VG Würzburg, Beschluss vom 06.07.2015 - W 6 S 15.50224
Fundstelle
openJur 2015, 12130
  • Rkr:

Einstweiliger Rechtsschutz;Iranischer Staatsangehöriger;Abschiebungsanordnung nach Ungarn;Keine systemischen Mängel des Asylverfahrens in Ungarn;Inhaftierung von Dublin-Rückkehrern;Keine generelle Empfehlung des UNHCR;Keine durchgreifenden Gründe in der Person des Antragstellers;Medizinische Versorgung in Ungarn gewährleistet;Abschiebung besonders gefährdeter Personen (psychisch Kranker) grundsätzlich möglich, wenn vorherige Mitteilung an ungarischen Staat über besondere Schutzbedürftigkeit;Antragsablehnung mit Maßgabe der vorherigen Einholung einer Stellungnahme des Gesundheitsamtes sowie Information der ungarischen Behörden über psychische Erkrankung und besondere Bedürfnisse des Antragstellers;Notwendige Vorkehrungen durch die mit der Abschiebung betraute Behörde;Zeitweilige Reiseunfähigkeit unschädlich, sofern Abschiebung innerhalb der Rücküberstellungsfrist möglich;Ablehnung von Prozesskostenhilfe

Tenor

I. Der Antrag wird mit der Maßgabe abgelehnt,

a) dass vor der Durchführung der Abschiebung des Antragstellers nach Ungarn eine Stellungnahme des zuständigen Gesundheitsamtes unter Berücksichtigung der vorliegenden ärztlichen Bescheinigungen, insbesondere der „Aufenthaltsbescheinigung“ des Krankenhauses für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin Lohr am Main vom 25. Juni 2015, eingeholt wird, die bestätigt, dass von medizinischer Seite keine Einwände bestehen, den Antragsteller angesichts seiner psychischen Erkrankung und der daraus resultierenden Bedürfnisse sowie der praktischen Behandlungsmöglichkeiten in Ungarn nach Ungarn zu überstellen, und gegebenenfalls welche Vorkehrungen dabei zu beachten sind;

b) dass – soweit eine Überstellung ärztlicherseits nach Buchstabe a) möglich ist – die ungarischen Behörden vor bzw. bei der Durchführung der Abschiebung des Antragstellers nach Ungarn – unter Berücksichtigung der vorliegenden ärztlichen Erkenntnisse – über dessen psychische Erkrankung sowie die erforderliche Weiterbehandlung und Medikation informiert werden und auch die sonstigen notwendigen Vorkehrungen getroffen werden (z.B. Versorgung mit ausreichenden Medikamenten), um eine seinen Bedürfnissen entsprechende nahtlose Weiterbehandlung in Ungarn sicherzustellen.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird sowohl für das vorliegende Verfahren als auch für das Klageverfahren W 6 K 15.50223 abgelehnt.

Gründe

I.

1.

Der Antragsteller, ein iranischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben am 23. Februar 2015 in die Bundesrepublik Deutschland und stellte am 30. April 2015 einen Asylantrag.

Nach den Erkenntnissen der Antragsgegnerin lagen Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin-III-VO) vor. Auf ein Übernahmeersuchen vom 1. Juni 2015 erklärten die ungarischen Behörden mit Schreiben vom 12. Juni 2015 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags gemäß der Dublin III-VO.

Mit Bescheid vom 16. Juni 2015 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1) und ordnete die Abschiebung des Antragstellers nach Ungarn an (Nr. 2). Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, der Asylantrag sei gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, da Ungarn aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags gemäß Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei.

2.

Am 29. Juni 2015 ließ der Antragsteller im Verfahren W 6 K 15.50223 Klage erheben und im vorliegenden Verfahren beantragen,

a) die aufschiebende Wirkung der Klage vom heutigen Tag gegen die Abschiebungsanordnung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16. Juni 2015 anzuordnen.

b) Dem Kläger wird auch für das Verfahren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage Prozesskostenhilfe bewilligt.

Zur Begründung ließ der Antragsteller im Wesentlichen vorbringen, in Ungarn bestünden systemische Mängel sowohl im Asylsystem als auch bei den Aufnahmebedingungen. Unter Verweis auf verschiedene Unterlagen ließ der Antragsteller weiter ausführen, dass es bei Asylsuchenden in Ungarn zu systematischen Inhaftierungen komme. Im Rahmen der Inhaftierung ergäben sich menschenwidrige Bedingungen. Dem Antragsteller drohe mit zumindest hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Inhaftierung. Wirksame Rechtschutzmöglichkeiten hiergegen bestünden nicht. Hinzu komme, dass der Antragsteller an erheblichen psychischen Problemen leide, die zum einen eine engmaschige ambulante nervenärztliche Begleitung und Behandlung notwendig machten. Der Antragsteller sei aufgrund dieser Erkrankung derzeit reiseunfähig. Auf eine in der Anlage beigefügte Aufenthaltsbescheinigung des Nervenkrankenhauses Lohr vom 25. Juni 2015 werde verwiesen. Der Antragsteller könne in Ungarn eine entsprechende Behandlung nicht erhalten bzw. eine solche könne nicht nahtlos fortgesetzt werden.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze samt Anlagen sowie die Gerichtsakte (einschließlich der Akte des Klageverfahrens W 6 K 15.50223) und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig, aber unbegründet.

1.

Der Antrag ist unbegründet, weil kein Ausnahmefall vorliegt, der eine Aussetzung der Abschiebung gebietet. Denn der streitgegenständliche Bescheid der Antragsgegnerin ist nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten, so dass das öffentliche Vollzugsinteresse das Privatinteresse des Antragstellers, vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache im Bundesgebiet verbleiben zu dürfen, überwiegt.

Bei Ungarn handelt es sich um einen sicheren Drittstaat i.S. des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 GG, § 26 a Abs. 2 AsylVfG. Ungarn ist für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig (§ 27a AsylVfG). Ungarn hat sich auch gemäß den Regelungen der Dublin III-VO bereit erklärt, den Antragsteller zu übernehmen.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Gründe des streitgegenständlichen Bescheides verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylVfG). Das Vorbringen in der Antragsbegründung führt zu keiner anderen Beurteilung.

2.

Die ausnahmsweise Zuständigkeit der Antragsgegnerin, insbesondere durch die Begründung eines Selbsteintritts (vgl. Art. 3 Abs. 2 und Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO), ist nicht ersichtlich.

Gemäß der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darf ein Asylbewerber nur dann nicht an den nach der Dublin III-VO zuständigen Mitgliedsstaat überstellt werden, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedsstaat aufgrund systemischer Mängel, d.h. regelhaft, so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber auch im konkret zu entscheidenden Einzelfall dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen kann ein Asylbewerber eine Überstellung im Dublin-Verfahren entgegentreten. Das Bundesverwaltungsgericht nimmt dabei Bezug auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sowie des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und hat im Einklang damit die Annahme systemischer Mängel an hohe Hürden geknüpft. Im Hinblick auf die Annahme systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen kommt es nicht darauf an, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel im Einzelfall zu einer unmenschliche oder erniedrigenden Behandlung kommen kann (BVerwG, B.v. 6.6.2014 – 10 B 35/14 – Buchholz 402.25, § 27a AsylVfG Nr. 2; B.v. 15.4.2014 – 10 B 16/14 – Buchholz 402.25, § 27a AsylVfG Nr. 1; B.v. 19.3.2014 – 10 B 6/14NVwZ 2014, 1039 mit Anmerkung Berlit, jurisPR-BVerwG 12/2014, Anm. 3).

Das Gericht ist nicht davon überzeugt, das in Ungarn systemische Mängel (Schwachstellen) des Asylverfahrens sowie der Aufnahmebedingungen herrschen. Dies hat das Verwaltungsgericht Würzburg – wie auch dem Bevollmächtigten des Antragstellers bekannt ist – wiederholt so entschieden (vgl. insbesondere VG Würzburg, Be.v. 15.6.2015 – W 6 S 15.50181, W 6 S 15.50179, W 6 S 15.50177; B.v. 28.5.2015 – W 6 S 15.50151; B.v. 22.5.2015 – W 6 S 15.50076; Be.v. 18.5.2015 – W 6 S 15.50106, W 6 S 15.50104 – juris; Be.v. 11.5.2015 – W 6 S 15.50123, W 6 S 15.50121, W 6 S 15.50119 sowie etwa VG Würzburg, Be.v. 11.6.2015 – W 2 S 15.50195, W 2 S 15.50174, W 2 S 15.50147; U.v. 29.4.2015 – W 1 K 14.30139 – juris; B.v.2.4.2015 – W 2 E 15.50041; B.v. 19.3.2015 – W 2 S 14.50207; B.v. 2.1.2015 – W 1 S 14.50120 – juris; anderer Ansicht im Einzelfall einer besonders schutzbedürftigen Person VG Würzburg, B.v. 20.3.2015 – W 6 S 15.50018). An seiner Rechtsprechung, auf die ergänzend Bezug genommen wird, hält das Gericht fest.

Das Vorbringen des Antragstellers unter Bezugnahme auf (teilweise) neue Erkenntnismittel und neue Rechtsprechung rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Das Gericht verkennt nicht das Bestehen der in den vorliegenden und auch von Antragstellerseite zitierten Berichten dargestellten Missstände, insbesondere zur Inhaftierungspraxis in Ungarn. Diese begründen jedoch für sich keine systemischen Mängel im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.

Denn weiterhin ist festzuhalten, dass der UNHCR bislang keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder Aufnahmebedingungen in Ungarn explizit festgestellt und keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, im Rahmen des Dublin-Verfahrens Asylbewerber nicht nach Ungarn zu überstellen. Das Fehlen einer generellen Empfehlung des UNHCR, von einer Überstellung nach Ungarn abzusehen, kommt besondere Bedeutung zu, weil die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem Drittstaat, der nach den Kriterien der Dublin-III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird, angesichts der Rolle, die dem Amt des UNHCR durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, die bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrens zu beachten ist, besonders relevant sind (vgl. EUGH, U.v. 30.5.2013 – C 528/11 – ABl EU 2013 Nr. C 225, 12 – NVwZ-RR 2013, 660).

Auch unter Einbeziehung der neuesten Berichte zur tatsächlichen Situation in Ungarn, insbesondere im Hinblick auf die regelmäßige Inhaftierung von Dublin-Rückkehrern ist festzustellen, dass die dort genannten Missstände nach Überzeugung des Gerichts jedenfalls nicht die Qualität systemischer Mängel erreichen. Das Gericht folgt nicht der vom Antragstellerbevollmächtigten zitierten Rechtsprechung, die das Vorliegen systemischer Mängel im Hinblick auf die Inhaftierungspraxis in Ungarn nunmehr für gegeben bzw. für überprüfungsbedürftig hält. Das Gericht schließt sich vielmehr der gegenteiligen Rechtsauffassung an (vgl. neben der von der Antragsgegnerin bereits zitierten Rechtsprechung insbesondere VG München, B.v. 20.5.2015 – M 1 S 14.50568, M 1 K 14.50567 – juris; VG Düsseldorf, B.v. 11.5.2015 – 22 L 1329/15.A – juris; B.v. 15.4.2015 – 13 L 1259/15.A – juris; VG Gelsenkirchen, B.v. 10.4.2015 – 18a L 453/15.A – juris; VG Saarland, B.v. 1.4.2015 – 3 L 184/15 – juris; B.v. 1.4.2015 – 3 L 186/15 – juris; VG Düsseldorf, B.v. 1.4.2015 – 13 L 1031/15.A – juris; B.v. 31.3.2015 – 13 L 229/15.A – juris; U.v. 20.3.2015 – 13 K 501/14.A – juris; VG München, B.v. 30.3.2015 – M 12 S 15.50038 – juris; VG Augsburg, U.v. 23.3.2015 – Au 4 K 14.50156 – juris).

Nach dieser Rechtsprechung, auf die Bezug genommen wird, und unter Berücksichtigung der auch von Antragstellerseite angesprochenen Quellen ist – nach Überzeugung des Gerichts aufgrund nochmaliger Prüfung – festzustellen, dass die Inhaftierungsvorschriften in Ungarn und die Anwendung dieser Vorschriften für sich noch keinen Anhaltspunkt für systemische Mängel belegen. Die ungarischen Inhaftierungsvorschriften entsprechen den Vorgaben des Europäischen Rechts. Konkret ist nicht ersichtlich, dass die ungarische Asylhaftpraxis die Grenzen des europäischen Rechts systematisch überschreitet, selbst wenn Dublin-Rückkehrer regelmäßig, jedoch nicht ausnahmslos, inhaftiert werden, weil und soweit die ungarischen Behörden einen legalen Haftgrund (wie insbesondere Fluchtgefahr) annehmen. Die Inhaftierung ist nicht Folge der Stellung des Asylantrags, sondern ist Folge der Umstände, die das individuelle Verhalten des Antragstellers vor und bei der Antragstellung kennzeichnen. Weiterhin ergibt sich aus den vorliegenden Erkenntnissen, dass im Einzelfall auch von einer Asylhaft abgesehen werden kann und auch abgesehen wird, mithin die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls bei einer Haftanordnung berücksichtigt werden. Auch die Dauer der Asylhaft ist nach dem ungarischen System am Fortbestehen eines Haftgrundes gekoppelt. Des Weiteren ist ein Rechtsschutzsystem in Ungarn gesetzlich installiert. Aus der geringen Erfolgsquote der Rechtsbehelfe in Ungarn kann, nicht ohne Weiteres gefolgert werden, dass das ungarische Verfahren insoweit die europäischen Asylstandards generell nicht erfüllt. Ebenso wenig kann das Gericht den aktuellen Auskünften entnehmen, dass die Haftbedingungen in Ungarn systemisch eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der Dublin-Rückkehrer bewirken, vielmehr werden insbesondere die elementaren Bedürfnisse befriedigt. Sofern in den Berichten auf einzelne Fälle Bezug genommen wird, ist nicht erkennbar, dass diese Fälle unterschiedslos verallgemeinerungsfähig sind. Des Weiteren ist anzumerken, dass sich die ungarische Regierung auftretenden Problemen in der Vergangenheit nicht verschlossen hat, sondern durchaus konstruktiv an Verbesserungen gearbeitet hat und arbeitet.

Zusammenfassend ist auch unter Berücksichtigung der vorliegenden neuen Erkenntnisse festzuhalten dass – solange keine systemischen Mängel in Ungarn nach Überzeugung des Gerichts belegt sind – weiterhin davon auszugehen ist, dass auch für Ungarn die Vermutung besteht, dass Asylsuchende – abgesehen von Ausnahmen in Einzelfällen – in Einklang mit den Vorgaben der Grundrechtecharta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der europäischen Menschenrechtskonvention behandelt werden. Selbst wenn dem Antragsteller bei einer Rückkehr nach Ungarn gemäß den dortigen Vorschriften eine Inhaftierung zeitweilig drohen sollte, reicht dies nicht zur Überzeugungsgewissheit des Gerichts aus, die auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens gründende Vermutung zu widerlegen, dass die jeweiligen Mitgliedsstaaten (hier Ungarn) die geltenden rechtlichen Vorgaben einhalten.

3.

Weiter sind in der Person des Antragstellers – unter Berücksichtigung der im Tenor ausgesprochenen Maßgaben – keine Gründe ersichtlich, die den streitgegenständlichen Bescheid rechtswidrig machen bzw. eine einstweilige Aussetzung der Vollziehung gebieten, um von einer Überstellung des Antragstellers nach Ungarn abzusehen. Daran ändert insbesondere nichts die vorgelegte „Aufenthaltsbescheinigung“ des Krankenhauses für Psychiatrie, Psychotherapie und psychosomatische Medizin Lohr am Main vom 25. Juni 2015. Dort ist nur in einem Satz ausgeführt, dass sich der Antragsteller wegen schwerer depressiver Episode sowie Verdachts auf eine posttraumatische Belastungsstörung mittlerweile in stationärer Behandlung befinde. Entgegen dem Vorbringen des Antragstellerbevollmächtigten ist der Bescheinigung nicht zu entnehmen, dass der Antragsteller zurzeit reiseunfähig wäre bzw. aus medizinischen Gründen nicht auch in Ungarn (weiter) behandelt werden könnte. Insbesondere im Hinblick auf eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) fehlt es an der hinreichenden erforderlichen Substanziierung (vgl. nur BVerwG, B.v. 26.11.2014 – 1 B 25.14 – juris).

Aber selbst wenn man zugunsten des Antragstellers davon ausgehen wollte, dass aufgrund der Schwere der Erkrankung, die nunmehr eine zeitweise vollstationäre Aufnahme erforderlich gemacht habe, vorübergehend eine aktuelle Reiseunfähigkeit besteht, ist festzuhalten, dass bis zum Ablauf der Überstellungsfrist (12.12.2015) mehrere Monate blieben, um die Reiseunfähigkeit zu beheben. Ein vorübergehendes Vollstreckungshindernis, das von der Antragsgegnerin beachtet wird (jedenfalls infolge der vom Gericht aufgestellten Maßgaben), ist unschädlich, da und so lange nicht feststeht, dass eine Abschiebung innerhalb der Rücküberstellungsfrist generell rechtlich oder tatsächlich unmöglich ist. Für eine aktuelle bevorstehende Abschiebung trotz – unterstellt – bestehender Reiseunfähigkeit fehlen jegliche Anhaltspunkte.

Im Hinblick auf das Grundrecht des Antragstellers auf körperliche Unversehrtheit ist seinem Anliegen im vorliegenden Fall durch die aufgestellte Maßgabe hinreichend Rechnung getragen. Danach ist eine Abschiebung nur unter Wahrung der gesundheitlichen Belange des Antragstellers möglich. Im Übrigen geht das Gericht davon aus, dass die Antragsgegnerin ohnehin von sich aus veranlasst, dass vor Durchführung einer Überstellung nicht nur mögliche Vollstreckungshindernisse (wie insbesondere die Reisefähigkeit) überprüft und eventuell erforderliche Vorkehrungen getroffen werden, sondern dass auch alle relevanten Informationen – gegebenenfalls auch über besondere Bedürfnisse (einschließlich einer eventuell notwendigen medizinischen Versorgung) – an den Aufnahmestaat übermittelt werden, wie dies in Art. 31 und 32 der Dublin III-Verordnung ausdrücklich vorgesehen ist. Ohnehin ist es Sache der mit dem Vollzug der Abschiebung betrauten Behörden, eventuellen Gesundheitsgefahren bei der Abschiebung angemessen zu begegnen, etwa durch die entsprechende Gestaltung der Abschiebung und Information des aufnehmenden Staates (vgl. schon VG Würzburg, U.v. 30.4.2014 – W 6 K 13.30525 – juris sowie BayVGH, B.v. 30.9.2003 – 10 CE 03.2581BayVBl. 2004, 87, B.v. 9.4.2003 – 10 CE 03.484 – NVwZ 2004, Beilage Nr. I 2, 14). Das Gericht hat keine Anhaltspunkte, dass die Antragsgegnerin ihren diesbezüglichen Verpflichtungen nicht nachkommen würde. Im Übrigen hat das Gericht durch die aufgestellten Maßgaben die entsprechende Verpflichtung nochmals verdeutlicht.

Mit den tenorierten Maßgaben wird des Weiteren auch gewährleistet, dass der Antragsteller bei einer Überstellung nach Ungarn nahtlos eine Behandlung seiner psychischen Erkrankung erhält. Nach den vorliegenden Erkenntnissen hat der Antragsteller in Ungarn unter Beachtung dieser Vorkehrungen Zugang zu der erforderlichen medizinischen Versorgung. Die notwendige medizinische Versorgung ist in Ungarn für Asylbewerber gewährleistet. Die Gesundheitsversorgung umfasst die psychologische Betreuung und die psychotherapeutische Behandlung auch im Hinblick auf eine mögliche posttraumatische Belastungsstörung. Für psychisch Kranke gibt es gesonderte Behandlungszentren (siehe schon VG Würzburg, U.v. 30.4.2014 – W 6 K 13.30525 – juris mit weiteren Nachweisen). Das Auswärtige Amt führt zur Frage der Versorgung behandlungsbedürftiger Asylbewerber während und nach der Überstellung nach Ungarn aus, dass dann, wenn der überstellende Mitgliedstaat die ungarischen Behörden vorab unterrichtet, dass der Zurückzuführende behandlungsbedürftig ist, die Dublin-Koordinationseinheit die übernehmenden ungarischen Behörden unterrichten werde, damit entsprechende Vorkehrungen getroffen werden, die zurückzuführende Person ärztlicherseits in Empfang zu nehmen, damit sie auch in der Folge die notwendige Behandlung und Aufsicht erfährt (vgl. Auswärtiges Amt, Stellungnahme vom 19.11.2014 an das VG Düsseldorf, S. 5). Damit wird jedenfalls einer wesentlichen Verschlimmerung der Krankheit bei einer Überstellung nach Ungarn hinreichend vorgebeugt. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Behandlung die gleiche Qualität wie in Deutschland hat (vgl. im Einzelnen VG Würzburg, U.v. 29.4.2015 – W 1 K 14.30139 – juris; VG Gelsenkirchen, B.v. 10.4.2015 – 18a L 453/15.A; B.v. 4.2.2014 – 3a L 1893/13.A; vgl. auch schon VG Würzburg, U.v. 30.4.2014 – W 6 K 13.30525 – juris; U.v. 3.12.2013 – W 6 K 13.30253 – juris).

Schließlich steht auch nicht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Einstweilige Anordnung v. 30.4.2015 – 2 BvR 746/15 – AuAS 2015, 139) der Antragsablehnung unter bestimmten Maßgaben entgegen. Das Bundesverfassungsgericht hat – in einer anderen Fallkonstellation – moniert, es bleibe dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge überlassen zu entscheiden, ob es die Maßgaben des Gerichts als erfüllt ansehe oder nicht; demgegenüber müssten angefochtene Hoheitsakte grundsätzlich in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig nachprüfbar sein. Denn zum einen unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem des Bundesverfassungsgerichts, weil durch die verpflichtende Einschaltung des Gesundheitsamtes nicht allein dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Entscheidung über das Vorliegen gesundheitsbedingter Abschiebungshindernisse überlassen bleibt. Zum anderen besteht jederzeit die Möglichkeit, sowohl bei einer Veränderung der Umstände als auch bei einer drohenden Abschiebung ohne Beachtung der aufgestellten Maßgaben, erneut das Verwaltungsgericht anzurufen (vgl. nur VG Würzburg, B.v. 20.5.2015 – W 1 E 15.50143 – juris für den Fall einer unmittelbar bevorstehenden Abschiebung trotz Vorliegens einer Reiseunfähigkeit). Denn auch bei nachträglich auftretenden Abschiebungshindernissen bestehen selbst bei einer bestandskräftigen Abschiebungsanordnung weiterhin Rechtsschutzmöglichkeiten (vgl. BayVGH, B.v. 21.4.2015 – 10 CE 15.810, 10 CE 15.813 – juris).

Nach alledem ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG abzulehnen.

Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, hat die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, so dass auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowohl für das vorliegende Verfahren als auch für das Klageverfahren W 6 K 15.50223 abzulehnen war (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO).