OLG Hamm, Beschluss vom 24.04.2015 - 15 W 455/14
Fundstelle
openJur 2015, 15176
  • Rkr:

Ein berechtigter Vertrauenstatbestand, der die Anwendung der Ausschlussfrist des § 2 VBVG nach § 242 BGB entgegensteht, wurde nicht bereits dadurch geschaffen, dass einmalig für einen zurückliegenden Zeitraum noch im Jahre 2010 eine Vergütung nach einem pauschalen Prozentsatz vom Aktivvermögen und ohne Berücksichtigung der Ausschlussfrist rechtskräftig festgesetzt worden ist.

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beteiligte.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 31.725,00 € festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 26.05.2004 bestellte das Amtsgericht die Beteiligte zur Nachlasspflegerin.

Mit Schreiben vom 16.07.2013 (Bl. 1113), beim Amtsgericht am selben Tag eingegangen, beantragte die Beteiligte die Festsetzung einer Vergütung für den Zeitraum September 2009 bis Dezember 2012 in Höhe von 31.725,00 €. Diesen Betrag errechnete sie mit 2 % von dem Aktivvermögen von 1.332.992,54 € zuzüglich 19 % Umsatzsteuer.

Dabei nahm sie Bezug auf Ihren vorangegangenen, in dieser Nachlasspflegsschaftssache 1. Antrag vom 28.08.2009 (Bl. 624) auf Festsetzung der Vergütung für den Zeitraum Mai 2004 bis August 2009 in Höhe von 34.340,63 €, der nach einem Prozentsatz von 2 % aus einem Aktivvermögen von 1.442.883,68 € errechnet worden war. Hierauf wurde durch rechtskräftigen Beschluss vom 14.04.2010 eine Vergütung von 28.857,67 € festgesetzt, das ist der geltend gemachte Betrag abzüglich 19 % Umsatzsteuer (Bl. 811).

Nachdem die vom Amtsgericht bestellte Verfahrenspflegerin, Rechtsanwältin S, Bedenken gegen den Antrag vom 16.07.2013 im Hinblick auf die Verjährungsvorschriften erhoben hatte, bat das Amtsgericht mit Schreiben vom 23.10.2013 um Überprüfung des Antrags. Mit Schreiben vom 23.06.2014 (Bl. 1175) machte die Beteiligte geltend, es sei bei der Bestellung "vereinbart" worden, dass anstelle der konkreten Abrechnung des Zeitaufwandes eine Abrechnung nach Prozenten erfolge, dies sei bei der damals zuständigen Rechtspflegerin so üblich gewesen und werde auch heute noch bei diversen Gerichten so gehandhabt. Zu keinem Zeitpunkt sei darüber gesprochen worden, dass die Ansprüche verjährt sein könnten. Daher könne das Nachlassgericht nicht ohne Vorwarnung von seiner Handhabung abweichen, das verstoße gegen Treu und Glauben und die Grundsätze eines fairen Verfahrens.

Mit Beschluss vom 09.09.2014 wies das Nachlassgericht den Vergütungsantrag zurück. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten, der das Amtsgericht mit Beschluss vom 22.10.2014 nicht abhalf.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Nach §§ 1960, 195 Abs. 1 S. 1, 1836 Abs. 1 S. 3 BGB in Verbindung mit § 2 S. 1 VBVG erlischt der Vergütungsanspruch eines Nachlasspflegers, wenn er nicht binnen fünfzehn Monaten nach seiner Entstehung beim Nachlassgericht geltend gemacht wird. § 2 VBVG ist auch auf die dem Nachlasspfleger zustehenden Vergütungsansprüche anwendbar (BGH FamRZ 2013, 295 = NJW-RR 2013, 519, 295 mit weiteren Nachweisen).

Der Vergütungsanspruch eines Nachlasspflegers entsteht für jede konkret aufgewandte und erforderliche Stunde zur Nachlasspflege. Die Frist des § 2 VBVG beginnt daher für jede vom Nachlasspfleger aufgewandte Tätigkeit jeweils taggenau mit der an diesem Tag eintretenden Fälligkeit. Diese Frist wird nur durch einen bei dem Amtsgericht zu stellenden Antrag gewahrt, der inhaltlich den Mindestanforderungen genügt, um die Prüfung und Feststellung der zutreffenden Vergütungshöhe zu ermöglichen. Dazu reicht die bloße Angabe der Stundenzahl ohne konkreten Tätigkeitsnachweis für die fristgerechte Geltendmachung des Anspruchs nicht aus (BGH a.a.O.; Senat FGPrax 2009, 161 ff.; KG FGPrax 2011, 235; OLG München MDR 2006, 815; OLG Frankfurt FGPrax 2001, 243). Diesen Anforderungen entsprachen der Antrag der Beteiligten vom 16.07.2013 und ihr ergänzendes Schreiben vom 23.06.2014 auch nicht im Ansatz, weil sie keine Angaben zum Umfang ihrer Tätigkeit als Nachlasspflegerin enthalten. Eine wenn auch nur stark zusammengefasste Darstellung ihrer Tätigkeit enthält erstmals ihre Beschwerdebegründung vom 10.10.2014. Damit hat die Beteiligte, weil die pauschale Anmeldung von Ansprüchen, die keine Prüfung der Vergütungshöhe ermöglicht, nach ganz einhelliger Ansicht nicht zur Fristwahrung genügt, die 15-Monatsfrist nicht gewahrt. Ihr Vergütungsanspruch für die im geltend gemachten Zeitraum erbrachten Tätigkeiten ist deshalb nach § 2 VBVG erloschen.

Der Anwendung der Ausschlussfrist des § 2 VBVG steht im vorliegenden Fall auch nicht der Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB entgegen (zu dieser Möglichkeit vgl. BGH a.a.O.). Die Berufung auf die Ausschlussfrist kann zwar unter diesem Gesichtspunkt dann ausgeschlossen sein, wenn der Schuldner durch sein Verhalten den Gläubiger von einer rechtzeitigen Geltendmachung des Anspruchs abgehalten hat (BGH a.a.O.). Abgesehen davon, dass der Staat vorliegend nicht Schuldner der Beteiligten ist, kann der Senat ein treuwidriges Verhalten der für die Festsetzung zuständigen Nachlass-Rechtspflegerin des Amtsgerichts vorliegend nicht feststellen. Zwar hat die Rechtspflegerin sich in dem ersten Antrag der Beteiligten vom 28.08.2009 auf Festsetzung der Vergütung für den Zeitraum Mai 2004 bis August 2009 in Höhe von 34.340,63 € nicht auf die Ausschlussfrist berufen und diesem Antrag stattgegeben. Dies beruhte aber offensichtlich auf Unkenntnis auch der Rechtspflegerin über die Rechtslage, weil sie diesen ersten Antrag aus denselben Gründen wie den zweiten schon wegen der Fristversäumnis, aber auch mangels Abrechnung der Vergütung nach Zeit und Stundensatz (so schon KG FamRZ 2006, 225 = FGPrax 2005, 264) hätte zurückweisen müssen. Die Unkenntnis der Rechtspflegerin vermag aber die Unkenntnis der Beteiligten nicht zu entschuldigen und ihren Antrag zum Erfolg zu verhelfen, weil von einer berufsmäßig tätigen Nachlasspflegerin, die dazu noch Rechtsanwältin ist, die Kenntnis der für die Anmeldung von Vergütungs- und Aufwendungsersatzansprüchen geltenden gesetzlichen Fristen und der mit deren Ablauf verbundenen Rechtsfolgen erwartet werden kann (BGH a.a.O.; KG a.a.O. und Rpfleger 2011, 605), eines Hinweises des Nachlassgerichts bedarf es nicht (OLG Köln FamRZ 2013, 1837).

Dabei ist auch in den Blick zu nehmen, dass die Rechtslage nicht so unübersichtlich oder zweifelhaft ist, dass sie selbst ein rechtskundiger Dritter nicht einzuschätzen vermag:

- vgl. zur Rechtsprechung zu § 2 VBVG: OLG Frankfurt, Beschluss vom 27.08.2001 - 20 W 159/01 -, FGPrax 2001, 243 (zur Betreuervergütung); OLG Frankfurt, Beschluss vom 13.08.2001 - 20 W 113/01 -, FamRZ 2002, 193; OLG Köln, Beschluss vom 26. Februar 2002 - 16 Wx 26/02 -, OLGR Köln 2002, 338; KG Beschluss vom 09.09.2005 - 1 W 166/05 -, FGPrax 2005, 264 = FamRZ 2006, 225; BGH MDR 2008, 1399; BGH MDR 2012, 1066; Senat Beschluss vom 22.01.2009, FGPrax 2009, 161;

- die Frage, dass § 2 VBVG auch für die Nachlasspflegervergütung gilt, behandeln z.B. folgende veröffentlichte Entscheidungen: KG FamRZ 2006, 225 = FGPrax 2005, 264; KG Rpfleger 2006, 76; OLG Zweibrücken FGPrax 2007, 233 = Rpfleger 2007, 471; OLG Köln, Beschluss vom 06. August 2007 - 2 Wx 14/07 -, Rn. 9, juris;

- zur Frage der Ausschlussfrist vgl. auch Palandt/Diederichsen, 63. Aufl., 2004, § 1835 Rn. 20 und § 1836 Rn. 12;

- zur Frage, dass die Vergütung nicht mehr nach Prozentsätzen des Nachlasswertes berechnet werden kann: Palandt/Edenhoffer, 63. Aufl., 2004, § 1960 Rn. 25 unter Hinweis auf den Senatsbeschluss NJW-RR 2002, 1445 = FGPrax 2002, 229 = Rpfleger 2002, 518, in dem der Senat ausgeführt hat, dass aufgrund der Änderung der gesetzlichen Vorschrift des § 1836 BGB durch das BtÄndG ab dem 01.01.1999 in Prozentsätzen des Nachlasses ausgedrückte Richtwerte keine für die Bemessung der Vergütung des Nachlaßpflegers prägende Bedeutung mehr haben können.

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung hätte der Beteiligten spätestens im Jahr 2010 klar sein müssen, dass sie durch den Beschluss vom 14.10.2010 eine zu ihren Gunsten vorteilhafte Entscheidung ohne hinreichende gesetzliche Grundlage erwirkt hatte. Unter diesen Umständen kann ein Vertrauen der Beteiligten darauf, dass diese gesetzwidrige Praxis auch in Zukunft unbeschränkt fortgesetzt werde, nicht als schutzwürdig anerkannt werden.

Ob bei einer längerfristigen gleichmäßigen Übung des zuständigen Nachlassgerichts die Rechtslage anders zu beurteilen wäre, kann vorliegend dahinstehen, weil es hier nur in zwei Fällen zum Antrag der Beteiligten auf Vergütungsfestsetzung gekommen ist.

Die von der Beteiligten behauptete "Vereinbarung" mit der früher zuständigen Rechtspflegerin vermag daran nichts zu ändern, weil ihr als Rechtsanwältin auch bekannt sein müsste, dass sie solche Vereinbarungen nicht wirksam mit der für das Nachlassgericht tätigen Rechtspflegerin schließen kann, die einzig die nach den gesetzlichen Vorschriften zulässigen Entscheidungen - hier: Vergütungsfestsetzungen - treffen darf, der jedoch keine gesetzliche Vertretungsmacht zulasten der unbekannten Erben zusteht, einen Dispens von zwingenden gesetzlichen Vorschriften zu erteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Die Voraussetzungen zur Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor.