständliche Amtshandlung habe, sei für die Anwendung von § 839 BGB unerheblich. Vielmehr bestimme sich dies danach, ob die Amtspflicht auch den Sinn habe, gerade das Interesse des Dritten wahrzunehmen. Sowohl die Erläuterung des Gesetzgebers zum Entwurf eines Gesetzes zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen als auch verfassungsrechtliche Gesichtspunkte zeigten, dass der gesetzliche Anspruch des Kindes auf frühkindliche Förderung auch den Sinn habe, gerade das Interesse der Klägerin wahrzunehmen, ihr berufliches Engagement mit den familiären Aufgaben zu verbinden. Außerdem ergebe sich dies auch aus § 22 Abs. 2 Nr.3 SGB VIII, wonach Tageseinrichtungen den Eltern helfen sollen, Erwerbstätigkeit und Kindererziehung besser miteinander vereinbaren zu können. Die Beklagte habe ihre Pflicht zur Bereitstellung des Krippenplatzes verletzt, indem sie trotz rechtzeitig gestellten Antrages diesen Platz zum genannten Zeitpunkt nicht zur Verfügung gestellt habe. Die Pflichtverletzung sei auch schuldhaft.

Die Ersatzpflicht entfalle auch nicht deswegen, weil die Klägerin es unterlassen hätte, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Die Einleitung eines verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens hätte offensichtlich nicht dazu geführt, dass der Klägerin ein Betreuungsplatz für ihr Kind vor dem 01.03.2014 zur Verfügung gestanden hätte, vielmehr habe die Beklagte ihr einen Platz erst zum 01.04.2014 anbieten können.

Der dem Erziehungsberechtigten gemäß §§ 839, 249, 252 BGB zu ersetzende Schaden umfasse auch den ihm entstandenen Verdienstausfall.

Nach Auffassung des Landgerichts hätte die Klägerin ihre Arbeit jedoch nicht bereits zum 16.01.2014 antreten können, sondern erst nach einer Eingewöhnungsphase zum 01.02.2014. Ihre Tätigkeit habe die Klägerin auch erst zum 17.03.2014 wieder aufgenommen. Damit verschiebe sich die 6-wöchige Gehaltseinbuße auf einen Zeitraum von Anfang Februar bis Mitte März 2014. An der Höhe des entgangenen Gewinns ändere sich jedoch nichts. Soweit die Beklagte diese Angaben pauschal mit Nichtwissen bestritten habe, sei dieses vor dem Hintergrund der von der Klägerin vorgelegten Anlagen, zu denen sich die Beklagte gemäß § 138 Abs. 2 ZPO zu erklären gehabt hätte, unsubstantiiert und damit unbeachtlich.

Das Urteil des Landgerichts Leipzig wurde der Beklagten am 04.02.2015 zugestellt, die hiergegen am 04.03.2015 Berufung einlegte, die sie innerhalb der bis zum 07.05.2015 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 07.05.2015 begründete.

Die Beklagte führt unter anderem aus: Sie habe schon keine der Klägerin gegenüber bestehende Amtspflicht verletzt. § 24 Abs. 2 SGB VIII gewähre allein dem Kind gegenüber dem Träger der Jugendhilfe einen Anspruch auf frühkindliche Förderung. Über die Folgen der Verletzung einer derartigen Pflicht werde jedoch nicht gestritten. Auch § 22 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII formuliere ebenfalls lediglich das allgemeine Ziel, begründe jedoch keinen Individualanspruch des Sorgeberechtigten auf entgangenen Gewinn. Die Beklagte treffe auch kein Verschulden.

Darüber hinaus habe das Landgericht § 308 ZPO verkannt, weil es der Klägerin Verdienstausfall für eine Periode zugesprochen habe, für die sie es gar nicht verlangt habe. Hinsichtlich der beruflichen Absichten und den Einkommensaussichten habe die Beklagte den Vortrag der Klägerin mit Nichtwissen bestritten, daran halte sie fest.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils 7. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig vom 02.02.2015 - 7 O1455/15, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Die Planungen der Beklagten fußten auf unrichtigen Ausgangszahlen. Darüber hinaus habe die Beklagte nichts unternommen, um die darauf beruhende Mangellage in eigener Verantwortung zu bewältigen. Das Landgericht sei auch zutreffenderweise zu einer drittschützenden Wirkung wegen der fehlenden Bereitstellung eines Kinderkrippenplatzes gekommen. Die nach Auffassung der Klägerin zumindest den berufstätigen Eltern gegenüber bestehende Schutzpflicht aus § 24 Abs. 2 SGB VIII folge, wie das Landgericht richtig festgestellt habe, zum einen aus der Begründung des Gesetzentwurfes und zum anderen auf dem Hintergrund verfassungsrechtlicher Erwägungen und unter Bezugnahme auf § 22 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII. Es sei auch nicht Voraussetzung, dass wirtschaftliche oder finanzielle Notlagen der Familie drohten, sondern die mit der Kindererziehung verbundenen beruflichen Nachteile sollen abgemildert werden. Auch die Feststellung zum Verschulden sei zutreffend. Die nicht rechtzeitige Bereitstellung eines Betreuungsplatzes sei auch ursächlich für den entstandenen Verdienstausfall geworden. Hier spreche eine tatsächliche Vermutung für die Schadensursächlichkeit. Denn hätte die Beklagte zum ersten Geburtstag des Kindes der Klägerin einen Betreuungsplatz zur Verfügung gestellt, so hätte sie ihre Arbeitsstelle nach der üblichen Eingewöhnungszeit von zwei Wochen in Anspruch genommen. Die Klägerin erklärt insoweit, dass sie sich ohne Abänderung des Klageantrages und ohne Verstoß gegen § 308 ZPO die Feststellungen des Landgerichts zum maßgeblichen Zeitraum bei der Schadensberechnung zu eigen mache.

Wegen des weitergehenden Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokollniederschrift vom 14.08.2015 Bezug genommen.

II.

Die zulässige - form- und fristgerecht - eingelegte Berufung der Beklagten ist begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Schadensersatz für den behaupteten Verdienstausfall wegen des am 04.04.2014 nicht zur Verfügung stehenden Krippenplatzes für ihren Sohn T. M..

1.

Das Landgericht hat gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen, soweit es Schadensersatz für Verdienstausfall für den Zeitraum von Anfang Februar bis Mitte März zugesprochen hat.

Mit der Klage hatte die Klägerin Ersatz des ihr für die Zeit vom 17.01.2014 bis zum 28.02.2014 entstandenen Verdienstausfallschadens begehrt. Mit der Begründung, die Klägerin hätte sich schadensmindernd die ohnehin zu berücksichtigende übliche Eingewöhnungszeit des Kindes in die Krippe von zwei Wochen anrechnen lassen müssen, so dass ein Verdienstausfall für die Zeit vom 17.-31.01.2014 nicht entstanden sei, da jedoch die Klägerin erst zum 17.03.2014 ihre Arbeit wieder aufgenommen habe, wirke sich diese zeitliche Verschiebung auf den geltend gemachten Gesamtzeitraum des entgangenen Verdienstes für die Schadensberechnung nicht aus, verstößt das Landgericht gegen das gesetzliche Gebot, nicht mehr oder anderes zuzusprechen als beantragt.

Das Gericht darf nur über den zur Entscheidung gestellten Streitgegenstand entscheiden, der durch den Klagantrag und den Lebenssachverhalt bestimmt wird (BGH, Urteil vom 03.04.2003 - I ZR 1/01, Rn. 44 - zitiert nach juris, wie alle im weiteren zitierten Entscheidungen, soweit keine gesonderte Angaben). Das Gericht darf deshalb einen Anspruch, den es für unbegründet hält, nicht durch einen anderen ersetzen, der einen anderen Streitgegenstand hat und damit nicht Gegenstand der Klage ist (Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 308 Rn. 2).

Der Verstoß ist jedoch in der Berufungsinstanz geheilt worden. Die Klägerin hat sich nämlich die Ausführungen des Landgerichts ausdrücklich zu eigen gemacht (vgl. insoweit auch BGH, Urt. v. 19.03.1986, Az: IVb ZR 19/85, Rn. 7; Urt. v. 20.04.1990, Az: V ZR 282/88, Rn. 8).

2.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG.

Zwar haben Amtsträger der Beklagten die ihnen obliegende Amtspflicht, dem Sohn der Klägerin zum 16.01.2014 einen Platz in einer Kindertagesstätte zu verschaffen, verletzt. Die Klägerin ist jedoch nicht geschützte Dritte dieser Amtspflicht, zudem wäre der Vedienstausfallschaden auch nicht vom Schutzzweck der Norm umfasst.

2.1.

Nach § 839 Abs. 1 BGB iVm Art. 34 GG haftet grundsätzlich der Staat bzw. die Anstellungskörperschaft, wenn ein Amtsträger in Ausübung eines öffentlichen Amtes vorsätzlich oder fahrlässig eine ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt hat und dem Dritten hierdurch ein Schaden entstanden ist.

2.2.

Die hierfür verantwortlichen Amtsträger der Beklagten haben ihre aus § 24 Abs. 2 SGB VIII resultierende Amtspflicht, dem Sohn der Klägerin ab Vollendung seines ersten Lebensjahres einen Platz in einer Kindertagesstätte zu verschaffen, verletzt.

Die Beklagte ist örtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe, §§ 3 Abs. 2 S. 2, 86 SGB VIII, 1 Abs. 1 SächsLJHG.

Ihren Amtsträgern oblag die Amtspflicht, dem Sohn der Klägerin einen Platz in einer Kindertagesstätte (bzw. in der Kindertagespflege) zu verschaffen.

Der Anspruch besteht nicht nur im Rahmen der vorhandenen Kapazität, sondern „Kita-Plätze hat man zu haben“ (wie es Mayer, “Kita-Plätze hat man zu haben“, VerwArch 2013, 344, prägnant als Überschrift seines Aufsatzes formuliert; ausdrücklich auch BVerfG, Urt. v. 21.07.2015, Az: 1 BvF 2/13, Rn. 43).

Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang wiederholt bemängelt, die Klägerin habe nicht genau bezeichnet, welcher städtische Bedienstete eine Amtspflicht verletzt haben soll, ist dies irrelevant. Die verletzte Amtspflicht besteht in der Verschaffung eines Kindertagesstättenplatzes. Auf welche Weise und mit welchen Mitteln die zuständigen Amtsträger der Beklagten diesen dem Sohn der Klägerin verschaffen, bleibt den Amtsträgern überlassen. Da es sich bei der Amtshaftung aus § 839 BGB iVm Art. 34 GG nach ihrer Struktur um eine übergeleitete Beamtenhaftung handelt, ist für die rechtliche Beurteilung alleine relevant, dass „Beamte“ der Beklagten gehandelt haben bzw. gebotene Handlungen unterließen. Schon das Reichsgericht hat hierzu ausgeführt (Urteil vom 05.10.1920, Az: III 213/20, RGZ 100, 102, 103): „Es ist daher nur recht und billig und deshalb selbstverständlich, dass, soweit es nötig wird, der Staat, der ja seine Beamten kennt, dem durch ihr Verhalten Geschädigten Auskunft über die Persönlichkeit der beteiligten Beamten gibt, nicht umgekehrt der Geschädigte dem Staate. Und wenn es im einzelnen Falle ausnahmsweise unmöglich ist, die Person des Beamten festzustellen, dann muss einen hierdurch begründeten Nachteil nicht der außerhalb der Beamteneinrichtung stehende Dritte, sondern der Staat tragen, dessen Einrichtung diese Unmöglichkeit verursacht hat.“ Es kann daher auch dahingestellt bleiben, ob ggf. der Oberbürgermeister, die Stadtratsmitglieder, Bürgermeister oder Bedienstete verschiedenster Behörden und ggf. in welcher Art und Weise tätig waren bzw. untätig waren, obwohl sie hätten tätig sein müssen.

Der Streit zwischen den Parteien, ob die Beklagte bereits im Zusammenhang mit der Erarbeitung der ihr nach § 8 Abs. 1 SächsKitaG obliegenden Bedarfsplanungen Fehler unterlaufen sein sollen oder ob die Beklagte möglicherweise gegen § 9 Abs. 3 SächsKitaG, d.h. der ihr obliegenden Pflicht, die Trägerschaft für die im Bedarfsplan als erforderlich ausgewiesenen Kindertageseinrichtungen zu übernehmen, verstoßen hat, kann dahinstehen. Etwaige Pflichtverstöße insoweit wären allenfalls im Zusammenhang mit der Frage relevant, ob der Beklagten ein Schuldvorwurf gemacht werden kann, weil sie den Anspruch des Sohnes der Klägerin aus § 24 Abs. 2 SGB VIII auf frühkindliche Förderung nicht erfüllt hat. Dies kann der Senat jedoch dahingestellt sein lassen.

Ohne dass es darauf ankommt, weist der Senat in diesem Zusammenhang jedoch darauf hin, dass der Beklagten wegen einer sich im nachhinein als unzutreffend herausstellenden Bedarfsplanung wohl nur dann ein Schuldvorwurf gemacht werden könnte, wenn die Planung vorwerfbar von unzutreffenden Grundlagen ausgegangen wäre oder vorwerfbar unzutreffende Schlussfolgerungen gezogen hätte. Hierbei wäre auch zu berücksichtigen, dass die Kommunen zur sparsamen und wirtschaftlichen Mittelverwendung verpflichtet sind (§ 72 Abs. 2 SächsGemO) und dass im Übrigen regelmäßig ein „Prognosespielraum“ bestehen dürfte, innerhalb dessen verschiedenste Entscheidungen nicht zu beanstanden wären.

2.3.

Ein Anspruch der Klägerin scheidet jedoch aus, denn die Klägerin ist nicht geschützte Dritte der der Beklagten obliegenden Amtspflicht auf Verschaffung eines Kindertagesstättenplatzes zugunsten ihres Sohnes, § 24 Abs. 2 SGB VIII.

2.3.1.

Das Tatbestandsmerkmal der Drittgerichtetheit der Amtspflicht hat sowohl haftungsbegründende als auch haftungsbegrenzende Funktion (vgl. Staudinger/Wöstmann, BGB, Aufl. 2013, § 839 Rn. 169): Haftungsbegründend, soweit es klarstellt, gegenüber welchem Geschädigten die Verantwortlichkeit des Staates oder der haftpflichtigen Körperschaft eintritt, haftungsbegrenzend insoweit, als anderen Personen, die nicht zum Kreis der Dritten zählen, ein Ersatzanspruch auch dann versagt wird, wenn sich das pflichtwidrige Handeln des Amtsträgers für sie nachteilig auswirkt. Der Bundesgerichtshof beschreibt daher in ständiger Rechtsprechung die allgemeinen Anforderungen an die Drittgerichtetheit wie folgt (BGH, Urteil vom 06.06.2013 - Az. III ZR 196/12 -, Rn. 14) : „Ob eine Amtspflicht gegenüber einem geschädigten Dritten besteht, bestimmt sich danach, ob die Amtspflicht - wenn auch nicht notwendig allein, so doch ... auch den Sinn hat, gerade sein Interesse wahrzunehmen. Aus den die Amtspflicht begründenden und sie umreißenden Bestimmungen sowie aus der Natur des Amtsgeschäfts muss sich ergeben, dass der Geschädigte zu dem Personenkreis zählt, dessen Belange nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt und gefördert werden sollen; darüber hinaus kommt es darauf an, ob in qualifizierter und zugleich individualisierbarer Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Es muss mithin eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten Dritten bestehen. Hierfür ist die unmittelbare Beteiligung am Amtsgeschäft freilich ebenso wenig notwendige Voraussetzung wie ein Rechtsanspruch des Betroffenen auf die streitgegenständliche Amtshandlung. Andererseits genügt es nicht allein, dass sich die Verletzung der Amtspflicht für den Geschädigten nachteilig ausgewirkt hat. Da im Übrigen eine Person, der gegenüber eine Amtspflicht zu erfüllen ist, nicht in allen ihren Belangen immer als Dritter anzusehen sein muss, ist jeweils zu prüfen, ob gerade das im Einzelfall berührte Interesse nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäftes geschützt werden soll.“

Es kommt auf den Schutzzweck der Amtspflicht an. Dabei genügt es, dass die Amtspflicht neben der Erfüllung allgemeiner Interessen und öffentlicher Zwecke auch den Zweck verfolgt, die Interessen einzelner wahrzunehmen (vgl. auch BGH Urteil vom 27.05.1963, III ZR 48/62, Rn. 8; Urteil vom 26.01.1989 - III ZR 194/87, Rn. 32; Urteil vom 13.09.2001 - III ZR 228/00, Rn. 8).

2.3.2.

Der Klägerin selbst steht kein Anspruch gegenüber der Beklagten auf Verschaffung eines Platzes in einer Kindertagesstätte zu, sodass ein Drittschutz aufgrund unmittelbarer Verletzung eines eigenen subjektiv-öffentlichen Rechts der Klägerin ausscheidet.

Inhaber des Anspruchs auf frühkindliche Förderung aus § 24 Abs. 2 SGB VIII ist das Kind, vertreten durch seine Sorgeberechtigten. Hierzu besteht Einigkeit in Literatur und Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.09.2013, Az: 5 C 35/12; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 28.05.2014, Az: 7 A 10276/14; OVG des Landes Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 28.01.2015, Az: 12 A 2189/13, Rn. 15 am Ende; Hauck/Noftz-Grube, SGB VIII, § 24 Rn. 22; Georgi, Rechtsanspruch auf Kita-Platz, NJW 1996, 686, 688; Mayer, aaO., S. 357; Pauly/Beutel, Ersatzansprüche bei verwehrter Förderung in Kindertagesstätten, DÖV 2013, 445; Schübel-Pfister, Kindertagesbetreuung zwischen (Rechts-)Anspruch und Wirklichkeit, NVwZ 2013, 385, 386; Pernice-Warnke, Amtshaftungsanspruch auf Ersatz des Verdienstausfalls bei Nichtbereitstellung eines Kinderbetreuungsplatzes, FamRZ 2015, 905 ff.). Die verletzte Amtspflicht ist damit zugunsten des Kindes der Klägerin drittschützend, denn dieses ist anspruchsberechtigt auf die unterlassene Amtshandlung.

Der Klägerin selbst steht dagegen kein eigener Anspruch auf Verschaffung eines Kindertagesstättenplatzes für ihr Kind aus § 24 Abs. 2 SGB VIII zu.

Der Wortlaut von § 24 Abs. 2 SGB VIII ist eindeutig. Nach dem unmissverständlichen Wortlaut der Vorschrift wird ausdrücklich und allein das Kind als Berechtigter genannt. „Dies lässt sich im Hinblick auf die Systematik des SGB VIII, Rechtsansprüche entweder dem Kind bzw. Jugendlichen (wie etwa bei Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII) oder den personensorgeberechtigten Eltern (wie etwa bei der Hilfe zur Erziehung nach § 35a SGB VIII) zuzuweisen, nur als bewusste Entscheidung des Gesetzgebers interpretieren, allein dem Kind einen Anspruch nach § 24 Abs. 1 SGB VIII a.F. auf Verschaffung eines Betreuungsplatzes zu vermitteln“ (BVerwG, aaO., Rn. 47, zur Frage, ob anspruchsberechtigt nach § 24 Abs. 1 SGB VIII a.F. - soweit hier relevant wortgleich mit § 24 Abs. 2 SGB VIII in der nunmehrigen Fassung - nur das Kind oder auch die sorgeberechtigte Person war; ebenso auch - unter ausdrücklicher Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung auch zum nichtrevisiblen Landesrecht nun OVG Koblenz, Urteil vom 28.05.2014 -7 A 10276/14 -, Rn. 28). In § 24 SGB VIII werden die Erziehungsberechtigten zudem ausschließlich in § 24 Abs. 5 SGB VIII genannt und dort auch nur mit einem Informationsrecht und einem Recht auf Auswahlberatung.

Auch unter Berücksichtigung von § 24 Abs. 2 SGB VIII i.V.m. den Regelungen des Sächsischen Gesetzes zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen (SächsKitaG) ergibt sich kein Anspruch der Klägerin. Weder in § 2 (Aufgaben und Ziele) noch § 3 (Angebot) SächsKitaG ergeben sich Ansprüche der Sorgeberechtigten.

2.3.3.

Ein Drittschutz zugunsten der Klägerin ergibt sich auch nicht aus einer sonstigen Einbeziehung in den Schutzbereich des § 24 Abs. 2 SGB VIII.

Zwar ist anerkannt, dass ein eigener Rechtsanspruch auf die unterlassene Amtshandlung für den Drittschutz nicht zwingend erforderlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 08.11.12, III ZR 151/12, Rn. 15). Die Klägerin ist jedoch unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien, des Gesetzeswortlauts - insbesondere der ausdrückliche Ausschluss eines eigenen Anspruchs - und auch des Zusammenhangs der Regelungen innerhalb des SGB VIII nicht vom Schutzbereich der Norm umfasst.

Mayer (aaO. S. 366, 380), Meysen (Rechtsanspruch-Ja Kita-Platz-Nein und nun?, DIJ Impulse 2/2012, 12, 15), Rixen (NJW 2012, 2839, 2844; derselbe juris-PK-SGB VIII, § 24 Rn. 31) und Hauck/Noftz-Grube (SGB VIII, § 24 Rn. 47) bejahen mit teilweise unterschiedlichen Begründungen, teilweise jedoch auch ohne konkrete Begründung eine Einbeziehung der Sorgeberechtigten in den Schutzbereich. Insbesondere spreche die ausdrückliche Erwähnung, mit der Tageseinrichtung solle den Eltern dabei geholfen werden, Erwerbstätigkeit und Kindererziehung besser miteinander vereinbaren zu können, in § 22 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII, für eine Einbeziehung der Eltern (Sorgeberechtigten) in den Schutzbereich. Zudem folge dies - wie auch die Klägerin meint - aus verfassungsrechtlichen Erwägungen.

Die Auslegung und Bestimmung des Schutzbereiches der Norm unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drs. 16/9299 und BT-Drs. 16/10173 Kinderförderungsgesetz) streitet nach Ansicht des Senats nicht für die Klägerin.

Die Gesetzesbegründung spricht (BT-Drs. 16/9299, S.1) von einer gesellschaftspolitischen Aufgabe und zu schaffenden Rahmenbedingungen für das Aufwachsen von Kindern. Das derzeitige Förderangebot für Kinder unter drei Jahren sei unzureichend und müsse quantitativ und qualitativ ausgebaut werden. Jedes Kind brauche von der Geburt an die realistische Chance auf eine optimale Förderung seiner individuellen und sozialen Entwicklung. Viele Eltern realisierten ihre vorhandenen Kinderwünsche nicht, weil sie keine Möglichkeiten sehen, ihr berufliches Engagement mit den familiären Aufgaben zu verbinden. Weiter formuliert die Gesetzesbegründung: "...Deshalb ist es notwendig, Wege für die verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsleben zu öffnen, die dem Wohl des Kindes dienen" (BT-Drs. 19/9299, aaO.).

Aus diesen Formulierungen der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass als das entscheidende Ziel des Gesetzes die Förderung des Kindeswohls im Vordergrund steht. Zwar formuliert die Gesetzesbegründung weiter (aaO., S.12, rechte Spalte), dass erst die Schaffung einer bedarfsgerechten Tagesbetreuung ab dem ersten Lebensjahres des Kindes sowie die Einführung eines Rechtsanspruches Frauen die faktische Möglichkeit und damit die Wahlfreiheit gebe, Berufung und Familie miteinander zu vereinbaren. Die (verbesserte) Wahlfreiheit gerade für Frauen ist die notwendige Folge der breiten Schaffung von Kindertagesstätten. Dass Eltern deshalb aber geschützte Dritte des Anspruchs ihres Kindes sein sollen, folgt daraus nicht.

Die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 24.08.2015 mitgeteilten Wortbeiträge der damaligen Bundesfamilienministerin, verschiedener Abgeordneter sowie der Vertreter der Länder im Bundesrat mögen die Motivation dieser Personen im Gesetzgebungsverfahren widerspiegeln, ändern jedoch nichts daran, dass der letztlich verabschiedete Gesetzeswortlaut dennoch eindeutig auf die Förderung des Kindes abstellt und gerade nicht auf die Erwerbsinteressen der Eltern.

Von den Förderungsgrundsätzen des § 22 Abs. 2 SGB VIII (frühkindliche Förderung, Unterstützung/Ergänzung der Erziehung und Bildung in der Familie, Hilfe zur besseren Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Kindererziehung) hat nur die Sicherung des Kindeswohls Eingang in den Gesetzeswortlaut von § 24 Abs. 2 SGB VIII gefunden, als das Kind von der Vollendung des ersten bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in der Kindertagespflege hat. Gerade aber darin, dass der Gesetzgeber von den Förderungsgrundsätzen und -zielen ausdrücklich nur die frühkindliche Förderung in § 24 Abs. 2 SGB VIII erwähnt, ist zu erkennen, dass geschützt durch die Norm nur das Kind sein soll (so auch Pernice-Warnke, aaO., 906).

Hätte der Gesetzgeber die Eltern nicht nur ausschließlich im Reflex der frühkindlichen Förderung des Kindes sondern als geschützte Dritte einbeziehen wollen, wären zumindest auch die Förderungsgrundsätze aus § 22 Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII in § 24 Abs. 2 SGB VIIII genannt worden. Näher gelegen hätte es bei einer solchen gesetzgeberischen Motivation aber, statt dessen einen Anspruch der Eltern auf einen Platz in einer Tageseinrichtung oder Tagespflege zu formulieren, zumal auch der jetzt ausschließliche Anspruch des Kindes ja nur durch die (sorgeberechtigten) Eltern geltend gemacht werden kann.

Zwar besteht eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten (sorgeberechtigten) Elternteil und der Kreis möglicher Geschädigter - nämlich der an der Fortsetzung der Berufstätigkeit gehinderte Elternteil - ist hinreichend begrenzt. Mit Pernice-Warnke (aaO., S. 906) ist der Senat jedoch der Auffassung, dass aufgrund der ausdrücklichen Benennung des Kindes als Anspruchsberechtigten und den impliziten Ausschluss der Eltern in § 24 Abs. 2 SGB VIII wie auch aufgrund der expliziten Nennung nur des einen der in § 22 Abs. 3 SGB VIII genannten Ziele eine Einbeziehung der Eltern in den Bereich der geschützten Dritten ausscheidet.

Soweit im Zusammenhang mit der Frage, ob den Eltern die Kosten einer selbstbeschafften Kinderbetreuung zu erstatten sind, nunmehr das Bundesverwaltungsgericht dies unter analoger Anwendung von § 36a Abs. 3 S. 1 SGB VIII bejaht hat (vgl. BVerwG vom 12.09.2013, aaO.) hilft dies der Klägerin ebenfalls nicht. Selbst wenn diese Kosten, soweit sie aus dem Vermögen des Kindes getragen werden, als Schadensersatz aus Amtspflichtverletzung ersetzt werden könnten, führte auch dies nicht zur Einbeziehung der (sorgeberechtigten) Eltern in den Drittschutz. Kosten der Eltern für die Kinderbetreuung wären zivilrechtlich vielmehr nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag zu erstatten (vgl. insoweit auch BGH, Urteil vom 22.12.1978 - VII ZR 91/77 - zum Anspruch des Ehemanns auf Erstattung der Besuchskosten bei seiner verletzten Ehefrau).

Auch unter Berücksichtigung von Art. 6 GG ergibt sich keine Einbeziehung der Eltern als geschützte Dritte. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 21.07.2015 - Az: 1 BvF 2/13 - zur bundesrechtlichen Regelung des Betreuungsgeldes unmissverständlich klargestellt, dass sich "konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen ... jedoch aus dem verfassungsrechtlichen Gebot des Art. 6 Abs. 1 und 2 GG die Pflege und Erziehungsleistung der Eltern zu unterstützen, nicht herleiten" lassen (aaO., Rn, 39).

Da § 24 Abs. 2 SGB VIII im Verhältnis zu den Eltern des Kindes nicht drittschützend ist, besteht kein Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz.

2.4.

Der Klägerin steht im Übrigen auch deshalb kein Anspruch auf Ersatz des entgangenen Verdienstes zu, weil der geltend gemachte Verdienstausfallschaden, selbst wenn die Klägerin geschützte Dritte wäre, nicht vom Schutzbereich der Norm erfasst wird.

Grundsätzlich sind zwar auch mittelbare verursachte Schäden ersatzfähig, so sie vom Zurechnungszusammenhang erfasst werden (Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Aufl., Vorbem. v. § 249 Rn. 52). Nicht jeder zurechenbar verursachte Schaden ist jedoch vom Schutzbereich der Norm umfasst. Der Schutzzweck dient insoweit der inhaltlichen Bestimmung und sachlichen Begrenzung der Amtshaftung (vgl. Staudinger-Wöstmann, aaO., Rn. 170). Der Ersatzanspruch hängt dementsprechend davon ab, ob gerade das im Einzelfall berührte Interesse nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäftes geschützt werden sollte (vgl. auch BGH, Urt. v. 22.01.2009, Az: III ZR 197/08, Rn. 11). Der Bundesgerichtshof fordert insoweit (BGH, Urteil vom 13.10.2011, III ZR 231/10, Rn.13): „Allerdings genügt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats die Feststellung, dass ein Geschädigter „Dritter“ im Sinne des § 839 BGB ist, noch nicht, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen. Vielmehr ist jeweils auch zu prüfen, ob gerade das im Einzelfall berührte Interesse nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt werden soll. Es kommt danach darauf an, ob der Schutzzweck der verletzten Amtspflicht auch den jeweils geltend gemachten Schaden erfasst.“

Vom Schutzbereich der Norm umfasst wären die Schäden, die dem Kind wegen Verstoßes gegen seinen Anspruch auf frühkindliche Förderung zustünden.

Das Landgericht (und ebenso auch Teile der Literatur), das sich auf die Gesetzesbegründung stützt, unterscheiden insoweit nicht (genau) zwischen der Frage, ob die Klägerin ggf. geschützte Dritte im Sinne des § 839 BGB wäre und der Frage, ob der geltend gemachte Schaden vom Schutzzweck der Norm umfasst ist.

Selbst wenn man daher mit den im Gesetzentwurf genannten gesellschaftspolitischen Zielen eine Einbeziehung der (sorgeberechtigten) Eltern in den Schutzbereich des Anspruch ihres Kindes auf Verschaffung eines Krippenplatzes begründen könnte, wäre ein Anspruch der Sorgeberechtigten auf Ersatz entgangenen Verdienstes wegen unterlassener Verschaffung des Krippenplatzes davon nicht umfasst. Letztlich gelten die oben unter 2.3. dargelegten Argumente auch insoweit. Hinzukommt, dass für die Frage der Ersatzfähigkeit eines Schadens ein adäquater Zusammenhang mit der ausdrücklichen Zielsetzung des § 24 Abs. 2 SGB VIII, der frühkindlichen Förderung, bestehen müsste. Mittelbare Schäden der Eltern, wie Verdienstausfall, sind hiervon nicht umfasst (vgl. auch Schübel-Pfister, aaO., S. 390).

Dahingestellt lassen kann der Senat daher, ob - wie Pauly/Beutel, aaO., S. 446 meinen - die elterliche Erwerbstätigkeit als gesetzgeberisches Ziel nicht von der Gesetzgebungskompetenz des Bundes umfasst wäre und sich schon deshalb eine Einbeziehung der Erwerbstätigkeit in den Schutzbereich des § 24 Abs. 2 SGB VIII verbiete.

3.

Die Klägerin kann ihren Schadensersatzanspruch auch nicht auf Verletzung der Pflichten aus einem - insoweit die Eltern drittschützenden - öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnis, §§ 280, 311, 249 BGB analog, stützen (so insbesondere Mayer, aaO., S. 385 ff.).

Die sinngemäße Anwendung des vertraglichen Schuldrechts als Ausdruck allgemeiner Rechtsgedanken auch auf öffentlich-rechtliche Verhältnisse entspricht zwar der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wenn ein besonders enges Verhältnis des Einzelnen zum Staat oder zur Verwaltung begründet worden ist und mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung ein Bedürfnis für eine angemessene Verteilung der Verantwortung innerhalb des öffentlichen Rechts vorliegt (vgl. hierzu und im weiteren BGH, Urteil vom 13.10.2011 - III ZR 126/10, Rn. 20/1).

So hat der Bundesgerichtshof vertragsähnliche Beziehungen, die die Anwendung des vertraglichen Schuldrechts erlauben, im Verhältnis eines Anschlussnehmers zur Gemeinde hinsichtlich des Betriebs einer gemeindlichen Abwasserkanalisation, beim Betrieb der Wasserversorgung als öffentliche Einrichtung, für ein anstaltliches Nutzungsverhältnis zwischen dem Benutzer und dem hoheitlichen Träger eines kommunalen Schlachthofs, für das Verhältnis eines Beregnungswasser für die Landwirtschaft bereitstellenden Wasser- und Bodenverbandes zu den Landwirten als seinen Mitgliedern, für das Verhältnis eines Straßenbaulastträgers zu einem Eisenbahnunternehmer in Bezug auf die Unterhaltung einer Kreuzungsanlage und für das Rechtsverhältnis zwischen dem Bund und dem Träger der Beschäftigungsstelle angenommen, das mit der Anerkennung einer privatrechtlich organisierten Beschäftigungsstelle des Zivildienstes nach § 4 ZDG begründet wird.

Gemessen an diesen Entscheidungen ist für den Zeitpunkt der behaupteten Unterlassung dagegen ein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis nicht anzuerkennen.

Zwar sind die meisten Fälle, in denen die Rechtsprechung bisher ein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis anerkannt hat, durch Leistungsbeziehungen geprägt, die im Verhältnis einer Stelle der öffentlichen Hand zu einer Privatperson bestehen, so dass es nahe liegt, bei entsprechenden Leistungsstörungen auf das bürgerliche Recht zurückzugreifen. Auch könnte man die auf der Grundlage von § 24 Abs. 2 SGB VIII begründete öffentlich-rechtlichen Beziehung dann als Leistungsbeziehung ansehen, wenn ein konkreter Platz verschafft worden ist. Alleine der aus § 24 Abs. 2 SGB VIII folgende Anspruch begründet jedoch noch kein öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis: Dieses setzt vielmehr ein bereits bestehendes konkretes Leistungs- oder Benutzungsverhältnis oder den beabsichtigten Abschluss eines ganz bestimmten solchen Verhältnisses voraus (beispielsweise Betreten eines konkreten Schwimmbades). Zwischen dem Kind bzw. den sorgeberechtigten Eltern und der Beklagten bestand zur Zeit der schädigenden Handlung jedoch kein solches Verhältnis in Bezug auf eine konkrete Kindertagesstätte und damit auch noch kein öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis, dessen Pflichten verletzt sein könnten (die Frage des Drittschutzes kann insoweit erst recht dahingestellt bleiben).

Würde man der Auffassung von Mayer folgen, würde man in jedem Falle, in welchem ein öffentlich-rechtlicher Anspruch auf eine Leistung im weiten Sinne besteht, bereits ein öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis annehmen müssen. Dem steht aber entgegen, dass eine öffentlich-rechtliche Sonderverbindung fehlt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Die Revision wird zugelassen. Die Voraussetzungen von § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO sind gegeben. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, weil die streitgegenständliche Frage in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen bedeutsam sein kann und deshalb ein abstraktes Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt ist. Darüber hinaus werden in Rechtsprechung und Literatur im Hinblick auf die Drittbezogenheit und den Schutzzweck der Norm des § 24 Abs. 2 SGB VIII verschiedene Auffassungen vertreten, höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu liegt nicht vor.

V.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 3 ZPO. Dabei ist für die Berechnung des Streitwertes ausschließlich die bezifferte Hauptforderung entscheidend. Die vorgerichtlichen, nicht anrechenbaren Rechtsanwaltskosten stellen lediglich eine unselbständige, den Streitwert nicht erhöhende, Nebenforderung dar, § 4 Abs.1 S.2 ZPO ( Zöller/ Herget, aaO., § 4 Rn.13 ).